Die Stürme waren in diesem Jahr besonders kalt. Hoch oben, im Schloss der Sylphen, brannten magische Fackeln und Kohlebecken an allen Fenstern, um wenigstens die ärgste Kälte draußen zu halten. Die Sylphen selbst schützten sich mit ihrer Magie vor der Kälte, und auch Mystral war für gewöhnlich davon betroffen. Heute jedoch war ein Tag, an dem es diesen Luxus nicht für sie gab.
Auf einer Turmspitze, einer großen Plattform, fror sie in den kühlen Winden, die an ihren Flügeln zerrten. Ihre Finger waren etwas taub um den Schaft ihres Speeres, obwohl sie Lederhandschuhe trug. Ihre Haare waren mit feinen Eiskristallen durchsetzt, und sie konnte nicht einmal fliegen. Und so blieb ihr nichts anderes übrig, als sich Hieb um Hieb ihrer Widersacherin entgegen zu stellen und ihn mit gleicher Münze zu erwidern.
"Links, rechts, Hoch. Nochmal. Und niemals zuweit vorpreschen!" Die unbarmherzige Stimme ihrer Meisterin im Speerkampf, Peitschender Wind, trieb sie immer weiter an in ihren Bemühungen, zumindest keine all zu schlechte Figur zu machen. Die Sylphe war recht groß und kräftig gebaut für ihre Rasse, und obwohl sie noch zwei gesunde Augen hatte, trug sie immer eine Augenklappe über einem Auge. Eine Dienerin des Talos sei sie, hatte sie ihr einmal erklärt. Wer auch immer das war. Auf jeden Fall war sie eine fähige Speerkämpferin, und eine gute Lehrerin, wenn auch nicht nachgiebig mit ihrer Schülerin. Mit einigen geschickten Hieben schlug sie Mystral den Übungsspeer aus der Hand, der im hohen Bogen durch die Luft flog und dann auf den Boden fiel, leise klappernd. Ein zweiter Stoß schickte Mystral auf ihren Hosenboden hinab, jedoch sah die Mephling auch auf den Lippen ihrer Fechtmeisterin ein anerkennendes Lächeln, hatte sie doch so lange und so geschickt noch nie gekämpft.
Das Klappern dauerte an... Und mit der Zeit merkte Mystral, dass es garnicht das Klappern von Holz auf Marmor war. Es war...
jemand, der an ihre Tür klopfte.
Noch etwas verschlafen öffnete Mystral ein Auge und nuschelt irgendwas total unverständliches aus ihrem dicken Daunenkissen hervor, welches für den kundigen Zuhörer nach Auran geklungen hätte. Wohl wissend, dass sie jetzt direkt wieder einschlafen würde, wenn sie die Augen zumachte, drückte sie sich dann hoch und fragte nochmal etwas deutlicher. "Jaa... Bin wach, n'Morgen. Ist schon morgen?"
Dann drückt sich Mystral unter der Daunendecke etwas hoch und streckte ihren Leib herzhaft gähnend, wobei sie auch ihre Flügel entfaltete und sorgfältig streckte, waren sie doch durch die dicke Decke etwas eingedrückt. In einem hellblauen, ein wenig durchsichtigen Nachtgewand, das nur am Rücken tief ausgeschnitten war um ihren Flügeln Rechnung zu tragen, blickte zu dem einzelnen Fenster hinüber.