Das gelbe, feinporige Geflecht lässt sich mit Zerren und Biegen abreißen. Es fühlt sich weich und formbar in der Hand an, durchaus angenehm. Darin zu liegen vermittelt ein entspannendes Gefühl, ganz anders als der Schlummer auf gefüllten Jutesäcken oder harten Klosterpritsche. Stroh ist vergleichbar, allerdings schmiegt es sich weder an noch erspart es einem die Halme, die sich ständig in die nackten Haut pressen. Dafür wärmt es sehr viel mehr als die gelbe Wabenstruktur.
Cyparus fröstelt es, als er sich über den grünlichen Sack beugt, die sie vom Magier überreicht bekamen. Es fühlt sich an, als durchwühle er das schleimige Innere einer Schnecke. Als er seine Hand herauszieht, hat sich ein dünner Belag darauf gebildet, was den Eindruck noch verstärkt.
Der Stab ist unversehrt, wenn auch etwas abgenutzt. In den letzten Tagen wurde er viel genutzt, wahrscheinlich mehr als jemals zuvor seit dem Tag seiner Erschaffung. Kein Wunder: Merrow, Tritonen und die anderen Gäste der Locatha brauchen Atemluft ebenso wenig wie sie selbst. Abgesehen davon haben sie mehr als einmal deutlich gemacht, Gäste von außerhalb der Neun Wogen zwar zu empfangen und zu bewirten, aber nicht dauerhaft in ihrer Nähe zu tolerieren.
Lange werden sie trotz ihrer Verdienste nicht bleiben dürfen. Angesichts des unheimlichen Gesang rückt diese Sorge in weite Ferne. Die Sahuagin haben die Vielfalt ihrer Möglichkeiten bereits in Uuhicath unter Beweis gestellt. Das Dröhnen des Gongs hallt manchmal immer noch in seinen Ohren nach, obwohl er ihn nicht einmal ungeschützt vernahm.
Fast ist die Stille des Wassers erlösend. Es umschließt ihn leise gluckernd, vertreibt Shadis Atemgeräusche und macht einem ätherischen Chor Platz, der in den Fluten umso ferner klingt. Es ist kühl, aber kein Vergleich zu den Untiefen, die er bereits zu durchqueren gezwungen war. Seine Lungen protestieren mit einem kurzen Schmerz dagegen, wieder ihre Luft entzogen zu bekommen.
Nach kurzem Ausprobieren verschafft ihnen Cyparus mit dem Zauberstab Abhilfe. Angenehm ist es nicht gerade, wieder eine künstliche Atmosphäre zu kosten, aber allemal besser als schon wieder darauf zu warten, dass einem die Decke buchstäblich auf den Kopf fällt. Der Schleier vor seinen Augen ist inzwischen fast Norm, sodass er ihm kaum auffällt.
Mit einigen kräftigen Zügen verlässt er den Zugangsschacht und schwimmt hinaus auf Qioaahs Straßen. Sein erster Eindruck ist, dass eine Art Fest stattfindet. Je höher er aufsteigt, desto mehr Locatha kann er erkennen.
Sie sind überall, nicht bloß auf den Straßen. Wie Treibholz wiegen sie sich zu dutzenden über ihm in der Brandung, so viele, dass sie fast den Sternen am Himmel ähneln. Alle sind in ihre eigenen Gewänder aus Farben und Nuancen gekleidet. Türkis dominiert, gefolgt von Gelb und Purpur. In den Mienen derer in seiner Nähe vermutet er so etwas wie tiefe Ruhe, ähnlich der, die er selbst während der Meditation spürt.
Manche tragen seltsame Kragen, an denen Muschelhälften befestigt ist, die den hinteren Teil ihres Schädels umschließen. Sie liegen nicht auf der Haut auf, sondern lassen dem Gesang genug Raum, in den Ohrlöchern der Fischmenschen widerzuhallen. Andere tragen gewundene Muschelhörner, deren Klang er schon oft gehört hat. Dieses Mal pressen sie sie gegen den Kopf, ganz ähnlich den Alten der Heimatländer, die jedem Sprechenden ihre Hörtrichter ins Gesicht halten. Manche wirken fast tot, wie sie sich still lauschend der Brandung ergeben.
Der Gesang ist omnipräsent, ohne einer identifizierbaren Quelle zu entspringen. Er scheint absurderweise von den Klippen zu kommen. Auch außerhalb des Findlings fällt es schwer, ihn in seinen Einzelteilen zu erfassen. Es ist der Gesamteindruck, der zählt
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