"Ich wäre eigentlich gern wie Shemiya." Sagte Mika und dachte nicht daran, dass Lémar gar nicht wissen konnte, wie ihr Traum-Ich hieß. "Und ich muss zugeben, dass ich nicht wie Aliya würde sein wollen. Aber nur weil wir uns, für einen guten Zweck, in die Rolle unserer Traumgestalten versetzen, werde wir nicht unser Selbst verlieren. Auch Eretria wird Eretria bleiben, selbst wenn sie mal fünf Minuten mal Aliya miemt. Es wäre doch nur Schauspiel.
Und sollte Eretria dabei ernsthaft irgendwas passieren, wir wären in ihrer Nähe und würden uns um sie kümmern. Vor allem Milan würde sich um sie kümmern. Also gibt es keinen Grund davor Angst zu haben. Wir würden alles tun, um unsere Eretria zurückzubekommen. Dafür würde ich dann sogar unseren Auftrag hinten anstellen." Legte Mika ihren Standpunkt zu den ihrer Meinung nach unbegründeten Ängsten von Eretria dar und führte weiter aus. "Eretria müsste sich mehr davor fürchten, dass Milan oder ich in die Rollen unserer Seelenlieder verfallen, wie es dem Kanalreiniger passiert ist, denn in den Träumen haben wir einen Mordanschlag auf Aliya geplant und umgesetzt.
Ich frage mich nur gerade, welche Rolle der Attentäter hat, denn dem bin ich in meinen Träumen noch nicht begegnet?! Er hat uns gar nicht davon abhalten können den Angriff auf Aliya durchzuführen. Hmmm?" Kurz verfiel Mika ins schweigen und schien der letzten Frage nachzuhängen.
Irgendwann ganz unvermittelt begann die Bardin wieder zu sprechen und klagte dann wieder ihr Leid, dass sie mit dem Rest der Gruppe hatte: "Übrigens bin ich nicht von unserer Aufgabe überfordert und das ganz einfach deshalb, weil ich unsere eigentlich Aufgabe über alles andere stelle und nicht noch zwanzig Baustellen eröffne, die ich sowieso nicht beenden kann. Was mich überfordert ist die Tatsache, dass die anderen jedes Problem, dass ihnen vor die Füße fällt, ganz dringend lösen müssen, ob sie eine Chance haben oder nicht. Und ihre Chancen sinken, je mehr Problemen sie sich zuwenden. Aber das will keiner verstehen, selbst wenn ich es ruhig erkläre. Denn ich erzähle ja nur Schwachsinn. Ich habe ja keine Ahnung.
Weißt du, was ich mir wünschen würde, wenn mir die anderen einmal richtig zuhören würde und auch mal darüber nachdenken würden, was ich ihnen sage. Aber selbst das ist zuviel verlangt."
Nach einer kurzen Pause, begann Mika dann wieder zu sprechen, denn offenbar bewegte die junge Frau eine ganze Menge im Moment: "Davon abgesehen glaube ich nicht, dass der Plan von Eretria mit dem Traum funktionieren kann. Ich denke, dass wir von Sachen träumen, die weit in der Vergangenheit liegen. Wir träumen Geschichten, auf die wir keinen Einfluss nehmen können. Dementsprechend wird Eretria auf diese Weise den Attentäter nicht erreichen. Egal, wo sie träumt. Und sie wird auch außerhalb der Großen Fest träumen, denn wir tragen diese Träume schon seit Wochen mit uns herum und alle paar Tage kommen neue Teile der Geschichte hinzu, ohen, dass wir irgendwas steuern können. Würden wir etwas darin steuern können, dann würden sich unsere Träume nämlich beginnen zu unterscheiden. Aber es passt bisher alles perfekt zusammen, was Eretria, Milan und ich träumen.
Da fällt mir gerade ein: Weißt du, als wir hierher gereist sind, waren wir den sogenannten Rittern der Morgensonne begegnet. Diese hatten eine Karawane überfallen und alle Menschen ermordet und sich daraufhin bei einem alten Turm verschanzt. Ich war dumm genug, um mich bis zu dem Turm vorzuwagen, um zu schauen, ob dort jemand sich aufhält. Ich hätte es fast mit dem Leben bezahlt. Daraus hatte Waldemar nichts gelernt gehabt und musste auch zum Turm rennen und hat es auch fast nicht überlebt. Um den halbtoten Waldemar zu befreien, war Eretria, Calfay und Milan dem Anführer der Morgensonne entgegengezogen. Eigentlich war das blanker Selbstmord. Sie hätten gar keine Chance gehabt, aber sie haben überlebt. Weißt du, was sie gerettet hat? Es waren die Träume, die Einfluss auf das Hier und Jetzt genommen haben. Weil der Anführer nämlich meinte in Eretria diese Aliya erkannt zu haben, die er einst geliebt hat und meint e noch immer zu lieben, hat er sie mit Waldemar ziehen lassen. Deshalb glaube ich, dass Eretria, wenn sie Aliya spielt, Einfluss auf den Attentäter nehmen kann."
Während Mika sprach, genoss sie die Nähe von Lémar zusehens, denn nachdem der junge Mann seinen Arm um ihre Schultern gelegt hatte, legte sie irgendwann ihren Kopf auf seine Schultern. Auch unternahm die junge Bardin wenig später das Wagnis ihre Hand sanft auf den Rücken von Lémar zu legen.