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Autor Thema: Die vergessene Gruft  (Gelesen 29862 mal)

Beschreibung: IC-Thread - Kapitel 1

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Menthir

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Die vergessene Gruft
« am: 12.01.2012, 00:45:19 »

10. Jantus 1214 - Die vergessene Gruft - 02:30 Uhr

Dhurek kämpfte sich durch die tief hängenden Spinnenweben und durch das Wurzelwerk, welches sich tief in das Gewölbe vorgewachsen hatte. Der Weg war beschwerlich, seine gebückte Haltung und sein Krückstock waren Ausdruck dessen, dass er kaum noch Kraft in seinen alten Knochen hatte. Er, der höchste Archivar der Kirche, hatte inzwischen nur noch in Strähnen hängendes, lichtes Haar, welches wild gewachsen war und der Pflege, die es sonst erfuhr, entbehrte. Er trug keine feierliche Robe mit viel Gold und in strahlenden Farben des unterschiedlich brechenden Sonnenlichts, sondern einen einfachen grauen Überwurf. Sein Aussehen spielte keine Rolle mehr, ein inzwischen unregelmäßiger Bart stand im von Falten und Altersflecken übersähten Gesicht. Er hatte sich weitestgehend verhüllt, als würde sich ausgerechnet ein Mitglied des Triumvirats der Sonne vor Vecor verbergen wollen.

Und Dhurek hatte jeglichen Grund dazu. Entgegen den Willen des Triumvirats hatte er die Archivare über Monate suchen und recherchieren lassen. Dhurek hatte die Herrschaftsübernahme von Thuras IV, die Vereinigung von Reich und Kirche, nicht verkraftet. Er hatte alle Wege ausgelotet und alle Bücher gewälzt, jede Untergangsprophezeiung der letzten 1200 Jahre studiert, überall nach Hinweisen gesucht und er hatte keine Möglichkeit gefunden, wie er Thuras Versagen verhindern konnte, außer...

Empörung war durch das Triumvirat geschwappt, man drohte ihm damit, sogar Thuras IV. darüber zu informieren, der noch kein Teil des Triumvirats war, sondern diesem einfach überstand. Dhurek, der aufgrund seines hohen Alters und seiner schwächer werdenden Konstitution immer kritischer beäugt wurde, stand kurz vor der Exekution durch die anderen Mitglieder. Nur das Wissen, dass Verrat und Unruhe in den eigenen Reihen auch die Reste der Kirche zerstören würde, hielt sie davon ab. Sie versuchten Dhurek kalt zu stellen, aber dieser floh mit dem unheilvollen Wissen, dessen Nutzung er vorgeschlagen und dessen Inhalt das Triumvirat so sehr erschüttert hatte. Die Geheimnisse der Kirchen Manhêls[1] und Dagurs[2] waren sicher in einer wasserfesten Umhängetasche an seiner Seite. Er befühlte die Tasche, während er sich die letzten, steilen Treppen hochzog. Sein aschgraues Haar war schweißnass und seine braunen Augen wirkten noch tiefliegender und müder als sonst, aber er durfte jetzt nicht aufgeben. Er würde die Waffen der Feinde benutzen, um seine Kirche und sein Reich zu retten.

Er hatte von ihnen gelesen, von den acht großen Versagern, den namenlosen Königen, von denen man kleinen Kindern erzählte, wenn sie ihre Codextexte des Vecors nicht auswendig lernten. Man würde sie vergessen und sie würde bestrafen dafür, dass sie es wert waren, dass man sie vergaß. Diesen Wesen drohte das Nichts. Das blanke und ewige Nichts. Dhurek wusste nicht, ob dies so wahr war, aber er hoffte es. Das Unleben im Nichts, es würde den Versagern die Sporen geben, sich um Rehabilitation zu bemühen. Das hoffte er inbrünstig. Niemand wusste, dass diese acht namenlosen Könige wirklich existent waren, dass sie nicht nur ein unwichtiges Ammenmärchen waren, sondern Realität. In einer von abertausenden Prophezeiungen las er dann genaueres über sie. Dhurek hatte nie etwas von Prophezeiungen gehalten, es gab so viele, so verdammt viele von ihnen und alle waren so vage und erbärmlich, dass sie auf alles oder auf nichts zutrafen. Die Prophezeiung, welche das Ende des Kontinents beschwor, wenn die acht Namenlosen zurückkehrten, war genauso eine Prophezeiung. Es würde Feuer regnen, Jungfrauen würden Kinderfresserin und alle Männer, die mehr als zwei Frauen im Leben hatten, Schweine werden. Sie war selten lächerlich, aber sie berief sich auf einen Propheten namens Kas Hitas und dieser Mann war besonders. Nicht nur war dieser Mann besonders pervers und besonders boshaft, er war auch besonders gerissen und besonders belesen. In seinen Erinnerungen fand Dhurek die Namen der vorher Namenlosen. Seine Vermutung, dass sie keine Ammenmärchen waren, sie bestätigte sich.

Mephala, Nicos, Johannes III, Clavius, Elemvos IV, Mauron IV, Tutari und Valash waren ihren Namen, er hatte viel über sie gelernt und doch nur Oberflächliches. Er öffnete die letzte Tür, es roch bereits nach Weihrauch. Die umherhängenden Spinnenweben und die abgeschlagenen Wurzeln, sowie die Rus- und Blutspuren verrieten ihm, dass seine Golems schon da waren. Hier und da waren hörte er ein leises Quietschen von ihnen, was beinahe wie hoffnungsloses Wispern klang. Es erfüllte ihn mit stolz. Er hatte all seine Ressourcen gesammelt, um sie zu bekommen. Seine Opfer für Dagur. Er öffnete die Tür.

"Meister, alles vorbereitet.", die mechanische Stimme eines strahlend polierten Stahlgolems erklang kurz und lakonisch. "Sehr schön." Dhurek blickte zwischen seinen drei Golems hin und her. Ein Lebensalter hatte er an ihnen gearbeitet, einer war schöner und mächtiger als der Nächste. Alle waren sie aus Stahl, hochpoliert und sein mächtigster Golem, den er liebevoll Tod nannte, hatte sogar einige spiegelnde Flächen aus Quecksilber. Immer wieder lief das Quecksilber durch seinen Kopf, sodass seine großen Augen immer wie feucht und glänzend waren. Er sah, dass die mumifizierten und kaum verwesten Leichen an den aufgebauten und dem Manhêl geweihten Holzpfählen hingen. Das taten sie seit vierundzwanzig Stunden. Die unheiligen Sargnägel des alten Dagurkultes waren wahrhaft magisch, obgleich sie rostig aussahen, hielten sie ausgezeichnet. Kein alter König war von dem Pfahl gerutscht.

Dhurek konnte sich ihr Leiden gar nicht vorstellen. Dagurs Nägel quälten die Könige in Manhêls Nichts seit unvorstellbaren Zeiten. Was hier vierundzwanzig Stunden sein mochten, waren dort vielleicht gefühlte oder tatsächliche Äonen sein. Vielleicht reiner Schmerz, der immerhin das Nichts ein Stück weit durchstieß. "Dagur!", intonierte der alte Mann mit jetzt fester und mächtiger Stimme. "Ich rufe dich an. Ich habe deinen Willen getan, tausendundeinen Mann, tausendundeine Frau und tausendundein Kind geopfert, um die Seelen der Könige aus Manhêls Netz zu befreien und sie zurück an ihre Körper zu binden. Dagur, ich verneige mich vor deiner Macht!"
Für jeden König musste Dhurek zusätzlich einen wahren Engel töten und dessen Blut stehlen. Es hatte ihn fast eine Legion gekostet, um an acht Engel ranzukommen. Wieso hat das Triumvirat sein Opfer nicht gesehen? Warum hat Vecor ihn verstoßen? Ist Vecors Sohn Adeodatus[3] nicht selbst ein Engel gewesen, den Vecor zu töten gedachte? Er sah seine Tat in Dagurs Namens als eine Tat für Vecor an. Kein Pfaffe konnte ihn von dieser Meinung abbringen. Für jeden König musste er einen geheiligten Krug Engelsblut vergießen. Er wusste, er konnte Böses nur mit Bösem vergelten. Deswegen musste er die vielleicht bösesten Könige Zhuras wiederbeleben, um das Reich vom jetzigen Bösen zu befreien. Ja, das würde er tun.
Er hatte den Golems bereits genaue Anweisungen gegeben. Seine drei Golems würde je einen König bewachen. Wenn die Wiederbelebung schief ging oder seine neuen Diener nicht seinem Willen gehorchten, würden die Golems die alten Knochen der für Zhuras namenlose Könige einfach ein für alle mal zermalmen, dann würden nicht nur ihre Namen, sondern auch ihre Gebeine in das Vergessen driften. Seine drei Golems hatte schon so einiges zermalmt, untote Könige würden sie auch schaffen. Damit kein König fliehen konnte, würde er erstmal nur drei Könige zurück ins Leben holen, in Dagurs Form pressen.

Doch wen sollte er wählen? Die Entscheidung war schwer. Er kratzte seinen weiß gewordenen Bart. Der kleine Junge mit dem Zwergenbewacher interessierte ihn, ebenso wie die erste namenlose Königin und der, bei dem in den Erinnerungen des Kas Hitas stand, dass er seinen Bruder wie eine Frau liebte. Elemvos IV, Mephala und Clavius. Sie waren die ersten Könige, die er zurückholen wollte. Vorsichtig nahm er die Krüge von dem Zeremonientisch. Er blickte sich in dem Raum um. Die Sarkophage waren alle von den Golems zertrümmert worden, nur ein geschlossener, neunten Sarkophag wies nur ein wenig abgeplatzten Stein auf. Kein Hammer, keine Magie konnte ihn öffnen, und er stand in der Mitte des Raumes, deswegen hatte Dhurek ihn zum Zeremonientisch umgewandelt. Die Trümmer der anderen Sarkophage waren bereits entfernt, es gab kein Zurück mehr für die Toten. Keine Ruhe, ehe sie Zhuras gerettet hatten. In dem oktagonalen Raum war jeder Alkoven fast geleert wurden, Schmuck besaßen der Raum an sich nicht. Lediglich die mit ihnen bestattete Ausrüstung der Könige lag noch in ihren Alkoven. Vor den Alkoven waren die Pfähle aufgestellt, an dem die Könige wie bei einer Kreuzigung hingen.

Vorsichtig goss er die drei Krüge um, in die Opferschalen, welche vor den Pfählen von Elemvos, Mephala und Clavius standen. "Dagur. Lass sich erwachen. Schenke ihnen ein neues Leben. Ein wertes Leben. Ein Unleben." Die acht gespenstisch leuchtenden Fackeln erloschen beinahe, kühler Wind zog durch die Kammer. Und dann erwachten sie. Elemvos und der achtlos in den Alkoven geworfene Zwerg, Mephala und Clavius. Schmerzhaft verbrannten die Nägel, welche durch ihre Handgelenke und Fußgelenke geprügelt worden waren. Während sie unsanft auf dem kalten und unverzierten Steinboden aufschlugen, hörten sie ein triumphierendes, unweltliches Lachen, welches sogar ihren Gastgeber Dhurek zusammenzucken ließ.
"Seid gegrüßt. Vecors Licht wird wieder auf euch scheinen.", grüßte der alte, wirr dreinblickende Mann die Wiedererwachten mit glotzendem Blick und brüchiger, fast weibischer. "Ihr seid wiedergeboren, weil Dagur es wollte und Manhêl es zuließ. Ihr seid wieder da, um Vecor zu ehren und sein Reich zu retten.", lachte der alte Mann jetzt triumphierend und mit warmer Stimme, während drei mächtige, fast vier Meter hohe Stahlgolems, die wie lebende Ritterrüstungen aussahen und alle gefährlich große Zweihänder trugen, deren Parierstange wie die Sonne Vecors geformt waren, sich schützend um und halb vor den Vecorarchivar stellten. An den Golems prangten überall die Zeichen des Sonnengottes, doch an dem Menschen nicht. Er kraulte sich selbstzufrieden im Bart. Das Leben hatte ihn ohne Frage gebeugt, doch jetzt strahlte er Stolz aus[4]. Einen so unfassbaren Stolz, dass es dem alten Mann jetzt die Sprache verschlug. Er versuchte etwas zu sagen, doch erstaunt, neugierig und von sich selbst eingenommen blickte er auf die wiedererweckten Könige und den dazugehörigen Zwerg. Es hatte tatsächlich geklappt, sie waren erwacht!
 1. Manhêl
 2. Dagur
 3. Adeodatus
 4. 
« Letzte Änderung: 20.06.2012, 00:33:21 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Robin Brighthide

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Die vergessene Gruft
« Antwort #1 am: 13.01.2012, 22:45:04 »
Dunkelheit, das war alles was Clavius umgab. Ihm war sofort klar dass das kein einfacher Traum war. Er spürte den Schmerz in seiner Brust, als er durch die endlose schwärze trieb und ihm war bewusst das er nicht mehr am Leben war.
Aber noch schlimmer als das, war die Erkenntnis das nur eine einzige Person für seine Anwesenheit hier verantwortlich sein konnte. Niemand anderes als sein eigenes Weib Irina konnte ihn umgebracht haben ...  Nur sie konnte nah genug an ihn heran kommen, ohne das er Verdacht schöpfte, nur sie war dazu in der Lage seinen Wein zu vergiften und nur sie konnte mit dem Dolch sein Herz durchbohren.

Und nun war Clavius hier. An einem Ort ohne Licht, ohne jedes Geräusch. Nicht einmal seine eigenen Rufe drangen an sein Ohr und die Zeit selbst schien still zu stehen.   
Wie lange war er jetzt hier? Tage? Monate? Jahre? Oder sogar noch länger? Er konnte es nicht sagen ...
Immer wieder sah er vor seinem geistigen Auge die Bilder der Vergangenheit. Er sah wie Talanor starb, sah wie das Volk gegen ihn aufbegehrte und schließlich sah er noch Irina, die voller Freude den blutigen Dolch hielt.

Immer und immer wieder sah er diese Bilder und sie nährten seinen Hass. Seinen Hass auf die Toraner und die Verräter die sich gegen ihn stellten. Sie waren schuld an diesem Dilemma und sie würden irgendwann dafür bezahlen ... dafür würde Clavius schon noch sorgen. Mit aller Macht klammerte er sich an diese Gedanken und schaffte es so in dieser scheinbaren Ewigkeit seinen Verstand nicht zu verlieren.

Doch ohne Vorwarnung durchfuhr ein heller Blitz die Dunkelheit. Er blendete Clavius so sehr, dass er sich zum schutz vor dem grellen Licht die Hände vor die Augen hielt. Mit dem Blitz verschwand auch die Dunkelheit und der tote König fand sich in einer merkwürdigen Gruft wieder.
Vor ihm stand ein alter Mann der ihn begrüßte und seltsame Dinge von einer Wiedergeburt sprach ...

Es dauerte eine Weile bis Clavius die plötzlichen Veränderungen und die kryptischen Worte des alten Mannes begriffen hatte. Sein Blick wanderte kurz zu den Golems und er griff zu nach dem seinem Schwert, welches vor ihm auf dem Boden Lag.
Auch wenn diese Waffe wahrscheinlich nicht von Hilfe war, so fühlte er sich doch wohler damit. Schnell zog er die Waffe aus seiner Scheide und richtete die Spitze auf den alten Mann. "Was ist das für ein Hexenwerk alter Mann? Sprich rasch, oder spürt meinen Zorn!"

Mephala Egadir

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Die vergessene Gruft
« Antwort #2 am: 13.01.2012, 23:46:47 »
Nichts. Nichts außer dem Schmerz und der Schmach. Und die Tränen ihrer Augen. Ein nicht enden wollender Rinnsal, der die Augen schmerzend verzehrte. Doch hatte sie gelernt diesen physischen Schmerz zu umarmen, der Schmerz ihres zersprungen Herzens war unendlich überwältigender. Nur selten konnte sie es zulassen und ihr Versagen erkennen, der bitterste all ihrer Schmerzen. Gestern noch die begabte Tochter des geliebten Königs und heute nicht einmal der Schatten eines Gespenstes. Und auch wenn sie an ein Morgen glaubte, ja hoffte, wagte sie es dennoch nicht auch nur daran zu denken, sie hätte es nicht ertragen.

Auf einmal begann etwas an ihr zu zupfen. Anfangs bemerkte sie es kaum, sie war schließlich nichts, wie konnte sie da einen Zug verspüren? Doch das Ziehen wurde stärker und zielgerichteter, so dass sie ganz allmählich begann sich die Wahrnehmung nicht mehr ausreden zu wollen. Mit dem Sog kam ein Gefühl von Körperlichkeit, dass immer intensiver wurde. Wo es vorher nur ein bloßes Wissen um ihre Tränen war, konnte sie nun ihre Augen spüren. Sie hatte immer gehofft, doch nun keimte eine verschüchterte Hoffnung in ihr auf, die mächtiger wurde, als die Angst vor einer Enttäuschung. Etwas geschah.

Sie schlug auf dem Boden auf und sogleich spürte sie dessen Kälte auf ihrer Haut. Mephala öffnete die Augen und blinzelte mehrmals. Vor ihr ragten mehrere Gestalten auf, während sich neben ihr andere Leiber zu bewegen begannen. Anders als nach einem langen Schlaf konnte sie augenblicklich klar sehen, doch brauchte sie eine ganze Weile, um das Gesehene zu begreifen, schließlich hatte sie schon so lange nicht mehr gesehen. Sie trug ihre Lieblingskleider, die jedoch fadenscheinig und brüchig wirkten. An ihrer Seite hing ein altes, staubiges Buch. Es war ihres, in dem sie alle ihre Zauber bewahrt hatte.
Mephalas Hand griff ungelenk über den Deckel des Wälzers und befühlte ihn ausgiebig, um sich wieder an ihn zu erinnern. Sie wollte sich am liebsten augenblicklich auf den Boden dieser Gruft - soviel hatte Mephala inzwischen schon begriffen - hocken und in ihren Zaubern blättern, aber sie hielt sich zurück. Dennoch bewirkten die aufkommenden Erinnerungen an ihre größte Leidenschaft einen Reflex aus ihrem vergangenen Leben. Ihrer Gewohnheit folgend rief sie ihre innewohnende Gabe ab und strich mit dem Handrücken sanft über ihre Gewandung, die sich daraufhin erneuerte und den feingewirkten Stoff wiederherstellte. Staub und Schmutz verblieb aber dennoch.[1]
Ein Lächeln zaghaftes Lächeln umspielte ihre Lippen als Mephala. Ihre Magie zu wirken fühlte sich an wie Balsam auf einer Wunde und langsam begann sie auch die Wirklichkeit um sich herum zu begreifen. Diese Gruft war ihre Gruft und doch wandelte sie nun umher und lag nicht in ihrem Grabe. Mit einem sanften Schrecken stellte sie fest, dass sie schon eine ganze Zeit keinen Atemzug getan hatte und doch nicht um Luft rang. In ihren Handgelenken hatte sie klaffende Löcher bemerkt und Mephala konnte sich erinnern dass sie heftig schmerzten, als sie aufgewacht war, aber Blut floss keines.

Mephalas Gedanken hatten inzwischen ihre alte Geschmeidigkeit wieder gewonnen und die vor einem Augenblick ausgesprochenen Worte erreichten nun ihr Bewusstsein. Sie blickte zu den Gestalten vor ihr, welche sie anfangs nur am Rande wahrgenommen hatte und identifizierte den Greis zwischen den bedrohlich wirkenden Golems als Sprecher. Er schien ein Licht abzugeben, aber das war nicht ganz richtig. Es war vielmehr seine Lebenskraft, die Mephala anleuchtete, das spürte sie genau.[2] Dagur hatte ihr eine zweite Chance gegeben und obendrein, wie es schien noch mit einem Segen bedacht.

Doch die Chance schien nicht umsonst zu sein. Neben ihr sprach ein gerüsteter Krieger von Hexenwerk und in einer anderen Ecke bewegten sich andere, die anscheinend auch ins Diesseits zurückkehrten, da sie alle kein Lebenslicht aufwiesen. Den Worten des alten Mannes nach zu urteilen, waren sie alle nicht ohne Grund wieder ins Leben gekommen.

"Ihr erweckt die Toten und sprecht dabei von Vecors Licht..." Mephala wunderte sich ein wenig, dass ihre Stimme so klar wie je her erklang und stockte kurz und besann sich ihrer Manieren, "Dennoch, Ich danke Euch für meine Erlösung, ehrwürdiger Herr. Allerdings machen mich Eure beeindruckenden Kreationen glauben, dass es kein Mitgefühl war, dass Euch angetrieben hat solch dunkle Riten zu vollziehen."

Mephala schien wie das Gegenstück zu dem bewehrten Mann in seiner drohenden Pose neben ihr. Die Lippen unter dem durchsichtigen Schleier leicht geschürzt aber dennoch lächelnd, blickte sie den alten Mann und seine drei Golems an. Vielleicht ein wenig herausfordernd, aber niemals bedrohlich und mindestens genauso neugierig wie der Alte selbst. In diesem Augenblick fühlte sich Mephala einfach nur großartig, weil es für sie ein Morgen gab und das was nun hinter ihr lag nahm ihr jegliche Angst vor dem was nun auch immer kommen möge.
 1. HXM-Zauber 0. Grad CL7: Ausbessern
 2. Life Sense

Morgrim Eisenschild

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Die vergessene Gruft
« Antwort #3 am: 14.01.2012, 01:50:14 »
Das dünnen Weinen eines Babys durchdrang die Grabkammer bevor Dhurek dazu kam den bereits erwachten Königen Rede und Antwort zu stehen. Zuerst dünn als würde der Babykönig gerade erst aufwachen, dann lauter und durchdringender. Vor Schmerzen windet sich das leichenblasse Bündel Mensch am Fuß des Pfahls. Doch nicht lange sind die Schreie das dominierende Geräusch.
Als wenn die Schreie das Signal gewesen wären, und in gewisser Weise waren sie dies ein kurzes Leben lang gewesen, begann es in der Nische des Kindskönig zu scheppern. Die metallenen Geräusche schienen auch das Kind zu beruhigen. Wie eine lebende Rassel. Einen Fluch auf den Lippen erhob sich der Zwerg und griff nach seiner Axt.

Diese Augen. Bekannte Augen. Wem gehören sie? Was haben sie vor? Wie wird er seinen König gegen sie verteidigen? Doch nein. Sie waren verschwunden. Das Gewicht des Königs an seiner Brust ebenfalls. Er lag am Boden. Staub von Jahrhunderten klebte in seinem Gesicht. Und doch, irgendetwas vertrautes machte sich in ihm breit. Ein Schrei, nein ein Weinen. Sein König! "Bei deines Vaters Backenbart, sei ruhig!" brüllte er auf und richtet sich vom Boden auf. Ein kurzes Knurren und aus der kleinen Metallscheibe an seinem Arm wurde ein zwergenhoher Schild. Das Schreien des Königs wurde zu einem Wimmern. Morgrims Blick hetzte gejagt durch den Raum. Eine Krypta? Was war geschehen. Gerade wollte er doch den König zur Mittagsmahlzeit fertig machen. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Vorsichtig sich hinter seinem Schild verschanzend rückte er zu seinem König vor und schirmte ihn mit seinem Körper vor den anderen ab. Wütend hob er ihn vom Boden auf und bettete ihn in einem Tragegeschirr an seiner Brust. Das Weinen verebbte.
Skeptisch blickte sich Morgrim im Raum um. Gezogene Waffen, metallene Krieger. Er war sich nicht sicher wer hier gerade der Aggressor und wer nicht war. Vorsichtig machte er einen Schritt zurück in den Alkoven, und tastete mit den Händen nach seinen Runentafeln. Erschreckender Wiese waren diese so blank wie unbeschrieben. Knurrend zog er stattdessen seine Axt.
« Letzte Änderung: 14.01.2012, 02:23:37 von Morgrim Eisenschild »

Mephala Egadir

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Die vergessene Gruft
« Antwort #4 am: 14.01.2012, 17:54:58 »
Mephala zuckte bei den lauten Worten des Zwerges merklich zusammen und beobachtete sein Gebahren mit Skepsis. Das nun noch mehr blanker Stahl gezogen wurde beunruhigte sie ein wenig, denn wer wusste schon was in dem Alten vor sich ging, der sie anscheinend erweckt hatte. Vielleicht hatte er sich das hier ja anders vorgestellt, so dass die Toten zu seinen willenlosen Dienern bestimmt sein sollten. Wenn sie dies nun nicht waren und darüber hinaus noch die Waffen erhoben, wie lange würde es dann dauern, bis der Alte seine Maschinen auf sie hetzte.

"Werte Herren, Euer Stahl wird Euch hier keinen rechten Dienst leisten. Dieser Mann hat uns von den Toten zurückgeholt, es gibt keinen Grund für ihn unserem neuen Dasein augenblicklich wieder ein Ende zu setzen, solange er nicht durch alte Klingen in klammen Händen bedroht wird."

Sie hatte sowohl zu dem Zwerg als auch zu dem Menschen gesprochen, wandte sich nun jedoch letzterem noch einmal direkt zu. "Um Hexenwerk handelt es sich hierbei übrigens nicht. Wenn ich nicht irre, dann muss dem was hier geschehen ist einer der Götter involviert sein."

Robin Brighthide

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Die vergessene Gruft
« Antwort #5 am: 14.01.2012, 19:39:04 »
Clavius behielt den alten Mann die ganze Zeit über fest im Blick und bekam so nur aus den Augenwinkeln mit wer da noch mit ihm in der Gruft war. Aber da der Typ mit den Golems seiner Meinung nach die größte Bedrohung darstellte, schenkte er der Frau und dem Zwerg nur wenig Beachtung.
Erst als die Unbekannte Frau die Lage etwas erklärte, senkte Clavius langsam sein Schwert. Denn schließlich hatte sie recht, ein Schwert würde gegen die Stählernen Ungetüme nicht viel ausrichten können.

Langsam wandte er sich ihr zu und beäugte sie mit kritischen Blick. Wer war sie? Und wieso verfügte sie über dieses Wissen? War sie am Ende vielleicht sogar ein Handlanger des alten Mannes?
Nein, das war nicht möglich. Sie wirkte so wie er selbst, so als wäre auch sie gerade erst erwacht. Aber was wäre wenn das alles nur ein gut einstudiertes Schauspiel war, mit dem Ziel ihn in Sicherheit zu wiegen?
Er konnte es sich nicht leisten nachlässig zu werden, das hat ihn bereits einmal das Leben gekostet ...

Einige Momente verstrichen, ehe sich Clavius dazu entschied einfach auf dieses kleinen Schauspiel einzusteigen. "Ein Werk der Götter? Wenn das so ist, dann kann es nur das Werk eines dunklen Gottes sein und ist somit sogar noch verwerflicher als Hexenwerk! Aber sprecht, wer seid ihr und woher wisst ihr was hier geschehen ist?"

Mephala Egadir

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Die vergessene Gruft
« Antwort #6 am: 14.01.2012, 21:05:03 »
Mephala nickte dankbar als der Ritter seine Waffe senkte und beobachtete ihn aufmerksam, als er sie offensichtlich musterte. Er wirkte auf sie wie ein Held aus den Geschichten, die sie als Kind erzählt bekommen hatte - aufrecht, stolz und tapfer - doch sein Benehmen ihr gegenüber war ausgesprochen rau. "Nun gut, ich sehe wohl auch nicht gerade meines Standes entsprechend aus" überlegte die auferstandene Königin und entschied sich, den Mann nicht zurecht zu weisen. Dabei fragte sie sich, was dieser wohl zu Lebzeiten für eine Stellung inne hatte. Neugierig studierte sie seine Rüstung.

Sie verstand nicht allzu viel von der Kriegskunst, aber mit ihren inzwischen schwarz angelaufenen Verzierungen war dies gewiss nicht die Rüstung eines niederen Adelssohn aus der Provinz. Auch die Selbstverständlichkeit mit der ihr Gegenüber Mephala zum Sprechen aufforderte kündete von einem Mann der das kommandieren gewohnt war.

Die Frage nach ihrer Identität kam für sie ein wenig überraschend, wenn gleich sie auch vollkommen angebracht war. Konnte sie sich als die erste Königin des Reiches offenbaren? Würde man ihr überhaupt glauben? Sie blickte zu den anderen aufgebrochenen Sarkophagen. Der alte Mann hätte jede der Leichen zu sich rufen können, aber dennoch hatte er alle Gräber geöffnet und sich für Mephala und die anderen entschieden. Vielleicht kannte er ja ohnehin ihre Namen und ihre Geschichte?

"Auch die dunklen Götter vermögen Gnade zu zeigen, mein Herr, daran ist nichts verwerfliches. Zumal Ihr doch offensichtlich davon profitiert habt." Ein wissendes Lächeln huschte über ihr Gesicht, während sie eine Strähne ihres Haares aus dem selbigen schob.

Mit einem formvollendeten Knicks stellte sie sich vor "Meine Name ist Mephala aus dem Hause der Egadiren, mein Herr. Ich bin erfreut Eure Bekanntschaft zu machen." Sie neigte den Kopf dabei nur sachte, um die Reaktion des Fremden auf ihre Familie zu beobachten.

"Was genau geschehen ist kann ich Euch nicht ohne weiteres sagen, dass weiß unser Wohltäter sicherlich besser. Aber im Prinzip wurde Eure Seele in Euren Leib zurück gezwungen. Aber ihr seid dennoch kein Lebender mehr. Man hat Euch in den Untod erhoben."

Sie lies diese Offenbarung ein wenig wirken, um dem Mann Zeit zu geben dies zu verdauen, aber auch um sie für sich selbst auszukosten. Der Untod. Befreit von allem Weltlichen.

Allerdings war sie nicht frei von Neugier. Sie hatte artig den Wünschen des Ritters entsprochen, nun wollte sie aber auch etwas über ihn erfahren "Ich weiß dies weil ich eine wohl gelehrte Frau bin, mein namenloser Herr.", sprach sie ein wenig herausfordernd-schelmisch.
« Letzte Änderung: 14.01.2012, 21:07:23 von Mephala Egadir »

Robin Brighthide

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Die vergessene Gruft
« Antwort #7 am: 14.01.2012, 22:22:28 »
Mephala aus dem Haus Egadiren? War es möglich das er mit dieser Frau verwandt war? Oder sollte es nur ein weiterer Versuch sein ihn hinters Licht zu führen ...
Clavius wusste nicht so recht was er von alledem halten sollte. Das alles überstieg seinen Verstand und wo er auch hinsah, witterte er Verrat. Oder war es etwa nur sein eigener Verstand der ihm streiche spielte? Haben ihm die Jahrhunderte im Nichts am Ende doch dem Wahnsinn anheim fallen lassen?

In dem Versuch sich selbst zu beruhigen atmete Clavius ein paar mal tief durch und besann sich auf eine Lehre, die ihm sein Vater einst beibrachte. ... "Wenn du jemals vom Weg abkommst, lass dich von deinem Instinkt leiten."
Eine Weisheit die er sogleich in die Tat umsetzte, indem er Mephala genauestens beobachte während sie weiter erzählte.

Nachdem er sich sicher war dass die Frau die Wahrheit sprach, entspannte er sich etwas, ohne jedoch seine Verteidigung zu vernachlässigen. Er war innerlich erleichtert das wohl doch nicht die ganze Welt gegen ihn war und konnte sich ein Lachen über seine eigene Paranoia nicht verkneifen.
Tief und grollend war das Lachen und man merkte ihm an dass dies wohl etwas war, was er lange nicht mehr gemacht hatte.

Es dauerte eine weile bis sich der Ritter wieder weit genug gesammelt hatte um die geschickt gestellte Frage der Frau zu beantworten. "Mein Name ist Clavius ... König Clavius ... um genau zu sein. Und es ist mir eine Freude euch kennen zu lernen. Ich hoffe ihr verzeiht mir die mangelnde Etikette, aber ich denke es gibt hier wichtigere Dinge um die wir uns sorgen machen sollten."
« Letzte Änderung: 14.01.2012, 22:24:46 von Clavius »

Mephala Egadir

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« Antwort #8 am: 14.01.2012, 23:04:42 »
König Clavius? Wenn er einst Zhuras regierte, dann musste er nach Mephala geherrscht haben, denn ihre Vorväter konnte sie aus dem Kopf aufsagen. "Wie ist es dem Reich inzwischen ergangen?" Mephala spürte langsam den Drang diese Gruft zu verlassen und die Welt in der sie jetzt lebte zu erkunden.

"Und worum genau sollten wir uns sorgen? Schließlich sind wir nicht mehr den Notwendigkeiten, die die Lebenden kennen unterworfen. Auch die Sorgen unserer Zeit gingen mit uns zu Grunde, aber wir sind ohne sie auferstanden. Im Übrigen -"  

Mephala ging ein paar Schritte auf Clavius zu und machte dann vor ihm halt und sah zu ihm hoch "seid ihr kein König mehr, Clavius. Ihr seid auf den Thron gestiegen, weil jemand anderes starb." Sie machte ein kurze Pause als sie an Vater und Bruder denken musste, die Sorgen mögen ein Ende haben, aber der Schmerz schien zu verweilen. "Und als ihr zu Grabe getragen wurdet, bestieg ein Anderer Euren Thron. So war es bei Euch und so war es auch bei mir. Wir sind keine Herrscher mehr, Clavius." Ihr Stimme wurde immer leiser und eindringlicher bis es am Ende beinahe ein Flüstern war.

Ihre eigenen Worte schienen der jungen Frau keine Angst einzujagen, sondern ließen ihre Augen sogar freudig aufleuchten.
« Letzte Änderung: 14.01.2012, 23:09:17 von Mephala Egadir »

Robin Brighthide

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« Antwort #9 am: 14.01.2012, 23:43:21 »
Ein Lächeln umspielte Clavius' Lippen, als er realisierte dass die Bürde des herrschens von seinen Schultern genommen wurde. Selbst während der scheinbar endlosen Zeit im "Nichts" hat er nicht daran gedacht das mit seinem Tode auch seine Pflichten von ihm abgefallen waren. Und was ihm noch besser gefiel, war die Möglichkeit endlich seine Rache nehmen zu können.
Noch immer lächelnd beugte sich Clavius ein Stuck vor und flüsterte ihr sanft ins Ohr. "Ich mag kein Herrscher mehr sein, aber ich bin immernoch König. Diese Würde wird mir niemand nehmen können."

Langsam zog er sich zurück und mit einem mal kehrte der ernst wieder in seine Mimik ein. "Ach ... und vielleicht ist es euch noch nicht aufgefallen, aber hier stehen immernoch diese stählernen Ungetüme um uns herum ..." Ohne sie direkt anzusehen, deutete Clavius mit seinem Schwert auf die Golems. "... und scheinen bereit für den Angriff zu sein. Vielleicht solltet ihr euch deshalb Sorgen machen ..."

Mephala Egadir

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« Antwort #10 am: 15.01.2012, 21:47:43 »
"Würde..." Mephala spuckte das Wort nahezu aus als sie sich von Clavius abwandte und ihm so die sprichwörtliche kalte Schulter zeigte. "Ist dies nicht etwas über das wir nun erhaben sein sollten?" fragte sie sich dabei selbst.

Als Clavius mit der Klinge auf die Golems wies, drückte Mephala etwas aufgebracht mit beiden Händen Clavius' Waffe nach unten. Ihr Blick kündete von Ungeduld "Wenn Ihr weiterhin auf diese Weise mit Eurem Schwert herumfuchtelt, dann muss ich wohl tatsächlich damit beginnen mich zu Sorgen."

Mephala beruhigte sich etwas und lies von der Waffe ab. Sie strich sich abermals eine Haarsträhne aus dem Gesicht und fuhr weniger hitzig fort "Wie ich schon sagte, es gibt keinen Grund die Golems in diesem Augenblick zu fürchten. Ihr Meister hat uns erweckt und das sicher nicht um uns sofort wieder zu vernichten. Dazu wird dieser Ritus viel zu kostspielig sein... Ich frage mich wie kostspielig...?" fragte sich Mephala nachdenklich und gewann dabei einen wissbegierigen Gesichtsausdruck als sie wieder zu dem alten Mann sah.

Menthir

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Die vergessene Gruft
« Antwort #11 am: 16.01.2012, 20:08:18 »
10. Jantus 1214 - Die vergessene Gruft - 02:33 Uhr

Der alte Mann betrachtete die drei wiederbelebten Personen. Zwar rasselten sie etwas mit ihren Säbeln, aber er merkte relativ schnell, dass er im Moment wohl keine Sorge haben musste, dass sie ihn angreifen würden. Die drei stählernen Ungetüme waren eine gute Idee gewesen und würden auch weiterhin ein guter Schutz sein. Sollte er schon weitere wiederbeleben? Vielleicht würden es irgendwann so viele wiederbelebte Könige sein, dass sie ihn doch angriffen, bevor sie ihn anhörten. Er musste dieses Risiko eingehen, wollte sie jedoch auch ein wenig beruhigen.
"Welch Hexenwerk das ist?", fragte er mit einem gewissen Stolz in der Sprache. "Ich habe es schonmal gesagt, ihr lebt, weil Dagur, Manhêl ihr Einverständnis gaben, dass ihr der Sache Vecors in diesem Reich dient." Es ging dem alten Mann darum, nicht zu schnell die Autorität zu verlieren. Vor ihm würden acht alte Könige stehen. Sie waren wahrscheinlich eine Inkarnation der Selbstbeweihräucherung, des Hochmuts und würde es wahrscheinlich auch nach Jahrhunderten des Todes nicht verlernt haben, über andere Köpfe hinwegzuentscheiden. "Und weil ich die Zeichen der Zeit erkannte und ihren Willen erfüllte." Er fand seine Sprache wieder und für einen so stark gebeugten Körper war sie sehr direkt. Dieser alte Mann war nie ein Diplomat gewesen, soviel war klar.

Der Golem mit den Quecksilberaugen unterbrach den um Autorität ringenden Vecorianer. "Meister. Ihre Erinnerungen sind unangetastet. Der Tod hat ihnen nichts von ihren Fähigkeiten genommen." Der Koloss von einem Stahlgolems sprach mit blecherner, stark hallender Stimme. Seine Quecksilberaugen bewegten sich unentwegt. Der alte Mann lächelte triumphierend, doch dieses Lächeln entschwand bereits in jenen Momenten, in denen der Golem weitersprach. "Doch sie sind nicht so stark, wie ihr erwartet habt, Meister. Einer der Zah'rah[1] kann etwa vier von ihnen gleichzeitig beschäftigen."
Das schwache Licht reichte, um zu erkennen, dass der Kopf des Vecorianers puterrot wurde. Er atmete tief durch, Mephala konnte erkennen, wie noch immer ein recht lebendes Feuer in ihm brannte. Es war nur gut unter der Bürde des Alters verborgen. Kurz darauf hatte er sich wieder beruhigt, der Stahlgolem schwieg wieder. Lakonische und direkte Sprache war sowieso ein Kennzeichen dieser großen Kampfklötze. Die wenigsten Magier bauten, wenn sie genügend Macht und das Wissen hatten, einen Golem der Dichten statt Kämpfen konnte.

"Ich bin Dhurek Ghassor. Ich bin der höchste Archivar der heiligen Kirche der Sol Invictus." Er verneigte sich, wie es sich vor Königen gehörte, aber das war das einzige Zeichen der Etikette, welches er vortrug. "Ich bin kein besonders geschickter Lügner.", begann er dann. "Es ist dementsprechend nicht mein Mitgefühl, welches eure Hoheiten wieder in diese Welt kommen ließ. Es sind die Notwendigkeiten des Lebens." Dhurek Ghassor nutzte viele Floskeln des Lebens. Er schien den Untod der Könige einfach als Notwendigkeit anzusehen. "Aber was genau eure Aufgabe ist, das werde ich euch verraten, Hoheiten, wenn alle von euch zurück sind. Ihr seid acht, die vielversprechend waren. Ihr seid die Vergessenen, die Namenlosen, die aus den Chroniken Gestrichenen. Doch diese Namen, die ihr euch gerade gabt, die könnt ihr euch wieder verdienen, so wahr Vecor es will."

Dhurek blickte auf den kleinen Jungen, der sich jedoch gleich hinter den Zwergen zurückzog. "Schüchtern, wie der Junge im Leben gewesen ist.", bemerkte Dhurek mit einem Lächeln. "Aber er lebt auch nicht um seinetwillen.", ergänzte Dhurek mit einem Blick zu dem Zwergen, dann blickte er wieder alle an. "Euer Aufenthalt ist so freiwillig, wie eure Königswürde war. Ihr seid in das eine geboren, in das andere wiedergeboren wurden. Aber der Herr verspricht das Paradies, wenn ihr erfolgreich seid."
Die Golems zogen sich einen halben Schritt zurück, standen jedoch noch weiter schützend vor dem Archivar. Der mit den quecksilbernen Augen blickte noch immer zwischen den untoten und den toten Königen hin und her. "Auch sie werden schwächer sein. Sie alle sind nicht gefallen, weil sie zu mächtig waren. Sie sind gefallen, weil sie es verdient hatten. Wenn sie nicht stärker werden, wird sie das Nichts wieder umfangen. Auch davon künden die Herolde des Herrn.", sagte die blecherne Stimme des Golems emotionslos. Es hörte sich kalt und umbarmherzig an. Die beiden anderen Golems hoben urplötzlich ihre dumpfe Stimmen und sagten unisono "Vecor ist der Herr, der Leben gibt und Leben nimmt. Vecor ist der, dass alles Leben bestimmt und Unleben nur solange duldet, solange es nützt. Kein Nutzen resultiert in Tod, Nutzen resultiert in Duldung, Heldentum wird belohnt. Die Ewigkeit gibt es nur bei Vecor. Das Ende gibt es nur durch Vecor. Erkenne die Macht der Sonne und knie vor ihr, sonst wirst du unterworfen."
Ein Blick in Dhureks Augen reichte, um zu sehen, dass er selbst mit dieser Entwicklung nicht gerechnet hatte. Der Golem mit dem Quecksilberaugen sprach nun fordernd. "Kniet nieder und betet zu Vecor. Dankt ihm für die Duldung, die er euch zukommen lässt. Ihr seid nicht in den Untod erhoben, er seid in ihn niedergeworfen. Manhêl hat euch für eure Unfähigkeit in das Nichts verbannt, Dagur hat euch nur die Körper bewahrt, um eure Seelen zu entführen. Wenn ihr nicht Vecor preist, werde ich euch pulverisieren."
Die anderen beiden Golems intonierten jetzt unisono:
"Ich bin die Sonne. Ich gebe Leben, also herrsche ich über das Leben.
Ich bin die Sonne. Ohne mich gibt es kein Leben.
Ich bin die Sonne. Niemand kann mir in meine Augen blicken.
Ich bin die Sonne. Ich bin Perfektion. Ich bin das Leben."

Die Augen des besonderen Golems schienen jetzt Feuer zu fangen, sie wurden so hell und brannten so weiß, dass die Untoten ihm nur schwerlich in die Augen schauen konnte[2].
Dhurek fiel vor Ehrfurcht auf die Knie.
 1. 
Wissen (Arkanes oder Religion) SG 15 (für jede fünf Punkte darüber gibt es weitere Infos per PM) (Anzeigen)
 2. Wer es versuchen möchte, muss einen Zähigkeitswurf gegen SG 17 machen. Wer es schafft, kann mehr über das Feuer lernen, sofern er Zauberkunde besitzt: SG 22
« Letzte Änderung: 16.01.2012, 20:24:16 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Mephala Egadir

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Die vergessene Gruft
« Antwort #12 am: 16.01.2012, 21:26:11 »
Beinahe augenblicklich sank Mephala auf die Knie und fiel in die Intonation der Golems mit ein. Sie fühlte nichts dabei, genauso wie es ihr auch schon zu Lebzeiten leicht fiel einen Glauben zu mimen der nicht ihr eigener war.

"Ich bin die Sonne. Ich gebe Leben, also herrsche ich über das Leben."

Der alte Mann mochte die Dinge anders sehen, aber dass ihre Seele nun wieder in ihrem toten Körper wohnte war allein Dagurs Werk, denn nur er gebietet über den Untod.

"Ich bin die Sonne. Ohne mich gibt es kein Leben."

Mephala fühlte, dass es keine Knechtschaft war, wie der vermeintliche Golem ihr weiß machen wollte. Ihr Untod bedeute die Lösung der Fessel die sich Leben schimpfte.

"Ich bin die Sonne. Niemand kann mir in meine Augen blicken."

Als des Feuerscheins gewahr wurde blickte sie auf. Es brannte in ihren Augen... Aber es war kein Vergleich zu dem verzehrenden Schmerz der vergangenen Ewigkeit. Da erkannte Mephala, dass das Metallungetüm einen Zauber zu wirken begann, der für sie leicht verheerend sein konnte.

"Ich bin die Sonne. Ich bin Perfektion. Ich bin das Leben."

Mephala erhob sich und blickte die Golems argwöhnisch an. Sie erinnerte sich an einen Text den sie einst gelesen hatte und erkannte, dass dies keine Konstrukte unter dem Befehl das alten Mannes waren. Im besten Fall waren sie seine Verbündeten, die Zah'rah. Aber im Augenblick konnte sie nichts tun außer gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

Sie sah zu Clavius herüber. Gewiss, wenn er in der Etikette bewandert war, dann zeigte er es nicht gerne, aber trotzdessen hatte er Recht behalten. Die metallenen Streiter Vekors bereiteten Mephala nun wirklich einige Sorgen. Sie teilten im Augenblick das gleiche ungewisse Schicksal, vielleicht bestand ja die Möglichkeit zu einer Partnerschaft. Der König wirkte zumindest nicht so, als würde er freiwillig in die Gruft zurückkehren, wenn ihre Aufgabe hier erledigt war. Mephala hatte das zumindest nicht vor, aber sie glaubte dem Quecksilbermenschen, dass sie ihm unterlegen war, selbst wenn sie auf all ihre Magie zugreifen konnte.

Mephala wischte die Überlegungen beiseite. "Später." Denn da war noch etwas anderes, dass Mephala bewegte.

"Die Vergessenen? Aus den Chroniken gestrichen?" fragte sie und klang dabei verunsicherter als sie eigentlich wollte. "Uns wurde das Andenken verwehrt, soll es das bedeuten?" Aber sie musste gar nicht erst fragen, warum dies geschehen war, sie konnte es sich gut vorstellen. Sie sprach ja von sich selbst kaum als Königin, wie Clavius, der wohl recht hatte, dass ihr der Titel immer noch zustand.

Sie würde sich niemals einreden können, dass sie eine gute Königin war, aber war sie tatsächlich zu furchtbar gewesen, dass man sich nicht mehr an sie erinnern wollte? Mephala versuchte sich zu erinnern, doch ließ gleich wieder davon ab, sie spürte beinahe augenblicklich die Scham in sich aufsteigen und wusste, dass sie noch nicht bereit dazu war sich der Wahrheit zu stellen.
Die Möglichkeit sich von ihrer unzweifelhaften Schuld reinzuwaschen erschien ihr trotz des Widerwillens, den sie gegenüber der Vecorkirche hegte, angenehm und willkommen.

Sie blickte die anderen an und fragte sich dabei, wie sie es geschafft hatten wie Mephala zu enden. Dann sah sie wieder zu Dhurek, der von seinen vermeintlichen Dienern offensichtlich sehr überrascht wurde und räusperte sich, um wieder etwas Haltung gewinnen zu können.

"Nun wenn das so ist, Dhurek Ghassor, freue ich mich dennoch über Eure Tat. Aber sagt, wie habt ihr von uns vergessenen Herrschern erfahren, wenn alle Erinnerung getilgt wurde."
« Letzte Änderung: 16.01.2012, 21:52:16 von Mephala Egadir »

Morgrim Eisenschild

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Die vergessene Gruft
« Antwort #13 am: 17.01.2012, 13:31:54 »
Stumm lauschte Morgrim den Worten die die anderen wechselten. Nach und nach sammelte sich ein Bild vor seinen Augen. Wie es schien war er gestorben. Und auch sein König. Also hatte er versagt.
Dieser Fakt war für ihn erst einmal schwer zu verdauen. Stumm hielt er sich zurück und lauschte weiter den Worten, dabei den jungen König weiterhin hinter seinem Schild schützend. Aha, die anderen beiden waren also ebenfalls Herrscher gewesen. Doch was machte er hier? Er war nie König gewesen nur... Sollte sein Zauber die Ursache sein? Im Leben verbunden und im Tod? Und im Untod?
Noch in Gedanken verunken bekam er die Antwort des Priesters nur halb mit, wohl aber die Bedrohung die von dem predigenden Golem ausging. Instinktiv hob er den Schild um sich und den jungen König gegen das Licht zu schützen.[1] Wieso sollte er Vecor preisen, diesen Gott der Menschen? Für ihn hatte die Kirche nur eine weitere weltliche Macht dargestellt, eine Interessenvertretung. Sicher das Konzept des Glaubens war interessant, und die Macht der Vecorianer nicht zu leugnen, aber zu seiner Zeit waren sie die meiste Zeit unter Kontrolle gewesen. Bis ihm die Kontrolle entglitten war.
Während er so hinter dem Schild hockte und dem harrte was dort kommen mochte spürte er auf einmal ein leichtes Kratzen an seiner Rüstung und ein Zupfen an seinem Geist. Ein Blick nach unten zeigte das noch ein Wesen, scheinbar ein Skelett Schutz hinter seinem Schild gesucht hatte. Er brauchte einige Momente um das vertraute Gefühl einzuordnen. "Skeater" flüsterte er dann in Erkenntnis, als sich das Skelett um seinen Hals legte. Scheinbar hatte auch sein getreuer Gefährte das Unleben erreicht.
 1. Tower Shield - Total Cover

Robin Brighthide

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« Antwort #14 am: 18.01.2012, 17:33:31 »
Mit jedem Wort dass der alte Mann und die Golems sprachen schäumte die Wut in Clavius immer mehr auf. Er sollte schwach sein? Ein Versager? Und zu allem Überfluss diente seine Wiederbelebung nur dazu ihn in die Knechtschaft zu zwingen?
Wäre man zu Lebzeiten so mit ihm umgegangen, so war er sich sicher das er demjenigen sofort um einen Kopf kürzer machen würde. Aber leider standen die Chancen hier gegen ihn und er wollte es nicht riskieren erneut in das Nichts geschickt zu werden.

So blieb dem König keine Wahl. Widerwillig sank er auf ein Knie und rezitierte das Gebet. Er stand mit der Vecor Kirche nie auf besonders guten Fuß und er zeigte seine Abneigung deutlich mit einem trotzigen Blick in die Augen des stählernen Monstrums.

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