10. Jantus 1214 - Die vergessene Gruft - 11:44:48 Uhr
"Ihr versteht nicht.", sagte der Alb, sich mit zusammengebissenen Zähnen gegen den Zauber, der ihn an den Boden fesselte, wehrend.
"Nicht einmal die Weisesten der Alben, der Elben, wohl nicht mal mehr die Drache, verstehen es, was Unsterblichkeit bedeutet. Euer fehlgeleiteter Pfad hat euch an einen Punkt geführt, an den es keine Wiederkehr mehr gibt." Der Alb schaffte es nicht, sich gegen den Zauber zu wehren. Vorsichtig betrachtete die untote Königen die Zeichen der Magie, die auf ihn wirkten. Wieder war es mächtige Magie, viel mächtiger als jene Magie, welche Mephala selbst freizusetzen vermochte, wenn auch schwächer als jene, die in der Gruft vorzufinden war. Dies war wahrscheinlich trotzdem noch Dhureks Werk gewesen, sie spürte, dass die Zauber ähnlich gewoben waren, als hätte der Priester eine ganze deutliche Handschrift in seinen Zaubern hinterlassen. Etwas, was die eigentlichen Fertigkeiten eines einfachen Sterblichen übertraf, und doch mit dem Makel dieser Unfähigkeit behaftet war. Mephala konnte es nur schwerlich greifen, doch erkannte sie den darunterliegenden Zauber. Schnell erkannte sie, dass Verzauberungsmagie auf ihm lastete, ausgehend von einem Ring, den man ihn über den kleinen Finger der linken Hand gestreift hatte. Dieser zwang ihn zu Boden und ließ ihn dort verharren, so sehr er sich auch wehrte.
Draußen hingegen knisterte die Luft vor Spannung, obwohl der stärker werdende Schneefall anderes versprach. Vielleicht spielte er Morgrim in die Karten, denn er behinderte die Schützen zusammen mit dem Wind etwas im Schießen, andererseits waren sie so nah dran, dass jeder falscher Schritt zu einem tödlichen Tanz werden konnte...
Morgrim nahm den Schlag gegen seinen Arm ohne Regung hin. Sein verstand sagte ihm zwar dass er getroffen war, und er war sicher, dass er auch verletzt war, doch Schmerzen spürte er keine. Sein Schild vergrößerte sich auf ein kurzes Wort wieder bevor er den Alben vor ihm ansah.
"Keine Schmerzen. Kein Aufgeben. Kein Pardon für feige Attentäter." Mit diesen Worten schoßen seine Barttentakeln durchs Fenster, auf den Alben zu, während Morgrim zu seiner Axt griff, sie zog und in einer fliessenden Bewegung auf den Alben vor ihm zu sausen lies.
Clavius war hin und her gerissen. Auf der einen Seite wollte er sich nicht zurückziehen, auf der anderen Seite waren die Bogenschützen eine reele Bedrohung. So entschied er sich für die Flucht nach vorne. Erneut stieß er mit der Schulter vorran gegen die Tür.
"Hmpf.", war die einzige Reaktion, die Roker auf seine Worte hin von Nicos bekam. Nicos verzog sich daraufhin in ein Eck, wo ihn irgendwelche albischen Schützen schlechter treffen würden. Noch griff er überhaupt nicht in den Kampf ein. Das hatte aber auch einen guten Grund. Er traute Roker nicht vollkommen. Er konnte es nicht ausschließen, dass es wegen Streitigkeiten um das Gold doch noch zu einem Kampf mit den Söldnern kommen würde, wenn auch noch nicht jetzt im Moment. Nicos wollte seine Kräfte noch aufsparen. Er wartete ansonsten, wann Clavius endlich Befehle erteilen würde. Nicos wollte Clavius etwas vorspielen, aber wenn er es nicht mal schaffte ein paar einfache Worte auszusprechen, dass er Hilfe brauchen würde, hatte er auch keine Unterstützung von Nicos verdient und es wäre fraglich wie gut solch ein Anführer wirklich war. Falscher Stolz war eine Eigenschaft, die kein guter Anführer haben sollte, selbst wenn er ein Anhänger des Gottes des Mutes war. Nicos grübelte, ob das Dogma am Ende Clavius schwach machen würde und das sein Untergang sein könnte. Aber noch war der Kampf nicht zu Ende und Nicos wollte Clavius nicht vorschnell verurteilen.
Konzentriert hing Mauron seinem Spiel nach, während er überlegte, woher er den Begriff Tzâ-alas kannte. Gerade als er es als etwas abtun wollte, das ihm wohl erst Tage später aus heiterem Himmel ins Gedächtnis kehren würde, bekam er die Reaktion von Mephala mit. Plötzlich wusste er wieder, woher er den Begriff kannte. Oh ja, jetzt wusste er es sehr genau, nur zu gut konnte er sich an die Worte der alten Barden erinnern, die ihm von ihrer Suche berichtet hatten.
Mauron unterbrach sein Flötenspiel - auch wenn er erst gerade angefangen hatte. Mit erstaunter Miene, etwas das man bei Mauron recht selten zu sehen bekam, wandte er sich zu Mephala und dem Alben um.
"Wenn ihr sagt, ihr seid der Hüter, dann meint ihr nicht etwa...?" Im Inneren hatte Mauron schon die Zusammenhänge gezogen, aber noch weigerte sich sein Verstand einen Moment diese anzuerkennen.
"Ihr seid derjenige, der aus dem Kelch getrunken hat! Er existiert also wirklich? Ich hatte ihn bisher nur für eine Legende gehalten, nicht mehr als eine Geschichte unter alten Männern, die ihr Leben mit einer sinnlosen Suche verbracht haben!" Aber wenn es kein Mythos ist, wenn er wirklich existiert? All dieses Wissen, diese Unzahl von Geschichten und Erlebnissen! Mehr zu erzählen als ein Mensch in seinem Leben zu hören vermochte, der Traum eines jeden Barden!
"Ich muss einen Schluck daraus trinken!"Ein anderer "Mensch" als Mauron hätte sich in diesem Moment vielleicht bereits in Wunschträume der Zukunft hingegeben, aber Mauron wusste, dass er im hier und jetzt bleiben musste. Nun kannte er auch das fehlende Puzzleteil zu seinen vorangegangenen Überlegungen.
"Deshalb sind sie hier. Deshalb sind sie bereit ihr Leben zu opfern. Sie sind hinter euch her.""Sie werden nicht aufgeben, bis sie ihn haben." Mit einem kurzen Blick musterte Mauron die Söldner. Wussten sie, wen sie hier gefangen hatten? Würden sie bereit sein mit den Alben zu verhandeln? Während er noch darüber nachdachte, formten sich in seinen Gedanken bereits die Worte "das Leben und die Freiheit des Auserwählte gegen freies Geleit und einen Schluck aus dem Kelch"...
Clavius gelang es abermals nicht, sich durch die Tür zu kämpfen. Er hatte seinen untoten Körper noch nicht unter Kontrolle? Wie sollte man diese ungeschlachte, falsche Lebenskraft bündeln, um sich durch eine Tür walzen? Clavius schwere Rüstung alleine reichte nicht, er gewann nicht genug Kraft durch seine Beine. Es musste erbärmlich aussehen, wie sich ein wiedererstarkter König an einer einfachen Holztür abmühte...
Morgrim hingegen ging auf vollen Angriff, schnell stürzte er sich mit allem, was er hatte auf den Alben. Die Tentakel schlugen nahm ihm und fügten im schmerzhafte Prellungen im Gesicht zu, sowie eine kleine Platzwunde knapp über dem rechten Auge. Gleichzeitig schlug der gerüstete Zwerg mit der Axt nach dem Alben, der gerade noch das Schwert in den Schlag bekam und so den Schlag auf seine Rüstung ablenkte, dabei rutschte das Schwert am Griff Morgrims vorbei und schlug beinahe eine kräftige Kerbe in den Unterarm. Doch Morgrims Axt war schneller. Das Knirschen von Knochen erklang in der Rippengegend. Ein geringer Preis für ein Überleben. Zornesadern durchliefen die Augen des Alben.
"Törrichter Zwerg. Deswegen haben die Menschen eure Reiche geschliffen, deswegen werdet ihr sterben." Bevor die Worte des Alben verklungen waren, schlug ein Pfeil in den Rücken des Zwergen ein. Er spürte nur den Aufprall, keinen Schmerz. Wäre er sterblich gewesen, hätte er keine Luft mehr in der Lunge gehabt. Morgrim dräute das Ende...
Rokers Männer hielten sich zurück, aber bei den massiven Treffern, welche der Zwerg einsteckte, schluckten die beiden Schützen neben Roker. Der selbst ging einen Schritt zurück und drehte sich in die Höhle.
"Bereitet den Gegenschlag vor. Ich will, dass sie niederlegen, sobald es so aussieht, als wäre der Zwerg keine Gefahr mehr." Die Antwort hallte unisono durch die Hütte.
"Jawohl!". Langsam spielte sich wieder eine Routine ein, während Roker sich auf seinen Gast zubewegte. Die Söldner richteten sich jetzt in Richtung der Alben aus, es fiel ihnen noch immer schwer, einfach abzuwarten. Vielleicht wäre es sinniger, jetzt die Alben schon beschießen? Roker sah in dem Zwergen scheinbar die größere Gefahr, also bereiteten sie sich langsam darauf vor, anzulegen.
Während die Augen des Elben auf das Geschehen gerichtet waren, blieb die Aufmerksamkeit seiner Ohren in Richtung der Unterhaltung zwischen Mephala und dem Alb. Er hatte dies in seiner Ausbildung gelernt. Mit seinen Augen konnte er der akuten Unterhaltung folgen, indem er die Worte von den Lippen seines Gegenübers zu lesen wusste, nebenbei allerdings noch einem weiteren Gespräch zuhören. Es war nicht leicht, zwei Informationsreihen gleichzeitig zu folgen, aber dementsprechend gut wurde seine Profession auch vergütet. In diesem Fall war er froh, diese schwierige Ausbildung gemacht zu haben, denn was er hörte, sorgte beinahe dafür, dass er eine Regung zeigte – ein seltener Moment, wenn er ein Gespräch belauschte.
Natürlich hatte er als Elb bereits von Tzâ-alas gehört. Als Kind wurden ihm oft Geschichten von diesem schicksalsschweren Ort erzählt. Geschichten voll schwerer Tragik. Niemand konnte ihm genau sagen, wo der Brunnen der Weisheit sich befand, doch dies war scheinbar eine erste heiße Spur. Bislang hatte Alvanon keinen Verwendungsnutzen für den Brunnen gehabt, doch als er seinen Kopf berührte, wusste er sofort, was er mit dem Wissen anfangen würde. Auf diese Weise würde er sein Gesicht wiedererlangen können. Zumindest gab es die Möglichkeit, dass es so klappen würde. Der Elb seufzte leise vor Sehnsucht nach seiner Vollkommenheit, die der unfähige Kultist ihm nicht erhalten konnte. Blieb bloß noch zu klären, ob der Alb auch wirklich die Wahrheit sprach, oder ob er sie bloß mit Verlockungen zu einer dummen Tat hinreißen wollen würde. Die zweite Frage war, ob Roker und seine Männer den Alb einfach gehen lassen würden, denn er war ja sicherlich nicht ohne Grund an diesen Ort gebunden.
Mit seinen Augen nahm er war, wie der Zwerg namens Morgrim von den Alben stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Nicht, dass es große Anteilnahme in Alvanon auslöste – was konnte er auch großes ausrichten – doch er fand es schade und bedauerlich, wie mangelndes Geschick im Kampf den Tod bedeuten konnte. Er lachte kurz.
“Den Tod wohl kaum in diesem Fall. Schönes Beispiel was geschieht, wenn man bei Elben oder Alben mit der Tür ins Haus fallen will. Ich würde gerade nicht wetten wollen.“
Er wandte den Blick ab, davon überzeugt, dass sich die Alben um Clavius und Morgrim kümmern würden und danach die Schützen von Roker um die Alben, und schaute sich in der Hütte um. Nicos, Mephala, Mauron und er, das waren also die Überreste des Trupps, den der Anhänger Vecors zum Leben erweckt hatte. Er war gespannt darauf, was Roker zu dem Alben sagen würde, oder vielmehr noch zu Mephalas Interesse dem Alb gegenüber. Es brannte fürchterlich in dem Elb. Er wollte wissen, ob der Alb tatsächlich die Wahrheit sagte und musste dabei an eines der beiden Wahrheitselixiere in seiner Ausrüstung denken. Er beschloss, erst noch zuzuhören und sich später in dieser Hinsicht zu entscheiden.
Mephala setzte sich nun endgültig neben den Alben. Der anstehende Kampf interessierte sie nicht mehr wirklich. Die Söldner wollten sie vor ein paar AUgenblicken noch ausrauben und die Alben schienen nicht ihretwegen hier zu sein. Aus dem Kampf würde eine der beiden Parteien geschwächt hervorgehen und wenn diese dann noch Ansprüche an Mephala und die Könige hatte, würden sie unter der Macht der Untoten zerdrückt werden.
Das Wissen um den Zauber, der den Alben band, hatte zu kurzzeitig über ein Abkommen mit den Alben nachdenken lassen. Doch wusste sie nicht, wie sie die dazu nötigen Gespräche führen sollte, bei sovielen Mithörern. Darüber hinaus hatte sie eigentlich keinen Grund dem Alben zu trauen. Es war ihre Wissensgier, die ihre Gedanken in solcherlei Richtung schweifen ließ. Darüber hinaus schien der Alb ihre Form der Existenz nicht gutzuheißen.
"Unvergänglichkeit ist nur ein Aspekt der zur Freiheit führen kann, mehr nicht. Moralische Spitzfindigkeiten hingegen taugend lediglich dazu den Geist einzusperren. Von jemanden der sich in Drachenschuppen kleidet hätte ich weniger Ängstlichkeit erwartet."