Alvanon ließ die Worte der anderen auf sich wirken. Er hatte einst gelernt, zuzuhören. Er hatte gelernt, das von anderen Gesagte in sich aufzusaugen und zu verarbeiten, um schnell die nötigen Schlüsse daraus schließen zu können. Eine Reaktion war in diesem Fall nicht notwendig, aber seine Reflexe ließen ihn so handeln. Dies hatte ihn während der Zeit seiner Herrschaft über das Reich mehrere Male davor bewahrt, aufzufliegen. Er wusste, aus den Worten anderer viel herauszuholen und zu interpretieren.
Und schließlich klingelten doch die Alarmglocken bei Alvanon. Als Nicos davon sprach, dass sie den Glauben von Vecor zerstören sollten, überlegte der Elb, ob dies wirklich der Fall und auch notwendig war, oder ob der Alb ihnen dies suggerieren wollte, damit sie sich um eine Schwächung des Reichs kümmerten und den Alben somit Arbeit ersparten und einen mächtigen Feind beiseite räumten. Wer konnte schon ahnen, wie weitreichend die Intrigen der Alben verliefen. Im Moment gab es jedoch keinen großen Anlass, Zweifel laut zu äußern, denn es gab bloß seine Vermutung. Was er brauchte waren Beweise, die er entweder für oder gegen seine Vermutung verwenden konnte. Die würde er bekommen, wenn er weiterhin mit dem Alben reiste, tief in das Herz des Albenreichs hinein. “Wundervolle Aussichten!“, dachte er bei sich und schüttelte den Kopf.
“Eure Warnungen sind nicht verkehrt, wir wissen wahrlich nicht besonders viel über die derzeitigen Zustände und Gesetze in diesem Reich. Allerdings finde ich es ebenfalls interessant, dass wir die Kirche Vecors auslöschen, oder zumindest entmachten sollen. Es wäre ein wahrlich interessantes Machtvakuum, welches dadurch entstehen würde, und noch viel interessanter wird es, wie es danach wohl gefüllt werden würde. Das Reich Zhuras selbst würde sich wohl nicht halten können und zerbrechen. Ob die umliegenden Reiche wohl darauf zugreifen würden? Ich ahne selbst, dass wir Probleme haben werden, unser Anliegen den Vecorianern vorzutragen, aber wenn wir die Kirche zerstören sollen, können wir auch einfach nichts tun nach unserem aktuellen Informationsstand. Es wird sicherlich eine interessante Zeit, in der die Sonne am Himmel bloß schwach scheinen wird. Einfach der Sonne zu entsagen klingt nach einem sehr schwierigen Vorhaben. Der Maskierte war gespannt, wie – oder vielmehr ob – der Alb darauf antworten würde. Er gab sich Alvanon gegenüber eher reserviert, was vielleicht auch an seiner eigenen Art mit dem Alb zu sprechen lag. Er hatte seine Worte zu sehr mit Bedacht gewählt und den Alb somit wie ein unwissendes Kind dargestellt. Auch wenn er den Alb nicht mochte, es war wohl besser, ihn anders zu behandeln, oder Nicos das sprechen zu überlassen, der scheinbar einen besseren Zugang zu dem Brudermörder hatte. Kunststück, bei dem Konflikt zwischen Elben und Alben.
An Nicos gewandt wusste Alvanon noch zu antworten: “Der Untod und die Unsterblichkeit sind zwei grundverschiedene Dinge. Der Untod selbst ist nur die Überlistung des Todes unter gewissen Opfern. Was würdet ihr wählen, Nicos, ewiges Leben mit all seinen Vorzügen, welches nicht von Verfall geprägt ist, oder den Untod welcher körperlich und vor allem äußerlich Tribute fordert? Die Erhabenheit des Seins vergeht im Untod, und wenn man den Untod erstrebt, verliert man die letzte Möglichkeit, die Unsterblichkeit wiederzuerlangen.“