Geschehen am frühen Morgen des 14. Arodus im Jahre 4708 AZ
"Tut mir leid, aber Du hast es ja nicht anders gewollt!"
Zornig blickte Ofrah auf die verschlossene Tür, die diesen Satz mit eisigem Schweigen beantwortete. Dann zog sie den Schlüssel ab und verstaute ihn in einer Tasche ihres weiten Umhangs.
"Ich werde dir nachher etwas zu essen bringen. Aber bis dieses dumme Turnier vorbei ist, kommst Du hier nicht mehr raus. Ich kann nicht zulassen, dass Du deine kostbare Zeit mit solch einem Unfug vergeudest."
Dann wurde ihre strenge Stimme weicher.
"Glaub mir, mein Junge, es ist das beste für dich. Manchmal muss man dich eben vor dir selbst in Schutz nehmen. Ich gehe jetzt rüber in die Gilde, ich habe noch eine Verabredung. Bis später. Und tu mir einen Gefallen und demolier nicht dein Zimmer."
Kurz wartete sie, ob sie eine Antwort erhalten würde. Doch hatte der Insasse anscheinend keine Lust, mit ihr zu plaudern. Leise seufzend wandte sich Ofrah nach einem Moment ab und nur wenig später verriet die zuschlagende Haustüre, dass Razi nun alleine war.
...
"Auf ein Wort, liebste Shirin!"
Überrascht blickte die so angesprochene Kelishitin zu dem Tisch hinüber, an dem, was sonst völlig ungewöhnlich war, Saul Vancaskerkin, ihr derzeitiger Brötchengeber, bereits Platz genommen hatte. Ein Blick in sein enthusiastisch grinsendes Gesicht und sie verstand. Saul war viel zu aufgeregt, als dass er hätte ausschlafen können. Der goldene Schlüssel, der Anstelle eines Hakens seine linke Hand ersetzte zitterte leicht und die Finger seiner noch gesunden Rechten machten es ihm nach. Saul stand unter Strom, soviel stand fest.
"Keine Angst, ich wollte dich nicht lange aufhalten. Aber gerade sind eure Kostüme für heute abend angekommen. Ich weiß jetzt schon, dass ihr wunderbar darin aussehen werdet. Ta-Daah!"
Stolz hielt er ihr ein blutrotes Nichts entgegen, dass er bisher unter dem Tisch verborgen hatte. Spätestens der herunterbaumelnde dünne Stoffschwanz verriet Shirin, um was es sich dabei handelte Saul hatte die "glänzende" Idee gehabt, dass es ungeheuer passend wäre, wenn das Thema des heute Abend stattfindenden Glücksspielturniers dadurch unterstrichen wurde, dass die weiblichen Bediensteten als Succubi verkleidet die Gäste animieren sollten. Shirin hatte bisher darauf verzichtet, den Besitzer des Kasinos "Zum Goldenen Goblin" darauf hinzuweisen, dass Succubi gar keine Teufel, sondern deren Todfeinde, nämlich Dämonen waren. Saul war so etwas völlig egal, hauptsache, der Anblick wunderschöner, knapp bekleideter Frauen ließ die Kundschaft vergessen, wieviel Geld sie beim Glücksspiel verloren.
"Willst Du es nicht schnell mal anprobieren?" Sauls Augen glänzten, während er ihr das aufreizende Kleidungsstück hinhielt . "Die anderen Mädchen sind noch nicht da und ich würde zu gerne sehen, ob das alles so hinhaut, wie ich es mir vorstelle?"