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Autor Thema: Casus Belli  (Gelesen 83320 mal)

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Conrad Rosenstock

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Casus Belli
« Antwort #120 am: 15.07.2011, 15:11:15 »
Conrad ist etwas überrascht, dass der Braunschweiger den Namen des Geschichtsstudenten tatsächlich kennt. Noch hatte er ihn nicht genannt. Aber noch mehr überraschte Conrad der Haftbefehl an die Nobel-Brüder. Das war ein starkes Stück. Als dann die PGP genannt wurde, zog der Student nur eine Augenbraue nach oben und fragte sich verblüfft murmelnd: "Die Preußische Geheimpolizei?"

War es außerdem wirklich so, dass Alfred Nobel freiwillig in ein Gefängnis gehen wollte? Wäre man nicht lieber zu Friedrich VIII. stattdessen gegangen? Conrad an seiner Stelle wäre mit einem Anwalt zu Friedrich VIII. gegangen. Vielleicht hätte das ja etwas geholfen.




Donald Munro

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Casus Belli
« Antwort #121 am: 15.07.2011, 15:27:32 »
"Ich werde natürlich auf meinem Pferd unterwegs sein", murmelte Donald, den die Situation mehr als überraschte. Vor allem blieb bei ihm die Frage: Was hatte er damit zu tun? So richtig fand er keine Antwort, gut, er sollte mit den Nobel-Brüdern verhandeln, anderseits war der Braunschweiger sein Kontaktmann.  Er wartete darauf, dass die Kutsche sich wieder in Bewegung setzte und folgte dieser dann. In einem unbeobachteten Moment erinnert sich Donald des Briefes und las ihn. Vielleicht würde dieser etwas Licht in die Angelegenheit bringen.
« Letzte Änderung: 15.07.2011, 15:56:02 von Donald Munro »

Carl von Lütjenburg

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Casus Belli
« Antwort #122 am: 15.07.2011, 23:42:34 »
Carl hatte sich mehr von seinem Auftreten erhofft. Er hatte wirklich angenommen, dass er einen Wunden Punkt an diesem grässlichen Mann ausgemacht hatte. Nun, vielleicht war dem auch so, aber der Braunschweiger schien sich gut unter Kontrolle zu haben. Lediglich einen kleinen Augenblick lang schien die Fassade zu bröckeln, einen Lidschlag nur aber dennoch ein moralischer Sieg für Carl.

Wäre dieser Sieg nicht gewesen, vielleicht hätte Carl dann doch verzagt als der Major den Haftbefehl gegen Alfred vortrug. Der junge Leutnant zweifelte nicht einen Augenblick an der Unschuld von Alfred Nobel, aber allein die Erkenntnis wie sorgsam dies alles vorbereitet und  zugeschnitten war, gleich einem fein drappierten Spinnennetz in das Karl, Conrad und er selbst hineingeraten waren, gab ihm ein Gefühl von Niederlage als hätte er und nur er allein den Traité de Tilsit[1] verschuldet und unterzeichnet.

Die Schwere die in Alfreds Gesicht lag spürte Carl förmlich auf seinen eigenen Schultern. "Bei Gott gibt es denn keine Gerechtigkeit in unserer Welt? Welche Widrigkeiten hält diese Nacht denn noch für den armen Mann bereit?"

Es war Carls großen Glück, dass Alfred mit bedacht seine Worte zu wählen schien, so dass der junge Offizier genug Zeit hatte ihrer Bedeutung durch den Anflug von Resignation der sich in seinem Geiste einnisten wollte gewahr zu werden. Er konnte verhindern, dass sich seine Verwunderung über die plötzliche Wende auf seinen Gesichtszügen niederschlug und begann zur Tat zu schreiten, als Alfreds Apell an ihn geendet hatte.

"Verrat!" spieh er verächtlich aus und wandte sich dem Schweden entgegen "Und Ihnen wollte ich helfen! Einem Verräter und einem Kollaborateur." in einer ruhigen, fließenden Bewegung förderte Carl seinen Colt Navy aus dem Holster an seiner rechten Seite hervor und hielt ihn auf Alfreds Brust gerichtet.

Alfreds Wunsch den den Haftbefehl laut vorzutragen hatte den Braunschweiger offensichtlich überrascht, und die Tatsache, dass Alfred sich nun in Carls Gewahrsam geben wollte würde den mysteriösen Mann wohl ebenfalls ein Stück weit aus dem Konzept bringen können. Wenn Carl es nun richtig anstellte wäre es mit dem Braunschweiger vielleicht so wie mit einem kleinen Papierschiffchen im Wasser. Viele kleine Wellen brachten es allmählich zum Kentern.

"Ihre Handgelenke können sie für sich behalten, Herr Nobel, wir haben hier keine Ketten, aber ich habe stets eine Kugel für Feinde des Vaterlandes reserviert. Merken sie sich dies, falls sie auf eine Flucht setzen sollten." Carl legte sämtlichen Hass und alle Verachtung die er ins ich finden konnte in seine Stimme. Es fiel ihm erstaunlich einfach, musste er sich doch nur vorstellen er spräche mit dem Braunschweiger und nicht mit Alfred.

"Alfred Nobel, Ich nehme Sie hiermit in meinen persönlichen Gewahrsam, bis ich Sie zwecks sofortiger Internierung an Oberstwachtmeister van Widdendorp überstellt habe. Um alles weitere wird man sich vor Ort kümmern."

Er machte einen Schritt auf Alfred zu und bedeutete ihm mit dem Lauf seines Revolvers sich in Bewegung zu setzen "Und nun Abmarsch und keine krummen Dinger, Herr Nobel. Glauben Sie nicht ich hegte noch einen Funken Sympathie für ein Subjekt Ihres Schlages."

Carl spürte seinen Herzschlag besonders intensiv und in rascher Folge. Er hoffte, dass man es ihm nicht ansah und sein Schauspiel nicht auffiel. Dabei kam ihm der Gedanke, dass er zu gut sein könnte und seine Kommilitonen genauso getäuscht werden könnten wie der Braunschweiger es hoffentlich war. Deshalb summte er leise aber vernehmlich die Melodie eines bestimmten Studentenliedes[2], dass Karl und Conrad mit Sicherheit erkennen mussten, während er an ihnen vorbei schritt. Hoffentlich würden sie seinen Hinweis erkennen und richtig zu deuten wissen.
 1. Traité de Tilsit
 2. Studentenlied: "Wenn alle untreu werden"

Menthir

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Casus Belli
« Antwort #123 am: 16.07.2011, 19:50:07 »
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 03:05 Uhr - Am Hafen

Der Braunschweiger blickte erst zweifelnd, dann überrascht drein, als Alfred ausgerechnet dem Lütjenburger und nicht dem Braunschweiger die Hände zum Fesseln entgegenhält. Seine Miene zuckte kurz, dann entschied er sich ein beschwichtigendes Lächeln aufzusetzen, nahm die Hände von der Tür und hob sie auf Hüfthöhe, in eine beschwichtigende Geste übergehend. "Werter Herr Nobel, es gibt keinerlei Grund dafür, dass Sie sich..." Carls Griff zur Schusswaffe ließ den Braunschweiger sofort seinen Satz erschrocken abbrechen, er sprang in den Schutz der schwarzen Kutsche. Kurz begehrten die Pferde vor der Kutsche auf, erschrocken durch die plötzlichen, schnellen Bewegungen um sich herum. Die Männer in der Umgebung zogen sofort Pistolen aus ihren hoch geschlossenen Mänteln und richteten sie in die Richtung der Studenten. Zwei der vermummten Männer machten sofort ein paar Schritte auf den Braunschweiger zu. Sofort wurde klar, dass der Braunschweiger sie so koordiniert haben muss, dass sie bei einem Angriff der Studenten auf den Braunschweiger eingreifen konnten.

Doch Carls Worte und seine drohende Geste mit der Schusswaffe ging in eine völlig andere Richtung und ein weiteres Handzeichen des Braunschweigers genügte, um die Bewegungen der bewaffneten Männer zu stoppen. Der Braunschweiger war damit beschäftigt und so konnten Alfred und Carl den Major aus Braunschweig überraschen und hatte schon einige Meter Vorsprung gewonnen, ehe der Braunschweiger sich der Situation ausreichend gewahr war, Tiere und bewaffnete Männer ausreichend beruhigt waren. Die wahrlich überraschten Mienen der anderen Studenten, die wohl kaum mit dieser Entwicklung gerechnet hatten, ließen den Braunschweiger zusätzlich zögern. Und als würde Ihnen das Glück lächeln, kamen auch noch ein paar Männer um den Oberstwachtmeister auf die Studenten zugeschritten. Die bleierne, stets so feierliche Stimme des Oberstwachtmeisters bekam einen verärgerten Ton, wahrscheinlich weil er um diese Zeit noch immer nicht in seinen Federn lag.
"Was ist das für ein Auflauf? Ich habe deutlich machen lassen, dass das Hafengebiet bis morgen Vormittag gesperrt bleiben muss, damit die Garnison den Hafen vor den..."
Oberstwachtmeister van Widdendorp wippte auf seinen Stelzenbeinen vorwärts und blickte erstaunt, als er die Studenten um Leutnant von Lütjenburg erkannte. Fast erschrocken blickte er auf die Waffe des Leutnants.
"Was geht hier vor sich, Leutnant von Lütjenburg? Was macht diese schwarze Kutsche auf meinem Hafengebiet und warum halten Sie den Herrn Nobel ein Gewehr[1] in den Rücken? Erklären Sie sich!" Die Studenten hatten von dieser Weisung noch nicht gehört, aber sie waren auch noch nicht im Unteroffiziersheim erschienen. Die Soldaten, sechs waren es, trugen gerade Schilder und Hämmer, um diese in den Boden zu rammen. Im Licht der Laternen sah man die Schrift auf den Schildern: Sperrgebiet.

Die anderen Studenten konnten sehen, dass der Braunschweiger sich ob dieser Wendung erst einmal sammeln musste. Er preschte nicht vor, er hielt sich zurück. Die Studenten und Alfred hatten die Schwäche in dem Dokument des Herzogs erkannt. Er hatte nirgendwo angegeben, dass der Ort der Internierung bestimmt sei. Die Kieler Garnison wäre ein ebenso guter Ort, wie jedes andere Gefängnis. Dadurch dass Alfred Schwede war und einen Anwalt forderte, konnte er dies sogar zu einem Problem der Botschafter machen, dessen war sich der Braunschweiger wahrscheinlich bewusst. Er mahlte mit den Zähnen und verschränkte die Arme und lehnte sich gegen die schwarze Kutsche. Der Major konnte im Moment nicht handeln, der Oberstwachtmeister war ranggleich. Er müsste darauf warten, dass Carl sich jetzt vielleicht in seiner Erklärung eine Blöße gab. Er starrte dem Leutnant Löcher in den Rücken.
 1. Gewehr ist zu dieser Zeit noch allgemeingebräuchlich für jegliche Schusswaffe.
« Letzte Änderung: 16.07.2011, 19:50:29 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Conrad Rosenstock

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Casus Belli
« Antwort #124 am: 17.07.2011, 15:15:35 »
Für Conrad überschlagen sich die Ereignisse. Erst fragt er sich, ob die Worte von Carl wirklich ernst gemeint wären, was schon ein starkes Stück wäre. Will Carl wirklich Herrn Nobel in einem Gefängnis sehen und denkt jetzt so schlecht über ihn? Der Geschichts- und Politikstudent stand erst mal eine Weile stock und steif in der Gegend herum. Doch dann pfiff Carl ein Lied. Es war dem Studenten gut bekannt. Vielleicht eine geheime Botschaft von Carl, dass seine Worte doch nicht so ernst gemeint waren? Als dann Oberstwachtmeister van Widdendorp auftritt, denkt sich Conrad, dass Carl nun Farbe bekennen muss. Eine schwierige Situation, aus der sich Conrad heraushalten wollte, immerhin war er niemand vom Militär. Alles hing nun von Carl ab.

Alfred Nobel

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Casus Belli
« Antwort #125 am: 18.07.2011, 23:14:25 »
Mit dem plötzlichen Auftreten des Leutnants hatte Alfred nicht gerechnet. Was hatte Carl vor, wollte er den Braunschweiger täuschen? Alfreds Absichten waren viel subtiler gewesen; der Haftbefehl Friedrichs war zwar ein legales Mittel, den Schweden festzuhalten, doch wollte der Braunschweiger diesen ganz offensichtlich als Vorwand nutzen, Alfred persönlich dem Herzog gegenüberzustellen, vermutlich sogar auf Befehl des Herzogs selbst. Vor allem nach der zaghaften Beschwichtigung des Braunschweigers hatte Alfred das Gefühl, dass Carls Scharade vielleicht dafür sorgte, dass sie über Alfreds eigentliches Ziel hinausschossen - den Braunschweiger in Schach zu halten und mehr Informationen aus ihm herauszulocken. Vielleicht hätten sich gar noch mehr Verhandlungsmittel gefunden, wenn der Braunschweiger noch zu Wort gekommen wäre.

Doch mit dem Revolver im Rücken hielt es Alfred für intelligenter, still zu bleiben und dem Leutnant die Oberhand zu gewähren. Es war von ganz wesentlicher Bedeutung, im Falle einer krimineller Untersuchung ruhig zu bleiben und auf die diplomatischen Rechte zu setzen, die dem Schweden zugestanden. Erwähnte Herr Rosenstock nicht gerade eben die Geheimpolizei Preußens? Wenn der Haftbefehl eine verschwiegene Angelegenheit war, dann stellte sich nun sogar die Frage, in wie weit es dem Herzog Recht war, dass der königlich-herzögliche Vertrag, wie das Dokument im Haftbefehl bezeichnet worden war, ein Thema der Öffentlichkeit wurde. Denn weiß Gott, Alfred Nobel würde alles daran setzen, ihn zu einer solchen zu machen, sollte der Herzog auf seine Rechtsprechung bestehen.

Alfred konnte sich nicht zwischen einer ergebenen Haltung mit erhobenen Händen oder einer gefassten mit entspannten Armen entscheiden, was zur Folge hatte, dass der Wissenschaftler die Hände komisch auf Hüfthöhe hielt, wie ein gespielter Schleicher im Theater. Widdendorps Anwesenheit war für Alfred zwar im ersten Moment ärgerlich, würde sie doch die Verhandlungsmöglichkeiten zwischen dem Braunschweiger und dem Wissenschaftler wesentlich einschränken. Doch auf der anderen Seite fiel dem Schweden ein, dass dies ein geeigneter Moment war, um abzufühlen, in wie weit der Bote des Herzogs bereit war, die Angelegenheit aus der Geheimhaltung zu entblößen.

"In der Tat ist die Situation im Moment sehr verwirrt, Herr Oberstwachtmeister," spricht Alfred mit einer leisen, aber bedachten Stimme, laut genug, dass die Anwesenden sie im Platz hören können. "Doch ich denke, der fremde Herr in Schwarz ist der Einzige, der die Angelenheit als Ganzes überschaut. Wären Sie so freundlich, dem Herrn Oberst die Angelegenheit zu erläutern?"

Ohne sich zu dem Braunschweiger umzudrehen lenkte Alfred die Aufmerksamkeit des Oberst schleunigst auf den schwarz gekleideten Mann. Wie sich der Bote des Herzogs in Erklärungsnot anstellte würde hoffentlich einiges über die Absichten des Herzogs verraten. Dem Wissenschaftler war bewusst, dass es gefährlich war, dem gewitzten Braunschweiger das Wort zu überlassen, doch unter all den Zeugen, die die letzten Momente miterlebt hatten, würde er es sich zwei Mal überlegen müssen, den Angeklagten in eine Zwickmühle zu bringen.
But I have learned to study Nature’s book
And comprehend its pages, and extract
From their deep love a solace for my grief.

 - A Riddle, 1851

Donald Munro

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Casus Belli
« Antwort #126 am: 20.07.2011, 07:48:31 »
Das waren ja wirklich interessante Entwicklungen, die sich da ergaben. Wie es aussah, wollte dieser Alfred Nobel sich aus den Klauen des Braunschweigers entwinden. Er mußte unbedingt den Brief lesen, vielleicht ergab sich daraus ein Aufschluß der Situation. Vorsichtig zog er sich zurück, da die allgemeine Aufmerksamkeit auf Herrn Nobel gerichtet war. Er öffnete den Brief und begann zu lesen.

Carl von Lütjenburg

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Casus Belli
« Antwort #127 am: 20.07.2011, 23:04:05 »
Mit dem Auftreten von van Widdendorp hatte Carl selbst nicht gerechnet. Im Bewusstsein nicht viel Zeit für Überlegungen zur Verfügung zu haben entschied er sich die Scharade aufrecht zu halten. Gleichzeitig bemühte sich der junge Leutnant sich nicht die Häme anmerken zu lassen, die er empfand, als er sah wie eilig der Braunschweiger Schutz vor Carls Waffe gesucht hatte.

Als der Oberstwachtmeister ihn ansprach nahm Carl Haltung an, salutierte jedoch nicht und wandte auch den Blick nicht von Herrn Nobel.

"Bitte um Entschuldigung für die Verwirrung Herr Oberstwachtmeister. Habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, Herr Oberstwachtmeister.

Herr Nobel ist auf Befehl des Herzogs festzunehmen, ist dem jedoch zuvor gekommen und hat sich mir ergeben. Der Herr Major dort bei der Kutsche ist im Besitz des entsprechenden Haftbefehls, ihm gehört auch besagte Kutsche, Herr Oberstwachtmeister.
Sah mich nicht in der Lage dazu Herrn Nobel in das Gewahrsam des Herrn Majors zu überlassen. Weigert sich konstant seinen Namen zu benennen.

Mit allem Respekt, aber da eine Uniform alleine noch keinen Soldaten macht, hatte ich beschlossen Herrn Nobel zuerst einmal an einen zweifellos echten Soldaten, an Sie, Herr Oberstwachtmeister van Widdendorp, zu überstellen, um den Befehl bestätigen lassen zu können, Herr Oberstwachtmeister."

Menthir

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Casus Belli
« Antwort #128 am: 24.07.2011, 19:37:55 »
6. Dezember 1863 - Am Vorabend des Krieges - 03:08 Uhr - Am Hafen

Der Oberstwachtmeister blickte verdutzt und auch ein wenig angefressen drein, als hätte er sich den Ausklang des Abends nicht so vorgestellt. Das Absperren des Hafenareals hätte wahrscheinlich seine letzte Amtstat für die Nacht sein sollen, ehe er sich endlich, und zumindest aus seiner Sicht verdientermaßen, in die Waagerechte begeben konnte und die Probleme für ein paar sanfte Stunden Probleme sein ließ. Es kam, wie es so häufig war, anders als man dachte und sein Blick machte klar, dass er es bereute, dass er diese Aufgabe direkt mit übernahm, statt das Sperren des Hafens einfach nur zu delegieren. Was auch immer ihn dazu gebracht haben mochte, er fluchte innerlich über diesen Umstand. Er legte die Hände auf die polierte Gürtelschnalle und klemmte die Daumen hinter den Gürtel, sein massiver Bauch bebte bei dieser Bewegung. Er hörte sowohl Alfred Nobel, als auch gerade Carl von Lütjenburg äußerst angespannt zu. Es war schwer zu sagen, ob es seine Überraschung, die Waffe in Carls Händen oder die langsam zurückkehrende Süffisanz beim Braunschweiger war, welche ihn angespannt wirken ließ.
Diese Anspannung ließ sich in seinen Worten erkennen.

"Stecken Sie die verdammte Waffe weg und kommen Sie zurück auf den Teppich, Herr Leutnant!", blaffte der Oberstwachtmeister den Leutnant erstaunlich heftig an und er wirkte einen Moment ob seiner eigenen Lautstärke erschrocken. Deswegen sprach er in normaler Lautstärke weiter. "Herr Nobel wirkt wirklich nicht so, als würde er Sie gleich überfallen oder in Angesicht einer ganzen Horde von Soldaten eine verzweifelte Flucht versuchen. Ganz im Gegenteil, wenn Herr Nobel sich ihrer Gnade ergibt, weil der Mann an der Kutsche Ihnen nicht vertrauenswürdig wirkt, warum halten Sie dann ausgerechnet dem Herrn Nobel eine Waffe in den Rücken? Lernt man in Preußen keine Verhältnismäßigkeit mehr? Also, Herr Leutnant, wir sind hier nicht in Paris. Wir schießen hier nicht mit Zwölfpfündern[1] auf Spatzen!", führte der Oberstwachtmeister aus, wobei sein Bauch vor Aufregung wippte. Er blickte dennoch trotzig zum Schwarzen Braunschweiger und reagierte verschnupft, nachdem er die Worte von Carl und Alfred gehört. "Ein Haftbefehl, soso. Ein Haftbefehl für einen Mann, der sich auf meinem Gebiet befindet und in meinem Lazarett eingekehrt ist. Das dürfte Ihnen mehr als bekannt gewesen sein. Dann frage ich mich jedoch, warum sie nicht den kurzen Dienstweg angetreten haben, wenn Sie schon einen Haftbefehl des Herzogs in ihrer Tasche haben?" Van Widdendorps Knopfaugen schauten auffordernd zu dem Mann in der schwarzen Uniform. Zu allem Überfluss begann es wieder zu regnen stärker zu regnen, der Wind blieb jedoch nur ein Lüftchen.

"Ich habe die Worte Ihres Leutnants gehört und bin bereit mich dazu zu äußern.", sagte der Major überraschenderweise und blickte dem Leutnant nochmal scharf in den Rücken, während sein Gesicht inzwischen wieder der Inbegriff des süffisanten Ausdrucks war. Seine Mundwinkel zogen sich sanft in die Höhe, er legte eine Aura der Arroganz um sich. "Sie sehen, Herr Oberstwachmeister, dass Ihre zweifelsohne stattliche Gestalt und die Unsicherheit seiner Tat Ihren Leutnant völlig in übertriebene Demut wirft. Einen Unbewaffneten, der sich ergibt, mit einer Waffe wegzuführen, nur noch Ihren Titel zu stammeln, statt zu den zentralen Inhalten unseres kleinen Disputs zu kommen, das spricht für eine ausgewachsene Nervosität. Natürlich sehe ich auch die schmallippigen Beleidigungen des Leutnants, die er sich nur in der absoluten Gewissheit Ihres Schutzes getraut. Das sind drei Punkte, welche den durchschnittlichen Offizier wachrütteln sollten. Obzwar er durchaus mit Recht angibt, dass eine Uniform allein keinen Soldaten macht, ist es auch mit Sicherheit so, dass ein Name auch noch keinen Soldaten macht. Ich werde über seine despektierliche Verfehlung für den Moment hinwegsehen."
Der Braunschweiger hatte bereits wieder den Haftbefehl hervorgeholt und sich von der Kutsche entfernt. Er ging festen Schrittes zu dem Oberstwachtmeister und hielt ihm den Haftbefehl unter die Nase. Die sportlich, schlanke Gestalt des Majors und der dickliche Korpus des Oberstwachtmeisters auf seinen Stelzenbeinen, unterschiedlicher konnten sie kaum sein. Der Major ließ den Oberstwachtmeister einen guten Blick auf die ganzen Details seiner Uniform werfen, vor allem auf den silbernen Totenkopf auf der Mütze. "Wenn Sie meinen Namen brauchen, nur zu, fragen Sie. Ich bin mir sicher, dass Sie das möchten. Da können Sie doch jedem Fremdling noch einen Auszug aus meinem Leben geben und jedem gleichzeitig versichern, dass ich eine hehre Figur seiner Durchlaucht bin.", spottete der Braunschweiger und starrte den Oberstwachtmeister einfach nieder. Dieser ging einen Schritt zurück. Alfred und Carl konnten deutlich erkennen, dass Schweiß seine Stirn hinunter lief, als hätte er einen Geist gesehen.

Donald und Hermene waren der Situation hingegen etwas entrückt, oder zumindest schien es von Seiten der Schwester so, welche die Situation sehr passiv abwartete, während der Schotte sich ein wenig aus dem Sichtfeld der Situation zurückzog. Schnell öffnete er den versiegelten Brief von Baker und breitete ihn aus. Es war ein Akt, den Brief vor Regen zu schützen und ihn gleichzeitig unter genügend Licht lesen zu können, doch Donald Munro konnte den Brief dann doch lesen.
Ein merkwürdiger Brief mit einer verschlüsselten Botschaft. Wahrscheinlich das Letzte, was dem Söldner noch gefehlt hat. Doch er hatte auch jetzt eine konkrete Anweisung, was er hier noch zu tun hatte. Es ging also nicht nur darum, einen Handelsvertrag zu schließen, sondern scheinbar mussten die Nobelbrüder erst einmal beschützt werden, ehe man mit ihnen verhandeln konnte. Oder es war der dezente Hinweis, dass Donald als Schutzfaktor, ob notwendig oder nicht, die Nobels vielleicht milder in den Verhandlungen werden ließ? Die Situation stellte sich eher bedrohlich dar. Aus irgendeinem Grund merkte Donald, dass seine Hand zitterte.

Doch van Widdendorp fasste sich schnell wieder und fühlte sich zutiefst beleidigt durch das Auftreten des Schwarzen Braunschweigers. "Sie mögen mir vielleicht verbieten, über Sie zu sprechen, Herr Major und vielleicht würde der Herzog, wenn ich ihn fragte, ebenso reagieren. Vielleicht würde er Ihr Auftreten begrüßen. Aber ich mag es nicht, so offensichtlich beleidigt und eingeschüchtert zu werden. Schon gar nicht, von Soldaten, die mir im Rang nicht überstellt sind."
Van Widdendorp schnappte sich mit verblüffender Behändigkeit den Haftbefehl und las ihn sich nochmals durch und sagte nach einer Weile, immer noch sehr verschnupft. "Es ist nicht geregelt, wo er Nobel interniert wird. Insofern hat der Leutnant Recht, Herr Major. Ich schlage also vor, dass Sie alles weitere mir überlassen und das Hafenareal verlassen. Jenes wird nämlich gerade gesperrt. Einen guten Abend."
Der Bauch des Oberstwachtmeisters wippte, als er die Führung Alfreds zu übernehmen gedachte und den Haftbefehl bei sich behielt. "Es wird Sie sicher nicht stören, wenn ich dieses Dokument verwahre, um Nobels Internierung offiziell dem Herzog zu melden."
Widdendorp nahm Alfred am Arm und ging los. Jeder, der sich zum Braunschweiger umdrehte, sah jedoch, dass er zwar nicht antwortete, jedoch ein hinterhältiges Grinsen auf den Lippen hatte, als dieser sich zur Kutsche umdrehte und darauf wartete, wer ihm jetzt als zu ihr folgen würde.
 1. Kanone
« Letzte Änderung: 24.07.2011, 21:26:23 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Karl Schreiber

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Casus Belli
« Antwort #129 am: 28.07.2011, 09:57:14 »
Karl hatte die Geschehnisse zunächst schweigend  verfolgt und war von Carls Verhalten genauso überrascht worden wie Conrad. Zumindest meinte er das an seinem Gesicht ablesen zu können. Als dann auch Oberstwachtmeister van Widdendorp auftauchte wusste Karl endgültig nicht mehr, wie er sich zu verhalten hatte. Abwarten scheint mir die Devise des Augenblickes zu sein. Vielleicht kommen wir ja doch noch unversehrt aus der Geschichte heraus.

Während er mit einem Ohr den Disput zwischen Carl, dem Braunschweiger und dem Oberstwachtmeister verfolgte behielt er die Soldaten des Braunschweigers im Auge, um sofort reagieren zu können sollten sich diese zum Eingreifen entschließen. Das sie willens dazu waren hatten sie in dieser Nacht bereits unter Beweis gestellt.

Conrad Rosenstock

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Casus Belli
« Antwort #130 am: 28.07.2011, 21:29:45 »
Conrad folgte dem Gespräch intensiv, sagte aber kein Wort. Trotz des Grinsen des Braunschweigers war Conrad der Meinung, dass Alfred bei Oberstwachtmeister van Widdendorp besser aufgehoben war. Conrad wartete noch auf eine Reaktion von Carl. Wie würde er nun reagieren? Würde er nun mit zum Herzog gehen oder nicht?


Schwester Hermene

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Casus Belli
« Antwort #131 am: 28.07.2011, 21:33:35 »
In der Tat hatte Hermene sich weitgehend zurückgehalten, und war die ganze Zeit schweigend geblieben. Ein einziges Mal hatte sie das Wort erhoben, an von Lütjenburg gerichtet, als er sie nach ihrem Gebet fragte. "Nein, Herr von Lütjenburg, ich habe noch nicht für Sie gebetet - und wie ich die Lage einschätze, werde ich in naher Zukunft genug mit mir selbst zu tun haben. Wir sollten alle hoffen, dass es genügend Seelen gibt, die für uns zum Herrn sprechen, gewiss", warf sie nachdenklich ein.

Schließlich gipfelten die Vorgänge, als der Braunschweiger und dieser Alfred Nobel schließlich sämtliche Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Doch Hermenes aufmerksamen Augen entging nicht, dass der Schotte, ihr unfreiwilliger Begleiter sozusagen, sich gar noch mehr von der Szenerie zu entrücken versuchte, obgleich die Beiden eh schon etwas abseits gewesen waren. Ihr Blick folgte Donald auf den Schritt, und als sie bemerkte, dass er etwas aus seiner Tasche hervorkramte, ging sie ihm nach. Der Braunschweiger schien ihr nicht ganz parat zu sein, doch immerhin hatte er die Wahrheit gesprochen. Wenn Donald schon das mysteriöse Geheimnis des Briefes enthüllte, dann wollte sie selbst wenigstens ebenso die Wahrheit erfahren.

Sie schlich sich an ihn heran, bis sie schließlich direkt hinter ihm stand. "So, Herr Munro, und was gibt es Aufregendes zu lesen?", will sie von ihm wissen.

Donald Munro

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Casus Belli
« Antwort #132 am: 08.08.2011, 10:26:00 »
Der Brief bestätigte Donalds Befürchtungen. Verrat!

"Das Auge des Affen", murmelte er vor sich hin. Und dann dieses komische Rätsel. Aber jetzt waren die Fronten erst einmal geklärt und er wußte, in welche Richtung sein Handeln gehen sollte - Schutz für die Nobelbrüder. Doch diese waren jetzt Verräter und er würde damit auch ein Verräter gegen dieses Land sein. Jedoch galt seine Loyalität ausschließlich dem Clan, alles andere war unwichtig. Inmitten seiner Grübelei wurde er der Stimme der Nonne gewahr. Scheinbar wurde er alt, denn früher wäre ihm solch eine Unvorsichtigkeit nicht passiert, oder waren es einfach die Umstände, die schnelles Handeln erfordert hatten?

"Oh, Schwester. Nur Geschichten aus der Heimat. Ihr wißt doch, sie sind voller Verrat und ungeklärten Mysterien. Ihr kennt nicht zufällig einen Affen?"

Dies war ein Schuß ins Blaue, denn er hoffte, dass seine Beobachtungen richtig waren und diese Frau auch auf der Seite der Brüder stehen würde. 

Carl von Lütjenburg

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Casus Belli
« Antwort #133 am: 12.08.2011, 22:44:33 »
Carl nahm seine Waffe augenblicklich herunter, als van Widdendorp ihn dazu aufforderte, und steckte sie weg. Gewiss war es eine übertriebene Geste gewesen, aber sie hatte ihren Sinn erfüllt, Alfred Nobels Husarenstreich war geglückt, denn das Druckmittel des Braunschweigers befand sich nicht mehr in dessen Besitz. Zumindest war es das was Carl als Alfreds Intention gedeutet hatte, das hinterhältige Grinsen des Majors hingegen, konnte er nicht sehen, da er bis van Widdendorp außer Hörweite verschwunden war, Haltung behalten hatte.

Carl fühlte sich nicht wohl bei der ganzen Chose. Er mochte den Braunschweiger nicht und er traute ihm auch nicht. Freilich machte ein Namen noch keinen Soldaten, aber wer seinen Namen gar nicht erst nannte, der führte auf jeden Fall etwas im Schilde. Am liebsten hätte Carl die Sache von vornherein direkt gelöst, aber dazu war es nicht gekommen und nun war es auch nicht mehr möglich diese Option zu wählen. Der Braunschweiger, so unfreundlich er auch sein mochte, gab ihm leider keinen Grund in irgendeiner Form einzugreifen.

Der junge Leutnant hoffte, das Herr Nobel einen Weg fand van Widdendorp zu entgehen und die Urkunde zu verbergen. Inzwischen wäre es wohl doch eine gute Idee gewesen das Dokument so schnell wie möglich nach Berlin zu bringen, überlegte Carl Heinrich, aber andererseits hätte dies auch nicht von besonders großem Mut gezeugt in Nacht und Nebel Kiel zu verlassen, ja es hätte Carl sogar wie eine Flucht geschienen und das wäre es wohl auch gewesen.
Und genau aus diesem Grund machte er sich nun auf den Weg zur Kutsche, um dem Herzog gegenüber zu treten, keiner Schuld bewusst, außer dem Gefühl Alfred damit im Stich zu lassen. Hin und her gerissen, aber mit versteinerter Miene schritt er zum Major herüber und nahm den Helm mit Spitze ab, bevor er in das Gefährt stieg. Kurz hielt er inne und sah seinem Gegenspieler ins Gesicht.
"Wie halten sie es eigentlich mit sich selbst aus, Herr Major?" ohne auf eine Antwort zu warten stieg er missmutig in die Kutsche.

Conrad Rosenstock

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Casus Belli
« Antwort #134 am: 12.08.2011, 23:36:24 »
Conrad hatte einen Moment gezögert in die Kutsche zu gehen und hat etwas auf Carls endgültige Reaktion gewartet. Conrad konnte es nicht ganz genau sagen, ob er mit dem Braunschweiger mitgegangen wäre, wenn Carl weggegangen wäre. Aber zu dieser Entscheidung war es schließlich nicht gekommen. Also stieg auch Conrad in die Kutsch mit ein. Er wartete dann auf die restlichen Reaktionen der Beteiligten dieser Reise zum Herzog.

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