Menschlicher Kampfmagier der 6. Stufe
Vergangenheit: (Anzeigen)Trajan wuchs als Kind eines Bauernpaares auf, dass sich vor allem durch ein Höchstmaß an verwurzelter Gewöhnlichkeit auszeichnete. Damals kannte man ihn noch als Kotim. Ein Familienname war nicht nötig; jede Seele im Umkreis von vielen Meilen kannte einander.
Die spektakulärsten Ereignisse seiner Jugend waren die alljährlichen Volksfeste im nahen Weiher, zu denen sich die Menschen zu Dutzenden versammelten, für den kleinen Kotim ungeheure Mengen. Andere Abwechslungen von dem täglichen Einerlei gab es kaum. Darunter hätte die Arbeit und damit deren lebenswichtige Früchte gelitten.
Routine bestimmte sein Leben. Jeden Sonntag besuchten seine Familie und er den nahen Chaunthea-Schrein, um dort um eine fruchtbare Ernte und gesundes Vieh zu bitten. Je nach Stand des Mondes säten sie ihr Gemüse oder pflügten das Feld. Der gesamte Tag war in klare Abläufe gegliedert, vom morgendlichen Melken der Kühe bis zum allabendlichen Gang zum nahen Brunnen. Selbst die Feiertage lagen auf immer denselben Daten.
Wahrscheinlich wäre er dort versauert, ein Bauer unter Tausenden, hätte das Schicksal kein Einsehen mit ihm gehabt. Wie sich später herausstellen sollte, waren seine Wege rätselhaft wie immer. Inzwischen nimmt er es lieber selbst in die Hand.
Damals war er noch jung und einfältig, bar jeder Bildung und sich nicht einmal bewusst, woher die Steuereintreiber kamen oder wohin sie gingen. Auf dem Markt konnte er manchmal den Geschichten der zwei Händler lauschen, die jedes Jahr mit neuen Waren auftauchten und ein paar Tage später wieder in das Irgendwo hinter dem nächsten Wald verschwanden. Ihm war nicht gewahr, dass sich Reiche vom Zenit bis Nadir erstrecken und zwischen ihnen praktisch unaufhörlich Krieg tobt. Das sollte er erst viel später lernen.
Kotim freute sich, als er an einem der seltenen Markttage erwachte. Sie waren eine seltene und hochwillkommene Abwechslung zur ewigen Schufterei. Vielleicht würde sein Vater sogar etwas Fleisch kaufen oder ihm etwas schenken. Das tat er manchmal, wenn es die Ernteerträge zuließen. All seine Erwartungen wurden jedoch übertroffen, als die Fremden auf dem Marktplatz erblickte.
Manche saßen noch im Sattel, die Meisten aber standen neben ihren Pferden. Solch edle Rösser hatte er noch niemals gesehen. Das einzige im Umkreis war Bauer Paldrins alte Mähre, die er manchmal seinen Schafskäse zum Markt karren ließ. Später erfuhr er, dass Cormyr berühmt für seine Reitkunst und edlen Zuchten ist. Er empfand das als äußerst bezeichnend für seine Herkunft.
Die eine Hälfte der Fremden war in karmesinrot-violette Roben gehüllt, die ihre Gesichter unter weiten Kapuzen verbargen. Die andere Hälfte bestand aus vernarbten Kriegern, die Wappenröcke mit einem purpurnen Drachenmotiv trugen. Keiner blickte besonders freundlich drein; im Gegenteil wirkten sie äußerst angespannt, als belaste sie irgendetwas.
Die Berobten wurden vom Dorfmeier in sein Haus geladen, wo sie für eine kurze Zeit verblieben. Als sie es wieder verließen, war ein Schatten auf das Gesicht des alten Flamin gefallen. Kotim kannte ihn stets als freundlichen Menschen, ebenso hilfsbereit wie jeder andere Mensch in der Gegend. An diesem Tag war davon nichts zu spüren. Er sprach zu der Menge wie auf dem Sterbebett, von Krieg, der kommen wird.
Der damals Zwölfjährige wusste nicht, was das alles bedeuten soll. Wer sollten diese "Wilden" sein, die in einer "riesigen Horde" wie "Heuschrecken" über das Land herfallen? Er kannte keine Menschen, die sich in Felle kleideten, und erst recht niemanden, der mit seinem Pferd verschmolzen war. Sein Wortschatz war beschränkt genug; "Tuigan" kam gewiss nicht darin vor.
Flamin sagte, die Roten seien gekommen, um nach Nachwuchs für die Königlichen Kriegsmagier zu suchen. Sofort zeigte sich auf den meisten Gesichtern helle Aufregung. Jeder Junge und jedes Mädchen wurden herbeigerufen, unter ihnen auch Kotim. Alle wurden wie fette Schafe gemustert und teilweise betastet. Unter den Kapuzen drang unaufhörliches, rätselhaftes Gemurmel hervor. Damals zitterte vor Furcht. Man wollte ihn verfluchen, davon war er überzeugt.
Sein Eltern sahen das anders, insbesondere nachdem die Fremden verkündeten, er sei als einziges Kind des Weilers geeignet, "die Kunst" zu erlernen. Das weckte Bilder von den Schnitzarbeiten ihres Nachbarn in ihm, ein unglaublich ödes Los, nicht besser als die Schufterei auf dem Hof. Inzwischen weiß er, dass damit eher Massenmord gemeint war.
Seine Eltern vergossen viele Tränen, beteten zu Helm für seine sichere Rückkehr und beschworen die ehrenvolle Pflicht, die ihr "eigener Sohn!" im Namen der Krone von Cormyr erfüllen werde. All die Jahre zuvor war sie ihnen nicht einmal wichtig genug, um sie zu erwähnen. Umso patriotischer glühten ihre Herzen, als sie das Säckel Gold überreicht bekamen, mit denen er ihnen praktisch abgekauft wurde.
Die nächsten Jahre seines Lebens bestimmten den Verlauf, den es schließlich nehmen sollte. Er wurde mit anderen Jünglingen aus ganz Cormyr in die Nähe der Hauptstadt gebracht, hinein in ein Kloster fernab der großen Straßen und umgeben von einer ganzen Menge Wildnis. Kontakt zur Bevölkerung gab es nicht, nicht einmal zu den seltenen Ausgangszeiten. Sie waren fast ausschließlich unter ihresgleichen gefangen.
Die schiere Größe des Gebäudes schüchterte bereits ein, die Sicherheitsmaßnahmen aber noch mehr. An den steinernen Wänden glühten allerorten seltsame Zeichen, die Gänge waren gesäumt mit Schriftrollen, auf die mit unheimlichen Zeichen Zauberformeln geschrieben wurden und in jedem Quartier bedeckte ein Muster den Boden, das ihn jede Nacht unruhig schlafen ließ. Das alle diene ihrer Sicherheit, beteuerten die Berobten.
Die meiste Zeit verbrachte Kotim in der kleinen Bibliothek, die den Scholaren zur Verfügung stand. Zwar erhielt er Unterricht, doch beschränkte sich selbiger auf Propaganda im Namen der Krone. Cormyr hier, Cormyr da, Erbe von Cormanthor und so weiter, der ewig selbe Sermon. Sein Wissensdurst wurde zwar angeregt, aber nicht gestillt. Die einzigen Stunden, die er als fesselnd empfand, waren der Theologie gewidmet.
Nichtsdestotrotz lernte er viel über die Welt und ihre Bewohner, zum Beispiel, dass Cormyr nicht allein auf der Landkarte ist und Menschen nicht die einzigen Lebewesen sind, die Fearûn bewohnen. Damals war das noch graue Theorie, ebenso wie die Erzählungen von Ao und seinen Kindern. Er war sich nicht bewusst, Fakten mitgeteilt zu bekommen, die reale Konsequenzen für seine Umwelt und ihn selbst haben.
Obwohl kein Gott bevorzugt wurde und der einzige theologische Ratschlag darin bestand, aus reiner Vorsicht vor jeder Schlacht Tymora ein Opfer darzubringen, erkannte der heranwachsende Kotim schnell, welche Macht am ehesten seinem Handwerk zugeneigt sein dürfte. Leider verstaubte in den Regalen der Bibliothek nur ein einziges Grimoire, aus dem er Wissen über sie sammeln konnte. Mit der Zeit gewann er es trotz des Heimwehs lieber als die schwindende Erinnerung an den Bauernhof.
Jahre verbrachte er hinter den Mauern, lesend, im Kräutergarten schuftend und "die Kunst" praktizierend. Obwohl sich die Lehrer Mühe gaben, sich nichts anmerken zu lassen, wusste er schon bald, dass sie ihn für den Talentiertesten unter den Neuankömmlingen betrachteten. Die Richtigkeit ihrer Annahme war in Anbetracht seiner Fortschritte mehr als einleuchtend. Er fand zunehmend Gefallen darin, die Magie durch seinen Leib fließen zu spüren. Es ist wie ein Rausch, ein Hauch von Allmacht, wie sie sonst den Göttern vorbehalten bleibt. Ihm war unbegreiflich, dass die Anderen nicht die gleiche Euphorie spürten, wenn er gegen sie zum Duell antrat.
Eines Tages, die Nacht zuvor hatte er im Gebet verbracht, trat er übermüdet einem anderen Schüler gegenüber. Sie sollten den direkten Zweikampf zwischen zwei Magiern üben, geschützt von Glyphen und unter Beobachtung ihrer Lehrmeister.
An Details kann er sich nicht mehr erinnern. Die nächsten Monate sind schattenhaft verschleiert, als habe er sie im konstanten Suff erlebt. Es bleiben ihm Impressionen, aber weder komplette Ereignisketten noch zeitliche Zusammenhänge. Sicher ist, dass er den Kerl getötet hat. Selbstverständlich war es ein Unfall, aber davon wollte niemand etwas hören, erst recht nicht von einem Heranwachsenden. Er sei unbeherrscht, habe eine mörderische Ader, riefen sie.
In Kotims Ohren klang das nach perfekten Voraussetzungen für seine weitere Karriere.
Er sah das Problem nicht. Heute weiß er, dass es ihnen einfach nicht behagte, einen Schüler handeln zu sehen, wie es im Grunde von ihm erwartet wurde. Sie brauchten ihren komfortablen Schein, der die Duelle zu harmlosen Übungen für einen hypothetischen Ernstfall werden ließ. Die Tuigan waren besiegt, die Horde gestoppt. Die Krone brauchte keine Mörder mehr.
Ihm wurde ein Halsband umgelegt, beschrieben mit Zaubern, die seinen Geist vernebelten und ihn gefügiger machten. Sie sprachen von "besänftigen". In Wahrheit war es Knechtschaft, die ihm aufgezwungen wurde.
Seine Ausbildung beendete er erfolgreich und angeblich genug geläutert, dass man ihm seine Fessel abnahm. An diesem Punkt setzt seine Erinnerung wieder ein, obwohl es Monate dauern sollte, bis er sich von der Isolation von sich selbst erholte. Manchmal glaubt er, sie nie überwunden zu haben. Meist nestelt er dabei an seiner Maske herum.
1363 ist die Time of Troubles Vergangenheit und Kotim ein voll ausgebildeter Kriegsmagier der Krone. Er verlässt nach vier Jahren das erste Mal wieder die Klostermauern, in denen er eingeschlossen wurde, bevor man bei der Gelegenheit auch gleich ein Gefängnis für seinen Geist konstruierte. Die Freiheit zu Denken war zurück, gemeinsam mit der Hoffnung auf ein freies, erfülltes Leben.
Vorläufig wurde daraus nichts, da die neu geschaffenen Diener der Krone vor ihren Anführer, den "ehrenwerten" Vangerdahast, treten sollten. Jener residierte gemeinsam mit dem Großteil der Führungsschicht im reichen Suzail, das bloß einige Meilen entfernt lag. Kotim hatte es bereits bei seiner Anreise bestaunen können. Es tatsächlich zu betreten war sein erster wirklicher Kontakt mit der Zivilisation.
Die Eindrücke waren überwältigend. Die unglaublichen Massen an Menschen und anderen, fremdartigeren Wesen, die riesigen Prachtbauten, die Ritter des Purpurnen Drachen, die an jeder Kreuzung zu sehen war, das Zeremoniell ihrer Begrüßung und zahllose andere Wunder hinterließen einen bleibenden Eindruck. Nie wieder wollte er eingepfercht oder auf dem Land verschollen sein. Diese Zeit war vorbei!
Mit 16 klang das nach einem revolutionären Aufbruch, der ihn in ferne Weiten und zu ungeahntem Ruhm führen würde. Die Realität sah anders aus. Durch die Zerschlagung der Tuigan-Horde beschränkte sich die Aufgabe der Königlichen Kriegsmagier auf langweilige Grenzbewachung, unnütze Exerzitien und ermüdende Übungen. Sogar die Umzüge in Suzail und anderen Städten konnten ihn nicht aufmuntern. Sein Potential wurde verschwendet.
In diese Zeit fällt seine Suche nach jener Macht, die er Jahre zuvor im Kerzenschein studierte. Er erfuhr, dass sie getötet wurde, als die Götter auf Erden wandelten. In der Isolation hatte er nichts davon gehört. Die Vorstellung, sein fernes Idol wäre einfach so erschlagen worden, schien ihm absurd und faszinierend zugleich. Das Konzept, einen wahrhaftigen Gott erschlagen zu können, trieb ihn schnell in Cyrics Arme.
Seine Vorgesetzten ahnten nicht, dass er von den Könglichen Barracken aus Verbindungen zum Kult der Schwarzen Sonne knüpfte. Er mag in Ländern wie Cormyr klein, fast unbedeutend, sein, doch im Herzen der Hauptstadt war es einfach, in die richtigen Ohren zu flüstern. Es brauchte ein wenig Sold, mehr nicht.
Die Erfahrung der Fremdkontrolle hatte ihn misstrauisch gemacht. Wann immer er sich mit seinen Kontaktleuten traf, trug er eine magische Maske, die nicht nur sein Gesicht verbarg, sondern auch vor arkaner Geistesbeeinflussung schützte. Er nannte sich Trajan Superbus, ein sehr viel klangvollerer Name als Kotim und wesentlich mehr seiner Berufung gerecht, fand er.
Unter dieser Identität baute er ein Zweitleben auf, dass sich ganz um die Verehrung des Lügenprinzen drehte. Am Tage spielte er den braven Befehlsempfänger, während er des Nachts Riten zu Ehren seines Gottes durchführte. Zum zweiten Mal wurde seine Seele mit Blut befleckt, als er eine junge Schankmaid in den Katakomben unter Suzail opferte. Der erwartete Schrecken blieb aus. Im Gegenteil empfand er höchste Verzückung dabei, das Flehen in ihren Augen erlischen zu sehen.
Seitdem wurde sein Herz kälter. Längst galt seine Loyalität nicht mehr Cormyr oder diesem närrischen Greis Azoun, sondern Cyric allein...oder fast allein, schließlich galt es auch die eigenen Interessen zu wahren. Informationen an den Kult weiterzugeben war ein lukratives Geschäft, mit dem er schnell einige Kreationen der Roten Magier erwerben konnte.
Der Junge vom Land verschwand zunehmend hinter Trajan, dem Kampfmagier und Kultisten. Es wurde ihm zunehmend ein Graus, sich verschwendet zu fühlen. Jedes Mal, wenn sich Vangerdahast blicken ließ, hätte er ihn vor lauter Frust am liebsten zu Asche reduziert. Auch im Kult stieg er nicht auf; er wusste, würde er zu einflussreich werden, würden ihn seine Oberen beseitigen lassen. Dennoch durfte er nicht zu lang auf dem Status eines Akolythen verharren, wollte er nicht Schwäche zeigen. Seine einzigen Erfolge bestanden darin, dutzende Verbindungen geknüpft zu haben. In einer Nation wie Cormyr nützte ihm das nichts. Es existierte kein strukturierter Tempel. Langsam wusste er nicht mehr, wohin.
Irgendwann begann er mit dem trinken, was seine Vorgesetzten gar nicht gerne sahen. Sie empfanden es als "unziemliche", gar "närrische" Schwäche. Ihm half der Alkohol, wieder Perspektiven zu sehen, die nicht unter einem von Cyrics Opferdolchen endeten.
Die perfekte Gelegenheit zum Aufstieg ergab sich schließlich 1371 mit dem Ausbruch des Goblinkriegs.
Sämtliche Kriegsmagier wurden nach Arabel berufen, nachdem dort die gewaltige Armee des Drachen Nalavarauthatoryl gesichtet wurde. Zum ersten Mal nach Jahren durfte Trajan seine Fähigkeiten voll ausschöpfen. Der erste Tag der Belagerung wird ihm auf ewig in Erinnerung bleiben als der, an dem er seine Bestimmung erkannte. Inmitten des Infernos erfuhr er eine gedankliche Klarheit, die er nie zuvor derart intensiv erlebte. Er wusste plötzlich, was zu tun war.
Als die Portale zur Evakuierung der Stadt geöffnet wurden, schloss er sich dem Strom der Flüchtenden nicht an. Im Gegenteil verbarg er sich vor den Blicken seiner Kollegen und der Purpurdrachen gleichermaßen. Seine Lossagung vom Reich geschah mit der Zerstörung eines der arkanen Schlupflöcher, durch das sich die fliehenden Ratten zwängen wollten.
Rücklickend hätte er etwas Subtileres als zwei Feuerbälle wählen können. Irgendwie entkam er seinen einstigen Verbündeten. Seine Rettung war, dass sie keine Kräfte darauf verwenden konnten, ihn zu verfolgen. Die Rettung der "Unschuldigen", sprich: Schwachen, war ihnen wichtiger. Viele schafften es nicht rechtzeitig, vornehmlich aufgrund seiner bescheidenen Bemühungen.
Zufriedenheit durchströmte ihn, während er nach einem hohen Punkt Ausschau hielt, an dem er die Invasoren erwarten konnte. Viel zu nah hörte er bereits Mauern brechen. Die Straßen boten keine Sicherheit. Letztlich erklomm er in einem Akt physischer Anstrengung, die im keinen Vergleich zur Bequemlichkeit des Zauberns stand, ein Badehaus.
Bis zuletzt regierte der Zweifel in seinem Herzen, doch schwang er das Banner mit Cyrics Symbol selbst im Angesicht der nahenden Horden unbeirrt weiter über seinem Haupt. Zu seinen Füßen hatte er ein paar Leichen angehäuft, Bürger, die auf der Suche nach den Portalen waren. Jedem brannte er die Schwarze Sonne auf die Stirn. Statt seiner Uniform trug er eine pechschwarze Robe, Überbleibsel aus seiner Zeit in den Katakomben unter Suzail.
Er nahm es als Beweis göttlicher Gunst, nicht nur überlebt zu haben, sondern als Deserteur mit wertvollen Informationen willkommen gehießen zu werden. Nicht viele konnten von sich behaupten, den Ghazneth direkt Bericht zu erstatten. Ihre Präsenz war erhaben und ihr Tun inspirierend. Es war eine Schande, dass sie letztlich gefallen sind. Ihr kleiner Zwist mit dem Königshaus interessierte ihn nicht wirklich; seine Ziele lagen anderswo.
Irgendwo im Heer musste es Agenten der Zentharim geben. Obwohl er nie einem Zenth begegnet war, hatte er genug über sie gelesen und gehört, um sich ihrer Präsenz sicher zu sein. Angeblich war ihr neuer Anführer, ein Mann mit dem seltsamen Namen Fzoul Chembryl, ein fanatischer Anhänger Cyrics – und sehr, sehr mächtig. Trajan konnte sich schwerlich einen geeigneteren Gönner vorstellen.
Kurz vor der entscheidenden Schlacht gegen Azouns Truppen gelang es ihm tatsächlich, Kontakt mit den Zentharim aufzunehmen. Angesichts der geringen Zahl von Menschen innerhalb des Heerbanns fiel die Auswahl nicht allzu schwer.
Da er inzwischen Erfahrung mit dem Desertieren hatte, setzte er sich unter Vergabe einiger Bestechungsgelder ab. Der Gesellschaft von Orks und Goblinoiden war er mehr als überdrüssig, obgleich es lehrreich war, sie zu beobachten. Hervorragende Werkzeuge, wenn man sie zu kontrollieren weiß. Dazu ist scheinbar nichts als bloße Gewalt nötig. Manche Kreaturen laden einen gewieften Mann geradezu ein, sich ihrer zu bedienen!
Maskiert schlug er sich bis zu den Steinlanden im Nordwesten des Reichs durch. Seine Befürchtung, auf dem Marsch von Purpurdrachen eingefangen zu werden, erwies sich als unbegründet. Fast fühlte er sich geschmeichelt, davon zu hören, dass Vangerdahasts Nachfolgerin, Caladnei, ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt hat. Wer hätte gedacht, dass Kotim einmal vogelfrei sein würde?
Glücklicherweise galt das nicht für den maskierten Trajan, der (abgesehen von einigen Scharmützeln mit Orks und Goblins) unbehelligt zu einem Posten der Zenth durchdringen konnte. Nichts Besonderes, eigentlich nicht mehr als eine Höhle und ein paar Hütten, aber ein Anfang. Unter dem Mantel der Frömmigkeit bot er ihnen seine Dienste an, als wäre er nichts als ein bescheidener Diener. Er sah die Gier in ihren Augen blitzen, als sie ihn aufnahmen.
Es war ein kunstvolles Spiel, dass er täglich mit den Anderen betrieb. Jeder Satz mochte verschlüsselt sein, ein einzelnes Wort weitreichendes Signal. Wenn gesprochen wurde, dann mit Bedacht. Wer sich zu weit vorwagte, setzte sich der Anomosität der Mehrheit aus. Ein Nachts zuvor gerschlossenes Bündnis konnte am nächsten Tag bereits hinfällig sein. Trajan faszinierte der Gedanke, wie es erst in Zenthil selbst sein mochte.
Den Rest des Jahres verbrachte er hauptsächlich damit, seine Rolle zu spielen und für die Zentharim die Drecksarbeit zu erledigen. Selbstverständlich wurde schnell ein Zusammenhang zwischen dem maskierten Partisanen und dem fehlenden Kriegsmagier hergestellt, aber das scherte ihn nicht. Durch bedauernswerte Unfälle in den Reihen seiner neuen Mitstreiter gelang es ihm recht schnell, sich Achtung zu sichern. Verbales Fechten amüsierte ihn zwar, doch war es auf Dauer ermüdend eintönig. Ein Attentat zu planen war eine gern gesehende Herausforderung.
Wache Augen richteten sich aus der Ferne auf ihn. Zenthil begann, sich für sein Tun zu interessieren. Er hörte, dass dort vor allem seine "Kreativität" gefiel. Wahrscheinlich meinten sie damit die Massacker, die er als Sabotageakte verbuchte.
Es war befreiend, sich endlich nicht mehr um Etikette und Volksnähe scheren zu müssen. Keine Zeitverschwendung mehr, keine Zensierung von Wissen und erst recht keine Halsbänder mehr! Gewiss, es gab Höhere und geradezu erniedrigende Pflichten, doch war er frei von Vorstellungen, die er trotz ihrer Widersinnigkeit als Wahrheit annehmen musste, wollte er nicht erneut geknechtet werden. Eine Lektion hatte er gelernt: Moral bedeutet Pervertierung natürlicher Gesetzmäßigkeiten!
Cyric beleuchtete seinen Pfad, wenn er Rache an jenen übte, die ihn zur Bedeutungslosigkeit verdammen wollten. Inzwischen klebte so viel Blut an seinen Händen, dass er sie nie reinwaschen können wird, nicht einmal in der heiligsten aller Quellen. Manchmal fühlte er leises Bedauern, eine gewisse Sehnsucht nach der Unschuld, die ihn einst erfüllte. Daran änderte auch der Rausch der Magie nichts.
Ihm wurde zunehmend klar, dass seine größte Gabe nicht etwa das Intrigieren ist, sondern blanke, unverhüllte Zerstörung. Er schwelgte darin. Dazu war er geboren.
1372 sandten ihn die Zentharim nach Scardale. Sein erster bedeutender Auftrag lautete: Eliminiere den sembianischen Einfluss und ersetze ihn durch den unsrigen!
Dazu sollte er sich in Scardale Town mit einem Felinen treffen. Offenbar traute man es ihm, dem Emporkömmling, nicht zu, auf sich selbst aufpassen zu können.Wahrscheinlich gelüstete es jemanden nach mehr Macht, sodass Trajan in die hinterste Provinz gesandt wurde, um ja keinen Ärger machen zu können.
Zähneknirschend und euphorisch zugleich reiste er durch das zerrütete Cormyr und hinein in den verwunschenen Hullack. Besser konnte es gar nicht kommen!
Einige Leichen, schlaflose Nächte und hunderte Kratzer später taumelte er erschöpft aus dem Gestrüpp, bedeckt mit den noch heißen Eingeweiden vorwitziger Riesenspinnen und hungrig wie ein sprichwörtlicher Bär. Insgesamt fiel der Marsch durch den Wald nicht so schlimm wie erwartet aus, aber das selbe ließe sich von der Belagerung Arabels sagen. Fest stand, dass dringend eine befestigte Straße vonnöten war, um dieser Wucherung Herr zu werden. Überhaupt gab es viel zu viele Bäume in diesem elenden Königreich!
Es tat gut, ihm endlich entkommen zu sein. Tief kostete er die Luft der Dalelands. Irgendwie fühlte er sich an seine Kindheit erinnert, während er in Richtung Scardale wanderte. Das Befremdendste war, dass er sich nicht einmal an den Bauern und ihrem Vieh störte. In den wenigen Tagen, in denen er in Scheunen übernachtete und jeden Morgen über neblige Felder schritt, fand er so etwas wie Frieden. Ironisch für einen Kampfmagier, dessen Broterwerb das Töten war.
Was in beunruhigte, war eine seltsame Stimmung, die ihn bei jedem Gedanken an Cyric überkam. Sein Glaube war unerschüttert, das spürte er, doch stimmte etwas nicht. Die Schwarze Sonne schien von etwas Anderem, ungleich älterem überschattet. Ständig musste er an das Kloster denken. Alles erinnerte ihn an vergangene Tage, vor Suzail. Er gewann zunehmend den Eindruck, dass etwas äußerst Wichtiges geschehen sei. Was, vermochte er nicht zu sagen.
In Scardale Town erhielt er die Antwort auf alle seine Fragen, gleich ob vergangen, gegenwärtig oder zukünftig. Sein offenbar geistig verwirrter Kontaktmann, ein schmieriger Kerl mit einem Gesicht, das ebenso gut einer Ratte gehören könnte, berichtete ihm vom Untergang Iyachtu Xvims und dem Wiederauferstehen des Bane.
Bane. Die Antwort, die er seit seiner Indoktrinierung im Kloster gesucht hat.
Voll neu entfachtem religiösen Eifer verbrachte er die nächsten Tage in Kontemplation. Rituell löste er sich von Cyric, um im nächsten Moment der Schwarzen Hand ewige Treue zu geloben. Es mag blasphemisch klingen, doch noch während sich seine Lippen zum Eid bewegten, beschlich ihn das Gefühl, Ähnliches noch viele weitere Male aufsagen zu werden.
Die ganze Zeit über wartete auf den dummen Felinen, der auf ihn aufpassen sollte. Es würde ihn nicht im mindesten überraschen, wenn der Kerl bezahlt würde, ihn auszuhorchen. Glücklicherweise trug er seine Maske, inzwischen sogar im Schlaf. Arkane Beeinflussung war sehr unwahrscheinlich. Diesmal kann er sich zur Wehr setzen.
Die Ratte wollte ihm Bescheid geben, sollte die Katze eintreffen. Hoffentlich geschieht das schnell; er kann die Zahl der Flöhe und Läuse, die er bereits in seinem Zimmer geröstet hat, schon gar nicht mehr zählen.