Als Redril die Frau nochmals anblickt, ist er sich nicht sicher, welchen Eindruck er haben soll. Ihre Augen glänzen vor Wut, doch ein Schatten liegt über ihrem Gesicht. "Ihr werdet meinen Willen nicht brechen,
Mensch!", sagt sie leise, mit bebender Stimme. Das Wort "Mensch" betont sie in eigenartiger Weise, verabscheuend, erniedrigend, urteilend. Dabei ist sie selbst eine Menschenfrau, von der gleichen Rasse wie der Psioniker. "Ich habe mich verschrieben, und meine Loyalität ist unerschütterlich. Hebt Euch Eure mentalen Tricks für den Jahrmarkt in Sayandras Garten auf!" Dann legt sie ihren Kopf auf den Boden, in eine möglichst bequeme Position, sollte das in ihrer gefesselten Haltung überhauptmöglich sein, und schließt die Augen. Einige Kinder und Jugendliche beobachten die Szenerie, bevor sie von ihren Eltern weggezerrt werden. "Hilf gefälligst mit!", bekommen sie zu hören. Remus und Redril machen sich an ihre morgentlichen Rituale, während Ghart bei der Frau, die scheinbar eingeschlafen ist, Wache hält.
Zwischenspiel Redril (Anzeigen)Ein lange Nacht liegt hinter Redril, und seine Meditation bringt ihn an die Grenzen seines Bewusstseins. Die meiste Zeit befindet er sich in einem schlummernden Zustand am Rande des Schlafes. Dal Quor, die Ebene der Träume, streckt ihre langen Schattenfinger nach dem Psioniker aus, und Tagträume machen sich in seinem Bewusstsein selbstständig. Er vergisst, was um ihn herum geschieht, fokussiert sich auf seinen Geist, in seiner eigenen Welt. Flüstern, flüstern.
Redril! Eine Stimme, wie in einer ewigen Ferne, freundlich, gar verführerisch, hallt durch seinen Kopf.
Redril, komm! Es ist Quori, doch merkwürdigerweise versteht er die Worte.
Redril, es wird Zeit! Verschwende deine Talente nicht!
Er steht an einer Höhle, tief wie die Nacht, finster, ohne einen Funken Licht. Er blickt um sich. Ein strahlender Baum steht plötzlich auf der anderen Seite des Feldes. Wie kam er dahin? Und woher? Er zögert...
Redril, komm herein! Die Stimme kommt aus der Höhle, und er kann auf ein leuchtendes Paar Augen darin sehen. Komm her, Redril. Du weißt, es ist die richtige, die einzige Entscheidung!
Ein dunkles Brummen ertönt. Es kommt von dem Baum. Es hört sich an wie hundert Kriegshörner, doch aus großer Entfernung. Redril dreht sich um...der Baum schwankt wie in einem Sturm, seine Äste peitschen wütend durch die Nacht. Redril!
Als er wieder auf die Höhle blickt, sieht er eine Figur auf ihn zurasen. Dunkel, dunkelviolett wie eine sternenlose Nacht. Sie rennt nicht, sie schwebt. Es ist eine wunderschöne Frau, doch ebenso fürchterlich! Sie rast auf ihn zu, öffnet ihren Mund, nein, plötzlich ist es ein Maul, mit tausenden von Zähnen. Es wird übergroß, gigantisch, größer als die Welt, und es droht ihn zu verschlucken! Verlockende Finsternis. Es scheint so schwer...nein, so einfach! Sie kommt...sie kommt...Redril!
Er öffnet die Augen. Schweiß bedeckt sein Gesicht. Er ist wieder bei der Karawane, und sein Traum ist vorüber...
Dayn widmet sich unterdessen den Schemata auf den Plänen, die er aus Sharn erhalten hat. Er braucht eine ganze Weile, bis er überhaupt auch nur den Hauch eines Sinnes darin erkennen kann. Scheinbar fehlen einige Teile in dem größeren Ganzen, doch er glaubt, dass es sich um eine Art Karte handeln könnte. Doch die Muster sind zu unklar und zu unvollständig, als dass er irgendetwas damit anfangen könnte. Auch hat er an diesem Morgen zu wenig Zeit, vielleicht würde er in Sayandras Garten mehr herausfinden.
Stordan geht währenddessen endlich seiner Pflicht nach und verteilt weitere Aufgaben bei der Reorganisation der Karawane. Der Zusammenbau geht schnell von Statten - Furch und Adrenalin scheinen eine hervorragende Kombination zu sein, um die Fähigkeiten von Personen jeglichen Standes zu beflügeln. Und so ist nach einer guten Stunde - Remus und Redril haben gerade ihre Riten beendet - die Karawane bereit zur Weiterreise nach Sayandras Garten. Die Helden treffen sich wieder bei der Gefangenen, und Stordan spricht im Namen der Karawane zu Ghart, Redril, Shesara, Dayn und Remus. "Nun, wir wären in wenigen Augenblicken bereit, die Reise fortzusetzen", kündigt er an. "Was schlägt Ihr vor? Wollt Ihr...
sie noch verhören, oder sollen wir direkt aufbrechen?"