Die Morgensonne streift sanft die mit Reif bedeckten Dächer der Stadt Tiefwasser. Es sind die ersten Vorboten des nahenden Winters und so wie es aussieht wird es ein sehr harter Winter werden. Denn schon jetzt kann die Sonne nicht einmal zur Mittagszeit den Reif von den Dächern vertreiben und es sind noch 6 Tage bis zum Fest des Mondes.
Unter den grau-weiß gefärbten Dächern schlafen noch die meisten Leute. Nur ein paar Händler, Seeleute und Wachen wandern durch die Straßen der Stadt. Viele von ihnen in Mäntel gehüllt, der sie vor dem Frost schützt, welcher ihren Atemluft in weißen Nebel verwandelt.
So auch im Hafenviertel. Dem wohl heruntergekommenen Viertel der Stadt. Das Reich der Diebe und des Gesindels.
Dort in einem Haus nahe des eigentlichen Hafens beginnt diese Geschichte. Es ist kein schönes Haus mit den vielen Löcher im Dach und dem Rissen im Mauerwerk, aber es bietet einer großen Familie ein zu Hause. Die Familie besteht aus einer über in die Jahre gekommenen Dame Alsa ihren zwei leiblichen Kindern Barnta und Jiltro, jeweils von einem anderen Mann, und gut einem duzend anderer Kinder unterschiedlichsten Alters. Bei ihr fanden die Kinder einen Mutterersatz und einen warmen Herd, wenn sie gewisse Aufgaben erfüllten. Aufgaben wie Hütchenspiele, Würfelspiele und natürlich dem stehlen von Geld und anderen Wertsachen. Die Dame Alsa hatte sich über die Jahre eine richtige Diebesbande herangezogen.
Die Anführer der Bande sind der 35 Sommer zählende Barnta und 31 Sommer zählende Jiltro. Sie haben die Geschäfte der kleinen Diebesgilde übernommen als sie alt genug waren. Doch stehen sie immer noch unter der Fuchtel von Alsa, welche mit ihren 56 Jahren noch sehr agil ist. Die meiste Zeit kümmert sich die alte Dame aber um die jüngsten Kinder oder genießt ihren Ruhestand.
An diesem Tag, dem 24. Uktar stand Kete, ein 16 jähriges Mädchen mit Sommersprossen im Gesicht und langen schwarzen Zöpfen, am Herd und bereitete das Essen für die Bande zu. Ihr halfen die anderen Mädchen. Dies lag daran, dass die Mädchen und Jungs getrennt von einander schliefen. So weckten sie sich nicht gegenseitig auf. Mit in der Küche saß die alte Dame Alsa, in den Armen das jüngste Namenlose Mitglied der Familie. Barnta hockte nahe des Herds. In den Händen hielt er eine Einladung des Fürsten der Diebe von Tiefwasser. Seit Tagen grübelte der breitschultrige Mann über den Brief. Schließlich wollte er nicht zum Gildenfürsten da er genau wusste was ihm blühte. Er hatte es gewagt den Gildenfürsten um seinen Zehnt zu betrügen. Keiner im Haus wusste es und so war es nicht verwunderlich, dass sich alle über die plötzliche Nachdenklichkeit des sonst so hartherzigen Mannes wunderten.
Jiltro war nicht mit in der Küche. Er liebte es durch das Haus zu schleichen und nach Fehlern der Kinder aus schau zu halten oder sie zu verursachen. Heute hatte er dafür gesorgt das Kete nicht dazu kam die Jungs zu wecken und dafür hatte er sich etwas ganz besonderes Ausgedacht. Kaum hatte er Kete in die Küche getrieben, stellte er einen Eimer Wasser hinaus. Zu der Zeit waren die ersten Sonnenstrahlen dabei das Blau der Nacht leicht zu erhellen.
Nun stand er mit diesem Eimer eiskalten Wasser im Raum der Jungen und sah durch den Raum. So wie auch der Raum der Mädchen war dieser Raum nur 5 mal 5 Schritt groß. Es standen zwei große Betten im Raum, ein paar fast in sich fallende Truhen und ein Tisch mit ein paar Stühlen. Je vier der acht Jungen lagen unter einer viel zu dünnen Decke dich an einander gedrängt in den Betten. Immer zwei ältere und zwei jüngere zusammen. Jiltro sah von einem Bett zum anderen. Dann blieb sein Blick am rechten Bett hängen. In diesem Bett schlief sein Liebling, ein 11 Frühling zählender Junge. Ihn und dessen Freud bestrafte er besonders gerne. Sie wahren zwar die Zugpferde der Diebesbande doch neidete er ihre Gewandtheit im stehlen.
Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht hob Jiltro den Wassereimer und ging zum Bettrand. Kurz durch atmend ließ er das Grinsen verschwinden und machte ein ernstes Gesicht. Dann Goss er den gesamten Eimer direkt über seinen Liebling und dessen Freund aus und keifte: „Ihr elenden Bastarde Vento und Ignas die Sonne ist schon aufgegangen und ihr wagt es noch zu schlafen!“