Autor Thema: Die große Sehnsucht  (Gelesen 7618 mal)

Beschreibung: Einstieg für Eleftherios

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Simue

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Die große Sehnsucht
« am: 05.07.2009, 18:56:09 »
Immer dem Fluss nach, hatte Zizeron gesagt. Immer dem Fluss nach, und er würde direkt durch ein Portal in der geheimnisvollen Stadt Sigil ankommen. Eleftherios hatte den Hinweis wörtlich genommen, sich eines der Weinfässer aus der Festhalle genommen - es war sogar noch ein wenig Wein darin -, und es als sein Boot in den Fluss gelassen.

Der silbrig schimmernde Fluss, den die Sinnsaten den Säuselnden Verführer nannten, machte eine Biegung nach der anderen, und seit inzwischen einer halben Stunde hatte der ständige Wechsel von ruhigem Wasser und plötzlichen Strömungen ihn seekrank gemacht - obwohl der kleine Fluss kaum einen Meter breit war.

Die Regenbogenfische, die ihn mit ihren schillernden Schuppen fast in Trance versetzten, machten die Aufgabe nicht leichter, sich auf den Weg zu konzentrieren. Denn immer wieder musste er sich vom Rand abstoßen, wenn er sich wieder einmal im Wurzelwerk der großen gelben Bäume verfangen hatte, die überall am Rand des Flusses wuchsen.

Plötzlich aber kam sein Weinfass zum Stehen. Mitten im Fluss, ohne dass er einen Grund für die Unterbrechung erkennen konnte, bewegte sich das Fass keinen Zentimeter mehr.

Die große Sehnsucht
« Antwort #1 am: 14.07.2009, 13:00:58 »
"Autsch!"

Als sein "Boot" zu unverhofft angehalten hatte, war der in seligem Schlummer gefangene Eleftherios prompt mit seinem Quadratschädel gegen einen der Metallringe geknallt, die die Dohlen, aus denen das Fass zusammengesetzt war, zusammenhielten. Den Schmerzensschrei hatte ihm aber das Büschel Haare entlockt, dass zwischen Holz und Eisen zurückgeblieben war, als er reflexartig hochgeschossen war. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb er sich nun den Kopf an der neu dazugekommenen kahlen Stelle.

"Kopfweh vom Holderwein, Kopfweh vom Holz und Kopfweh vom Haar, Kopfweh und Kummer, Heißa, Hurra!"

brabbelte er etwas lallend vor sich hin, während er seinen Kopf aus der Öffnung steckte, um nachzuschauen, was geschehen war.

"Käptn, wieso halten wir? - Weiß ich doch nicht, frag das Fass. Und recht nicht so 'nen Stuss." gab er sich selbst die Antwort, dann stemmte er sich endgültig über den Rand des Fasses und guckte nach unten.

"Hm, überall Wasser, kein Grund zum Bremsen. Andere Seite?" Er wandte sich um , nunmehr flußabwärts schauend.

Simue

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Die große Sehnsucht
« Antwort #2 am: 14.07.2009, 13:22:43 »
Zunächst meinte Eleftherios, auch auf der anderen Seite nichts zu erkennen. Doch bei genauerem Hinsehen bemerkte er, dass das Wasser um sein Faß seltsame Formen annahm. Fast sah es so aus, als hätte sich inmitten des Flusses eine Form aus unbeweglichem Wasser gebildet, die sehr stark einer übergroßen Hand ähnelte. Es sah ganz so aus, als würde diese Wasser-Hand sein "Boot" festhalten.

Die große Sehnsucht
« Antwort #3 am: 17.07.2009, 11:24:38 »
Eleftherios rieb sich die Augen. Einmal. Zweimal.

"So was gibts ja gar nicht." murmelte er leise, während er forschend die seltsame Hand betrachtete. Prompt meldete sich ein ziehender Schmerz in seinem Schädel, Holderwein und angestrengtes Nachdenken vertrugen sich nun mal gar nicht gut.

Dann blickte er zwischen den Ufern des Flusses hin und her.

"In Ordnung, das ist ja alles sehr lustig, aber kannst Du mich jetzt bitte loslassen? Ich will nicht länger auf diesem vermaledeiten Fluss bleiben, das hält mein Magen nicht länger aus als nötig. Hallo? Ist da jemand?"

Simue

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Die große Sehnsucht
« Antwort #4 am: 22.07.2009, 13:26:46 »
Zuerst dachte Eleftherios, dass was-auch-immer ihn festhielt, nicht auf ihn reagieren würde. Doch dann bemerkte er einen ganz leichten Schatten, der auf ihn fiel - und als er sich umdrehte, blickte er auf eine durchscheinende Gestalt, ein drei Meter hoher menschlicher Oberkörper, der aus reinem Wasser bestand. Der bärtige, muskulöse "Mann" ging genau an der Hüfte in den Fluss über und wurde eins mit dem Gewässer.

"Ich grüße dich, Reisender auf meinem Reich. Ich habe eine Bitte - nein, eigentlich eine Forderung - an dich." sprach er mit tiefer, dröhnender Stimme.

Die große Sehnsucht
« Antwort #5 am: 24.07.2009, 23:08:29 »
Eleftherios traten fast die Augen aus seinem Quadratschädel, während er den Wassermann von oben bis soweit unten wie möglich betrachtete.

"Und wenn ich nein sage, lässt Du mich wahrscheinlich so lange hier hängen, bis meine Beine sich auch in Wasser aufgelöst haben?"

Er zögerte, obwohl er sich eigentlich darüber im klaren war, dass er seinem Gegenüber hoffnungslos unterlegen sein musste, wenn der solche Tricks auf Lager hatte.

"Aber sag, von was für ner Bitte redest Du denn?"

Verdammt, wer einen auf obergelassen machen will, sollte das Zittern in seiner Stimme aber besser unter Kontrolle haben, das übst Du aber noch mal.

Simue

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Die große Sehnsucht
« Antwort #6 am: 01.08.2009, 23:05:02 »
Die Gestalt vor Eleftherios sah ihn mit durchdringend an. "Ich bin kein Ungetüm. Selbstverständlich würde ich dich nicht gegen deinen Willen festhalten. Ich würde dein..." Er zögerte, und betrachtete das Weinfass. "... Boot... zum Ufer bringen, und dich laufen lassen. Es ist nicht mehr weit bis zu dem Ort, den du erreichen willst."

Ohne auf eine Reaktion zu warten, brachte der Wasser-Mann sein Anliegen vor. "Auf deiner Reise in Sigil wirst du einem Mann namens Luminus begegnen. Es gibt Kräfte, die seinen Tod wünschen. Doch es ist wichtig, dass er lebt. Ich möchte, dass du ihn begleitest, und ihn nach besten Kräften beschützt, ebenso wie seine Begleiter. Sie wissen es noch nicht, aber vor ihnen steht eine wichtige Mission, deren Erfolg oder Mißerfolg den Lauf der Dinge für immer verändern könnte."

Nun kam sein Gegenüber Eleftherios ganz nah, bis der Chaond Wassertropfen auf seiner Nase spüren konnte. "Außerdem wirst du auf dieser Mission finden, wonach du suchst, wenn du genau genug hinschaust."

Die große Sehnsucht
« Antwort #7 am: 10.08.2009, 22:53:55 »
"Alles klar, Luminus töten, Kräfte schützen....ne , Moment, andersrum. Wer ist denn dieser Luminus, und wieso ist er so wichtig. Und wer sind diese Kräfte, die ihm das Licht ausblasen wollen. Und überhaupt, wer bist Du eigentlich? Und woher weißt Du, was ich suche?"

Eleftherios verzog schmerzhaft sein Gesicht.

"Toll, jetzt krieg ich schon vor dem Kater Kopfweh, vor lauter Nachdenken." murmelte er vor sich hin.
« Letzte Änderung: 14.08.2009, 22:29:10 von Eleftherios Amphodites »

Simue

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Die große Sehnsucht
« Antwort #8 am: 13.08.2009, 10:49:50 »
Noch immer zu Eleftherios heruntergebeugt, sprach die Gestalt nun ganz leise. Hätte seine Stimme nicht einen solch sympathischen Unterton gehabt, hätte Eleftherios die Situation wohl als bedrohlich empfunden.

"Die Antworten auf die meisten dieser Fragen wirst du auf deiner Reise finden. Was mich angeht, ich bin der Geist dieses Flusses, und mit jedem Regen und jedem Morgentau, der sich mit mir verbindet, erfahre ich etwas über die Ebenen. Ich wusste schon, dass du hierher finden würdest, lange bevor du aus deiner Heimat aufgebrochen bist. Und ich weiß, dass du dich wirst zurückhalten müssen, wenn Walther mit dir trinken will, denn wenn du ständig besoffen bist, nutzt du niemandem."

Nun zog sich die Gestalt wieder zurück, und ragte erneut über Eleftherios empor. "Was Luminus angeht... es ist nicht so wichtig, wer er ist. Wichtiger ist, wer er sein wird. Er wird sich verändern, und nicht immer zum Guten. Doch tief in seinem Herzen... nun, jedenfalls ist es entscheidend, dass er überlegt, und dass er seinen Weg gehen kann. Und auch seine Begleiter werden wichtig sein."

Die Gestalt des Wasser-Mannes sank in den Fluß, bis kaum noch mehr als dessen Arme, Schultern und Kopf herausragte. "Nimmst du die Mission an, Wanderer der Ebenen und des Herzens?"

Die große Sehnsucht
« Antwort #9 am: 14.08.2009, 22:35:31 »
Die Stimme rührte etwas an ihm an, tief in seinem Inneren. Es war nicht so, dass er nicht hätte nein sagen können. Aber der Geist eines Flusses? Zu tief war in ihm der Respekt vor der Natur verbunden, dem absoluten Chaos, aus dem soviel Schönheit entstehen konnte. Und war er nicht ausgezogen, um Erfahrungen zu sammeln, Entdeckungen zu machen, Rätsel zu lösen? Nun, dieser Luminus schien all das in sich zu vereinen.

"Wenn Du soviel über mich weißt, Herr des Flusses," der neue Respekt in seiner Stimme war unverkennbar, "dann weißt Du auch meine Antwort."

Eleftherios grinste plötzlich.

"Aber danke, dass Du trotzdem fragst. Ich mach das. Aber sag, Vielwissender, wo finde ich diesen Luminus? Sigil ist groß, hab ich mir sagen lassen, und ich war da noch nie?"

Simue

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Die große Sehnsucht
« Antwort #10 am: 15.08.2009, 11:39:07 »
Auch der Herr des Flusses grinste nun, ein schelmisches Grinsen, das offenbarte, dass der Flußgeist sehr viel mehr wusste, als Eleftherios vielleicht vermutet hatte.

"Du wirst ihn finden. Oh ja, du wirst ihn finden."

Knapp verbeugte sich der Wasser-Mann vor Eleftherios, dann fiel die Gestalt in sich zusammen. Heftig schaukelte das Fass hin und her, als die Wassermassen sich wieder mit dem Fluss verbanden, dann spürte der Chaond einen kurzen Ruck, und das Fass setzte seinen Weg über den Fluss fort...

Die große Sehnsucht
« Antwort #11 am: 16.08.2009, 23:52:34 »
"Woohaaha!"

Fast wäre Eleftherios bei dem plötzlichen Anrucken des Fasses aus ebendemselben gefallen, konnte sich aber gerade noch festhalten und ließ sich dann vorsichtshalber einfach hineinplumpsen. Sein Gefährt würde auch ohne seine Hilfe den Weg finden, hatte es bisher ja auch ganz gut hinbekommen. Und er selbst musste erst mal sortieren, was da eben vorgefallen war. Dann fiel ihm etwas ein.

"Eh, warte, so haben wir ja ni...weg isser."
seufzend ließ er sich zurückplumpsen.

"Na gut, dann such ich eben einen Typ, den ich nicht kenne, in einer Stadt, die ich noch nie gesehen habe. Nix leichter als das. Im Wald verlauf ich mich ja auch nicht. Häuser , Bäume ist doch fast das gleiche, manche sind ja sogar aus Holz."

Irgendwie was es gut, dass ihm keiner zuhörte, es reichte völlig, wenn er sich vor sich selbst zum Narren machte.

Simue

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Die große Sehnsucht
« Antwort #12 am: 17.08.2009, 22:01:58 »
Das Fass wurde vom schneller werdenden Wasser hin- und hergeschüttelt, und Eleftherios hatte selbst innerhalb seines "Gefährts" größte Mühe, sich festzuhalten. Allmählich hörte er ein immer näher kommendes Rauschen, und obwohl der Wassergeist zugesichert hatte, dass es hier ein Portal gab, machte sich langsam eine gewisse Angst in Eleftherios breit.

Vorsichtig schaute er über den Rand des Fasses - und blickte direkt auf die Kante eines Wasserfalls, auf den er zusteuerte. Hektisch blickte er nach links und rechts, doch hier war der Fluss so breit geworden, dass es keine Möglichkeit mehr gab, das Ufer zu erreichen. Da er nicht einmal ein Paddel besaß, war er der Strömung des Flusses hilflos ausgeliefert. Und diese steuerte ihn geradewegs auf einen Abgrund zu.

Die Bäume am Flussrand ragten hier hoch hinaus, und ihre Äste hatten sich von beiden Seiten miteinander verästelt, so dass sie ein durchlässiges Dach aus Holz, Laub und Früchten ergaben. Die Äste hingen jedoch viel zu hoch, um sie greifen zu können.

Das Rauschen wurde immer lauter, die Strömung immer schneller, und als Eleftherios begriff, dass er mit voller Geschwindigkeit über den Abgrund rasen würde, konnte er nicht anders, als einen lauten Schrei auszustoßen. Im gleichen Moment, keinen Meter mehr vom Abgrund entfernt, wurde plötzlich alles in ein gleißendes blaues Licht getaucht...

Simue

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Die große Sehnsucht
« Antwort #13 am: 17.08.2009, 22:16:50 »
... das Fass schien für einen Moment sanft in der Luft zu schweben. Die heftigen, ruckartigen Bewegungen der Strömungen waren urplötzlich vorbei, die Gischt, die noch vor einer Sekunde die Luft um Eleftherios erfüllt hatte, war auf einmal trocken.

Staubtrocken.

Und dann fiel das Fass geradewegs zu Boden, und zerschellte mit einem lauten Krachen.

Während die Schmerzen des leichten Sturzes von Eleftherios' Hinterteil in seinen Rücken hochzogen, erkannte der Chaond allmählich, wo er war. Die kleine Kammer wurde von einer einzelnen, großen Kerze erfüllt. An jeder Wand gab es ein Bücherregal, vollgestopft mit Schriften, die den Eindruck erweckten, als wären sie sehr, sehr alt. Ein einzelnes Pult stand in dem Raum, nur einen Schritt vor Eleftherios.

Dahinter stand ein gebeugter alter Mann in einer verstaubten braunen Robe. Seine wenigen verbliebenen Haare waren ebenso grau wie sein langer Ziegenbart, der auf seltsame Weise zu den hervorstehenden übergroßen Zähnen des Mannes passte. Obwohl die Augen des Mannes eigentlich recht klein waren, wurden sie durch das dicke Glas einer Nickelbrille zu riesigen Glubschaugen vergrößert.

Der Mann zog die buschigen Augenbrauen verärgert zusammen. Dabei blickte er jedoch nicht Eleftherios an, sondern die Wand hinter dem Chaond. Als dieser sich langsam umdrehte, sah er dort eine ovale, verschlossene Holztür, mit sieben dicken Vorhängeschlössern versehen.

"Nein nein nein, sowas sowas sowas, na das ist aber auch was", meckerte der Mann mit piepsiger Stimme. "Ich hatte das Portal doch extra verschlossen. Ist der Zauber schon wieder aufgebraucht. Verflixte Wassertropfenelfen."

Ohne auf Eleftherios zu achten, ging der Mann mit kurzen, schnellen Schritten zur Tür, sprach einige kryptische Worte und vollführte dazu seltsame Handbewegungen. Eine Sekunde später waren seine Hände von lilafarbenen Lichtfunken umgeben, die sogleich auf eines der Schlösser übergingen.

"So, das wäre das, wäre das das." Damit wandte er sich endlich Eleftherios zu. "Und ich nehme an, du bist ein arboreanischer  Wanderer, der auf seiner Wanderung in wichtiger Mission die Ebenen durch..." Er zögerte, und starrte Eleftherios einige Sekunden lang an. "...streift."

Die große Sehnsucht
« Antwort #14 am: 18.08.2009, 22:50:50 »
"Ja, danke der Nachfrage, mir gehts gut, nix gebrochen."

Eleftherios rieb sich das schmerzende Hinterteil.

"Und das mit der wichtigen Mission stimmt auch erst seit kurzem, eigentlich.. aber sag mal, wo bin ich hier eigentlich? Und wer bist Du?"

muss ja nicht gleich jedem alles auf die Nase binden