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Autor Thema: [IT] Prolog: Schatten über Tristram  (Gelesen 59776 mal)

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Marius

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« am: 10.07.2010, 22:05:57 »
"Ah Marius, endlich finde ich Euch! Ich suche schon lange Zeit nach Euch, Marius. Ich dachte schon..., Ihr wolltet nicht von mir gefunden werden.".

"Ihr... seid es. Ich hätte wissen müssen. Sie sehen alles. Bitte... vergebt mir, es... es war nicht meine Schuld".

"Es war nicht Eure Schuld? Sagt mir Marius, inwiefern war es nicht Eure Schuld?".

"Der Wanderer, ja es war der Wanderer. Bitte..., bitte gebt mir Gelegenheit, Euch alles zu erzählen! Bitte, bitte hört mich an! ...
Ja, es war, wenn ich mich recht entsinne, es fing alles damit an, dass der einst weise und gerechte Leoric dem Wahnsinn verfiel. Früher ein scheinender Nimbus der Zakarum, zerfiel der Geist des Königs von Tristram. Man sagt das seine Gestalt verkrümmt und sein Gesicht von Ekel und Argwohn zu einer Fratze verzogen war, sprach er mit seinen Untergebenen. Überall witterte er Bosartigkeit und Verrat und auch die kleinsten Anzeichen strafte er mit dem Tod. Wie Ihr wisst, erklärte Leoric dem benachbarten, jedoch weitaus mächtigeren Königreich Westmarch den Krieg und schickte seine gesamte Armee mit dem Heerführer Lachdanan in einen aussichtslosen Krieg, der fassungslosses Erschrecken zu beiden Seiten hervorrief und unbeschreibliches Leid verursachte.
Ich... war zwischen die Fronten geraten und floh landeinwärts. Ich wusste nicht wohin und hatte nichts, außer was ich am Leib trug. Tagelang reiste ich durch das Land und gelangte schließlich völlig erschöpft zum Kloster, wo man mich aufnahm. Dort erzählte man mir auch, was in Tristram geschah..."
« Letzte Änderung: 16.11.2011, 12:50:52 von List »
"Oh, I'd fought sleep for days at a time... For when I dreamt, the memories would return. Memories of the Monastery, and the Evil which had claimed it! Dreams, memories... I couldn't tell the difference anymore."

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #1 am: 10.07.2010, 22:06:38 »
Als sich Delara an diesem Abend zu Ruh legt, dauert es sehr lange, bis sie einschläft. Immer wieder muss sie an den bizarren Foliant denken, den sie heute gelesen hat. Er enthielt nichts als verschlüsselte Andeutungen und Doppeldeutigkeiten, sowie die eine oder andere eingeflochtene Beschwörungsformel, und doch fühlte sie eine eisige Hand, die nach ihrem Herz griff. Obgleich  sie Angst verspürt, hält das Buch ihre Gedanken gefangen. Nach langem hin- und her- wälzen schläft sie vor Erschöpfung doch ein.

Sie erwacht in einem dunklen Gewölbe aus einer Benommenheit. Bauern und Handwerker mit Fackeln und improvisierten Waffen laufen an ihr vorbei, scheinbar ohne sie zu bemerken. Die Männer zeigen einen grimmen Gesichtsausdruck, der Furcht verrät. Sie ist sich bewusst, dass dies ein Traum sein muss, doch ach!, wie real er scheint, dass ihr kalt der Schweiß den Rücken herunterläuft. Schnell beeilt sie sich, um den Männern zu folgen, denn sie selbst hat keine Lichtquelle bei sich, noch eine Waffe.
So sehr sie es versucht, sie kann mit den Männern nicht Schritt halten und fällt bald in der Dunkelheit zurück. In der Ferne sieht sie die Fackeln der Männer in den verzweigten Gängen verschwinden. Sie ist jetzt allein - und Panik überfällt sie. Blind stürzt sie durch die Gänge, tastet sich an den Wänden entlang, reißt sich die Hände auf. Sie hat das Gefühl zu ersticken.
Schließlich gelangt sie in eine Kammer mit einer schweren Eichentür. Sie verschließt die Tür und drängt sich in die hinterste Ecke der Kammer, dass der namenlose Schrecken, der sie jagt (sie weiß, dass sie gejagt wird!), sie nicht findet. Dann öffnet sich die Tür und Licht erhellt die Kammer. Sie blinzelt und sieht den Umriss einer untersetzten Gestalt mit Hörnern - in der Hand ein großes Fleischerbeil. "Ah, da bist du ja!". Sie schreit - und wacht schweißgebadet auf.

An Schlaf ist nicht mehr zu denken und sie verspürt den Drang zu flüchten, ja, etwas scheint regelrecht an ihrem Geist zu ziehen. Eilig sammelt sie ihr Hab und Gut und bricht auf. Wohin auch immer.
« Letzte Änderung: 10.07.2010, 22:11:25 von List »
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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #2 am: 10.07.2010, 22:07:02 »


13. Oktober im Jahre 1265

In den unsicheren Zeiten des Krieges versucht eine kleine Karawane unter der Führung des Händlers Warriv eine sichere Zuflucht zu erreichen. Es drängte Warriv, schon früh aus Bramwell aufzubrechen, um möglichst weit von Westmarch fortzukommen. Glücklicherweise haben sich einige Söldner gefunden, die die Karawane beschützen, aber auch andere Flüchtlinge unterschiedlichen Hintergrunds haben sich der Karawane bereits angeschloßen.
Sie sind nun schon ein ganzes Stück gereist. Warriv hofft, in einigen Tagen die Klosterpforten passieren zu können, und nach Lut Gholein zu reisen. Die Männer und Frauen sind müde. Für heute werden sie hier in der Heide rasten, wo das Land gut überblickbar ist, wie ein Späher vorschlug. Es ist noch immer sehr heiß und schwül, doch ein naher See verheißt Erfrischung.

Im Laufe der Reise haben sich die Fremden vorgestellt und man war begierig, zu erfahren, wer sie sind, darunter der Späher Wolfhard, eine Gelehrte namens Delara, die Schaustellerin Feyra, ein einfacher Steppen-Nomade namens Sezair und der Zakarumnit Raphael de Aveugler und seine Schülerin Seles de Lioncourt - und ein absonderlicher Rathma-Priester namens Belanar, der eine knöcherne Rüstung trägt (seine Anwesenheit löst Unbehagen aus, doch konnte Warriv die Männer beruhigen).
Außerdem sind da noch Mersault und Fyda, die Geschwister sind und aus Westmarch stammen. Mersault sagte, er wäre Soldat gewesen und Fyda war Feldscher, bevor sie aus diesem sinnlosen Krieg desertierten.
Warriv hat dafür gesorgt, dass die Fremden eine eigene Jurte erhalten, die nun aufgebaut wird.
« Letzte Änderung: 10.07.2010, 22:41:45 von List »
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Delara

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #3 am: 11.07.2010, 22:11:23 »
Der Aufbau der Jurte bedeutet das nahen der Nacht. ein Schweißtropfen läuft der jungen Frau übers Gesicht, aber die Wärme ist nicht der Auslöser dafür. Ganz im Gegenteil ... es scheint das dieses schwül-warme Wetter der Gelehrten nicht das geringste ausmacht. Der Grund war ein anderer. Mit der Nacht werden sie wieder kommen, die Albträume die ihr schon seit einiger Zeit den Schlaf rauben, alleine der Gedanke an die bevorstehende Nacht sorgen dafür das sich die Angst in ihr breit macht, doch versucht Delara sich das natürlich nach außen hin nicht anmerken zu lassen.

Mit einem deutlich uninteressierten Gesichtsausdruck verfolgt Delara den Aufbau des Zeltes. Die junge Zauberin wartet nur darauf das sie sich endlich zurückziehen kann um diesen elenden Folianten weiter zu untersuchen. Wie schon während der ganzen Reise mit dieser Karawane, hat sie kein Interesse sich am Abend zu den anderen Reisenden zu gesellen, ist dies doch die einzige Zeit wo sie sich ihren Forschungen hingeben kann. Sie muss ... nein sie wird herausfinden was es mit diesem Teuflischen Ding auf sich hat, das hat sie sich geschworen.
Es hat ihren Stolz verletzt das ein einfacher Gegenstand sie anscheinend so leicht zu manipulieren vermag.

Ach wäre sie doch jetzt wieder in ihrem Orden, dort könnte sie viel leichter Nachforschungen anstellen. Aber es hilft nichts, dieses blöde Ding hat sie nun einmal hierhin geführt und jetzt muss sie halt mit den Mitteln auskommen die ihr zur Verfügung stehen.
Delara befreit sich mit einem tiefen Seufzer aus ihrer Gedankenwelt und wischt sich mit einem Arm den Schweiß von der Stirn.

Wolfhard

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #4 am: 12.07.2010, 12:31:06 »
Während das Lager langsam Form annimmt, sucht sich Wolfhard einen Platz, im Schatten eines der Bäume am Rand des Lagers, der frei von hervorstehenden Wurzeln und Steinen ist, um dort seinen Schlafplatz ein zu richten. Nach einer letzten Betrachtung des wolkenlosen Himmels und des Verhaltens der sichtbaren Insekten und Vögel, so wie einem prüfenden Schnuppern in die unbewegte, feuchtwarme Luft, ist er davon überzeugt das in der kommenden Nacht kein Regen zu erwarten ist und so rollt er nur seine Decken auf dem Boden aus.

Nach dieser kurzen Vorbereitung für die Nacht, geht er zum Seeufer und Folgt diesem zirka einen Kilometer und macht sich dann daran, einen Bogen um das Lager zu schlagen, wobei er langsam und leise in einer leichten Schlangenlinie geht und genau auf Anzeichen von Gefahren und Unannehmlichkeiten für die Karawane achtet.

Sezair Lemas

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #5 am: 12.07.2010, 17:56:03 »
"Der Segen und die Barmherzigkeit des Herrn sei mit Dir."

Am Ufer des kleinen Sees kniet der alte Mann zwischen getrockneten Gräsern und glatten Steinen, hält ehrfürchtig seinen Rosenkranz in den rauen, sonnengegerbten Händen und sitzt der Sonne entgegen. Die Augen im Gebet geschlossen, grüßt er mit einem kurzen Nicken einen unsichtbaren rechten Nebensitzer in seiner eigenen Sprache, bis er sein Haupt nach links wendet, um das Ritual auch seinem linken Nebenmann zu gewähren.

"Der Segen und die Barmherzigkeit des Herrn sei mit Dir."

Mit beiden Händen wäscht er sein Gesicht mit frischer Abendluft und seliger Erfüllung, ehe er den Rosenkranz kurz an seine spröden Lippen führt und ihn mit seiner runzeliger Stirn berührt.

"So sei es."

Ächzend greift der Alte nach seinem knorrigen Stock, der neben ihm im Gras lag und richtet sich langsam auf. Für einen kurzen Moment blickt er der untergehenden Sonne nach, glücklich darüber, dass die Rast der Karawane in die Nähe eines Sees gefallen ist, und stellt sich vor, er rieche das Salz des Meeres. Zufrieden begibt er sich wieder zu der Karawane.

"Ich frage mich, welche Fische wohl in diesem See schwimmen," spricht er, bereit, seine Worte mit jedem zu teilen, der auch ihm welche schenken will. "Zeit meines Lebens war ich Fischer, habe aber noch nie aus einem See geangelt. Wer kann sich das vorstellen?"
« Letzte Änderung: 13.07.2010, 10:50:38 von Sezair Lemas »

List

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #6 am: 13.07.2010, 10:46:09 »
Viele tüchtige Hände helfen mit - selbst die Zakarumniten und der Rathma Priester - und so ist die Jurte bald aufgebaut. "Lass uns unsere Sachen verstauen und dann möchte ich gerne mit Warriv sprechen." sagt Raphael de Aveugler zu seiner Schülerin. Er wählt einen Platz im ersten Viertelkreis, nahe des Eingangs. Dort legt er sein Gepäck nieder und rollt sein Schlafffell aus. "Entschuldigt," wird er von Mersault angesprochen, "darf ich mich Euch noch einmal persönlich vorstellen? Mein Name ist Mersault und das ist meine Schwester Fyda. Dürfen wir den Platz neben Euch beanspruchen?". Er lächelt, "Wir schlafen lieber nahe des Ausgangs, wisst Ihr?". de Aveugler sieht die beiden verblüfft an. "Ihr beiden seid aus dem Krieg desertiert und es verwundert mich, wie natürlich Ihr damit umgeht. Ihr wisst, dass ich einen gewissen Standpunkt diesbezüglich einnehmen muss?". Er macht eine kleine rethorische Pause, doch die beiden bleiben unbeeindruckt. "Reden wir nicht davon, ich bin nicht hier, um Euch zu verurteilen. Nehmt den Platz ein, wenn ihr wollt". Mersault bedankt sich artig und die beiden breiten ihre Sachen aus.

Es fängt nun an zu dämmern. Wolfhard durchstreift die Wiesen und Wälder der nahen Umgebung und genießt seinen Frieden. Die Bäume sind hier prächtig und stark gewachsen, vorwiegend Buchen, Ahorn, Eschen und Linden, vereinzelt eine Vogelbeere und auch einige kräftige Kiefern. Das Licht der untergehenden Sonne färbt die Bäume orange und rot und gibt ihnen ein beinahe mystisches Aussehen. Er hat nun das Lager weitläufig umschritten, aber keine Gefahren ausfindig machen können. Aber einen Hasen hat erlegen können. Den Mümmelmann im Genick gefasst, blickt er in den Himmel und macht ein paar Züge der schwülen Luft. Da entdeckt er in ein paar Kilometern Rauch am Himmel. Mag das eine größere Lagerstätte sein? Vielleicht ist es aber auch ein Dorf mit einer Schmiede? Es ist zu weit, um das zu erkunden, zumal er in relativer Nähe zur Karawane bleiben sollte, also geht er weiter.
"Pilze gibt es hier! Eine Morchel und wie groß sie ist! Es sollte noch gar nicht die Zeit dafür sein.". Mit seinem Messer schneidet er den Fruchtkörper ab und steckt den Pilz in einen Beutel. "Hier muss es noch mehr geben!". So läuft er weiter in einen lichten Wald. Auf einer Lichtung bleibt er abrupt stehen: Der Boden sieht hier aus, wie verbrannt, die Bäume sind verkrüppelt und mitten auf der Lichtung ist ein Kreis aus Morcheln. "Ein Hexenkreis! Im Volksmund sagt man, dies sei ein verdorbener Ort, wo Hexen zusammenkommen!"[1]. Es wird nun dunkel und es schaudert ihn...[2]
 1. Hexenring
 2. ..., aber kein Sanity Verlust
« Letzte Änderung: 13.07.2010, 11:32:21 von List »
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Syra Caldrin

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #7 am: 13.07.2010, 14:47:54 »
Es scheint alles ruhig und nahezu friedlich im Lager zu sein. Menschen helfen einander, bauen Jurten, machen Feuerstellen und scheinen glückselig diesen Dingen nachzugehen, es wird langsam Abend, Vögel zwitschern in den Bäumen und in der Ferne hört man den See, wenn man denn nur hinhört. Alles ist so.. idyllisch. Ein Zustand, der Feyra nicht unbedingt behagt. Sie mag es nicht ruhig, sie mag es nicht idyllisch. Aber wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wusste sie nichtmal, was sie wirklich mögen sollte. Sie wusste nur bisher immer recht gut, was andere mochten. Das nutzte sie aus, um sich ihren Lebensunterhalt in Form von Gold, guter Reputation und dadurch noch ein bisschen mehr Gold zu verdienen. Was sie war? Für die Menschen, die sie sahen, eine äußerst musikalische Person, Spielerin, Schaustellerin, Sängerin. Wenn man sie selbst fragte, würde man eben jenes hören. Doch wenn sie sich selbst fragte, so war sie... ja, was eigentlich? Eine Diebin? Spionin?
Irgendsoetwas wohl. Sie hatte genug durchgemacht, um nicht mehr zu wissen, was sie eigentlich war. Aber ihr war es recht so. Soviel Zeit zum Grübeln blieb ohnehin nicht, während sie, gehüllt in ihren schlichten, grünen Mantel und ihrem Rucksack auf dem Rücken, das lager durchstriff.

Nach einiger Zeit -das Lagerfeuer brannte, die Menschen ruhten sich aus, aßen, tranken und redeten munter drauflos- greift sie zu ihrer kleinen Geige. Es ist ein wirklich schönes Instrument, wenn man sich auskannte und solcherlei Dinge wertschätzte. Jedoch befindet sie sich nicht am warmen Schein des Feuers, um für die Leute dort zu spielen, sondern lehnt an einen mächtigen Baum, einige Schritt von Gerede und Gelage entfernt. Sie nimmt das Instrument in die Linke, fixiert es zwischen Kinn und Schulter, ergreift den Bogen und beginnt zu spielen. Leise. Es war nur eine einfache Melodie, die ihr durch den Kopf ging, die sie spielte. Nichts imposantes, nicht das, was sie spielen würde, um Geld zu verdienen. Sie meinte, den See in der Ferne zu erkennen, doch ihre Augen täuschten sie mit Sicherheit, sodass sie jene schloss, ihre Ohren nur auf die warmen Klänge der Geige fixiert. Ruhig glitt der Bogen über die vier aufgespannten Saiten, hin und her. Ebenso leise wie sie spielte, summte sie dazu. Lehnend, am Stamm tat sie das, was ihr Leben war. Spielen. Ein Konzert, nur für sich selbst, für ein paar Minuten. Der Tag war nicht anstrengend gewesen, doch bisher hatte sie nicht die Ruhe gefunden, zu spielen. Ihr Fuß war wie ein kleines Metronom - es gab den Takt für sie. Auf und nieder ging der Fuß, streichelte mehr den Boden, als er stampfte. Es war eine sehnsüchtige Melodie, ein Text wurde gesungen, ein Abbild ihrer Gedanken gerade.

"Nimm mich mit, auf jene Reise,
Nimm mich mit, oh ferner Wind,
Flüster mir ins Ohr ganz leise,
Was dein umtostes Herz umgibt.."


Ein paar weitere Strophen folgten noch... sie singt leise von Fernweh, von Meeren und vom Sternenhimmel. Dabei war sie so versunken in sich selbst, dass sie wohl nicht anderes mitbekam. Ob nun Menschen kamen und ihr zusahen, oder ob sich jemand anschlich, oder ob sich gar Vögel auf ihre Schulter setzten, wie man es manchmal auf verträumt-malerischen Bildern sah oder dergleichen - sie ist weg. Weg, an dem Ort, den sie sich so sang, wie sie ihn vor sich sah. Sie hat noch kein Interesse, schlafen zu gehen, noch hat sie großes Interesse, mit jemand anderem zu reden. Sollte jemand Konversation starten, würde sie nicken, ein leises 'Hallo' sagen, noch ein 'Ich muss weiter', und dann würde sie gehen. Ein nettes, schönes Gespräch eben. Doch im Moment sang sie. So, dass es möglichst niemand hören sollte. Nur für sich, am Abend, an dem sie rasteten, auf dem Weg nach Tristram.
"Winter und Tod sind ein und dasselbe. Beides ist unausweichlich."

Seles de Lioncourt

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #8 am: 13.07.2010, 21:12:22 »
Die junge Inquisitorin ist immer noch erstaunt darüber, welche Gestalten mit solchen Karawanen über die Landkarte zu reisen pflegen. Der Späher erweckt in ihr noch den normalsten Eindruck. Ganz anders aber sieht es bei dem Rathma-Priester aus, dessen Leib von einer knöchernen Rüstung umgeben ist.
Als wäre deren Religion nicht schon sonderbar genug. Es entzieht sich ohnehin ihrem Verständnis, wie man sich im Zwist zwischen Licht und Schatten einfach seiner Verantwortung entzieht und von einem Mächtegleichgewicht sprechen kann. Als ob die Welt von der wuchernden Verderbtheit abhängig wäre...

Ein lächerlicher Gedanke. Doch das sollte gerade nicht ihre Sorge sein.  Ohne dazu aufgefordert zu werden trägt sie ihren Teil zum Aufbau der Jurten bei und fährt sich nach getanem Werk langsam über die Stirn. Es ist nicht das beste Wetter. Für ihren Geschmack entschieden zu schwül.  „Gut.“ Antwortet sie nur und sucht sich einen Platz in seiner Nähe – mit respektablen Abstand zu seinem Lager. Dort bereitet sie ihre Schlafstätte vor und legt ihre Habseligkeiten ab. Kurz erwägt sie auch, sich von ihrer Rüstung zu trennen, verschiebt dies aber auf später.   Mit einem nichtssagenden Gesichtsausdruck blickt sie auf, als ihr Mentor von den Desateuren angesprochen wird. Welche Gründe außer Feigheit wohl bestehen, um sein Land und seinen Herrscher im Stich zu lassen? Und dann handelt es sich noch ausgerechnet um Mitbürger.

Doch das, was ihr Mentor angesprochen hatte, lässt sie die beiden noch nicht vor verurteilen. Wenn dieser Krieg wirklich sinnlos ist, dann taten die beiden möglicherweise wohl gut daran. Aber das will erst bewiesen werden.  Bis dahin bleiben sie ihr suspekt. Wie auch immer sich die wirkliche Situation zeigen mag: Desateuren stehen harte Strafen bevor.  Ihr Mentor scheint zu dem gleichen Schluss gekommen zu sein und hat  ihnen dennoch also erlaubt, sich in ihrer Nähe breit zu machen. Solange ihr Hab und Gut nicht angetastet wird, will sie auch nichts dagegen sagen. Von der Last ihrer Ausrüstung befreit, wartet sie nun darauf, ihn zu ihrem Karawanenführer zu begleiten. Hoffentlich kühlt es sich in der Nacht ab. Bei solch einem Wetter vermag sie nur schlecht zu schlafen.

List

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #9 am: 14.07.2010, 21:20:00 »
Es sind nun alle Zelte aufgebaut und die Nacht bricht herein. Schnell ist ein Holz aufgeschichtet und kaum knistert und knackt das Feuer, schon haben die Männer und Frauen allerlei Instrumente herbeigetragen, auf denen sie allerlei Volks- und Zigeunerweisen zu spielen wissen. Wer kein instrument hat, tanzt und singt und klatscht.
Die Menschen sind ausgelassen und froh. Es ist als spüre man hier nicht die schweren Ketten, die die Verstädterung und das Fronwesen den Menschen auferlegt hat. Natürlich kennt man hier auch harte Arbeit, Pflichten und Rechte, doch man spürt, dass sich die Menschen als zusammengehörig betrachten und es keiner Gesetze bedarf, um sie zusammen zu halten.

Kaum einer beachtet Feyra, wie sie alleine an dem Baum sitzt und spielt. Nur Mersault setzt sich neben sie und mit der Begeisterung  eines kleinen Kindes betrachtet er sie und lauscht ihrem Spiel. Keinen Ton wird er sagen, bis sie es nicht tut.

Währenddessen machen sich Raphael de Aveugler und Seles de Lioncourt auf, um Warrivs Zelt zu finden. Raphael bleibt stehen und betrachtet melancholisch das fröhliche Treiben auf dem Lagerplatz. Dann wendet er sich an seine Schülerin: "Ich sage Euch im Vertrauen, de Lioncourt, dass ich spüre, dass das, was wir tun richtig ist. Ja, ich spüre, dass Zakarum den Menschen Sicherheit und Wohlstand und den Reichen Stabilität bringt. Nun haben wir Wahrheit und Rechtschaffenheit erlangt und müssen nur befürchten und dafür sorgen, sie nicht zu verlieren." Er stockt, als frage er sich, ob er weiter sprechen solle, doch dann: "Doch wenn ich dieses Lager betrachte, dann spüre ich auch, dass wir etwas verloren haben. Ich kenne keine Stadt, in der die Menschen noch so..." er sucht nach Worten, "frei und doch verbunden leben. Wo die Menschen für einander Opfer bringen und Verantwortung übernehmen - und zwar ohne Verpflichtung, sondern aus 'Erspüren' heraus. Ich kann nicht einmal die richtigen Worte finden und komme auch zu keinem Schluss.".
« Letzte Änderung: 14.07.2010, 21:23:46 von List »
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Wolfhard

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #10 am: 16.07.2010, 17:59:15 »
Als Wolfhard auf die, im verglich zum sattgrünen Rest des Waldes, tot und unheimlich wirkende Lichtung tritt, scheint sich alles zu verdüstern, doch nach einer Schrecksekunden und einem leichten Schaudern, erkennt er, dass nur die hereinbrechende Dämmerung eine seltsame Lichtstimmung bewirkt hat. Als er dann auch noch daran denkt, was für abergläubische vorstellen über solche orte Verbreitet sind,  wird auch der letzte Rest des unheimlichen Gefühls von einem amüsierten Schmunzeln verdrängt. Schnell sammelt Wolfhard den grössten Teil der Morcheln im kleinsten Topf aus seinem Rucksack, wobei er jedoch die kleinsten Fruchtkörper stehen lässt und schlägt anschliessend den direkten Weg in Richtung Lager ein.

Den Topf mit den Pilzen in der einen und den erlegten Hasen in der anderen Hand nähert sich Wolfhard dem Lager und hält dabei nach Warriv und dem Lagerkoch ausschau.
« Letzte Änderung: 16.07.2010, 23:08:30 von Wolfhard »

Seles de Lioncourt

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #11 am: 17.07.2010, 11:50:24 »
Für Seles ist der Gang zu Warrivs Zelt eine gute Gelegenheit, sich der ausgelassenen Stimmung zu entziehen. Für sie ist soetwas nichts – wenn sie an all die Finsternis in den Herzen der Menschen denken muss, stimmt es sie nicht unbedingt fröhlich. Wie wenige Menschen von sich selbst behaupten können, rein zu sein...Und dann dieser Krieg. Wenn sich die Gerüchte bewahrheiten sollten, besteht umso weniger Anlass zur Freude.

 Als de Aveugler unterwegs plötzlich stehen bleibt, hält auch sie und sieht ihn überrascht an. Bis zum ersten Teil kann sie ihm zustimmen und ihm vollauf Recht geben. Aber nun lässt er offensichtlich werden, dass er irgendwas an diesen Menschen findet. Die junge Inquisitorin verzieht nachdenklich das Gesicht, um seinen Worten nachträglich folgen zu können. „Ich bin mir dessen auch sicher, Monsieur de Aveugler...“ Antwortet sie langsam.

„Aber der Mensch muss sich entscheiden, ob er nach Sicherheit oder Freiheit strebt. Eine solche Verbundenheit, die Ihr hier seht, ist in größeren Gemeinden vermutlich einfach nicht mehr möglich. Wenn jeder jeden kennt, wird es wohl etwas anderes sein. Und solange gute Menschen mit einander leben, mögen sie auch unabhängig sein zu können, ohne das Chaos ausbricht. Doch ich stelle mir vor, dass bereits wenige schlechte Menschen eine derartige Gemeinschaft schnell zerstören. Es würde einfach nicht überall gelingen...dafür sind die Menschen noch nicht reif.  “ Ist sie überzeugt.

„In unserer Zeit ist es sicher das Beste, wenn man sich einem weisen Herrscher unterwirft und nachschlagen kann, welche Rechte man besitzt. “ Schließt sie mit einem dünnen Lächeln ab, das bald wieder verblasst. Die Teilnehmer dieser Karawane kann man auch nicht mit einer Stadt vergleichen. Hier trennen sich bald die Wege. Menschen sind streitbar, verführbar...und ziehen das Böse magisch an. Nicht umsonst hat der Erzengel  zu ihnen gesprochen; ihnen durch Akarat Reinheit und Widerstand gegen alles Böse gepredigt.
« Letzte Änderung: 17.07.2010, 11:50:59 von Seles de Lioncourt »

Syra Caldrin

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #12 am: 17.07.2010, 14:31:58 »
Feyra spielt und spielt. Es dauert eine ganze Weile, bis der letzte Ton gespielt, die letzte Note gesungen wurde. Mersault hatte gewissermaßen ein kleines, privates Konzert. Mit der Ausnahme, dass er keines Blickes gewürdigt wurde, weil er weder beachtet noch bemerkt wurde. Die Geige ist ein prachtvolles Instrument, und der Bogen streicht beinahe liebkosend über die Seiten, die Bewegungen sind fließend, die Stimme dazu klar und rein. Eine der Strophen des Liedes sang sie jedoch nicht in dem doch harten Dialekt der Handelssprache, sonder in Xiansain. Es stand in krassem Gegensatz zu ersterem, war es doch fließend und doch wieder nicht. Die Worte waren gänzlich andere, doch die Betonung, die... Emotionalität war das, was Mersault erkennen ließ, dass sie es aus ganzem Herzen sang und dass sie sich danach sehnte. Verzehrte. Ihre Brauen wanderten ab und an zusammen, zeichneten den vertieft-gespielten Schmerz in ihrem Gesicht.. dann folgt ein letzter, langer Ton der Geige, sie atmet aus, und das Lied endet.
Mit einem Mal ist es ruhig um Feyra. Den Bogen in der Hand, die Geige noch immer fixiert, atmet sie langsam ein und aus. Die Stille füllt sich mit dem entfernten Gesang und Gespiele der restlichen Menschen am Lager. Es ist Abend geworden, es ist warm und schwül, und das Himmelsgestirn neigt sich der Erde entgegen. Wie in Zeitlupe öffnet sie die Augen, als erwachte sie aus einer Trance, aus einem heiligen Zustand. Sie entspannte sich zusehens und blickt sich um, wobei ein sachter Ruck durch ihren Körper geht, als sie Mersault sieht. Anfangs ist sie leicht verwirrt, doch währt es nur ein paar Augenblicke, bis sie in Seelenruhe, ohne ein Wort des Grußes oder eines 'Seid gegrüßt' an ihn verschwendend. Die Geige wird mit einer behutsamen Handhabung wieder im Kasten verstaut, der Bogen danebengelegt, als sei es kein Instrument, sondern ein Kind, welches man in die Wiege zum Schlafen legt. Die Beziehung zwischen ihr und ihren Instrumenten war beinahe so.

Nachdem das Verstauen verrichtet worden war, stand sie auf, legte eine Hand an den mächtigen Stamm des Baumes und wandte, Mersault den Rücken zugewandt, den Kopf ein wenig. Sie blickte ihn von der Seite an, und eines ihrer eisblauen Augen funkelte im roten Dämmerlicht des Abends wie ein heller Saphir. Der Umhang war gerade so kurz, dass er knapp über ihrer Ferse schwebte. Sie trug Stulpen und unter dem dunkelgrünen Stoff schwere, schnallenbesetzte Stiefel, eine Lederhose und bequem sitzende, dunkel gehaltene Kleidung aus Seide. Dazu gesellte sich ein Armreif, eine Kette und ein Ring, alles aus Silber. Es unterstrich ihre kühle Ausstrahlung. Ihn anfunkelt spricht sie anfangs zwei kurze, schnelle Sätze in der merkwürdig klingenden Sprache von vorhin, Xiansain. Ihre Zunge schien ihrer geübt, es war so flüssig wie ihr Spiel. Verstünde er es, so würde er die Worte 'Nicht einmal hier hat man seine Ruhe vor dem Publikum dieses Zuges. Ist man nirgends mehr allein?' vernehmen. Jedoch -da sie davon ausging, dass er mit der Handelssprache mehr anfangen konnte, sagt sie weitere Sätze zu ihm.
"Wieso stellt ihr einer Frau nach, die an einem Baum sitzt und ihr Lied spielt? Wenn ihr Musik hören wollt, geht zum Feuer und tanzt und singt mit den anderen Menschen. Oder muss ich noch zwei weitere Meilen gehen, um ungestört zu sein, Fremder?"
Fremd war ihr das Gesicht nicht, hatte sie es doch schon zuvor irgendwo gesehen. Da sie seinen Namen jedoch nicht kannte, da er die Unverfrorenheit besaß, ihr nachzukommen und zuzuhören, da er sich angeschlichen hatte, während sie schutz- und wehrlos ihrer Seele frieden brachte, sah sie keinen Anlass zur Freundlichkeit. In ihrer Stimme war Abneigung, ein ganz leichter Hauch von Zorn und Missbilligung. Sie mustert ihn mit dem kalten Blick ihrer Augen, sucht nach einem Geldbeutel, besieht sich seiner Kleidung. Ob er ein Mann war, der reich war? Ob er Einfluss hatte?
"Winter und Tod sind ein und dasselbe. Beides ist unausweichlich."

Belanar

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[IT] Prolog: Schatten über Tristram
« Antwort #13 am: 17.07.2010, 15:17:22 »
Als das Lager aufgeschlagen ist und sich die Reisenden am Feuer zusammen finden, weiß Belanar, dass es Zeit ist, sich zurück zu ziehen. Nicht, weil er das bunte Treiben nicht mögen würde. Die Blicke und das Getuschel sprachen für sich. Er war nicht willkommen und würde es auch nie werden. Gedankenverloren strich Belanar über seine knöcherne Rüstung. Er konnte es ihnen auch nicht verdenken.

Er war ein Priester des Rathma. Ein Nekromant. Ein Totenbeschwörer. Er wandelte auf dunklen Pfaden und tat Dinge, die die Menschen nicht verstanden. Und vor allem, was sie nicht verstehen, haben sie Angst. Belanar seufzt, packt seine Tasche und verlässt das Lager nordwärts. Er würde nicht allzu weit weg gehen. Nur soweit, dass ihm niemand zu Nahe sein müsste. Alleine liest es sich sowieso besser.

Delara

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« Antwort #14 am: 17.07.2010, 16:00:14 »
Einige Zeit versucht Delara das rätselhafte Buch zu entschlüsseln, aber es scheint so als stöße ihr Verstand hier auf ein unüberwindbares Hindernis. Etwas frustriert davon stößt sie einen lauten Seufzer aus. Am liebsten würde sie jetzt dieses Buch in eine Ecke werfen oder noch besser ... im nächstbesten Feuer verbrennen, aber ihr Ehrgeiz hindert sie daran.
Plötzlich fällt ihr etwas ein was ihre Lehrmeisterin ihr einmal Gesagt hat. "Gönne deinem Verstand von Zeit zu Zeit etwas Ruhe und du wirst erkennen das es kein Problem gibt das sich nicht lösen lässt."
"Vielleicht hat sie ja recht ..." Murmelt die Zauberin vor sich hin und erhebt sich bei den Worten. Schnell steckt sie den verfluchten Folianten wieder in das Magische Behältnis, in welchen sie die meisten ihrer Besitztümer aufbewahrt und schreitet hinaus aus dem Zelt. Nachdem sie sich kurz im Lager umsah und das fröhliche treiben der anderen Reisenden mit angesehen hat, entscheidet sie sich dafür sich einfach zu der Runde dazu zu gesellen und endlich mal etwas zu entspannen.

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