Die Sklavenpferche - Teil 2:
Yaotlchone lässt sich mit seinen Prankenhänden voran auf seinen Peiniger fallen. Lange hatte er stoisch die Scläge und Tritte über sich ergehen lassen. Doch nun ist er wie ein anderer Mensch, oder eher wie ein Tier. Mit dem Sturz nach vorn lässt er seine beiden Daumen wie Obsidianklingen auf den Hals treffen. Obwohl die Hände auf den Seiten abgleiten reisst einer der Nägel die Seite auf, so dass Blut heraussprudelt.
Nun auf dem Nassen Boden aufgestützt dreht Yaotlchone ruckartig nach rechts Hinten zu Tlactl, den Wahnsinn in den Auen und die heiser ausgesprochene Frage auf den Lippen "Yaotl?"
Sprachlos und voller Anspannung hat Necahual das Geschehen verfolgt. Das Erwachen des Killerinstinkts, wie er Yaotlchone übermannt und zum Blut seines Opfers treibt - diese Eindrücke lassen sie aufgewühlt zurück. Sie hat nie dem Tod eines anderen Menschen entgegen gefiebert - heute scheint sich dies zu ändern. Unweigerlich drängen sich die Bilder der auf dem Weg gestorbenen Mitgefangenen ins Gedächtnis: Der Junge, der kaum 13 Tun erlebt hat, die Frau in Necahuals Alter, deren Säugling die Nexalaner zum Sterben zurück liessen, die Männer die wagten zu fliehen und wie Hausschweine geschlachtet wurden, ihre auf Ewigkeit gepeinigten Seelen würden ein wenig Linderung erfahren - so hofft es Necahual als sie versucht einen Blick in die Augen des Todgeweihten zu erhaschen.
Der Wächter reißt die Augen wieder auf, als Yaotlchones Klauen seinen Hals berühren, doch es ist zu spät. Die messerscharfen Nägel reißen seinen Hals und Blut spritzt hoch, besudelt den Brustkorb des Mannes über ihm. Mit einem grausigen Glucksen, speit er Blut aus und versucht einen Schrei loszulassen, doch dieser bleibt ihm in der offenen Kehle stecken. Nach all den Misshandlungen welche er der Gruppe zugedacht hatte, scheint ihn sein gerechtes Schicksal zu ereilen. Seine Augen blicken noch einmal ungläubig zu den Gefangenen, unwissend was mit ihm geschehen war, ehe er sie endlich schließt und verstirbt.
Indessen schnauft Torkk kurz, auch er wollte seine Rache nehmen, doch der Mensch kam ihm zuvor. So rammt er noch einmal kurz seine Fussklauen in den verstorbenen Wächter, ehe er sich abwendet. Sein Blick bleibt an Tlacatl haften, welcher freundlich zu ihm war und ihm zumindest etwas Zuversicht gespendet hat. Mit einem nicht zu deutenden, starren Gesichtsausdruck erhebt die Echse die Klauen und Tlacatl zuckt schon zusammen. Doch da fährt der Hieb nieder und die Pranken des Echsenmenschen durchtrennen Tlacatls Fesseln und entlassen auch ihn endlich in die Freiheit.
Tlacatl blickt zufrieden auf die von der Echse durchgetrennte Fesseln. Beeindruckt von der Echse Fähigkeit seine Klauen so präzise nutzen zu können, nickt der Krieger ihm entschlossen zu. "Danke.", artikuliert er seinen großen Dank recht wortkarg. Kein Zeichen der Undankbarkeit, sondern eher der Situation geschuldet, welche sehr gefährlich ist. Der Mann lässt sich wieder in Azuls Fluss treiben, der ihn schon zu Necahual gespült hatte, diesmal spült er ihn entweder in die Freiheit oder in den Tod. Er ist nicht die Quelle des Flusses und auch nicht die Mündung. Die Ereignisse fallen, wie Zufall und Götter sie stricken, und jeder Mensch und alle Menschen nehmen nur ein Stück dieses Stromes mit, im Ganzen wie im Speziellen. Tlacatl wirft die Fesseln von sich weg.
Sein Blick fällt auch den Mann, der in Yaotl nennt. Tlacatl wirkt seit diesem Wort geistesabwesend, als würde dieses Wort ihm irgendwas sagen, aber als würde er sich nicht gänzlich erinnern. Eine Mischung aus einem verwunderten und fragenden Blick herrscht in im Gesicht von Tlacatl vor. "Yaotl?", fragt er schließlich unschlüssig, auf die merkwürdigen Pranken des Mannes schauend, dessen Klauen die Kehle des Mannes so effektiv wie brutal zerrissen habeen. Tlacatl weiß es nicht zuzuordnen, sodass er sich unschlüssig umdreht und erstmal Necahual befreien will. Die Situation ist nicht leicht zu überblicken, die plötzliche Befreiung, der Geruch von frischem Blut und eine Echse mit scharfen Krallen und einem Mann, der einen zumindest derartigen Geist zu befehligen scheint, der auch ihm krallenartige Hände verschafft. Necahual wird ihm helfen können zu verstehen, also befreit er sie.
Necahual steht ein wenig verloren da. Sie ist erstaunt, wie schnell das erhabene, erfüllende Gefühl von Macht über das Leben wieder aus ihrem Geist weicht und nur eine beklemmende Leere zurücklässt. Sie weiss nicht ob ihr übel ist oder zum weinen, ihre Gedanken driften hinfort, durch das Dickicht des Dschungels, zwischen den Riesen des Waldes hindurch, über Steine, Büsche und Bäche hinweg, fliegend auf der Jagd nach der Stimme ihrer Mutter. So bekommt sie nicht mit wie der Echsenmensch Tlacatl befreit und merkt genauso wenig wie dieser ihr die Fesseln abnimmt. Sie kann seinen hilfesuchenden Blick nicht beantworten sondern starrt ihn vollkommen abwesend mit großen Augen an.