Vaêl lacht und will gerade zu einer Antwort ansetzen, als Thalorn seinen Standpunkt formuliert. Die Worte des Zwergen lassen Vaêl inne halten und nachdenklich werden. Es war noch nicht ganz so lange her, da wäre seine Antwort wahrscheinlich ähnlich ausgefallen. Den richtigen Weg weisen. Die Erhabenheit und Güte Amaunators erkennen und durch die Einsicht in dieselben gerecht handeln.
Es klang schön. Die Lehren des alten Gottes waren umfangreich und regelten bis ins kleinste Detail jedwede soziale Interaktion. Jedes Wesen müsste nur den Inhalt erfahren, dann wäre Toril eine gerechte und geordnete Welt; so glaubten zumindest seine Lehrer. Die Wirklichkeit gestaltete sich schwieriger, wie Vaêl schmerzlich erlernen musste.
Für das Gute einstehen. Heißt das, den Dieb zu bestrafen, der einem anderen das Essen stielt? War das nicht zu leicht? Musste man nicht wissen, warum der Dieb nahm? Was es bedeutet, in Melvaunt zu leben? Konnte dann nicht jeder, jede Entscheidung entschuldigen. Wie verantwortlich war man für die Umstände, in denen man lebt? Wie verantwortlich, für alles, was man tut, wenn man nicht weiß, welche Konsequenzen aus einer Handlung erwuchsen? Sie arbeiteten für die Oligarchen Melvaunts? Stärkten sie damit nicht die Position der Unterdrücker? Steht man für das Gute ein, wenn man allen Bösen in offener Feindschaft gegenüber tritt?
Vaêl lächelt.
"Aufgewachsen bin ich unter Menschen in einem Kloster in Federtal, aber woher ich stamme, weiß ich nicht. Vielleicht ist es aber auch die falsche Frage. Es gibt nicht die Meinen, einen Clan, eine Familie, ein Land oder eine Nation, der ich die Treue geschworen habe. Ich stehe in keiner Schuld und bin niemandem Rechenschaft schuldig. In soweit habt ihr Recht. Nichts bindet mich an die Mondsee.
Aber ich habe die Mondsee gewählt. Weil ich jetzt, hier, gebraucht werde. Weil ich Leid sehe und es in meiner Macht steht, etwas daran zu ändern. Weil die Völker der Mondsee ohne Hoffnung sind. Ich weiß nicht, was ich erreichen kann. Ich kenne keinen Weg, den ich sie lehren kann. Ich kann ihnen nur helfen, selbständig Entscheidungen treffen zu können. Ohne Angst und ohne Hass."