Tag 1 – 16:50
Dies hatte Brovik richtig erkannt. Es gab drei Buchstaben die verkehrt herum gesetzt waren. Nun war die Frage, ob sie wirklich bewegt oder gedreht werden konnten.
Im anderen Raum schaute Katja Donaar fragend an. „Du bist komisch. Von einer Minute auf die andere bist du wütend, normal und dann überhöflich.“ Sie lächelte leicht und sah zur Tür. „Wollen wir kucken wie es den Kindern geht?“
In der Zwischenzeit redete Mystral weiter auf die Kinder ein. Jozef hatte sich auf die Suche nach ihnen gemacht. Als er sie gefunden hatte, reihte er sich nicht neben Mystral ein sondern blieb an der Tür zur kleinen Bibliothek stehen.
"Das klingt, als wäre euer Vater ein starker Mann.. Ein Kämpfer, nicht wahr? Jemand, der euch beschützt." meint Mystral sanft und schaute ein wenig melancholisch zu den beiden Kindern hinüber. Mit klungen Argumenten oder schnellem Überreden käme sie hier sicher nicht weiter, dachte sie dabei im insgeheimen. Am klügsten war es wohl, die kleine sich etwas ausweinen zu lassen, um dann an ihren instinktiven Wunsch, ihrem Vater zu gefallen, zu apellieren. Sie fühlte sich ein bischen schlecht darüber, dass sie schon wieder während eines Gesprächs nur daran dachte, wie sie ihr Gegenüber manipulieren konnte. Andererseits war das dieses Mal wohl nötig.
Wohl war. Kaum hatte Zorya aufgehört zu reden weinte sie auch schon weiter. Zoran strich seiner Schwester weiterhin wortlos die Schulter. Er weinte nicht wie sie oder schien Geschockt über die Erkenntnis zu sein, die Donaar ausgeplaudert hatte.
Mystral legte einfach nur den Arm über die Kleine und ließ sie sich ausweinen. So was war auch mal nötig, besonders in so einer Situation. Sie hoffte, dass nach dem Weinen der Kopf der Kleinen etwas klarer war und sie zu ihr durchdringen konnte. Das Mädchen hatte offensichtlich schon begriffen, dass ihr Vater tot war, wollte es nur nicht wahr haben. So etwas brauchte wohl Zeit.
Zorya weinte noch gut fünf Minuten weiter. Dann waren ihre Tränen versiegt und sie schluchste nur noch.
Sanft legte Mystral ihre Hand auf Zoryas Schulter ab und meinte leise "Ich weiss, dass das nicht einfach für dich ist... Aber du möchtest doch, dass dein Vater stolz auf dich ist, richtig?"
Zorya schniefte erneut. „Ja aber Papa ist nicht da. Er kann nicht mehr stolz auf mich sein. Er ist nicht mehr da!
Mystral lächelte und schüttelte den Kopf. "Das stimmt nicht. Er kann vielleicht nicht mehr neben dir stehen, aber er ist immer noch da. Er ist da wo alle hingehen, wenn sie diese Welt verlassen. An einem guten, schönen Ort, wo es ihnen an nichts mangelt. Ich bin mir sicher er ist schon längst dort, und er weiß wie es euch geht." Mystral tätschelte dem Mädchen etwas den Kopf und beschrieb ihr ein wenig den "Himmel". Dabei stopfte sie die besten Aspekte von mehreren Paradisen, von denen sie so gehört hatte, grob zusammen und erwähnte nicht die möglichkeit, wenn ihr Papa, wenn er nicht so nett war wie die Kinder es glaubten, nun auch an einem weit unangenehmeren Ort sein könnte. Es mochte vielleicht nicht theologisch ganz korrekt sein, aber das war ja auch nicht gefragt. "Und ich bin mir sicher, er schaut jetzt gerade auf dich hinab und macht sich Sorgen um dich. Um euch beide."
Die kleine hörte Mystral zu wie sie vom Himmel erzählte. „Und Papa ist jetzt ganz sicher da und weiß wie es uns geht? Er beobachtet uns? fragte sie traurig.
Mystral nickte lächelnd. "Ganz bestimmt. Und solange ihr ihn nicht vergesst und immer an das denkt, was er euch sagte und was er tat, wird er auch an eurer Seite bleiben." Mystral lächelte etwas schief. "Ich glaube, er hatte einfach eine ähnliche Rüstung an. Hat er sicher nicht mit Absicht passiert, er ist hier je genauso durch Zufall gelandet wie du und ich."
Langsam nickte Zorya. „Vielleicht, aber was soll wir machen? Zoran redet seit Tagen nicht mehr mit mir und wir haben nun niemanden mehr.“ Mit dem Handrücken wischte sich Zorya über ihr nasses Gesicht.
Mystral blickte sich um, schaute dann wieder voran und lächelte schief. "Ihr habt Jozef.. Und jetzt auch uns. Ich weiß, wir können euren Papa nicht ersetzen, aber wir werden dennoch alles tun damit es euch gut geht." Nun reichte sie Zorya doch das Taschentuch, das sie immernoch in der Hand hielt. "Wir schaffen es hier raus und zum nächsten Dorf und dann.. naja, sehen wir weiter. Wieso sprichst du eigentlich nicht mehr mit deiner Schwester, Zoran? Sie könnte deine Worte jetzt mehr brauchen als irgendwas anderes." Dabei sah sie, nicht anklagend sondern mit einem freundlichen, mitfühlenden, wohlkalkulierten Lächeln zu dem Bruder der weinenden.
„Versprichst du mir das? Versprichst du mir auf uns auf zu passen?“ fragte Zorya und nahm das Taschentuch an. Ihr Bruder sah kurz mit ernsten Blick zu Mystral. Dann blickte er wieder zu Zorya und tröstete sie durch seine Berührung weiter. Eine Antwort auf ihre Frage bekam Mystral nicht.
Mystral lächelte und hob eine Hand. Dieses Mal meinte sie das, was sie sagte, völlig ernst. "Ich verspreche, dass ich alles tun werde um euch zu beschützen und hier raus und in Sicherheit zu bringen. Was danach ist, weiß ich nicht, aber ich werd euch auf jeden Fall zu einem Ort bringen wo ihr es gut habt und man euch mag." Mystral musste dann schmunzeln und zwinkerte den beiden zu, nahm ihre Hand runter. "Ewig wollt ihr mich nicht begleiten. Ich bin eine Bardin, ich schlaf die Hälfte meiner Tage in billigen Schlafsälen oder mit dem Sternenhimmel als Decke, und wenn ich mal in bequemen Betten schlafe, sind das meistens nicht meine."
„Unter dem Sternenhimmel schlafen ist doch schön.“ entgegnete Zorya und reichte ein nasses Taschentuch zurück. „Danke für deine Worte Mystral. Ich werde mein bestes geben, dass Papa stolz sein wird.“ Zoran löste nach den Worten seiner Schwester seine Hand von ihr und stand auf. Er blickte zur Tür und dem dort wartenden Jozef.
"Im Winter ist es etwas kühl. Aber schauen wir mal." Mystral stopfte das Taschentuch in ihre Tasche und schaute zu Jozef empor. "Hat sich bei Donaar inzwischen auch wieder alles etwas hmm.. geklärt?"
„Ja hat es. Katja hat ihm die Meinung gegeigt. Hat Namius em und er wirklich solch eine Meinungsverschiedenheit?“ Jozef sah zu den Kindern und dann wieder zu Mystral. Sie sollte verstehen, was er mit Meinungsverschiedenheit meint. Langsam stand auch Zorya auf. Sie stellte sich hinter ihren Bruder und drückte sich an ihn. Ihr Gesicht vergrub sie dabei in seinen Haaren.
Mystral musste leise lachen und streckte sich etwas, kurz mit den Flügeln schlagend gähnte sie ein wenig. "Ja, hatten sie. Aber Donaar hat gut zurückgemeinungsverschiedet... Ich geh meine Rüstung wieder anziehen, sieht nicht so aus als ob ich mit Namius noch etwas Zeit bekomme oder so." Das gesagt, stolziert Mystral an dem Mann vorbei und lächelt ihm vergnügt zu, um dann ihre Schritte etwas beschleunigt in Richtung des Zimmers lenkte, wo sie Namius zurückließ. Vermutlich war er beim auf sie warten eingeschlafen... Die Vorstellung, jetzt auf ihn gekuschelt zu schlafen, war fast zu verlockend, um sie von sich zu schieben, andererseits, was nützte es, die anderen gaben ja doch keine Ruhe. Und je eher sie hier rauskamen, desto eher würde sie in die Zivilisation kommen mit ihren Annehmlichkeiten, oder zumindest an die frische Luft.
Jozef nickte auf Mystrals Worte. „Hört sich an als seien es Streithähne die jeder eigene Dinge im Kopf haben.“ Dann sah er zu den Kindern. „Geh ruhig. Ich bleib hier und passe auf, dass sie keinen Unsinn machen.“ Derweil zog Zoran die Hände seiner Schwester um sich. Beide blieb noch eine Weile so stehen.