Beinahe gelangweilt hörte Moandor Eretria zu, wie sie ihm Dinge berichtete, die ihm schon seit längerem geläufig waren. "Warum sollte ich ihr etwas beweisen müssen?" fragte er sich, doch dann offenbarte sie Moandor, dass sie und ihre Freunde in der Lage waren das Mädchen ausfindig zu machen. Er horchte innerlich auf, blieb äußerlich jedoch weiterhin gelassen.
Sicherlich war dies ein guter Grund für ihn eine Zusammenarbeit mit diesen Leuten einzugehen, aber gleichzeitig machte sich auch ein jäher Unwille in ihm breit, als Eretria ihn zu einer Entscheidung zwingen wollte. Auch das sie auf einmal zur vertraulicheren Anredeform überwechselte gefiel Moandor nicht. Er war zwar niemand, der ein in dem Maße gesteigerten Wert auf Höflichkeit und Etikette legte, als dass er gekränkt sein würde, sollte jemand einfach so zum "Du" wechseln, aber wenn das jemand tat, während er ihn erpressen wollte - und so kam es Moandor langsam vor, so forsch wie die Priesterin bei ihm vorging - , dann war das eine ganz andere Sache und Moandor dachte nicht zum ersten Male darüber nach, ob er nicht einfach gehen sollte.
Er war noch nicht ganz zu einem Entschluss gelangt, da erhob sich Arue und brach unerwartet einige Lanzen für ihn. Moandor vergaß seine Überlegungen für einen Moment und sah die junge Frau mehr als bloß interessiert an. Anfangs heilt er sie für ein schüchternes Mauerblümchen, doch nach den beiden letzten Vorstellungen von ihr, war sein Interesse nun gänzlich geweckt. Arue schien definitiv eine vielschichtige Persönlichkeit zu besitzen, welche Moandor gerne kennenlernen würde und darüber hinaus brauchte er sich keine Sorgen über das Auffinden des Mädchens machen müssen, wenn er sich der Gruppe anschließen würde. Zudem hatte er kurz zuvor auf schmerzliche Weise erfahren müssen, dass seine zweifelsohne guten Schwertkünste nicht jeden Kampf für ihn gewinnen würden können, ein paar Reisegefährten boten zusätzlichen Schutz.
Und auch Vokial würde sich kaum beschweren können, wenn er seinen neuen Freunden ein wenig über Nekromantie erzählen würde. Sie hatte selbst gesagt, dass es gefährlich werden würde und auf diese Weise war seine Erfolgschance wesentlich höher als alleine. Er würde wahrscheinlich auch viel schneller wesentlich mehr Informationen zusammentragen können, auch das musste in ihrem Interesse sein. Das Wissen, dass er nun offenbaren würde, war zwar keines, dass man allzu offen verkünden sollte, aber seine Weitergabe barg nach Moandors Einschätzung weder eine Gefahr für seinen Auftrag, noch für Vokial, denn es stammte nicht von ihr.
"Danke Arue, Eure Freundlichkeit ehrt mich und übertrifft sogar noch Euer ohnehin bezauberndes Wesen" er zwinkerte ihr zu wurde dann jedoch sehr ernst, als er sich an Eretria wandte "Eurer Freundin und nicht Eurer Beharrlichkeit verdankt Ihr, dass ich Euch nun etwas erzählen werde, von dem Ihr sicherlich noch nichts, oder nur sehr wenig wisst. Arue hat in der Tat Recht. Auf Eure Art, wird nur schwerlich ein Band von Vertrauen zwischen uns erwachsen, wenn die Eine den Anderen nur unter bestimmten Bedingungen dulden kann und der Andere sich von der Einen genötigt fühlt.
Was ich sage soll also bitte nicht als eine Form der Resignation gewertet werden, sondern bitte vielmehr als eine Geste des- in diesem Falle noch - blinden Vertrauens. Ich vertraue darauf, dass alle Anwesenden mit den folgenden Informationen behutsam umgehen werden. Zum einen zieht ihr Bekanntwerden leicht unerfreuliche Konsequenzen nach sich und zum anderen, handelt es sich um etwas, dass man gut und gerne als Verbotenes Wissen bezeichnen kann. Es ist also nicht für jeden geeignet."
Moandor blickte sich um Raume um und blickte jedem Anwesenden in die Augen. "Ihr sagtet, das Mädchen würde leben und dann wieder nicht. Das ist nicht wirklich korrekt...
Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, habt ihr mich vorhin geheilt, indem ihr Energie durch meinen Körper geleitet habt. Diese Energie befindet sich in jedem von uns und sorgt dafür, dass wir leben. Euer Zauber ruft solche Energie herbei und vermag die Integrität unseres Körpers wieder herzustellen, in dem er kurzzeitig die regenerativen Kräfte unseres Körpers erhöht, die ja durch eben solche Energie angetrieben werden.
Doch es gibt ein Gegenstück zu diesem Zauber. Er kanalisiert auch Energie, doch diese ist der Lebensenergie in uns komplett entgegengesetzt. Ein solcher Zauber schließt keine Wunden sondern öffnet sie unter Schmerzen. Man bezeichnet diese Energieart als 'negative Energie' und die Lebensenergie, von der ich zuvor sprach analog dazu als 'positive Energie'."
Der Mann machte eine kurze Pause und sah abermals alle Anwesenden nacheinander an.
"Bis hierhin sollte es für die Zauberkundigen unter uns nicht viel Neues gewesen sein, was ich hier offenbart habe, aber ist dieses Grundwissen wichtig, um das Folgende leichter zu begreifen.
Das Leben wird durch positive Energie gewährleistet. Wenn wir altern schwindet diese in uns allmählich und unser Körper kann sich nicht mehr am Leben erhalten und wir sterben. Der Tod markiert das Ende des Lebens und es ist wichtig zu verstehen, dass er nicht das Gegenteil des Lebens ist, sondern die Konsequenz.
Die Antithese zum Leben... ist der Zustand, den Ihr vorhin als Untod bezeichnet habt, der Zustand in dem sich dieses Mädchen befindet.
Der Gedanke dahinter ist, dass, wenn eine auf positiver Energie basierende Existenz möglich ist, es auch eine auf negativer Energie basierende Existenz geben muss. Wenn man einem lebendem Geschöpf negative Energie einflößt wird es an einem gewissen Punkt sterben, nämlich genau dann, wenn die positive Energie durch die Negative komplett annihiliert wurde. Ein weiterer Zufluss von negativer Energie würde keinen Effekt zeigen, da der Körper nicht dazu geeignet ist, diese zu speichern. Aber wenn man einen Weg findet die Energie am Verlassen des Körpers zu hindern, könnte man einen Untoten schaffen. Ich weiß nicht davon, dass dies jemals durchgeführt wurde, geschweige denn erfolgreicher Weise... Aber nach allem, was ich über dieses Mädchen weiß, scheint es sich genau um diese Theorie zu handeln. Und nun erzählt Ihr mir von einem Geisterbeschwörer" er sah Lémar an "Es scheint mir möglich, dass er auch ein Nekromant ist, ein Magier, der sich mit der Manipulation eben dieser Energien beschäftigt."
Moandors Gesicht war unergründlich, und er schwieg eine lange Zeit. "Ich denke, dass dürfte Euch noch nicht bekannt gewesen sein... Es ist keine ungefährliche Sache, auf die wir uns hier alle Einlassen und ich glaube zum Beispiel auch nicht daran, dass dieser Händler mich nur wegen seiner Frau töten wollte. Er war offensichtlich verrückt und als er sich selbst tötete galten seine letzten Worte einem Fluch den ein gewisser Gazriel auf ihn gelegt hätte.
Wenn Ihr Euch auch schon seit gewisser Zeit mit diesem Mädchen beschäftigt, Milan, war der Angriff auf Euch heute morgen vielleicht dann auch kein bloßer Zufall?"