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SH-01:


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Wann immer der heilige Geist Clyde Darrow erleuchtet kann dieser nichts anderes tun als zu sprechen. Es ist dabei egal ob er gerade an einer Straßenecke steht, im Bus sitzt oder hier mit all den Verrückten eingesperrt ist - es gibt Dinge die einfach gesagt werden müssen...und es ist seine Aufgabe dies zu tun.

"Sehet! Ich sah ein großes Feuer in den Himmeln. Und es roch nach Tod, nach kochender See und..."

"Halt die Klappe, Darrow. Ich bin nicht in Stimmung."

Darrow wirbelt herum und starrt den neuen Patienten an. Er hat eine Nachricht für diesen da, eine Nachricht von Gott. Aber...diese eine will er nicht aussprechen. Er will es ihm nicht sagen.

"Was? Hör auf mich anzuglotzen du alter Zausel!"

"Siehe," sagt der alte Mann traurig, "ich habe den Zorn des gottlosen Tieres gesehen, der, der unter der Erde kriecht. Ich sehe einen kalten metallenen Tod für dich kommen, mein Freund. Noch heute Nacht.
Amen."

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SH-01:
27. Oktober 2006 - Irgendwo über dem Mittleren Westen - 10.00 Uhr

Mehr als drei Stunden sind inzwischen vergangen, seit die kleine Boingmaschine der Delta Airlines das vertraute San Francisco hinter sich gelassen und Kurs auf die Zwischenstation Chicago genommen hat. Zwar hatte es beim Einchecken keinerlei Probleme gegeben - auch wenn den Ermittlern bei jeder Erwähnung ihres falschen Namens beinahe das Herz stehenblieb - doch ist die Nervosität auch inzwischen nicht von den Vieren abgefallen.
Mehr noch, die Stunden der Reise fordern allmählich ihren Tribut: Die stetige leichte Übelkeit hat das spartanische, pappige Bordfrühstück im Magen in einen bitteren Klumpen verwandelt, die trockene, umgewälzte Luft scheint kaum in den Lungen anzukommen und das monotone Dröhnen der Triebwerke betäubt Ohren und Geist.
Die Landschaft, welche hin und wieder durch Wolkenlöcher sichtbar wird, ist eintönig und von Menschenhand in unnatürliche Formen gepresst, die Gesichter der desinteressiert vor sich hin starrenden Passagiere wirken maskenhaft und voller freiwillig gewählter Apathie. Von irgendwoher schleicht die seltsame Sicherheit, diese Menschen würden auch dann weiterhin mit angestrengter Konzentration regungslos ins Nichts glotzen, wenn Parker die kataklysmischen Aufzeichnungen aus seinem Handgepäck reißen und das Ende allen Lebens in grauenerregend ununmstößlichen Fakten deklamieren würde.
Und während die so kostengünstig wie möglich zusammengenietete Metallröhe der 737, vollgestopft mit mörderischem Kerosin und zusammengepferchtem Menschenvieh, mit wahnwitziger Geschwindigkeit durch die eisige Luft gepeitscht wird, verstärkt sich bei den vier Reisenden das Gefühl, trotz der drangvollen Enge inmitten der unwissenden Passagiere völlig einsam zu sein...

Nicholas:
Jayden, gepresst in den engen Sitz am Gang kann merklich aufatmen, als das Signal gegeben wird, dass man die Sicherheitsgurte lösen kann.
Er blickt zu den anderen, Christopher Lloyd, der direkt neben ihm sitzt und Yuki, die einen Platz weiter sitzt. Ryan hingegen hat einen Platz auf der anderen Gangseite bekommen.

Jayden versucht irgendwie zu Schlafen, doch das gelingt ihm nicht. Stattdessen schafft er es nicht einmal, ein Gespräch mit den anderen anzufangen. Die beklemmende Enge des Flugzeugs macht auch ihm das Nachdenken schwer. Immer wieder laufen Leute an ihm vorbei in dem engen Flugzeugrumpf. Dann kommt eine der Stewardessen vorbei, reicht ihm das Tablett mit Essen, doch jeder Bissen fällt dem früheren Automechaniker schwer.

'Was würde mein Dad wohl denken, wenn er hier sitzen würde. Wenn er in meiner Situation wäre?' überlegt der neugeborene Versicherungsprüfer, weil ihm schlichtweg nichts anderes einfällt.

Thomas Craig:
Der Mann der eigentlich nicht Ryan heißt schaut sich unbehaglich um. Die anderen sitzen ebenfalls zusammengepfercht auf der anderen Seite des Ganges.
Jetzt weiß ich wieder warum ich fliegen hasse...
Mühevoll versucht er sich in eine bequemere Position zu wälzen, doch ... scheitert kläglich.
Shit.
Trübsinnig schaut er auf die Rückenlehne des Sitzes vor ihm... unfähig zu schlafen.
Man, bin ich müde...

Mr. Parker:
Christopher, der den Fensterplatz in der nähe der Tragfläche bekommen hat versucht sich abzulenken. Gelangweilt blättert er in einer der langweiligen Zeitschriften die er am Terminal in einem Shop gekauft hat und raschelt leise mit einer Tüte Kekse, welche er in der Ritze zwischen Bordwand und Sitz platziert hat. "Die Menschen haben auch Probleme..." mit einem grimmigen Gesichtsausdruck blättert er eine Seite weiter. Doch nach einiger Zeit lässt er seine Lektüre in dem Gepäcknetz an der Rückenlehne des Sitzes vor ihm verschwinden. "Man ärgert sich ja doch nur über diese Ignoranz, dieses Unwissen..." In den letzten Stunden scheint sich der Mann, der einst Richard Parker war, stark verändert zu haben. Seine Stirn legt sich in Falten als er aus dem Fenster in die leere Weite des Wolkenbehangenen Himmels blickt. "Bad Moon rising..."

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