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Autor Thema: Neersand  (Gelesen 23802 mal)

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Daanje Firunkis

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Neersand
« Antwort #75 am: 20.10.2010, 00:27:01 »
"Ja, ja, Ihr seid entlassen", meint Daanje hochmütig und sieht Meister Elko dabei nicht einmal an. Ohne auf Posan zu warten, begibt er sich zu den beiden Schülern hinüber, die ihm schon zuvor dienlich waren und stellt sich neben sie. "Noch einmal einen guten Tag, die Herren. Jarlow und Ludoweijk, nicht wahr? Wenn ihr grad nichts Besseres zu tun habt, als fremder Leute Gespräche zu belauschen, würde ich mich gerne kurz mit euch unterhalten. Es geht um euren Freund Gestroj, von dem ihr ja auch vorhin schon geplaudert habt und der, wie Meister Elko im Übrigen längst weiß, sich wohl erfolgreich vor der Stunde im Raufen drückt." Daanje macht kein Geheimnis daraus, was er weiß und was er vermutet.

"Meine Frage wäre jetzt, was Gestroj dazu antreibt. Ich hörte, er sei in der theoretischen Bildung nicht schlecht, nur so doch eher ein Weichei. Kann es sein, dass er sich deshalb nicht sehen lässt? Hat er Bammel, dass er verdroschen wird?"
"Der Born fließt seit 1000 Jahren hinaus bei Festum in das Meer. Er trug so viel, so viele Tränen hinaus und gab sie nicht mehr her." - Der Born von Ragnar Schwefel

Xiam

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Neersand
« Antwort #76 am: 21.10.2010, 09:30:26 »
Betreten schauen sich die beiden Angesprochenen einen Augenblick an, dann aber fasst einer der beiden, es ist Jarlow, Mut, es noch einmal mit Gegenanreden zu versuchen: "Ich weiß nicht wovon ihr redet, wir haben uns nicht über Gestroj unterhalten. Außerdem, wer seid ihr überhaupt, dass ihr hier Fragen stellt, ihr seht aus wie ein dahergelaufener Streuner."
Das letzte war dann auch ein Satz zu viel. Etwa fünf Minuten lang dauert die Standpauke, die aus dem Halse Posans über die beiden hineinbricht. An einigen Stelle muss sogar Daanje einige Selbstbeherrschung aufbringen, um wegen Posans deutlicher Worte und Stimmlage nicht zusammen zu zucken. Am Ende sind beide Jungen geständig.

Sie erzählen, dass sie Gestroj vor ein paar Tagen überredet haben, als Mutprobe allein in den Edlen Schiffer zu gehen. Spät in der Nacht sei er dann mit ein paar Schrammen im Gesicht heimgekommen und hat erzählt, dass drei Schufte ihn fertig machen wollten, aber ein älterer Mann namens Walsjew und ein riesengroßer Kerl ihn aus diesem Schlamassel herausgeholt haben.
Am nächsten Tag ist er nach dem Unterricht in die Stadt gegangen und hat sich da mit Walsjew getroffen. Danach ist er jeden Tag fort gewesen, hat aber nicht mehr gesagt, was er tut. Seit gestern ist er überhaupt nicht mehr aufgetaucht.
« Letzte Änderung: 21.10.2010, 09:30:44 von Xiam »

Daanje Firunkis

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Neersand
« Antwort #77 am: 25.10.2010, 21:25:03 »
"Walsjew und ein riesengroßer Kerl?" Der Rest scheint Daanje überhaupt nicht zu interessieren und die Standpauke von Posan ist auch schnell in den Ohren des Botenreiters verklungen. "Habt ihr eine Ahnung, wie dieser Walsjew und der große Kerl aussehen? Könntet ihr sie mir zeigen, wenn ihr sie seht?" Das könnte die erhoffte Spur sein, nach der Daanje gesucht hat. Aber da ist noch ein kalter Hauch von Zweifel, denn immerhin sind große Kerle nichts Ungewöhnliches. Er denkt darüber nach, ob der Kahlgeschorene ungewöhnlich groß war, auch wenn das Attribut "riesengroß" nicht unbedingt selbiges heißen muss. Wenn Gestroj ein Hänfling ist, wie er ihn sich vorstellt, so kann auch Daanje selbst schon in den Augen des Jungen riesengroß sein. "Habt ihr denn schon nach eurem Freund gesucht? Kann doch nicht sein, dass ihr ihn einfach gehen lasst, damit er sich mit sonst was für Leuten trifft. Schöne Freunde seid ihr ja. Habt noch nicht einmal eine Ahnung, wo euer Freund sich rum treibt und ob er vielleicht in großen Schwierigkeiten steckt."
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Xiam

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Neersand
« Antwort #78 am: 02.11.2010, 09:58:02 »
Die beiden Jungen fühlen sich bei dem Verhör sichtbar unwohl. Ständig treten sie von einem Fuß auf den anderen und blicken sich an, als müssten sie sich durch Blicke gegenseitig versichern, das ist in Ordnung sei zu reden.
„Nein, wir haben die beiden, von denen Gestroj erzählt hat, nie gesehen. Ich habe keine Ahnung wie sie aussehen oder wo ihr sie finden könnt. Wahrscheinlich am ehesten in Edlen Schiffer.“
Der zweite fügt an: „Keine Ahnung wo er sich herumtreibt. Er versteckt sich ja auch vor uns. Auf jeden Fall war er in der letzten Nacht nicht in seinem Bett.“

Daanje Firunkis

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Neersand
« Antwort #79 am: 05.11.2010, 19:10:15 »
"Letzte Nacht, so so, aber er sieht ja nicht wirklich so aus, wie der Kerl, den ich gesehen habe." Daanje ist sich unsicher. Alles weißt auf diesen Gestroj hin, nur die Beschreibung passt in keiner Weise. Natürlich ist es denkbar, dass der Junge sich verkleidet hat, aber ob er soweit denkt? Nun, er scheint ja wenigstens recht gebildet zu sein, wie Posan sagte. "Ja, eine Verkleidung, das ist möglich." Daanje schnipst mit den Fingern und grinst die beiden Jungen breit an. "Gut, meine Freunde, dann auf in sein Zimmer. Schauen wir nach, ob der gute Gestroj wieder da ist."

Selbstverständlich will Daanje nicht nachschauen, ob der Junge zurück gekommen ist, wovon er im Moment nicht ausgeht, aber vielleicht lässt sich im Zimmer ja eine interessante Entdeckung machen. Und solange er Posan mit dabei hat, wird ihn auch keiner dafür tadeln, dass er schnüffelt. Außerdem dürfte es ja auch im Interesse des Kriegers sein, dass seine Akademie nicht von Dieben und Mördern unterwandert wird und seine Schüler sich anständig benehmen. "Ihr kommt doch sicher mit, oder Herr Posan? Es dürfte Euch ja sicher auch interessieren, was der junge Herr heute Nacht so getrieben hat und mit welchem Gesindel er verkehrt, denn etwas anderes hält sich im Edlen Schiffer wohl nicht auf." Mit gekräuselter Nase denkt Daanje an seine unschöne Begegnung zurück, wendet sich aber schnell wieder den beiden Jungs zu.
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Xiam

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Neersand
« Antwort #80 am: 06.11.2010, 12:31:14 »
"Den Weg können wir euch ersparen", sagt Jarlow. "Gestroj bewohnt eine Stube mit uns zusammen und er ist seit einigen Nächten nicht mehr in seinem Bett gewesen."
Immer noch starren die beiden Jungen auf ihre Schuhspitzen anstatt Daanje anzuschauen.
« Letzte Änderung: 06.11.2010, 12:31:33 von Xiam »

Daanje Firunkis

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Neersand
« Antwort #81 am: 09.11.2010, 19:57:46 »
"Das habe ich mir gedacht, was meine Worte aber nicht revidiert, meine jungen Freunde, denn ihr seid gerade nicht auf eurer Stube und könnt daher ja wohl kaum sagen, ob Gestroj wohl inzwischen zurück gekehrt ist, habe ich Recht?" Daanje tritt näher zu den beiden und greift mit den Händen in die Haarschöpfe der Jungen, um ihre Köpfe ein wenig hoch zu ziehen. Dabei ist er allerdings so vorsichtig, dass er keinem von beiden weh tut oder ihm auch nur eines der gepackten Haare krümmt. "Kommt schon, Jungs, oder habt ihr etwas zu verbergen? Ihr habt doch nicht etwa unartige Portraits in eurem Zimmer hängen?" Daanje zwinkert ihnen zu und macht damit ganz deutlich, dass er ihnen nichts will, sondern sich mit ihnen auf einer Stufe sieht. "Wenn ja, will ich euer Zimmer umso mehr sehen."

Er wartet die Reaktion der Jungen ab, während er sich über Jarlows Worte Gedanken macht. Schon ein paar Nächte nicht - und das ist bisher noch keinem aufgefallen? Er muss wohl mal dringend mit Posan über die Disziplin an dieser Akademie sprechen. Aber dafür ist nicht die Zeit und momentan braucht er gegebenenfalls Posans Unterstützung, so dass er sich nicht schon wieder mit ihm anlegen kann. Sein letzter Spruch bezüglich der Adjutantin war ja wohl auch eher in die Unterbuchse gegangen.
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Xiam

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Neersand
« Antwort #82 am: 14.11.2010, 12:22:40 »
Die Stube der Rekruten erweist sich als aufgeräumt und sauber. Vier Doppelstockbetten stehen an einer Wand am Fußende jeweils eine große Kiste, in der die jungen Soldaten ihre Habseligkeiten aufbewahren können. Jede dieser Kisten ist mit einem Schloss verschlossen. Auf den ersten Blick ist nichts auffälliges zu entdecken.

Xiam

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Neersand
« Antwort #83 am: 23.11.2010, 22:03:45 »
Daanje bewegt sich durch den Raum und schaut sich alles genau an. Die Truhen sind fest verschlossen und werden sich ohne Gewalt oder ein entsprechendes Diebeswerkzeug nicht öffnen lassen. Ob Posan dies allerdings gutheißt ist zu bezweifeln. Ansonsten ist der Raum besenrein. Es liegen keine Papiere herum und die Betten sind akkurat gemacht. Vielleicht ist unter den Decken, Laken oder Matratzen etwas versteckt. Doch dafür müsste Daanje diese wieder auseinander nehmen.
« Letzte Änderung: 23.11.2010, 22:04:12 von Xiam »

Xiam

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Neersand
« Antwort #84 am: 25.11.2010, 10:59:11 »
Thassilo von Salsweiler

Der letzte Monat war hart, wirklich hart. Eigentlich hatte Thassilo gedacht, dass nach seiner Ausbildung an der Kriegerakademie zu Neersand das Exerzieren, der Waffendienst und das Lernen erst einmal vorbei wäre, doch da hatte er sich offenbar getäuscht.

Mit Freude hatte der junge Knappe die Nachricht, dass er seinen Pflichtdienst auf der Hauptburg des Widderordens in Niederwaals nahe Neersand ableisten durfte, aufgenommen. Da hatte er jedoch auch noch nicht gewusst, dass seine Ausbildung dort fortgeführt werden würde.

Auf Abenteuer im Überwaals hoffend hatte Thassilo sich vor genau einem Monat mit einigen Kameraden zusammen zur Hauptburg des Widderordens aufgemacht, um sich beim Ordensvorsteher zum Dienst zu melden. Die erste Enttäuschung gab es bereits, als Niederwaals in Sicht kam. Ein kleinen Fischerboot – eine Fähre gibt es nicht – hatte die jungen Männer und Frauen über den Walsach übergesetzt und samt Gepäck an einem kleinen Anleger am Rande eines ärmlichen Dorfes, welches kaum mehr als zweihundert Seelen zählen dürfte, ausgeladen. Nirgendwo weit und breit war eine Burg zu sehen. Dafür wurden die jungen Krieger von einer Frau erwartet, die einem Standbild gleich auf einem kräftigen Streitross saß und die kleine Schar vom Pferderücken herab in Augenschein nahm. Ritterin Tissa vom Widderorden war sie, eine herrische, kurz angebundene und scheinbar immer schlecht gelaunte Offizierin in ihren Vierzigern, die offenbar nichts lieber tat, als die jungen Männer und Frauen, welche ihr anvertraut wurden, mit harten Übungen zu schikanieren. Die Hauptburg erwies sich als ein großes aus Feldsteinen gemauertes Gebäude mit einem rechteckigen Innenhof, vor dessen Toreinfahrt eine Flagge mit dem Wappen des Widderordens - einem silvbergrauen Walbergwidder auf rotem Grund - wehte.

Noch am gleichen Tag fand sich Thassilo bei einer Exerzierstunde wieder, denn schließlich musste das neue Material begutachtet werden. Und so ging es an den folgenden Tagen und an den Tagen danach, einen ganzen Monat lang. Immer wieder erklärten die Ausbilder, dass ihre Ausbildung an der Kriegerakademie zwar wichtig gewesen sei aber schließlich nicht mehr als den Grundstein gelegt habe. Noch lange, das ließ vor allem Tissa die jungen Novizen wissen, seien aus ihnen keine Krieger geworden. Das Überwaals, so sagten die Geschichten, welche abends die Runde machten, sei ein sehr gefährlicher Ort. Monster gibt es dort, wie man sie sich in seinen schlimmsten Alpträumen noch nicht ausgemalt hätte. Doch das ist nicht alles. Nicht nur gegen die Kreaturen des Überwaals galt es sich zu verteidigen, sondern es galt auch die Flusspiraten auf dem Walsach in Schach zu halten. So sei der Widderorden, das betonten alle Ausbilder immer wieder, das einzige Licht der Zivilisation gegen die weltlichen und die überweltlichen Bedrohungen in dieser Gegend.

Genau einen Monat nach ihrer Ankunft war es nun soweit. Einen Monat lang hatten die Novizen, und damit auch Thassilo, das Gebäude nicht verlassen dürfen. Doch jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo jeder der jungen Novizen seinen Rang als Korporal verliehen bekam und einem der Offiziere für das nächste halbe Jahr als Adjutant zugeteilt werden würde. Es war Traditionen, dass die Ritter sich Ihren Adjutanten selbst aus suchten. Und so wusste Thassilo nicht, ob er lachen oder weinen sollte, als ausgerechnet Tissa sich ihn als rechte Hand aussuchte. Eine schlecht gelauntere Herrin konnte er sich wahrlich nicht vorstellen, andererseits war der Umstand, dass Tissa ihn ausgewählt hatte, durchaus als Kompliment zu verstehen: Wie Thassilo in Gerüchten erfuhr, hatte Tissa sich in den vergangenen Jahren nie einen der Rekruten ausgesucht, da keiner Ihren Ansprüchen genügt hatte.

Bereits am nächsten Morgen wies Ritterin Tissa ihrem neuen Adjutanten an, sich reisefertig zu machen. Sie habe einige Dinge in Neersand zu erledigen und Thassilo sollte sie begleiten.
„Ihr habt genau fünfzehn Minuten, um mit allem, was ihr braucht, abmarschbereit im Hof zu stehen. Wir sind bei Einbruch der Dunkelheit zurück. Marsch, marsch!“

Daanje Firunkis

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Neersand
« Antwort #85 am: 26.11.2010, 17:07:58 »
Daanje ärgert sich, dass er keine offensichtlichen Beweisstücke finden kann, aber dann zuckt er die Schultern. 'Natürlich, was habe ich auch erwartet? Dass er offen einen Brief herum liegen lässt, wo er dazu angestiftet wird, den Tempel zu berauben? Nie und nimmer. Daanje, du bist echt blöd. Zeit, etwas anderes zu unternehmen. So komme ich jedenfalls nicht weiter. Aber wohin? Sollte ich auf Gestroj warten?' Daanje wirkt einigermaßen ratlos, wie er da, ohne sich zu bewegen, im Raum herum steht. Er fixiert dermaßen angestrengt eine der Truhen, dass es den Eindruck erwecken muss, dass er darauf scharf ist oder sich über irgendetwas ganz schwere Gedanken macht. Schließlich wirft er urplötzlich die Arme in die Luft und schüttelt den Kopf. "Gut, dann warte ich auf Gestroj, ich muss mich echt mal mit ihm unterhalten. Ist es eigentlich üblich, dass die Jungen einfach fort bleiben dürfen? Oder zieht das irgendwelche Konsequenzen nach sich?" fragt er Posan und setzt sich auf eine der anderen Truhen, die er nicht fixiert hatte. Er fährt über das Schloss. Wenn er nur einen Moment allein bleiben könnte, vielleicht gelänge es ihm, eine der Truhen zu öffnen und mit etwas Glück wäre es sogar Gestrojs.
"Der Born fließt seit 1000 Jahren hinaus bei Festum in das Meer. Er trug so viel, so viele Tränen hinaus und gab sie nicht mehr her." - Der Born von Ragnar Schwefel

Thassilo von Salsweiler

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Neersand
« Antwort #86 am: 29.11.2010, 20:12:28 »
Thassilo war hin und her gerissen.
Auf der einen Seite schlug ihm sein Herz stolz in der Brust. Er war derjenige, welcher. Er war der Auserwählte der Offizierin. Er war der erste überhaupt.
Doch kroch aus Zweifel in ihm auf. Einer öligen Schicht gleich nisteten sich zweifelnde Gedanken in ihm ein. Selbstzweifel.
So stand er eine Gedenksekunde zu lange, die herbe Sonne im gebräunten Gesicht und sortierte die ihm gegebenen Befehle sorgfältig. Es ging also auf eine Reise, wie es schien. Eine schnelle, kurze und anstrengende Reise.
Thassilo machte sich keine Hoffnung mehr auf einen ruhigen Tag oder auch nur eine Minute zum Ausruhen, Trödeln oder Durchatmen. Mit der für ihn typischen, knappen Handbewegung salutierte er und neigte sein Haupt. Etwas zu spät, doch immerhin.
"Sehr wohl Herrin Tissa. In fünfzehn Minuten abmarschbereit!"
Also nahm Thassilo seine langen Beine in die Hand und lief mit kriegsakademischem Schritt über den Exerzierplatz zu seiner Schlafstatt. Die unzähligen Manöver und das unablässige Wiederholen der täglichen Aufgaben eines waschechten Kriegers hatten ihm eine gewisse Gelassenheit und Routine gegeben.
Langsam aber sicher beruhigte sich auch sein Herzschlag wieder und die positiven Gefühle und Gedanken gewannen letzten Endes die Oberhand. Es würde auf Reise gehen und zum Abend zurück. Weit konnte es nicht sein, aber wichtig. Und er war der Ausrwählte. Sicherlich neidete ihm keiner diesen Rang und man zog ihn damit auch kameradschaftlich auf. Das Schoßhündchen der Herrin sei er...

Auf den Herzschlag vierzehn Minuten später stand Thassilo mit ihrem Pferd, seinem Pferd und seiner kompletten Ausrüstung abmarschbereit. Dass er so zeitig fertig wurde, war dem Umstand geschuldet, dass er sehr gut mit dem etwas einfältigen Pferdejungen auskam. Zusammen hatten sie eine knappe Minute mit den Pferden gespart.
Die Erregung über den Ausritt in die abenteuerliche Umgebung des kleinen aber feinen Ordenshauses sah man Thassilo nicht an. Nur der Glanz in seinem Auge war von besonderer Stärke an diesem frühen Morgen.
"Ich melde mich abmarschbereit, Herrin Tissa."
Freiheit, Gerechtigkeit, Ehre, Pflicht, Gnade, Hoffnung

Xiam

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Neersand
« Antwort #87 am: 30.11.2010, 13:31:39 »
Daanje Firunkis

„Nein, es ist selbstverständlich nicht üblich, dass die Rekruten einfach so lange fort bleiben. Das wird auf jeden Fall Konsequenzen nach sich ziehen.“ Posan war offenbar aufrichtig wütend. „Und nicht nur Gestroij wird die Konsequenzen zu spüren bekommen, es kann einfach nicht sein, dass ein Rekrut solange abwesend ist, ohne dass das auffällt.“
Betreten blickten sich die beiden Stubenbewohner an.
„Ihr zwei meldet euch noch heute Abend bei Sjurjescha. Bis dahin wird sie sich etwas für euch überlegt haben. Und jetzt muss ich mir etwas überlegen. Wir können je nicht einfach warten, bis der Lausebengel wieder auftaucht. Er ist der Spross einer einflussreichen Familie und wurde mir anvertraut. Wenn ihm etwas zustößt, ist der Schaden für die Akademie unermesslich. Ich werde ihn suchen lassen müssen. Nur wo...?“
Mit einer Handbewegung bedeutet er Daanje dann, ihm aus dem Raum zu folgen. „Es tut mir leid Herr Firunkis, aber unter diesen Umständen muss ich mich schnellstens meinen Aufgaben wieder zuwenden. Sjurjescha wird euch natürlich zum Tor begleiten. Solltet ihr etwas über Gestroij herausfinden, wäre ich euch sehr verbunden, wenn ihr mich benachrichtigen würdet.“

Thassilo von Salsweiler

Einige Herzschläge lang betrachtete die Ritterin Thassilo und fast war ihm, als würde ein zufriedenes Lächeln über ihr Gesicht huschen. Doch dann verhärtete sich ihre Miene wieder.
„Abmarschbereit? Ich glaube kaum. Vielleicht bin ich vergesslich, doch ich kann mich nicht erinnern, erwähnt zu haben, dass wir nach Neersand reiten. Was glaubt ihr, Junge, wie ihr das Pferd über den Walsach bekommt? In einem der Fischerboote? Ihr habt also noch eine halbe Minute, um euer Pferd wieder in den Stall zurückzubringen und hier anzutreten. Marsch!“
Als Thassilo davon eilte konnte er sich des Gefühls nicht erwehren, dass die Ritterin hinter seinem Rücken schmunzelte.
« Letzte Änderung: 30.11.2010, 13:32:05 von Xiam »

Daanje Firunkis

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Neersand
« Antwort #88 am: 01.12.2010, 00:09:03 »
Daanje fühlt sich plötzlich überrumpelt, als er mehr oder weniger freundlich hinaus komplementiert wird. "Aber...ich...äh...das...ich wollte doch...also...äh..." Auch wenn ihm die Aussicht gefällt, Sjurjescha wiederzusehen, so will er doch eigentlich hier bleiben und auf Gestroj warten. Andererseits hat das wahrscheinlich wirklich wenig Sinn. Vermutlich sollte er erst einmal zum Tempel zurück kehren und dort Bericht erstatten, auch wenn er noch nicht wirklich etwas heraus gefunden hat. Es ist zum junge Hunde kriegen, er kommt einfach nicht weiter in seinen Nachforschungen. Doch allein zu dieser Kneipe zurück gehen, das kann er unmöglich bringen. Die würden ihn aufspießen, nur wie soll er sonst an Informationen kommen? Irgendwie führen alle Wege zum "Edlen Schiffer".

"Achso, jetzt machen wir es andersherum? Ich komme hierher, um Euch um Hilfe zu bitten, und werde weg geschickt mit der Bitte, Euch zu helfen. Also irgendwie ist das nicht so gelaufen, wie ich gehofft hatte." Daanje grinst und zuckt mit den Schultern. "Na schön, ich werde Euch diesen Gefallen tun, aber damit habe ich natürlich auch etwas bei Euch gut, alter Freund." Daanje hebt kurz die Hand und verabschiedet sich damit auch von den beiden Jungen, die er wahrscheinlich noch mal wiedersehen wird. Unterwegs nach draußen, wo er auf Sjurjescha warten würde, damit diese ihn auch ganz sicher vom Gelände begleitet, denkt Daanje angestrengt über das nach, was er heraus gefunden hat. Er wird wohl wirklich erst Bericht erstatten müssen, etwas anderes bleibt ihm nicht übrig. Und danach wird er sich wohl gründlich in der Stadt umhören müssen. Er sieht zu der Pergamentrolle an seiner Hüfte und grinst schon wieder. 'Tut mir Leid, Herrin, aber das muss wohl noch ein wenig warten.'
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Xiam

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Neersand
« Antwort #89 am: 01.12.2010, 20:46:08 »
Daanje Firunkis

Sjurjescha erwies sich als recht einsilbig, als sie Daanje zum Tor begleitet. Daanje war sich auch nicht ganz sicher, ob ihre schnellen Schritte einfach eine militärisch zackige Angewohnheit waren, oder ob sie ihn einfach nur so schnell wie möglich vor die Tür setzen wollte. Und so fallen die Tore der Akademie nach einem knappen "Die Götter mit euch" krachend hinter Daanje zu.

Zu allem Überfluss fängt es gerade an nieselig zu regnen, die Art Regen, der auch noch durch die engsten Nähte der Kleidung dringt und bis zum Abend nicht wieder aufhören wird. Zum Edlen Schiffer? Efferdtempel? Die eigene Herberge? Oder vielleicht der örtliche Rondratempel? Neersand stand dem jungen Mann offen, der nicht mehr so recht wusste, wo er mit seinen Nachforschungen ansetzen sollte. Wo könnte sich dieser - Firun verzei es - dreimalverfluchte Lausebengel von Gestroj nur verkrochen haben? So groß war die Stadt ja nicht. Oder sollte er die Suche vielleicht doch lieber Posan und der Akademie überlassen? Aber dann würde er wahrscheinlich nicht viel erfahren, wenn sie ihn schließlich fanden. Daanje kickte missmutig einen Kiesel aus dem Weg, während er noch ziellos überlegte, wohin er seine Schritte lenken sollte.

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