Zerah ging es nicht gut. Gar nicht gut. Wäre es nicht wegen Serayn, so hätte nie einen ihrer mittelgroßen Füße auf diesen Kahn gesetzt.
Als sie ihr Reisegefährt in Form der übergroßen Schaluppe das erste Mal in Moesa gesehen hatte, hatte sich ihr bereits ihr Magen umgedreht. Zu jenem Zeitpunkt war es jedoch eher ein Gefühl denn Realität gewesen. Als sie dann das Schiff betreten hatte und sie losgefahren waren, dauerte es nicht lange, und man sah sie die Seevögel füttern. Immer und immer wieder. Mittlerweile hielt sich ihre Übelkeit in Grenzen, dennoch war ihr stets unwohl, keinen richtigen, festen Boden unter den Füßen zu haben. Immer, immer wieder drang die Kakophonie aus Seilknarren, Fußgetrappel, brechenden Wellen und Seemannsliedern an ihre Ohren, weswegen sie sich nicht in ihrer besten Verfassung befand. Ihre Haare, eigentlich lang, gepflegt und tiefbraun, waren nunmehr zerzaust und ein optisches Sinnbild ihrer Verfassung. Es war gut, dass sie allein im Mannschaftsraum waren, denn so konnte sie ihrem Unmut, während sie sich halb auf einen der grob gezimmerten 'Tische' gelegt hatte, mit den Händen an den Kanten Halt suchend, freien Lauf lassen.
"Mir wäre es wirklich lieber gewesen, wenn wir Monate herumgelaufen wären, Schwesterherz...", sagte sie zu Sera gewandt, nuschelte mehr, als dass sie sprach. Sie mochte stark und kräftig und ausdauernd sein, aber das half einem nicht, wenn man seekrank war und auf einem Schiff zugegen. "Aber warum ausgerechnet ein Schiff? Warum ein Ding, dass den Geräuschen nach jederzeit auseinanderbrechen kann und das so sehr schaukelt, dass ich Nachts aufpassen muss, nicht aus dem... dem...", stotterte sie, während sie ein anderes Wort für 'Bett' suchte.. "..dem Schiffsnachtlager zu fallen..", gab sie sich dann den Worten ihrer Sprache geschlagen und ein leiser, dumpfer laut ertönte, als ihr Kopf dem Holz des Tisches einen schönen Nachmittag wünschte, gefolgt von einem Seufzen. So blieb sie liegen, atmete leise und strich sich eine aberwitzige Strähne aus dem eigentlich ansehnlichen Gesicht. Sie hatte dunkelbraune Augen, mit denen sie durchaus feminin-reizend blicken konnte - was eigentlich nie vorkam. Meist waren ihre Brauen zu einem Strich zusammengezogen und ihr Blick wie der Flug eines Dolches. Sie schien Menschen sehr gut einschüchtern zu können, wenn sie wollte. Matrosen, die sich über Frauen an Bord beschwerten, bekamen einen solchen Blick ab. Wie er wirkte, vermochte sie nicht zu sagen, weil sie danach immer außerhalb der Gesprächsweite ging, aber sie hoffte, er brachte sie zum verstummen.
Ihre Ausrüstung lag neben ihrem Schlafplatz, alles fein säuberlich zusammengepackt, sofern es denn ging. Wasserfestes Leder wurde benutzt, mehrere Stoffschichten für Zerbrechliches. Das, was sie jedoch kaum einpacken konnte, waren zum einen ihre Rüstung - eine schön gearbeitete, helle Brustplatte aus Stahl - und zum anderen ihr Schwert. Es war jedoch kein Schwert im Kurzschwert- oder Langschwert-Sinn. Es war ein Monstrum. Die Klinge war beinahe so groß wie sie und geschätzt sicher auch so schwer, wenn man den meist von Flüchen geschmückten Ausdrücken jener nachging, sie sich anschickten, es hochzuheben. Es war ihr ganzer Stolz, und die eingravierten Intarsien auf der recht geraden Klinge, der Griff... sie mochte ihr Schwert, mit dem sie Serayn beschützen konnte. Wollte. Musste. Und auch, sofern es ihr möglich war, immer tun würde.
Als ein 'Jemand' zu ihnen hereinkam, stöhnte sie wegen des Lichteinfalls... trotz ihrer dunklen Augen behagte ihr die Sonne nur, wenn sie Zeit gehabt hatte, sich an sie zu gewöhnen, was im Mannschaftsraum jedoch nicht der Fall war. Es raschelte, dann gab es wieder einen Laut, als ob sich etwas schließen würde, dann Fußgetrappel und Gemurmel. Auf Wiedersehen, traute Zweisamkeit, willkommen, Herr... wie auch immer sein Name eben war. Er murmelte, und sie ließ ihn murmeln, senkte den Blick und blieb einfach wie schlaf-dösend auf dem Tisch liegen, ihm keine besondere Beachtung schenkend. Und von was auch immer er sprach - sie hatte sicher nicht die Muße, ihm zuzuhören...