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Autor Thema: Der schweigende Stern  (Gelesen 82326 mal)

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Der schweigende Stern
« Antwort #255 am: 31.08.2012, 22:32:22 »
Schließlich sammelten sie sich und kehrten in ihr Lager zurück, um sich zu besprechen. Als sie durch die Gänge liefen, beschlich sie ein seltdames Gefühl. Es war eine diffuse Angst, nicht alleine zu sein; dass eines dieser erschreckend menschlichen Wesen hinter der nächsten Ecke auf sie wartete. Sie dachten darüber nach, dass sie ihnen im Grunde sehr ähnlich gewesen sein mussten, doch dass die gesamte Kultur ein gewaltsames Ende gefunden haben musste.

Als sie in der Lagerhalle ankammen, stob ein Rudel kleiner, haariger Wesen auseinander. Schrill quitschten sie auf und kletterten die Wände hoch und waren dann im Gebälk verschwunden. Sie stellten fest, diese Wesen hatten ihre Vorräte geplündert. Der Lagerraum roch nach den Exkrementen der Wesen.

Später machten sie vor der Halle ein Feuer und wollten das weitere Vorgehen besprechen. Doch zuvorsprachen sie über Mrs. Palmers Gesundheitszustand. Mrs. Palmer zeigte sich verwundert und ungläubig darüber, dass die Steine sie wiederbelebt haben mochte. Doch der Doktor insistierte, dass sie tot gewesen war - und dass diese Steine ihr das Leben wieder gegeben hätten. Mrs. Palmer sagte, dass sie sich das einfach nicht vorstellen könne.

"Sagen Sie, Doktor, haben Sie jemals gehört, dass so etwas passiert ist? Oder können Sie sich vorstellen, dass die Menschen so etwas irgendwann einmal erfinden werden? Es ist so unglaublich - ich meine - ich bin in dem Glauben aufgewachsen, dass Menschen sterben und dann tot bleiben..."
« Letzte Änderung: 31.08.2012, 22:39:51 von List »
"Man muss auch das Allgemeinste persönlich darstellen."
- Hokusai

Dr. Sergej Pásečnik

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Der schweigende Stern
« Antwort #256 am: 31.08.2012, 22:44:20 »
Der Doktor hörte Mrs. Palmer ungeduldig zu. Seit der Wiederbelebung hatte er sich verändert. Zuvor war der Doktor ruhig gewesen und berechnend. Jetzt wirkte er agitiert und ungeduldig. "Nunja, nur dann wenn Sie an die Bibel glauben. Jesus Christus soll Menschen von den Toten wieder zurückgeholt haben. Unsere Medizin hat das noch nicht geschafft und ich hätte nie geglaubt, dass es überhaupt möglich sein sollte. Ich weiß nicht. Irgendwie hat das auch meine Welt durcheinander gebracht. Vielleicht... muss ich noch einmal darüber nachdenken.". Er löste den Blick von Mrs. Plamer und wandte sich Peter zu: "Ärm..., Mr. Aldred. Ich weiß, Sie haben eine Bibel bei sich. Meinen Sie, sie würden sie mir ausleihen?", fragte er[1]
 1. 
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« Letzte Änderung: 31.08.2012, 22:56:57 von Dr. Sergej Pásečnik »
"Selbst die Ameise kann aus dem toten Philosophen noch etwas nützliches ziehen." - nach Stanislaw Lem

Peter Aldred

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Der schweigende Stern
« Antwort #257 am: 01.09.2012, 23:46:30 »
"I had the same thought.", gestand Peter wie aus der Pistole geschossen als Reaktion auf die Worte des Doktors und blickte ihn dabei an. "I thought about searching the bible for indications of the use of lifestones and I asked myself, if Jesus could have been in possession of such lifestone." Peter kramte in seinen Taschen nach Capraras Bibel, während er weitersprach. "I even thought about the length of Noah's life or the lives of all the first generations of men outside of Eden. They died all after many centuries of life. Just think of the most prominent example: Methuselah[1]." Peters Stimme war irgendwo zwischen angespannt, aufgeregt und ungläubig über jenes, was er gerade selbst sprach. Hätte er die Funktion des Lebenssteines nicht gesehen, er könnte daran zweifeln. Aber er hat die Funktion gesehen. Mrs. Palmer war gestorben und wenn nicht gestorben, dann zumindest körperlich so zerschmettert, dass sie sich hätte nie...regenerieren dürfen. Es ließ alles an der Bibel auf einmal anders wirken. Diese Gleichnisse, die Peter noch vor einigen Tagen oder Stunden -  er glaubte sein Zeitgefühl zu verlieren - zwischen seiner Heimat und diesem Ort entdeckte, sie wirkten auf einmal unheimlich und plausibel.

Endlich fand der die Bibel in seiner Tasche und reichte sie dem Doktor. Dem Gesicht Peters war abzulesen, dass auch er mit dieser Situation noch deutlich überfordert war. Er hatte keine Erklärung dafür, es brachte sein fein-säuberlich seziertes Weltbild stark durcheinander. Er hatte es geschafft Naturwissenschaft und Religion zu verbinden und jetzt zeigte sich, dass all dieses Übernatürliche, welches viele in die Bibel interpretiert hatten doch wahr sein konnte. Er konnte es einfach nicht glauben. Peter war so mit seinen Gedanken beschäftigt, dass er nicht einmal wahrnahm, dass diese kleinen Biester alle Vorräte gestohlen und/oder gefressen hatten.
 1. Methuselah
"Every religion, as far as reason will help them, makes use of it gladly - and where it fails them, they cry out: It is a matter of faith, and above reason!" - John Locke

Dr. Sergej Pásečnik

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Der schweigende Stern
« Antwort #258 am: 03.09.2012, 19:50:23 »
Der Doktor nahm die Bibel entgegen und lächelte pflichtschuldig. "Danke, Peter. Ich gebe Sie ihnen bald zurück. Ich will... nur etwas nachsehen." Er steckte die Bibel in eine Tasche seines Overalls. "Was denken Sie? Wie machen wir weiter? Ich denke, wir kommen nicht  weiter. Wir müssen irgendwie die Computer und die Türen wieder in Gang bringen. Die Stromversorgung ist unterbrochen. Tief im Inneren sind bestimmt noch andere Dinge von Wert für uns. Maschinen... oder weiter Lifestones.", sagte er und lächelte dann[1].

"Was denken Sie? Wartet da drinnen ein Raumschiff auf uns, das uns nach Hause zurück bringen kann?"
 1. 
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"Selbst die Ameise kann aus dem toten Philosophen noch etwas nützliches ziehen." - nach Stanislaw Lem

Peter Aldred

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Der schweigende Stern
« Antwort #259 am: 04.09.2012, 14:21:08 »
"Ich weiß es nicht.", sagte Peter nach nur kurzer Überlegung und musste damit der Situation und seinem blockiertem Geiste Tribut zollen. "Ich weiß nicht, was auf uns wartet. Aber ich schätze, es wird uns unsere Kindlichkeit wieder schenken. Der Stoff, aus dem unzählige, unbewusste Träume sind: endlich wieder Staunen zu können." Obwohl es notwendig war, fiel es ihm unendlich schwer sich wieder mit dem Hier und Jetzt zu beschäftigen. Diese Gedanken an die Lebensteine oder an diese wundersamen, alten Wesen zu verdrängen. Aber anhand der Reaktionen des Doktors glaubte er zu erkennen, dass es diesem vielleicht gar nicht so anders ging. Dass er auch noch aus der Bahn geworfen war und vor allem damit zu kämpfen hatte, seine Unnahbarkeit in völligen Maße aufrechtzuerhalten. Erstmalig schien es kleine Risse in der steinernen Gestalt Pásečnik zu geben und diese Rissen offenbarten, dass der Innenraum Sergejs nicht aus Stein war, sondern mit Wünschen und Phantasie gefüllt war. Diese Lebenssteine, sein Denken drehte sich nun darum. In welche Richtung seine Gedanken wohl gingen? Das konnte Peter nicht ergründen.

Und er unterließ auch den Versuch, dies ergründen zu wollen, zumindest für einen Augenblick. Er zwang sich mit aller Gewalt diese Reliefs und freskenartigen Malereien aus seinem Kopf zu bekommen und sich wieder auf ihre neue, primäre Aufgabe zu konzentrieren: Überleben. "Ich denke, wir sollten uns einen Augenblick sammeln und Mrs. Palmer sollte sich nochmal gründlich untersuchen lassen. Zwar haben diese Steine ihr wahrscheinlich das Leben geschenkt oder zumindest gerettet, indem ihre gebrochenen und verdrehten Knochen wieder ganz wurden, aber wir sollten diesen Umstand sehr genau beobachten. Und zwar fortwährend beobachten, nicht dass unwillkommene Veränderungen eintreten. Da wir diese Steine nun genutzt haben, und da werden Sie mir zustimmen, Doktor, haben wir auch eine wissenschaftliche Untersuchungspflicht." Dabei blickte der Diakon vor allem zu Abhay, dessen Kenntnisse in der Frage, ob die Lebenssteine etwas natürliches, oder eben nicht, waren, von höchstem Nutzen waren. "Joris sollte dies mit genügend Bildmaterial dokumentieren können. Ich mache mir derweil Gedanken, wie ich die Computer wieder in Gang bekomme und ob ich die Energiesteine dafür ausreichend lange nutzen kann[1]. Das heißt, Commander, wenn ich einen Vorschlag machen dürfte, dann dass wir den Tag mit einer Aufarbeitung beginnen. Mr. Hepworth sollte vielleicht auch die Nährknollen untersuchen. Ich meine, wir haben Spuren gefunden, die darauf schließen lassen, dass die letzten Wesen, die zu einer Agrarkultur fähig waren, vor fünf bis dreißig Jahren hier gelebt haben. Aber die Nährknollen liegen noch nahrhaft an den Orten, an dem sie zurückgelassen wurden. Vielleicht sind sie mit der Hilfe dieser Steine dauerhaft haltbar gemacht wurden oder sie stehen in sonst einem Zusammenhang mit den Steinen[2]? Vielleicht als Grundstoff oder sowas in der Art. Mr. Hepworth wird das besser beurteilen können. Joris und ich haben glücklicherweise noch Fotos von der Maschinenskizze und von den Terminals gemacht[3]. Vielleicht kann Mr. Petersson sie auswerten. Und sobald wir uns von dem Schock erholt haben, müssen wir sowieso zurück in den Komplex. Alleine weil unsere Nahrung geplündert ist." Peter blickte dabei die ganze Zeit zum Commander, und prüfte sein Einverständnis. "Es ist nur ein Vorschlag, Commander. Was sagen Sie?"
 1. Systemtechnik: hervorragend (+5)
 2. Biowissenschaft: mäßig (+0)
 3. Dafür würde ich einen Schicksalpunkt zahlen, falls das notwenig ist für die Behauptung.
« Letzte Änderung: 04.09.2012, 14:26:54 von Peter Aldred »
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Der schweigende Stern
« Antwort #260 am: 05.09.2012, 10:59:12 »
Dr. Pásečnik hatte sich derweil zurückgelehnt und betrachtete Aldred, während er sprach. Dabei strich er sich mit dem linken kleinen Finger über die Unterlippe - ein sicheres Zeichen dafür, dass er nachdachte. Als Peter fertig gesprochen hatte, entstand eine kurze Stille, als jeder über Ihre Möglichkeiten nachdachte.

Schließlich holte Joris den Fotoapparat und seinen Block hervor. "Ich zeichne die Skizze mal ab, so gut ich kann. Der Akku meiner Kamera neigt sich dem Ende zu und ich muss mit der verbleibenden Energie haushalten." Er drückte an der Kamera herum und der Bildschirm wurde hell. Mit gekonnten Strichen brachte er die Skizze auf das Papier. "Ich kenne mich damit nicht besonders aus, aber für mich sieht das aus wie eine Turbine, wie diese mit denen wir auf der Erde Strom produzieren. Seltsamer Gedanke, dass dieses primitive Volk solche Technik bedient hat. Erfunden dürfte es die Turbine jedenfalls nicht und auch nicht die Computertechnik - wenn wir die Terminals so nennen wollen. Ich vermute, dass diese alte Rasse Ihnen alles hinterlassen hat und ihnen auch beibrachte, wie sie die Technik bedienten. Und wenn ich mir die kleinen Idole ansehe, die hier in der Halle und überall sonst produziert wurden, dann hat diese Zivilsation die alte Rasse dafür als Gottheiten angebetet. Peter, Sie sagten es ja selbst, dass die Religion von AnfangEnde mit der Zeit überlagert und verdrängt wurde."

Er dachte kurz nach und machte die letzten Striche. "Peter, ich will Ihnen nicht zu nahe treten. Obgleich ich mich nicht als besonders religiös bezeichne, habe ich großen Respekt vor dem Christentum. Ich bin mehr mit dem Säkularen beschäftigt. Und weil ich - trotz alledem - immer noch Hoffnung habe, eines Tages zurückzukehren, frage ich mich, ob wir diese Lifestones mit zur Erde nehmen sollten." Joris lächelte verlegen und setzte dann fort: "Und, naja, wenn es möglich sein sollte, sie auch auf der Erde herzustellen, falls das möglich sein sollte, kann ich mir ausmalen, was das mit den Religionen machen würde. Nochmals Entschuldigung bitte, aber denken Sie nicht auch, dass den Religionen der Stachel gezogen wird, wenn der Tod bezwungen wurde? Die Menschen auf unserem Planeten sind es gewöhnt, sich für Ihr Glück selbst verantwortlich zu fühlen. Welchen Nutzwert hätte die Religion dann noch."

Er lächelte noch einmal entschuldigend. "Entschuldigen Sie noch einmal, Peter, aber ich erzähle das nur, weil ich glaube, dass genau das hier passiert ist."
« Letzte Änderung: 05.09.2012, 11:01:39 von List »
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Dr. Sergej Pásečnik

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Der schweigende Stern
« Antwort #261 am: 05.09.2012, 11:10:23 »
"Ja, und die Errungenschaften der alte Rasse wurden zur säkularen Ersatzreligion. Wie bei uns auf der Erde der Kapitalismus oder der Konsum oder das Karrierestreben. Ich denke, Joris hat Recht. Diese Version passt auch zu den Briefen, die wir im Wrack fanden. Was mich nun noch interessiern würde ist, wer die Hinterlassenschaften der Alten verwaltete. Dieser Personenkreis war ohne Zweifel über alle anderen erhaben. Wer dies tat, konnte über andere herrschen und war das Gesetz. Seine Legitimation war, dass er entscheiden konnte über das Leben und das Sterben aller. Eine unglaubliche Macht.", führte der Doktor den Gedanken weiter und schüttelte leicht den Kopf. Er fixierte Peter.
« Letzte Änderung: 05.09.2012, 11:15:26 von Dr. Sergej Pásečnik »
"Selbst die Ameise kann aus dem toten Philosophen noch etwas nützliches ziehen." - nach Stanislaw Lem

Peter Aldred

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Der schweigende Stern
« Antwort #262 am: 05.09.2012, 14:39:18 »
Die Antwort des Commanders musste noch warten, denn Peter nickte Joris und Sergej ob ihrer Erkenntnisse zu. Er verstand Joris Worte nicht als Affront gegen sich oder gegen die Kirche, was aber auch daran lag, dass der Diakon die Meinung von Joris nur bedingt teilte. Peter kratzte sich an seinen kurzen Bartstoppeln, die mit jeder Stunde sichtbarer wurden. Er wünschte sich eine ganz einfache Rasur, da sein nun stacheliges Kinn ungewohnt in seiner Hand lag, wie immer, wenn er nachdachte. "Was die Weitergabe von Technologie angeht, ist es durchaus möglich, dass Ihre Theorie stimmt, Mr. van Campen. Die Bilder legen dies nahe, doch wir wissen noch nichts über die evolutionären Vorgänge an diesem Ort, sodass es durchaus auch eine Art oktroyierte oder zumindest vereinfachte Glaubensansicht sein könnte. Sehen Sie, ich habe den Punkt schon ein paar Mal genannt, aber einer der auf der Erde am häufigsten, verkauften Sachbuchautoren ist Erich von Däniken[1], der als Kind einer progressiv-eingestellten Generation auch der festen Überzeugung ist, dass frühe Hochkulturen der Menschen - wie die Erbauer der Stadt Ur, die Ägypter oder selbst später noch bei den Maya - von Außerirdischen mit Technologie beschenkt wurden und so erst der menschliche Fortschritt zustande kam oder Menschen sogar ein experimentelles Spielzeug von Außerirdischen sind. Sie kennen sicherlich alle diese vielen UFO-Sichtungen und Entführungsfälle, welche immer wieder - vor allem von Frauen - berichtet werden. Untersuchungen, gerade zu Vivisektionen, welche die Außerirdischen an ihnen durchführen. Es geht soweit, das selbsterklärte Exobiologen den Schritte zwischen Australopithecus[2] und Homo rudolfensis[3] mit dem Eingriff von Außerirdischen erklären. Was ich sagen möchte ist, dass es nach der Entdeckung der Lebenssteine nicht abwegig ist, dass es in diesem Fall so sein könnte, dass es diese Elder Ones gegeben hat, aber wir auch nur eine mehr oder weniger einperspektivische Erzählung haben. Wir also nur einen geografischen Grenzrahmen haben, den wir betrachten können und dort alle Beschreibungen mehr oder weniger im selben Stil anzutreffen sind und wir hierdurch nur eine sehr beschränkte Sicht haben. Dass die Lebenssteine echt sind, sollte uns nicht in Versuchung führen jede Form der kulturellen Überlieferung automatisch für wahr zu erachten." Peter räusperte sich kurz und überlegte, wer er weiter argumentierte. "Joris, sie sind doch wahrscheinlich atheistisch, oder zumindest agnostisch[4] geprägt? Selbst wenn sie tiefgläubig sein sollten, werden Sie eine Diskussion geführt haben oder miterlebt haben, in welcher jemand sie davor ermahnte, die ganze Bibel für reine Wahrheit zu halten, nur weil die Kirchenarchäologie gewisse Punkte verifizieren konnte oder weil anderen die kulturellen Annahmen der Bibel bestätigten, nicht wahr? Dasselbe wird es hier sein. Obzwar vieles ein wahren Kern haben mag, können wir aus unserer Position unmöglich sagen, was mystifiziert wurde und wo wir noch Ausläufer der Wahrheit finden können. Das heißt, diese Überwesen könnten auch Stellvertreter für einen Prozess sein, für den kulturellen Wandel, der AnfangEnde abgelöst hat. Die Grenzen zwischen religiöser Anbeteung sind immer und in jeder Kultur schwammig, mal zwischen unterschiedlichen Glaubenstraditionen, mal innerhalb unterschiedlicher Glaubenstraditionen. Wäre dem nicht so, würde es keinen Grund geben, einen Glaubenskanon zu erstellen. Und ob Sie es wahrnehmen oder nicht, derselbe Gott ist nicht immer der gleiche. Jede Generation, jeder Mensch, sieht in der Projektion dessen, was er für Gott hält oder was Gott ist, etwas anderes. Es ist immer von eigenen Erfahrungen, die Erfahrungen einer Kultur und vielen anderen schwer messbaren Variablen abhängig, wie eine jeweilige Generation Gott nun sieht. Da kann es sogar sein, dass sie denselben Namen tragen, aber ganz unterschiedlich interpretiert werden. Dies ist schließlich der Gegenstand vieler, essenzieller theologischer Diskussionen. Dieses Diskussionpotenzial wird auch hier gegeben sein, solange wir nicht beispielsweise die Gebeine eines solchen Wesens finden oder vielleicht sogar nicht verendete Leichen oder - Gott bewahre - ein lebendes Exemplar." Peter erschien es noch sinnvoll, zu erklären, woher er eine seine Einsicht bekam. "Sehen Sie. Auf den Reliefs haben wir gesehen, dass die Menschen erst diese Wesen bekämpften, aber dann nach einer Weile doch konvertierten. Das könnte mit dem kulturellen Wandel zusammenhängen, den wir schon auf diesen sehr interessanten Stufen gesehen hatten. Oder anders ausgedrückt, es könnte eine mystifizierte Metapher dafür sein, dass es zu einem Religionskrieg zwischen AnfangEnde und diesem neuen Glauben kam, an dessen Ende jedoch die Konversion stand.  Solche Bilderwechsel finden wir beispielsweise in der Menschheitsgeschichte auch während der keltisch-irischen Mission, wo erst der alte Glaube steht, wenn auch in anderer Gestalt als bei AnfangEnde, dann das Christentum zu gewinnen scheint und doch am Ende ein synkretistischer Glaube entsteht, nämlich das Keltenchristentum. Der Synkretismus ist besonders gut an den Keltenkreuzen zu erkennen, welche eben beide Glaubensvorstellungen vereinen können. Hier hat eine scheinbar, wie der Doktor anmerkte, eine materielle-polytheistische Ausrichtung eine ideell-monotheistische Ausrichtung verdrängt. Den einzelnen Wahrheitsgehalt der jeweiligen Reliefs können wir aber nur vermuten, auch wenn ich tippen würde, dass wir einen Teil des Rätsels Lösung unter der geschwärzten Stufe finden könnten."

Peter wusste, dass er den wissenschaftlichen Diskurs breiter aufgefahren hatte, als es vielleicht notwenig gewesen wäre, um seinen Punkt deutlich zu machen, dass sie ihr erworbenes Wissen nur durch eine scheinbare Wundersichtung überbewerten sollten, sondern es weiter kritisch prüfen sollten. Es hatte sicherlich für viele Laien etwas Paradoxes, wenn ausgerechnet der Kirchenmann diese Haltung trug, obwohl durch den Großteil der Kirchengeschichte gerade viele Kirchenmänner diese Vorsicht als Schild trugen. Er verlängerte seine Ansprache, um auch dabei länger über die Worte von Joris und Sergejs bezüglich eines Glaubensverlustes durch die Lebenssteine nachzudenken.
"Sehen Sie mir nach, dass ich das Mitbringen von Lebenssteinen zur Erde, selbst wenn wir die Möglichkeit dazu bekämen, strikt ablehne. Das liegt nicht an dem Schicksal einer Religion. Grundsätzlich haben sie recht, dass Religion auch von den Nachtodbildern profitiert und insofern gerade die abrahamitischen Religionen darunter leiden werden. Wir sehen es in Teilen der industriellen Welt, dass dort mit steigendem Luxus und Zufriedenheit die Anerkennung von Religion schwindet. Insofern verwenden sogar Marx Gegner hier seine Aussprache, dass Religion lediglich das Opium des Volkes sei. Es gibt auch Ausnahmen, wie die Vereinigten Staaten, in denen Religion eben nicht nur in armen, rückständigen Gebieten gelebt wird, wie viele Kritiker gerne behaupten. Selbst Sekten erheben sich vor allem in wohlhabenden Gebieten, nicht zuletzt lebt Scientology vor allem von Kontakten in die Medienwelt, wie Hollywood. Ihre Annehme streift also nur das eigentliche Probleme. Stellen Sie sich einen Buddhisten vor, der überzeugt ist von seinen Pfaden, und auf einmal mit Lebenssteinen konfrontiert würde? Aber es sind auch nicht die Probleme für die abrahamitischen oder anderer Religionen, die mich beschäftigen, sondern die Auswirkungen für alle Menschen, ganz unabhängig davon welcher Religion sie sich angehörig fühlen oder von welchen Religionen sie sich abgestoßen fühlen. Ganz unabhängig jeder möglichen, theologischen Wahrheit." Peter wandte sich jetzt mehr Sergej zu, hielt Joris aber im Gespräch.
"Grundsätzlich ist eine Religion nicht nur von ihrem Umgang mit dem Tod abhängig, sondern als Anleitung des Menschen zu einem - je nach Kultur anders definierten - gutem Leben. Ich schätze also, dass selbst unter dem Eindruck von Lebenssteinen eine Religion sich anpassen könnte oder die Besonderheit davon gesegneter Wesen herausstellen würde. Das eigentliche Problem ist die Verteilungsgerechtigkeit, denn wenn sie solche Lebenssteine mitbrächten, könnten Sie unmöglich sieben Milliarden Menschen - Tendenz steigend -  damit versorgen. Gehen wir davon aus, Sie könnten, Joris. Wir wissen nicht, wie das mit Ernährung und den wirklichen Kapazitäten der Erde aussieht. Die Natalitätsrate würde die Mortalitätsrate überrunden, und die Menschen würden fortan nur noch sterben, um von den Lebenssteinen am Leben gehalten zu werden, weil irgendwann gar nicht mehr genügend Ressourcen vorhanden wären. Denken Sie daran, dass auch Ressourcen deswegen endlich sind, weil alle regenerativ sind. Sich also aus einem Zyklus von Gedeihen und Sterben entwickeln, wenn auch in unterschiedlichen Zeitfenstern. Das gilt von Steinarten über Erdöl bis zu kleinsten Bakterien. Der Mensch ist ewig, der Rest noch nicht. Das würde die Erde ausbluten lassen. Haben Sie sich schon gefragt, warum dieser Ort so trist wirkt und der alte Baum wie ein Mahnmal? Vielleicht liegt es genau daran. Wie würden Sie das Lebensgleichgewicht aufrechterhalten? Sie würden zum Richter allen Lebens werden müssen, damit jeder Mensch leben kann. Und mit Leben meine ich nicht alleine das Atmen." Dem Diakon fielen noch viel mehr Beispiele ein, aber er wollte keine zu langen Monologe führen, weshalb er zum nächsten Punkt kam.
"Oder gehen wir davon aus, Sie könnten diese Steine nicht gerecht verteilen. Die Reichen und Machthungrigen würden sie um sie reißen. Vielleicht sogar Kirchenleute, welche dies als Wunder verkaufen möchten, um ihrem Glauben wieder mehr Zulauf zu verschaffen, und das trifft auf fast jede Religion zu. Und schon hätten sie eine bevorzugte Schicht von Menschen. Stellen Sie sich vor, ein Stalin hätte einen Lebensstein gehabt? Oder ein Mao? Ich will mir dies nicht vorstellen müssen, wie zwei Klassen von Menschen sich bilden, die Bevorzugten und die Leidenden. Diese Schere haben wir schon weit genug gespreizt, ganz ohne diese Lebenssteine. Und es würde genau das passieren, was hier auch passiert ist. Erinnert ihr euch an die Korrespondenz im Schiffswrack zwischen Wässerchen und der Seherin[5]? Wie lange würde es dauern, bis sich auf der Erde Legitimationen ausbreiten über die Generation, welche die Besitzer der Lebenssteine über andere hebt und sie damit auch automatisch zu Elder Ones machen, auch im Namenssinne. Und wer weiß, vielleicht sind die Elder Ones sogar die Elder der alten Religion, nur verändert durch den ewigen Einfluss dieser suchtgebietenden Steine? Aber unabhängig der vielen, feinen Details unserer Betrachtung, die wir zum Großteil nicht klären können, weil uns die Beweismasse fehlt, können wir feststellen, ja, wissen wir es in unserem Herzen, dass es auf unsere Erde am Ende so aussehen würde wie auf Cocytos. Noch mehr Krieg, noch mehr Wahnsinn und keine Erlösung mehr. Darum bitte ich einen jeden inständig, jedem Gedanken an ein Mitnehmen der Lebenssteine zu entsagen. Die Steine sind kein Weg zurück nach Eden." Peter hatte Sergej damit im ausführlichen Rahmen rechtgegeben und fügte die mahnende Bitte an. Er hätte am liebsten jetzt über die Bedeutung des Baumes der Erkenntnis im kantschen Sinne gesprochen, aber er wollte sich nicht auf diesen Pfaden verlieren. Stattdessen fügte er wieder etwas für ihren Auftrag an. "Ich denke, ich kann die Energiesteine nutzen, um die Terminals kurzzuschließen." Dann blickte er jedoch wieder zu Sergej und Joris, da er das Thema für mehr als spannend erachtete.
 1. Erich von Däniken
 2. Australopithecus
 3. Homo rudolfensis
 4. Angnostizismus
 5. Hier nachzulesen.
« Letzte Änderung: 05.09.2012, 15:00:48 von Peter Aldred »
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Abhay Hepworth

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« Antwort #263 am: 05.09.2012, 15:40:25 »
"Um die Steine zur Erde mitzunehmen müssen wir erstmal einen Weg finden zurück zu kommen." gab Abhay ein wenig resigniert zu bedenken.

"Und es leben jetzt schon zuviele Menschen auf der Erde wenn man davon ausgeht, dass mehr als eine Milliarde von ihnen in nächster Zeit den Lebensstandart der westlichen Länder erreichen. Es leben nur deswegen so viele Menschen auf der Erde, weil es dem größten Teil von ihnen bescheiden geht." kommentierte Abhay die Diskussion die Steine mit auf die Erde zu nehmen. "Ich könnte es nicht verantworten dabei zu helfen, die Erde noch weiter zu bevölkern."


Dr. Sergej Pásečnik

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Der schweigende Stern
« Antwort #264 am: 05.09.2012, 19:25:20 »
Der Doktor wirkte enerviert. "Nein, nein, wiegeln wir die Diskussion jetzt nicht damit ab, indem wir die Chancen, zurückzukehren dagegen rechnen. Sie bewerten die Lebenssteine so rational und lehnen sie ab, weil sie nicht die Möglichkeit sehen, sie zu nutzen. Ich verstehe sie aber nicht. Meine Herren, sind sie wirklich so abgebrüht, diese unglaubliche Möglichkeit ungenutzt zu lassen? Sind Sie wirklich so idealistisch, dass sie lieber den Tod in Kauf nehmen? Das große Schwarz? Die Schmerzen? Die Ungewissheit? Also, ich glaube Ihnen nicht. Ich glaube eher, Sie haben Angst.", gab er zurück.
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Peter Aldred

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Der schweigende Stern
« Antwort #265 am: 05.09.2012, 20:07:02 »
Peter beobachtete den Doktor genau, wie schon die ganze Zeit über, und dass er jetzt mit einfach Beobachtungen versuchte Diskussionen in seine Richtungen zu lenken, sprach Bände darüber, dass diese Lebenssteine etwas in ihm geweckt hatten. Er versuchte seinen Worten wieder etwas Maßgebendes zu geben, etwas mit Gewicht, doch irgendwie wirkte der Doktor entblößt auf den Diakon. Er ließ sich deswegen nicht von dieser Aussage locken. "Ich halte mich nicht für abgebrüht oder rational, Doktor. Wie sie gehört haben, ist meine Entscheidung sowohl rational, aber vor allem auch emotional unterlegt. Natürlich habe ich Angst. Ich hatte Angst, als ich geboren wurde, ich habe Angst vor dem Sterben und...", Peter machte eine kurze Pause um wieder den Bogen zu den Schreiben zwischen Wässerchen und der Seherin zu bekommen. "...ich hätte genauso viel Angst vor einem sinnlosen Leben. Aber erklären Sie uns doch, Doktor, was sie mit den Steinen machen würden? Wo denn diese unglaublichen Möglichkeiten liegen?" Der Doktor ließ ungewöhnlich viele Platitüden fallen, ganz im Gegensatz zu seinen ansonsten fundierten Aussagen, wenn er einmal sich zur Wort meldete. Nur einmal hatte der Diakon den Doktor ähnlich erlebt, nachdem er Mrs. Palmer angeschossen hatte. Peter schaute, wie weit er gehen konnte und ob Sergej sich mit seinen eigenen Mitteln fangen ließ. "Ich glaube eher, Doktor, ist, dass ihnen ihre Sci-Fi-Phantasien in Anbetracht des vor wenigen Stunden noch unmöglichen Scheinenden durchgehen."
« Letzte Änderung: 05.09.2012, 20:10:52 von Peter Aldred »
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Dr. Sergej Pásečnik

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Der schweigende Stern
« Antwort #266 am: 07.09.2012, 14:37:17 »
Auf Aldreds Vorwurf wurde der Doktor auf einmal sehr still. Er fixierte den Diakon und für einen Moment sah es so aus, als ob er wutentbrannt auffahren würde. Doch stattdessen wurde er sehr ruhig; seine Stimme war eiskalt. "Ja, natürlich haben Sie Angst, Peter. Vielleicht das erste Mal seit wir uns kennen, sprechen Sie aus Ihrem Innersten. Ihre Angst speist sich aus ihrer Geschichte. Sie sind Theologe, doch haben unzählige Male mit Ihrer Kirche gebrochen und sich wieder ihrer angenähert. Sie wussten, dass Sie diesem Teufelskreis entkommen mussten. Darum haben Sie sich der Naturwissenschaft zugewandt und gehofft, dass Sie darin halt finden würden. Doch die Neurowissenschaften werden überschätzt. Auch die bildgebenden Verfahren zeigen die vieldeutige Realität nur durch eine andere Brille, doch nicht die Wahrheit. Sie waren verzweifelt, sind in den nahen Osten gegangen. Sie haben Menschen gesehen, die nichts hatten, als den Willen zu überleben, obwohl Ihnen alles genommen wurde. In jeder Beziehung waren Sie reicher als diese Menschen, doch nicht in dem Willen zu Leben. Sie sind weder Fisch noch Fleisch. Sie stehen nicht für die Kirche ein, die sie gesandt hat, doch andererseits sehen Sie auch kein Heil in der Wissenschaft. Sie zitieren abwechselnd die Bibel und Erich von Dänniken. Sie wissen nicht, auf was Sie ihre Hoffnung richten können. Darum bleibt nur die Flucht nach vorn. Ihr Geist klammert sich an jedes Detail dieser außeridischen Kultur, doch nichts vermag diese bodenlose Leere in Ihnen zu füllen. Welche Hoffnung könnten Sie noch haben? Sie übernehmen keine Verantwortung für sich, sie sind wie ein Blatt im Wind.

Er lies seine Worte für einen Moment wirken und beobachtete Aldred. Dann fuhr er fort: "Doch nur, weil sie an der Sinnlosigkeit Ihres eigenen Seins leiden, wird die Menschheit nicht auf die wahrscheinlich größte Errungenschaft des Universums verzichten. Ich werde dafür sorgen, dass die Menschheit in ein neues Zeitalter eintritt. Natürlich, zuvor muss sich die Gesellschaft grundlegend verändert haben. Sie muss wieder lernen, Verantwortung für sich zu übernehmen. Sie muss lernen der Absurdität einen Sinn entgegenzusetzen. Doch die Menschen werden sich gerne verändern, denn sie werden eine Vision haben. Und es wird ihnen besser gehen als je zuvor. Nicht nur weil der Stachel des Todes gezogen wurde. Sondern weil sie plötzlich anfangen, ihr Leben zu leben."

Er wandte sich an Abhay: "Natürlich wird es Probleme geben. Wir werden Antworten finden müssen auf Übervölkerung und Verteilungsprobleme. Doch es gibt keinen gründsätzlichen Grund gegen die Lebenssteine."

An alle gerichtet schloß er seine Ausführungen: "Seneca hatte Recht, als er sprach: 'Nicht weil etwas so schwer ist, wagst du es nicht. Weil du es nicht wagst, ist es so schwer.'"
« Letzte Änderung: 07.09.2012, 14:43:24 von Dr. Sergej Pásečnik »
"Selbst die Ameise kann aus dem toten Philosophen noch etwas nützliches ziehen." - nach Stanislaw Lem

Peter Aldred

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« Antwort #267 am: 07.09.2012, 16:39:00 »
Peter machte eine nachdenkliche Geste und dann ein unzufriedenes Gesicht, welches in aller Nachdenklichkeit verhaftet blieb. Er legte die Hand an die Lippen und ließ den Doktor zuende sprechen. Und dessen Worte ließ er einen Moment auf sich wirken. Das war also das wahre Gesicht von Sergej Pásečnik. Ein Mann, gefressen von seinen eigenen Visionen. Er missverstand Peter sogar in sehr verstörenderweise, da Peter die Ideen von Erich von Däniken deutlich ablehnte. Und der Doktor glaubte scheinbar daran, dass das Leben nur in Entscheidungen und Extremen existierte und dennoch zitierte er einen Stoiker für seine Ansicht. Peter stand für die Verbindung von Religion und Wissenschaft, und nicht für ein Schwanken zwischen zwei Polen[1]. Aus der Analyse Sergejs wurde eine Art Selbstblendung, um die eigenen Vorstellungen zu legitimieren. Das ließ Peters Gesicht unzufrieden und nachdenklich wirken.

"Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Doktor. Sie reden daher von neuen Zeitaltern und einem neuem Menschen. Dass dieser lernen muss, wieder Verantwortung zu übernehmen. Das ist das Problem, Herr Doktor. Sie reden nur noch und sagen nichts mehr. Ich muss die Schärfe ihrer Analyse in vielen Punkten bewundern. Sie kennen mich sehr gut, setzt man voraus, dass wir erst ein paar Tage miteinander zu tun haben. Sie sehen vieles zwar etwas zu scharf oder in einem diffusen Licht, aber im Groben kann ich ihnen sogar zustimmen. Nur in einer zentraler Aussage nicht. Dass es des Menschen Aufgabe ist sich jederzeit zwischen zwei eingebildeten Extrema zu entscheiden. Fisch oder Fleisch, Kirche oder Wissenschaft, Leben oder Tod. Und das wissen Sie auch. Der Mensch ist nicht ein Wesen des "Entweder oders". Ich kann jedoch respektieren, dass sie sich für einen Mann großer Entscheidungen halten. Aber wenn sie das sind, dann erklären sie uns den neuen Menschen? Wer wird der große Lehrer? Wer wird wie wen erziehen? Was bedeutet Verantwortung? Was bedeuten diese vielen Worte, die sie als Platzhalter für Bedeutung nutzen. Wenn Sie Sinn fordern, müssen Sie bitte auch diese Worte mit Sinn füllen. Sagen sie was, aber reden Sie bitte nicht mehr."

Peter deuchte, dass der Doktor bereits über den Punkt hinaus war, an dem er über seine Ansicht diskutieren wollte. Er hatte das entdeckt, wovon er selbst immer geträumt hatte. Vielleicht hatte er sich das eingebildet in seinen Werken und Peter ärgerte sich, dass er sich nicht für Kunst interessierte und demnach auch nicht seine Bücher gelesen haben konnte. Dem Diakon drängte sich der bittere Gedanke auf, dass es für die Menschheit besser war, wenn sie diesen Ort nicht verließen, selbst wenn es ihnen möglich wäre[2]. Dennoch beschloss er den Doktor auszufragen. Was meinte er mit diesen Worten? Peter hatte bemerkt, dass der Doktor einen frontalen Angriff wagte, um seine Worte auf Widerhall stoßen zu lassen. Peter kannte dies jedoch, dieses Verhalten von anderen Personen, welche einem das eigene Leben vorwerfen, um sie zu etwas zu bringen. Vielleicht hatte der Doktor diesen Punkt vergessen, dass Peter Aldred einstmals selbst ein Inquisitor war.
"Und beantworten Sie bitte meine Frage. Wo liegen diese Möglichkeiten? Wo liegen die Gefahren? Was genau haben Sie damit vor?", setzte er nochmal nach, in der Hoffnung diesmal etwas Substanzielles zu erfahren.
 1. Anspielung auf den Aspekt "Die katholische Maschine/Die elektronische Kirche"
 2. Deutet auf Peters Aspekt "Requiem in Gottes größter Kathedrale" hin, ohne ihn anzuspielen. Daraus speist sich auch eine Ablehnung von Sergejs Ideen, weil Peter sich eben selbst schon für tot hält.
« Letzte Änderung: 07.09.2012, 17:00:44 von Peter Aldred »
"Every religion, as far as reason will help them, makes use of it gladly - and where it fails them, they cry out: It is a matter of faith, and above reason!" - John Locke

Dr. Sergej Pásečnik

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Der schweigende Stern
« Antwort #268 am: 14.09.2012, 18:15:30 »
Sergeji schürzte mißbilligend die Lippen und stand auf. "Sie haben keine Phantasie, Peter. Ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie mit Ihrem Leben anzufangen haben, zumal nicht, wenn es ewig dauern würde. Die Antwort liegt in Ihnen selbst. Der Psychiater Frankl[1] sagte zurecht, dass Sinn nicht erzeugt, sondern nur gefunden werden kann."

Der Doktor schien sich schon wieder etwas beruhigt zu haben. Er nickte den Männern zu: "Sie müssen mich jetzt bitte entschuldigen. Die Entdeckung ist sozusagend noch ganz frisch und ich muss erst einmal meine Gedanken ordnen. Überdies wird es morgen auch ein anstrengender Tag werden, wenn wir das Gängesystem ergründen. In diesem Sinn werde ich Ihnen, Peter, die Antwort zunächst noch schuldig bleiben. Doch wir können das Gespräch ein anderes Mal fortsetzen.", sagte der Doktor und wandte sich zum Gehen.

"Gute Nacht!"
 1. Viktor Frankl war ein österreichischer Psychotherapeut und Begründer der Logotherapie. Diese Therapie-Schule geht davon aus, dass psychische Erkrankungen aus einem mangelnden Gefühl der Sinnhaftigkeit hervorgehen.
« Letzte Änderung: 14.09.2012, 18:23:31 von Dr. Sergej Pásečnik »
"Selbst die Ameise kann aus dem toten Philosophen noch etwas nützliches ziehen." - nach Stanislaw Lem

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Der schweigende Stern
« Antwort #269 am: 17.09.2012, 11:25:02 »
"Was für ein merkwürdiger Mensch!", sagte Mrs. Palmer verwundert. "Ich finde Ihn gefährlich und was er sagt auch. Ich hoffe, Sie haben nicht vor, die Lebenssteine mit auf die Erde zu nehmen, oder?", schloss Sie.

Kurze Zeit später begaben sie sich alle zu Bett und schliefen ein. Die Müdigkeit und die Verwirrung des Tages waren so groß, dass sie sogar vergessen hatten, Wachen abzustellen.
"Man muss auch das Allgemeinste persönlich darstellen."
- Hokusai

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