"Dieses ständige Warten bringt mich zur Weißglut!"
Mit einem Knurren spricht Wolfhart die Worte aus, die alle denken.
"Soll sich Severus um seine Angelegenheiten doch selber kümmern! Ich war eh nur auf der Durchreise. Ihr könnt weiter in seinen Arsch kriechen."
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verlässt der Gangrel das Klüngel. Kurze Zeit später ist nur noch das Jaulen eines Wolfes in der Ferne zu hören...
..."Er hat Recht." Langsam tritt Jana aus der Mauereinbuchtung hervor. "Wir mischen uns in Angelegenheiten ein, die uns eigentlich nichts angehen und können dabei eigentlich nur verlieren. 'Ich schulde euch einen Gefallen wenn ihr mir den Mörder nennt'."
Ihre Stimme trieft vor Sarkasmus.
"Ach, welch' Ehre! Wir können viel verlieren bei dieser Geschichte. Ich war von seiner Präsenz wohl zu übermannt und dieses Detail gleich zu erkennen. Meine Studien sind wichtiger als dieser Detektivmüll hier."
Mit einem verärgerten Fauchen verschwindet sie in den Gassen Prags...
Eine halbe Stunde vorher steht Benedikt Flamm zusammen mit dem mit ihm gereisten Freund vor den kalten Toren und Mauern Prags. Der Mond fällt vereinzelt durch die auflockernde Wolkendecke und wirft die Stadt in ein mystisches, fahles Licht. Durch den matschigen, kieseligen Boden verlaufen kleine Rinnesäle die leichten Gefälle hinab. Das ist also Prag, hierher hat ihn sein Meister geschickt. Ein alter Bekannter seines Meisters soll hier sein Unleben verbringen: Simon Alaches.
Burg Vysehrad ist die Anlaufstation, die ihm sein Meister noch mitgeteilt hatte. Mit festen Schritten geht er auf die Wachen am Burgtor zu, die ihn zu seiner Verwunderung ohne Fragen durch eine kleine Nebentür in die Stadt einlassen. Ein kurzer, irritierter Blick zu Karl, dann gehen die beiden, vom Wesen her so verschiedenen, Freunde weiter.
Nach einigen Gehminuten kommen zum kleinen Hügel, auf dem sich Vysehrad befindet. Nur wenige Gestalten haben sie bis hierhin angetroffen, doch jeder hatte es eilig um diese Zeit. Überall nur verstecktes, heimliches Hasten und Laufen.
Als die beiden nur noch fünfzig Meter vom Burgtor entfernt sind, fällt ihnen eine Gestalt auf, die sie anscheinend aus der Ferne mustert. Kurz bleibt der Tremere stehen, um sich der Gestalt dann mit schnellen Schritten zu nähern. Die Gestalt rührt sich nicht vom Fleck, sie steht einfach da, wie eine Statue. Beobachtend und Abwartend. Ein unwohles Gefühl begleitet Benedikt die letzten Meter zum Burgtor. Wer ist das?
Gerade, als er durch das offene Tor schreiten will, ertönt eine markante Stimme:
"Benedikt Flamm."
Es war eine Feststellung, keine Frage. Der Ton gefiel Benedikt nicht, er hatte etwas unheimliches, überlegenes und so unglaublich unwiderrufliches.
Langsam dret sich der Tremere zu der Gestalt hin, die eine Hand erhoben hat, zum Zeichen, stehenzubleiben. Und irgendwie... selbst wenn er wollte, Benedikt könnte nicht weglaufen, seine Beine verweigern jegliche Arbeit...
Der Wind rauscht sanft über die nahen Gräser, als die Gestalt die Hand senkt und ihre Kapuze ablegt. Die Augen haben eine beängstigende Schärfe und strahlen eine Kontrolle aus, die beinahe bedrohlich wirkt.
"Ich bin Simon Alaches, Tremere des 3. Zirkels. Ich hatte deine Ankunft erwartet. Dein Meister sagte mir, dass du kommen würdest. Wie ich sehe, hatte er recht."
Ein raubtierhaftes Lächeln begleitet diese Worte, und Alaches macht keine Anstalten, sein vampirisches Erbe zu verbergen.
Er jetzt fallen Benedikt die ganzen okkulten Zeichen und Symbole auf dem Mantel auf. Sie erinnern ihn stark an die Gemächer seines Meisters.
"Komm mit, wir werden nun zu meinen Gemächern gehen, doch auf dem Weg werde ich dir erklären, wie das hier laufen wird..."
Erst unsicher, dann doch bestimmt folgt Benedikt Alaches. Als sie die Straßen hinunter Richtung Moldau und über die Judithbrücke gehen, erklärt Simon die Situation.
"... dieser Mord muss natürlich gesühnt werden, da gebe ich Severus Recht. Doch wenn es nach mir ginge, würde ich dich gleich weiterlehren, und dich nicht diesen Mord auflösen lassen. Und es steht zweifellos außer Frage, dass der Mord schwierig zu lösen sein wird, doch natürlich weiß ich nicht viel darüber, die anderen Neuen werden sich auch bald auftauchen. Du wirst dich die erste Zeit ihnen anschließen und die freie Zeit mit den Lehren verbringen, die du für nötig erachtest. Sieh es als Test an, ob du was taugst... oder nicht..."
Und wieder dieses Lächeln... Alaches steht auf keiner Seite, das weiß Benedikt. Weder auf seiner, noch auf der von Severus, noch auf sonst irgendeiner.
"Ahh, wir haben Besuch..."
Vor einem großen Hafengebäude steht eine Gestalt. Sie wirkt ein wenig unsicher, auch wenn man nicht genau sagen kann, woran das liegt. Nachdem die letzten Metern zurückgelegt sind, stehen Benedikt, sein Freund Karl, Alaches und Larciel vor der Hintertür des Hafengebäudes.
"Ich kenne dich, und nun sage mir, was du hier suchst."
Die Augen Alaches sind geisterhaft auf Larciel gerichtet und niemand würde es vermögen zu sagen, ob sie Ruhe, oder Unruhe ausstrahlen, Ärger, oder Gelassenheit, Wissen, oder Neugierde...
Die letzten Tage waren kraftaufreibend für Bruder William. Die Werwölfe sind in Böhmen in letzter Zeit immer aktiver geworden und so war es nicht einfach für ihn, eine sichere Route zu finden. Nun steht er irgendwie geistig erschöpft, irgendwie froh, die Reise überlebt zu haben, totenbleich vor den Toren Prags. Die Kapuze weit ins Gesicht gezogen, die Arme in Gebetshaltung verschränkt nähert er sich den Wachen am Tor. Zu seinem Erstaunen wird er einfach eingelassen. Keine Fragen, keine Blicke, keine Gesten. Irritiert aber dankbar nimmt William die glückliche Wendung der Ereignisse an. Es dauert nicht lange, da nähert sich ihm Gestalt in Soldatengewändern. Es scheint sich nicht um eine normale Wache zu handeln, sondern irgendjemand höher gestelltes. Wie hoch im Rang kann William aber nicht einschätzen. Erst scheint es so, als wolle sie an dem Mönch vorbeigehen, doch direkt neben ihm bleibt sie stehen, die Stimme stark gesenkt.
"Du wirst unverzüglich zur Burg Vysehrad gehen. Wir wissen, wer du bist und wir haben hier Macht. Tu es einfach."
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schreitet die Gestalt in Soldatengewändern wieder davon. Ehe William auch nur darüber nachdenken kann, und sich umdrehen will, um zu fragen, was das alles soll, sieht er sie auch schon in einem kleinen Wachhaus verschwinden. Dort hineingehen scheint keine gute Idee, schließlich ist Ärger das letzte, was er braucht. Sein Sire hatte ihm einmal gesagt, dass man in neuen Städten immer erst den Obersten der dort lebenden Kainskinder aufsuchen *muss*, da man sonst schnell als vogelfrei gelten könne...
Ein wenig widerwillig macht sich der vermummte Mönch auf den Weg zur Burg Vysehrad. Nur ein paar Bettler liegen schlaftrunken in wenigen Seitengassen. Eine Stadtpatroullie marschiert Sicherheit gebend durch die Straßen, doch sonst ist Prag leer, beinahe ausgestorben. Noch ist nichts von der Betriebsamkeit zu sehen, die tagsüber hier herrscht, wenn rege Handel getrieben wird.
Auf dem Weg zur Burg Vysehrad hinauf kann Bruder William einen Blick auf die atemberaubende Szenerie der Stadt werfen. Die Moldau schlängelt sich wie ein breites, glitzerndes Band durch die aufblühende Stadt. Nur ein paar kleine Fackeln erleuchten die Straßen und Gassen. Irgendwo in der Stadt ist das aufgeregte Wiehern von Pferden zu hören. Doch so schnell es gekommen ist, verstummt es wieder. Langsam schreitet er Neuankömmling die letzten Meter zu den offenen Toren Vysehrads hinauf. Als er eintritt, wartet eine Gestalt in der Mitte des kleinen Vorplatzes und geht langsam auf ihn zu. Es handelt sich um einen Mann, etwa Mitte vierzig, mit einer langen Narbe an der rechten Wange. Ansonsten wirkt er recht kräftig, vielleicht ein Handwerker.
"Ihr werdet bereits erwartet, folgt mir bitte."
Auch wenn sich Bruder William sicher ist, dass es sich um keine Bitte handelt, so ist die Stimme des Mannes doch keineswegs abweisend. Sie klingt nicht herrisch, sondern eher pflichtbewusst. Mit einem Nicken folgt er dem Mann zu einem recht anmutig wirkenden Gebäude, dessen Eingang eine große, massive Holztür bildet und dessen Baumaterial erstaunlich graue und eintönige Steine gewesen sein mussten, die so gut wie kein Licht zurückwerfen. Der Mann öffnet die Holztür und nach wenigen Schritten durch den Gang klopft er rechts an einer kleinen Tür.
"Der Neue, mein Prinz"
Mit einer Handbewegung bedeutet er William, einzutreten, ehe er selbst dahinter die Tür schließt. Die Schritte verstummen nach wenigen Momenten. Vor William sitzt ein Mann, der ihn sofort fasziniert. Die kantigen Gesichtszüge und die eher schlicht Kleidung lassen gar nicht auf einen Prinzen schließen, doch diese Augen. Tiefgrün, beinahe funkelnd...
Ein raubtierhaftes Lächeln begleitet Severus' erste Worte, welches so auf seine Gesichtszüge zurechtgeschnitten zu sein scheint, dass man sich sicher sein kann, es nicht zum letzten Mal gesehen zu haben.
"Die Nächte sind unruhig dieser Zeit, umso weniger verwundert mich der Andrang hier in letzter Zeit. Nein, du bist nicht der erste hier in Prag."
Langsam steht Severus auf und sein langer, silberner Umhang fließt geschmeidig gen Boden.
"Ich bin Gaius Cossinius Severus, Herrscher über die Gegebenheiten in dieser Stadt und du bist ein Neuankömmling, geflohen sicher, aus irgendwelchen Gründen vor irgendwelchen Realitäten. Wie dem auch sei, es gibt gewisse Bedingungen, an die ein Aufenthalt an diese Stadt geknüpft ist. Erstens wäre da die bedingungslose Akzeptanz meiner Worte und zweitens gäbe es da im Moment eine Sache, die mich etwas beunruhigt."
Nach Erklärung der Sachlage erhebt Severus, nach einem Schluck aus dem vor ihm stehenden Kelch, noch einmal seine Stimme.
"Du wirst nun also zu dem großen Hafengebäude gehen. Dort wirst du andere finden, die dieselbe Aufgabe wie du haben. Wenn der Mord gelöst wird, seit ihr Vampire Prags, und habt eine Domäne für euch. Scheitern stellt leider keine Alternative dar..."
Mit seinem charakteristischen Lächeln bedeutet er dir mit einer Handbewegung, zu gehen.
"Simon Alaches, Larciel, Aurél und Benedikt Flamm werden dort sein, ersterer weiß schon von dir..."
Nach weiteren Minuten des Wanderns steht Bruder William nun auf einem matschigen Gehweg. Vor ihm ein großes Hafengebäude, das seitlich zu ihm steht. Links sind drei Gestalten zu erkennen. Von der jetzigen Position aus ist sogar noch eine weitere rechts zu erkennen, die damit quasi vor dem Gebäude steht, also vor dem großen doppelflügigen Eingangstor...
Mit festen Blick starrt Octavian auf das versiegelte Dokument in seinen Händen. Dann richten sich seine Augen auf die kalten, abweisenden Mauern Prags. Der Regenguss, der ihn auf seiner Wanderung erwischte, ist mittlerweile vorbei, doch seine Gewänder hängen immer noch schwer und nass an ihm herunter. Und bleibe in Prag, dort kann es nicht so schlimm sein wie hier. Sieh dich vor. – Das werde, ich Meister, das werde ich."
Hoffentlich würde Octavian wirklich feststellen, dass es hier besser ist, doch Prah wirkt irgendwie... distanziert...
Den Brief wieder in eine seiner Taschen steckend, schreitet er ungehindert durch die Tore Prags. Sein Meister hatte ihm ein Schreiben mitgegeben, dass ihm Einlass in Prag verschafft, und es verfehlt nicht seine Wirkung. Burg Vysehrad sei der Aufenthaltsort Severus'. Eine ganz Burg... nicht zu vergeichen mit den dagegen mickrig wirkenden Herrenhäusern seines Meisters.
Nach einigen Minuten steht der Ventrue auf dem kleinen Platz vor der St.-Peter-und-Pauls-Kirche bei Vysehrad. Ein Mann kommt auf ihn zu, etwa Mitte vierzig, eine lange Narbe 'ziert' seine rechte Wange, seine Stimme klingt weder abweisend, noch einladend, eher... neutral, nicht wertend.
"Wir wissen wer ihr seid, doch was wollt ihr in Prag?"
Nach einer kurzen Erklärung der Lage, nickt der Mann bedächtig. Den Brief wird Severus persöhnlich haben wollen, folgt mir."
Auch Ocativian tritt durch die massive, eisenbeschlagene Holztür in das mehrstöckige Gebäude und wird nach einem kurzen Moment des Wartens zu Severus gelassen. Vorsichtig überreicht Octavian dem Herrscher über Prag das Dokument.
"Ah, dankeschön. Sehr aufmerksam. Die Reise war ein wenig...unbequem?"
Ein raubtierhaftes Lächeln begleitet diese Worte, ehe Severus das Siegel entfernt und den Brief öffnet. Schnell überfliegen seine tiefgrünen Augen die geschriebenen Zeilen. Und erkennt Octavian da ein kurzes Flackern in den Augen des Ventrue? Die Mimik Severus' zu lesen ist beinahe unmöglich...
"Wie ich sehe, bittet mich Abbo um die Aufnahme von euch in Prag. Ich traue Abbo soweit, um euch einfach aufzunehmen, doch..."
Er hält kurz inne, als würde er nachdenken.
"... gibt es da einen Gefallen, den du mir tun könntest. Dafür wird dein Aufenthalt danach hier deutlich angenehmer werden. Du wirst eine Zuflucht und eine Jagddomäne erhalten. Nicht allein natürlich, aber es wird mehr als genug für dich sein."
Sobald Octavian einwilligt, gibt ihm Severus noch eine Wegbeschreibung zu besagtem Hafengebäude. Dort stehen einige Gestalten vor dem Hintereingang, und eine Gestalt steht vor dem großen Lagerhalleneingangstor...