Eretria war über die Zurechtweisung der Schneiderin sichtlich erschrocken. Was auch immer sie erwartet hatte, diese Reaktion war es offensichtlich nicht. Sie folgte sehr schnell Mika in das Zelt und fast hätte man meinen können, dass die Geweihte vor der Schneiderin weglief. Als Aimerelle dann auf Mikas Rede antwortete, beteiligte sich die Geweihte mit einer sehr leisen Stimme und erkennbar sehr vorsichtig an dem Disput.
"Verzeiht mir Mika und auch ihr Aimerelle, aber vielleicht sollten wir dieses Gespräch noch einmal von vorne beginnen. Viele der Worte von Mika sind nicht die Worte, die ich gewählt hätte, obwohl ich Mika vom Prinzip her Recht gebe." Die Frau machte einen kleinen Schritt, der sie von Mika und Milan trennte, bevor sie weiter sprach. "Ich möchte nicht um den heißen Brei herum reden, weil ich die Ausflüchte, die mir auf meine Fragen bisher gegeben wurden nicht mehr hören kann. Ich versuche mal eine kleine Zusammenfassung. Dann hätte ich eine Frage an euch Aimerelle und ich wäre dankbar, wenn ich eine ehrliche Antwort von euch bekomme." Die Frau griff sich an die Stirn und schloss kurz die Augen. Es war offensichtlich, dass sie Kraft sammelte, für das, was jetzt kommen würde.
"Ihr redet von Erinnerungen, die uns gestohlen wurden und tatsächlich kann ich sogar nachvollziehen, was ihr meint, weil mich diese Erinnerungen heimsuchen. Es sind die Erinnerungen einer mir völlig fremden Person, auch wenn ich inzwischen erfahren habe, dass ich mit dieser Person verbunden bin. Doch trotzdem ist mir diese Person fremd und wenn ich ehrlich bin, bin ich auf die Erinnerungen dieser Person nicht wirklich scharf. Diese Person entspricht bei weitem nicht dem Leben, welches ich jetzt führe und den Regeln, denen ich folge. Sollte ich diesen Erinnerungen nachgeben, würde sich mein Leben komplett ändern und dies würde mir in keiner Weise gefallen." Kurz blickte die Frau Milan und auch Mika an, bevor sie weiter sprach.
"Wenn ich meine Erinnerungen als Maßstab nehme, fürchte ich, dass viele denen diese Erinnerungen plötzlich begegnen, an ihrem Verstand zweifeln würden oder ihn sogar verlieren. Wenn diese dann weg gesperrt werden, halte ich dies für richtig. Wie sollte sonst mit solchen Leuten umgegangen werden?" Eretria blickte die farbenfroh gekleidete Frau traurig an.
"Dann habe ich die Leute erlebt, die sich für ihr früheres Leben entschieden haben. Sie habe ihr heutiges Leben vergessen! Sie haben vergessen, dass sie einen Beruf hatten, dem sie nach gegangen sind, dass sie Frau und Kinder hatten, dass sie ein Leben hatten, welches sie weggeworfen haben. Sie haben vergessen, dass sie eine Familie verstört zurück gelassen haben, die nun verzweifelt ist, weil der Gatte, der Vater verschwunden ist! Dieser ehemalige ruhige und liebevolle Familienvater tötet nun Leute, die in ihrem Leben geblieben sind, weil er sie als Feinde seines alten Lebens erkennt! Ist dies der Weg den ihr meint gehen zu müssen?" Die Stimme Eretrias war ruhig, aber unglaublich traurig geworden.
"Ihr gaukelt uns etwas vor oder euch selber, denn es gibt gar keine freie Wahl. Ich habe gar nicht die Möglichkeit mich frei zu entscheiden, was ich will. Leute wie Gazriel und ihr haben für mich entschieden! Ich muss mich nun einem Konflikt stellen, der vor hunderten von Jahren statt gefunden hat. Ich muss in einen Krieg verhindern, der einst ein ganzes Land zerstört hat, weil ein paar Menschen sich für ihre Vergangenheit entschieden haben und nun damit beginnen, die Leute zu töten, die mir im Hier und Jetzt wichtig sind! Ich frage euch, ob dies der Vision entspricht, die ihr so vollmundig dort auf dem Markt verkündet habt!"