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Autor Thema: Kapitel 1: Die Ergebenen  (Gelesen 88657 mal)

Beschreibung: Der In-Game-Thread

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Sternenblut

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« am: 29.09.2008, 07:48:37 »
Trotz der frühen Stunde wurde der letzte Tag des Monats bereits von einer warm strahlenden Sonne erhellt. Obwohl die Ernten in diesem Jahr wieder einmal gut waren, stöhnten die Bauern, weil es seit Wochen kaum geregnet hatte – der Regenfreud brachte ihnen in diesem Jahr wenig Freude.
Das Laub der Bäume, die in Himmelstor fast alle großen Straßen zierten, verfärbte sich allmählich, und auch die Zelte und Stände des Weißen Marktes waren – trotz seines Namens – vielfach schon an die herbstlichen Farben angepasst. Der große graue Glockenturm, der sich viele Dutzend Meter über die Häuser der Stadt erhob, hatte vor wenigen Minuten zur achten Stunde geschlagen, und das bunte Treiben des Marktes erwachte wieder einmal zu neuem Leben.
Marktschreier überboten sich gegenseitig mit ihren Angeboten – „Ein ganzer Korb voller Fische! Nur 2 Silbermünzen für Euch, junge Dame! Kommen Sie, den Korb geb’ ich Ihnen  dazu!“ –, während Sänger, Jongleure und Taschenspieler alles gaben, um ein wenig Aufmerksamkeit – und einige Geldstücke – von den ersten Marktbesuchern zu erlangen.
Inmitten dieses aufkeimenden Trubels, in dem Edelleute ebenso in der Menge untergingen wie Arbeiter, und sich selbst die sonst so ruhigen Elfen zu hitzigem Feilschhandel hinreißen ließen, breitete sich ein starker Essensgeruch aus. Denn mitten auf der Straße, die zu beiden Seiten dicht mit Ständen gesäumt war, wurde gerade ein neuer Stand eröffnet. Eine ganze Halblingsfamilie war damit beschäftigt, das Feuer unter einem großen Kessel in Gang zu halten, in dem offenbar eine Suppe brodelte. Nur ein Halblingsjunge stand etwas abseits und bemalte ein Holzschild mit den Worten:
"Yimma Fahrns Kartoffelsuppe. 1 Kupfer pro Teller."
Nicht weniger Aufmerksamkeit als die Halblinge erhielt der große Mast, der keinen Meter hinter dem Suppenstand in die Höhe ragte. Am hellen Holz wurden in den letzten Tagen immer mehr Zettel angeschlagen, die meisten wohl mit Arbeitsgesuchen und –angeboten. Auch an einigen der Stände konnte man die Schilder erblicken, auf denen Aushilfen, Boten und Aufpasser gesucht wurden.

Irgendwo hier, auf der Güldenen Allee, sollte ihr Stand sein: Quinta Bogenmacherin, angeblich die beste, ganz bestimmt aber die berühmteste Bognerin von Himmelstor. Jedenfalls hatte man Waldemar das immer wieder bestätigt, als er die – zumeist überraschend freundlichen – Bewohner der Stadt nach den besten Bogenbauern gefragt hatte.
Auch wenn der Markt noch nicht so überfüllt war wie gestern um die Mittagszeit, als Waldemar angekommen war, musste man bereits genau auf seine Schritte achten.
Vorbei am Suppenstand der Halblinge, erblickte der junge Waldläufer schließlich das Ziel seiner Suche: Ein großes hölzernes Schild mit einem verzierten „Q“ darauf hing über dem Stand, an dem Dutzende, wenn nicht sogar Hunderte Bögen feil geboten wurden. Quinta selbst konnte er über die Entfernung nicht erkennen, weil die Besucher auf den Straßen ihm die Sicht versperrten. Es waren aber nicht mehr als zehn oder zwölf Schritt bis zu dem großen Stand.

Ein wenig verloren wanderte Milan über den Markt. Der Geruch gerösteter Kastanien kämpfte gegen den sich ausbreitenden Duft einer heißen Kartoffelsuppe, und Milans Bauch rief mit einem lauten Knurren nach einem guten Frühstück. So viele Stände, so viele Berufe... und kein einziger sprach ihn an. Wollte er Bogenbauer werden? Oder Edelsteine verkaufen, wie der Gnom gleich neben dem Bogen-Stand? Er könnte als Bote sein Geld verdienen, oder den ganzen Tag an einem Stand stehen und aufpassen, dass niemand etwas stahl. Keine dieser Perspektiven erschien ihm auch nur im Ansatz reizvoll...

Auf der langen Reise vom großen Wald bis in die große Stadt hatte Ronga viele aufregende und beeindruckende Dinge erlebt. Nichts aber war so farbenprächtig, so aufregend und lebendig gewesen wie dieser Markt. Staunend betrachtete er die vielen Wunder, die von den "Händlern" - so nannte man die Leute hinter den Ständen - im Tausch gegen die runden Metallscheiben angeboten wurden. Besonders aber faszinierten ihn die Musiker, die nichts anderes taten, als die Besucher des Marktes mit ihrem Gesang und ihren Instrumenten zu unterhalten.
"Junger Halbling", sprach ihn eine alte, gebeugte Frau an, die an einem einfach Holztisch saß. Sie trug abgewetzte, dreckige Kleidung und ein fleckiges braunes Kopftuch. Ihre Haut war so runzlig, dass selbst die alten Frauen, die er bisher gesehen hatte, noch jung aussahen im Vergleich zu ihr, und ihre große gebogene Nase schien den Großteil ihres Gesichts einzunehmen. "Kommt her, Junge", krächzte sie, "ich kann Eure Zukunft sehen!"

"Es ist doch so", erklärte der Gnom. "Die Sonne anzubeten ist ungefähr so, als würde ich das große Zahnrad anbeten, dass die alte Hebemaschine von meinem Onkel Gustav antreibt. Nur ist die Sonne eben größer und treibt die ganze Welt an. Trotzdem ist sie erstmal einfach nur das: Ein Rad."
Der Gnom blickte Eretria herausfordernd an. Seit fast zehn Minuten diskutierte sie nun mit ihm, aber er ließ sich nicht von seinem Standpunkt abbringen. Fast gewann sie den Eindruck, dass er um der Diskussion willen mit ihr diskutierte. Doch trotz seiner Halsstarrigkeit hatte  der gnomische Edelstein-Händler eine solch sympathische Ausstrahlung, dass auch die junge Priesterin die Diskussion genoss.

Etwas kritisch beäugte Calfay den kurzen Speer, den sie gerade erworben hatte. "Gutes Speer", versicherte ihr der kleinwüchsige, rundliche Händler, der offenbar von weit her nach Himmelstor gereist war. Neben Speeren bot er auch Äxte, Schwerter und Schilde an, aber von all seinen Waffen hatte der Speer noch den besten Eindruck gemacht. Nun ja, früher hatte sie mit Feder und Kiel "gekämpft" - dieser Speer war in jedem Fall eine Verbesserung.
Mit einem Blick auf die alte Frau, die ihren Wahrsager-Stand gleich neben dem Waffenhändler aufgebaut hatte, fügte der Händler noch hinzu: "Fragt Frau. Sie wird Euch sagen, Waffe gut für Eure Zukunft!"
« Letzte Änderung: 25.05.2009, 12:18:48 von Sternenblut »
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Waldemar

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« Antwort #1 am: 15.10.2008, 18:46:22 »
Waldemar staunte über die Größe der Stadt, am Vortag hatte er nicht wirklich Zeit gehabt um auf Jobsuche zu gehen, aber jetzt hatte er den ganzen Tag Zeit um zu suchen.
Auf die Frage nach Bogenmachern kam immer der Name Quinta, und eine Beschreibung wo ihr Stand ist.
Waldemar war zwar unsicher, ob eine so hochgelobte Meisterin ihn anstellen würde, aber wie sagte sein Meister doch immer? "Wer nicht fragt bekommt auch keine Antworten." Wenn sie ihn ablehnt könnte er immer noch nach anderen Bogenmachern ausschau halten, oder an der Säule mit den Jobangeboten nachsehen an der er vorbeigekommen ist.
Zunächst ging er zu ihrem Stand. Bevor er sie ansprach warf er aber erstmal einen Blick auf die Bögen die sie an ihrem Stand hat.
Ich kann es sehen, also kann ich es auch treffen.

Milan

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« Antwort #2 am: 15.10.2008, 20:35:20 »
Milan seufzte tief. So sehr ihn das Spektakel auch beeindruckte, die Arbeit, die es hier zu verrichten galt, sagte ihm ganz und gar nicht zu. Gab es denn keine Beschäftigung, die auf seine Bedürfnisse zugeschnitten war? Alle Arbeit war anstrengend oder langweilig. Und er glaubte nicht, dass man viel damit verdienen konnte. Außerdem hatte er Hunger, damit stand es zunächst gar nicht zur Debatte, nach Arbeit zu suchen. Bevor man nicht gesättigt war, konnte man auch nicht arbeiten. Sein Vater war immer anderer Meinung gewesen, aber das war nur ein weiterer Anreiz für ihn, sich erst einmal satt zu essen, bevor er sich überlegte, was er tun wollte.

Er überprüfte seine finanziellen Vorräte. Vorerst würde es noch reichen, aber er musste sich bald eine Beschäftigung suchen. Daran hätte er denken sollen, als er von zuhause geflüchtet war. Während er die verschiedenen Stände betrachtete und dem ein oder anderen Händler zuhörte, fragte er sich, ob seine vorgesehene Zukünftige wohl gut kochte. Jedenfalls fragte er sich das, bevor sein Gehirn komplett auf seinen Geruchssinn umstellte und der Begierde nach Essen nachgab. Er erreichte einen Stand einer Halblingsfamilie, die Kartoffelsuppe für einen Kupfer anbot. Ob da wenigstens Speck drin war?
"Seid gegrüßt! Einen schönen Morgen wünsche ich Euch. Eure Kartoffelsuppe riecht wirklich verlockend. Ist denn da auch ein wenig Speck drin?" sprach er einen Jungen an, der so eben ein Schild neben dem Stand beschrieben hatte.
Wenn der Glaube vorhanden ist, kann man selbst einen Heringskopf anbeten.

Eretria

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« Antwort #3 am: 15.10.2008, 21:11:09 »
Eretria hörte dem Gnom mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen zu. Ihre blauen Augen schienen ein wenig belustigt, als der Händler Mutter Sonne mit einem Zahnrad verglich. leicht schüttelte die Priesterin ihren Kopf und die lockigen blonden Haare flogen hin und her, was dieser Geste eine eher ungewollte Theatralik gab.
"Nein, oh ihr Meister des schönen Schmucks und Scheins, so ist es ganz und gar nicht!" Die Frau hob ihren Arm und deutete auf die Mutter Sonne am Himmel. "Euer Zahnrad ist ein einfaches Werkzeug, wenn es gut gearbeitet ist, kann es viele Jahre seine Aufgabe erfüllen und euer Onkel Gustav wird sich lange über das Funktionieren seiner Hebemaschine freuen. Doch Mutter Sonne hat ganz andere Kräfte!" Ihre andere Hand legte die Priesterin sich auf die Brust, während sie weitersprach: "Wenn ich am Morgen Mutter Sonne mit einem Gebet begrüße, durchströhmt mich ihre Kraft und sie, die alles am Leben erhält, die ihr Licht benötigen zum Leben, durchströhmt meinen Körper mit ihrer Kraft und gewährt mir die Gunst einiger kleiner Mirakel, um den Menschen auf Thaikaris zu helfen. Glaubt ihr euer Zahnrad täte etwas vergleichbares?" Die Frau schaute den Händler herausfordernd an. Trotz der eher schon hitzigen Rede blickte sie noch immer freundlich fast schon gütig auf den etwas kleineren Mann herab. Offensichtlich war die Priesterin gewohnt, ihren Glauben zu verteidigen und die Gesten der Frau machten deutlich, dass sie sich auch der Wirkung bewußt war, welche sie in einer derartigen Auseinandersetzung ausstrahlte.

Sternenblut

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« Antwort #4 am: 16.10.2008, 01:22:06 »
"Ja, aber seht Ihr denn nicht, dass Ihr nur ein Teil der Maschine seid, die von der Sonne angetrieben wird? Die Teile der Hebemaschine verstehen auch nicht, wieso sie die Kraft haben, sich zu bewegen, und alleine könnten sie das auch nicht. Genauso ist das mit Euch - und mit mir und jedem anderen auf Thaikaris."
Mit einem kurzen Seitenblick beobachtete der Händler zwei Kunden, die gerade an seinen Stand gekommen sind. Die beiden hochgewachsenen Männer waren bleich und völlig kahl und trugen strenge schwarze Kleidung. Die Miene des Gnomen verfinsterte sich ein wenig, und er schien kein Interesse an einem Verkaufsgespräch zu haben.

Der Junge drehte sich um und sah Milan mit großen, leicht verschüchterten Augen an. "Ich... ich glaube ja. Da müsst ihr Mama fragen."
Die Mutter des Jungen hatte offenbar das Gespräch mitbekommen und winkte Milan freundlich lächelnd zu sich herüber. "Kommt her, kommt her, da ist alles drin, was ihr braucht, und lecker warm ist sie auch! Ihr seht so aus, als könntet Ihr ein wenig Kraft gebrauchen."

Obschon der Großteil der Bögen, die Quinta anbot, von gewöhnlicher Qualität waren, entdeckte Waldemar sehr schnell einige echte Meisterstücke. Manche der Bögen waren zudem mit seltsamen Zusatz-Mechanismen versehen, deren Funktion nicht sofort ersichtlich war. Alle Bögen waren mit einem eingeschnitzten oder eingebrannten Q versehen.
"Kann ich Euch helfen?"
Vor Waldemar stand eine Frau von knapp vierzig Jahren, deren leuchtende blaue Augen aber so strahlten wie die eines jungen Mädchens. Quinta war eine atemberaubende Schönheit mit langen dunklen Locken, die auch trotz einfacher Lederkleidung die Ausstrahlung einer Edeldame hatte.
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Waldemar

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« Antwort #5 am: 16.10.2008, 11:20:06 »
"Guten Morgen, wie ich sehe bestätigen Eure Bögen Euren Ruf, eine hervorragende Bogenmacherin zu sein. Ich bin ein junger Bogenmacher von der Zunft aus Immerwald, und wie es bei uns Tradition ist bin ich nach meiner Gesellenprüfung auf Wanderschaft gezogen um andere unseres Faches zu finden und weiterzulernen. Und so bin ich hier angekommen auf der Suche nach Arbeit und Möglichkeiten etwas dazuzulernen.
Wenn ihr Hilfe gebrauchen könnt, wäre es für mich eine Ehre in Eure Dienste zu treten."

Brachte Waldemar etwas nervös hervor, und schon im Moment als sein Satz endete kamen ihm Zweifel, ob er nicht doch etwas zu direkt gefragt hatte.
Aber nun war es zu spät, seine Worte waren gesagt, daran lässt sich nichts mehr ändern. Ausserdem bestand die Möglichkeit, dass die Bogenmacherin positiv auf jemanden reagiert, der zielstrebig und direkt auf sein Ziel zusteuert. Auf jeden Fall würde er zu seiner Aussage stehen, egal wie die Antwort ausfällt.
Er blickte ihr direkt in die Augen in der Hoffnung, dass dies selbstbewusst wirkt und brachte trotz des Knotens in seinem Magen ein Lächeln zustande.
Ich kann es sehen, also kann ich es auch treffen.

Eretria

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« Antwort #6 am: 16.10.2008, 12:40:26 »
Die Priesterin von Sonne und den Monden lachte amüsiert auf. "Verzeiht, aber es ist doch offensichtlich, dass das Zahnrad eures Onkels keine denkende und fühlende Kraft ist. Wie ich euch sagte, durchströmt Mutter Sonne mit ihrer Kraft den Körper ihrer Diener. Wollt ihr sagen, ich würde von einem Zahnrad angetrieben, um den Bewohnern Thaikiris zu helfen?" Die Priesterin stellte sich in einer Positur hin, die eindeutig erkennen lies, dass es sich bei der Priesterin um eine schöne Frau handelte, die mit einer Maschine ungefähr soviel zu tun hatte, wie ein Felsen mit einer blühenden Blume. Eretria war eher erstaunt, als verärgert, dass der gnomische Händler einen derartig absurden Einfall äußerte. Was für eine verdrehte Sicht der Dinge und wie traurig, dass er den Weg zu Mutter Sonne noch nicht gefunden hat.
Ein wenig hatte sich die Frau von dem Händler zurückgezogen, als sie diese Gedanken durchströmten. So bemerkte sie die neue Kundschaft am Stand des Mannes und dessen Unwillen gegenüber den zwei Männern. Mit einer beruhigenden Geste legte Eretria die Hand auf den Unterarm des Gnomes. "Ich möchte euch nur zeigen, dass es einen Unterschied macht, ob es sich um ein denkendes fühlendes Wesen handelt oder eine Maschine. Wenn ihr seht wie das Leben aufblüht, wenn Mutter Sonne das Land mit ihrem Antlitz erhellt, könnt ihr doch nicht sagen, dass es sich um eine Maschine handelt. Das wäre so als würdet ihr mich als eine Maschine bezeichnen." Die Frau senkte den Kopf etwas und fragte den Mann leise, damit es die neuen Kunden nicht mithören konnten. "Ist etwas nicht in Ordnung?" Die Priesterin wirkte ernsthaft besorgt. "Kann ich euch irgendwie behilflich sein?"

Calfay Rin

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« Antwort #7 am: 16.10.2008, 23:08:11 »
"Fragt Frau. Sie wird Euch sagen, Waffe gut für Eure Zukunft!" erklärte der Händler eifrig.
Rin hob eine Augenbraue. Sicher würde sie das.
Die alte Dame in den zerschlissenen Klamotten bemühte sich schon die ganze Zeit über vergeblich um Kundschaft.
Na gut. Rin nickte dem Händler zu und ging zu besagter Frau hinüber. "Welchen Weg soll ich jetzt gehen?" fragte sie freundlich, nachdem sie ihr eine Münze in die runzlige Hand gedrückt hatte.
Es war schwierig eine Entscheidung zu treffen. Überall auf dem Markt hingen Jobangebote, doch keins erschien auf irgendeine weise spannender als die anderen. Nun da sie eine Waffe hatte konnte sie fast jede Tätigkeit annehmen, von einem einfachen Aufpasser an einem Gemüsestand bis hin zur Nachtwache in irgendeiner Strasse. Die Fülle an Auswahlmöglichkeiten war ermutigend und genauso beängstigend.

Milan

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« Antwort #8 am: 17.10.2008, 10:45:04 »
Milan wandte sich der Mutter des Halblings zu. Als sie davon sprach, dass er eine Kräftigung dringend nötig hätte, verfinsterte sich sein Gesicht. So schlapp und kraftlos sah er nun sicher nicht aus. Er straffte die Schultern und versuchte, möglichst groß auszusehen, um die Dame zu beeindrucken, wobei sie wohl auch so schon den Eindruck gehabt haben dürfte, dass er groß war.

"Nun, kleine Frau, alles, was ich brauche, ist etwas zu essen. An Kraft fehlt es mir sicherlich nicht, aber ich bin sicher, ihr wollt das nicht heraus finden. Nun reicht mir einen Teller rüber und ich werde sehen, ob eure Suppe wirklich so gut ist, wie Ihr sagt." Er sprach betont tief, mit finsterem Blick und mit zischendem Unterton. Er wollte sich ein bißchen Respekt verschaffen. Dann nahm er seinen Goldbeutel und reichte der Frau einen Silbertaler, um noch dazu zu beweisen, dass er des Respektes als wohlhabender Mann würdig war.
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Sternenblut

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« Antwort #9 am: 17.10.2008, 14:39:55 »
Etwas abgelenkt durch die neuen Kunden murmelte der Gnom nur kurz: "Es ist eher... wie eine lebende Maschine. Die Welt, meine ich."
In der Zwischenzeit waren zwei weitere Personen, ein Mann und eine Frau, an den Stand gekommen. Sie trugen die gleiche schwarze Kleidung mit hochgeschlossenem Kragen, und sie waren ebenso kahl und bleich wie die ersten beiden. "Verzeiht," sprach die Frau den Gnom höflich an, "ich interessiere mich für Eure Rubine. Könntet Ihr mir Eure Auslagen zeigen?"
Obschon die - sehr höflich geäußerte - Frage den Edelsteinhändler eigentlich freuen sollte, zog sich der Gnom einen Schritt zurück. Er blickte der Frau direkt in die Augen und erwiderte: "Lasst mich in Frieden."

Die Alte hielt ihren Blick noch einen Moment auf dem Halbling, der aber offenbar noch viel zu beschäftigt war, um sich um sie zu kümmern. So wandte sie sich Calfay zu, und schenkte ihr ein grimmiges Lächeln, das viel zu groß erscheinende, dreckige Zähne entblößte.
"Setzt Euch, Mädchen. Gebt mir Eure Hand. Ich kann vieles aus dem Lauf Eurer Linien lesen. Und weil Ihr so ein hübsches nettes kleines Ding seid, will ich Euch meine Dienste sogar als Geschenk anbieten." Sie beugte sich vor, und Calfay konnte den leicht sauren Geruch ihres Atems riechen. "Aber erzählt Euren Freunden von der alten Kay, ja?"

Die Halblingsfrau blickte Milan mit zusammengezogenen Brauen an. "So ein unhöflicher Kerl. Hat deine Mutter dir denn gar kein Benehmen beigebracht? Nimm dein Silber und protze damit vor irgendwelchen jungen Hühnern, mich kannst du damit jedenfalls nicht beeindrucken."
Die Hände in die Hüften gestemmt, blickte die kleinwüchsige Halblingsfrau den viel größeren jungen Mann mit einem Blick an, als hätte sie schon ganz andere Kerle kleingekriegt...

Quinta sah Waldemar mit einem erheiterten Lächeln an. "Vielleicht gibt es da was, aber ihr müsstet Bögen nicht nur fertigen, sondern auch damit umgehen können. Wär das was für euch?"
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Milan

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« Antwort #10 am: 17.10.2008, 16:42:58 »
Erschrocken über das Verhalten der Halblingsfrau musste Milan einen Moment darüber nachdenken, was er tun sollte. Mit solch einem Benehmen hätte er nicht gerechnet. Widerstand, wo er doch wohl deutlich der Wohlhabendere war, hatte er einfach nicht erwartet. Bei seinem Vater hatte das doch immer funktioniert, warum nicht bei ihm?

"Äh, ich..." druckste er herum. Am liebsten hätte er sich ganz klein gemacht und wäre davon geschlichen. Im nächsten Moment aber kam der alte Trotz zurück. Er schnipste die Münze in die Luft.

"So regt euch nicht so auf, nehmt mein Silber und gebt mir etwas von eurer Suppe zu essen." Er versuchte, ein charmanteres Lächeln aufzusetzen, während die Münze unheilvoll in der Luft schwebte.
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Calfay Rin

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« Antwort #11 am: 17.10.2008, 17:10:38 »
Rin setzte sich und gab der alten Frau ihre Hand. "Das werde ich tun." bestätigte sie.
Was sie erzählen würde hing allerdings davon ab wie gut die Voraussage wurde.
Die abstossende Erscheinung der Wahrsagerin war zumindest nicht sehr hilfreich für Werbung.

Eretria

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« Antwort #12 am: 17.10.2008, 18:33:31 »
Eretria war über das Verhalten des Gnomes etwas erstaunt. Gerade eben noch war er ein, wenn auch etwas uneinsichtiger, aber doch angenehmer Gesprächspartner und mit dem Auftauchen dieser Leute wurde der Mann rüde und tatsächlich sehr unhöflich.
Die Frau schaute die potentiellen Kunden etwas genauer an. Was sind dies für Leute, dass der Mann so wenig bereit ist mit ihnen Geschäfte zu machen?
Die Priesterin blieb neben dem Gnom  stehen und musterte die vier seltsamen Kunden nun genauer. War etwas an ihnen ungewöhnlich außer den seltsamen Aussehen?

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Waldemar

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« Antwort #13 am: 17.10.2008, 22:55:06 »
"Ich kenne keinen Bogenmacher, der nicht auch mit seinen Werken umgehen könnte, und kaum einen Immerwäldler, der noch nie mit dem Bogen geschossen hat. Ich bin beides, und habe mich bei den Bogentunieren in meiner Heimat immer recht gut geschlagen."
Antwortete Waldemar selbstbewusst. Immerhin war Selbstbewusstsein das Einzige, was ihm in dem Gespräch helfen konnte und durch die Tatsache dass er sich keine sofortige Abfuhr eingehandelt hatte wurde es auch wieder so weit gestärkt, dass er nicht einmal mehr vorspielen musste.
Die Hoffnung bei ihr als Gehilfe anzufangen und von Ihr zu lernen war - so gering sie auch vorher schon war - nun vorerst geplatzt, aber immerhin war dies ein Anfang und wer weis schon was sich daraus entwickeln kann?
"Worum geht es denn?" Fügte er hinzu.
Ich kann es sehen, also kann ich es auch treffen.

Sternenblut

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Kapitel 1: Die Ergebenen
« Antwort #14 am: 18.10.2008, 10:12:14 »
So regt euch nicht so auf, nehmt mein Silber und gebt mir etwas von eurer Suppe zu essen.
Wie ein höhnisches Echo wiederholte sein Geist diesen Satz, während Milan den Flug der Münze beobachtete und ihm langsam klar wurde, wo das Silberstück landen würde.
PLATSCH!
Für einen Moment blieb die Münze an der Oberfläche der dickflüssigen Kartoffelsuppe, dann versank sie… ganz langsam, so schien es Milan, wie ein Ertrinkender im Sumpf. Als er in die zornigen Augen der Halblingsfrau blickte, erschien ihm das Schicksal, im Sumpf unterzugehen, sogar fast wünschenswert.
Sein Verstand hatte noch immer nicht ganz begriffen, was eigentlich gerade passiert war (oder weigerte er sich nur standhaft?), als die Köchin plötzlich mit einer hoch erhobenen kupfernen Suppenkelle auf ihn zukam.
"Verschwinde von meinem Stand, Du arroganter, dummer Schnösel! Unreifes Balg! Verzieh dich und komm ja nie wieder!“
Während sie ihn dermaßen beschimpfte, versuchte sie, mit dem Suppenkessel auf ihn einzuprügeln, und Milan hatte echte Mühe, sich keine ernsthaften Verletzungen einzuhandeln. Viel schlimmer aber war etwas ganz anderes: Alle, Besucher ebenso wie Händler, sahen zu ihm, starrten ihn an, und die meisten lachten sogar über ihn, wie er sich bemühte, den Schlägen mit der Suppenkelle auszuweichen.

Kay, wie die Alte sich genannt hatte, nahm mit überraschend festem Griff Calfays Hand. Sie blickte kurz forschend in die Augen der jungen Frau, und Calfay konnte ein leichtes Schaudern nicht unterdrücken.
Gerade, als Kay ihren Finger auf Calfays Hand legte, wurde es laut: Ganz in der Nähe jagte eine Halblingsfrau, die offenbar einen Suppenstand betrieb, einen jungen, einfach gekleideten Mann mit einer Suppenkelle von ihrem Stand.
Hämisch kichernd beobachtete Kay das Schauspiel, dann blickte sie wieder zu Calfay. "Der da hat auch ein interessantes Schicksal. Aber um das zu erkennen, muss man wohl keine Wahrsagerin sein.“
Dann, ganz plötzlich, wurde ihr Gesicht ernst, und sie blickte konzentriert auf die Linien, die sich über Calfays Hand zogen. Mit dem Fingernagel ihrer linken Hand verfolgte sie diese Linien, drückte den Nagel gelegentlich so fest in die Haut, dass es weh tat, und murmelte Dinge wie: "Hm hm, jaja, das ist natürlich klar.“

Bis auf ihre Kleidung, die bleiche Haut und die fehlende Behaarung konnte Eretria nichts ungewöhnliches an den Besuchern erkennen. Sie vermutete, dass es sich um Menschen aus einer fernen Region Thaikaris handelte, obwohl dieser Gedanke in ihrem Bauch ein seltsames Gefühl hinterließ, als passe etwas nicht ganz zusammen.
"Aber Herr Delegoi, das ist wirklich unfreundlich von Euch“, erklärte der Begleiter der bleichhäutigen Frau. "Wir wollen doch nur Geschäfte machen.“
Wie Eretria feststellen musste, waren inzwischen drei weitere dieser seltsamen Personen am Stand aufgetaucht – zwei Männer und eine Frau –, so dass der Stand inzwischen von ihnen belagert war. Andere Kunden, die sich für den Edelstein-Stand interessierten, kamen nicht mehr an ihnen vorbei.
"So wie gestern, ja? Ich habe es schon mal gesagt, ihr macht mir keine Angst. Und jetzt verschwindet, bevor ich die Stadtwache rufe.“
Bei dem, was gerade vor ihren Augen passierte, hatte Eretria kaum Aufmerksamkeit übrig für einen jungen Mann, der gerade nur wenige Schritt entfernt von einem Suppenstand verjagt wurde.

"Wie ist es mit Fäusten, und Messern, wenn nötig? Könnt Ihr Euch auch verteidigen? Euch, und andere?"
Mit einem Seitenblick betrachtete Quinta kurz den Stand neben ihrem eigenen. Seltsame, hochgewachsene Menschen in schwarzer Kleidung hatten den Stand des Gnomen beinahe umringt, und der Händler fühlte sich offensichtlich unter Druck gesetzt.
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

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