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Autor Thema: Die Hohepriester des Nebels  (Gelesen 22436 mal)

Beschreibung: Kapitel 1 der zweiten Gruppe

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Sternenblut

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Die Hohepriester des Nebels
« Antwort #240 am: 01.10.2013, 21:34:05 »
Marlan lächelte auf Dindals Frage hin. "Nicht wir haben euch gewählt, sondern der Nebel. Die Große Schlucht selbst hat nach euch gerufen. Was ihre Gründe dafür waren, das kann keiner von uns benennen."

Kay, die Seherin, nickte wissend, und fuhr fort, gleich nachdem Marlan geendet hatte. "Dieser Ort birgt mehr Geheimnisse und Wunder, als sich selbst die fantasievollsten Mystiker es ausmalen. Das gleiche könnte man auch über die Kreaturen sagen, die in der Nebelschlucht hausen. Aber eines nach dem anderen."

Sie sah zu Borgin, und zwinkerte ihm zu, als hätte sie einem kleinen Kind gerade Süßigkeiten zugesteckt. "Aber zunächst muss man wissen, dass es gewissermaßen zwei Orte sind, über die wir sprechen. Es gibt die Schlucht selbst, eine tiefe Wunde im Antlitz der Welt, die kilometertief in die Erde hinab führt. Viele schreckliche Wesen haben sich dort eingenistet, aber die meisten sind nicht übernatürlicher als ihr oder ich es seid. Aber findet man den richtigen Weg durch den Nebel... findet man die geheimen Passagen..."

Ihr Blick wanderte zu Borgin. Er sah sie mit abwehrendem Blick an, seufzte dann aber. "Die geheimen Passagen, die in die wahre Nebelschlucht führen. Ein mystischer Ort, der zwischen den Welten existiert, und in dem andere Regeln gelten als in der diesseitigen Welt. Lukush lebt dort, in seinem selbst geschaffenen Reich, in dem er nahezu unbesiegbar ist."

Marlan nickte. "Ja, das ist richtig. Aber Lukush möchte in diese Welt, möchte hier herrschen wie ein alleiniger Gott. Um das zu erreichen, muss er aber zwei Dinge tun. Erstens muss er in diese Welt kommen, und sich ihren Regeln beugen. Zweitens muss er eine Verbindung zu seinem Reich behalten. Nur dann behält er auch in dieser Welt große Macht. Und genau das ist seine Schwäche. Borgin, bitte berichte, wie euer Kampf gegen Lukush beim letzten Mal endete."

Der Zwerg sah sich um. Es war ihm sichtlich unwohl dabei, über die vergangenen Erlebnisse zu berichten. "Wir waren im Besitz eines Schwertes, geschmiedet im Reich des Nebels. Einer alten Sage nach hat Garach selbst das Schwert geschmiedet, aber... naja, Sagen eben. Jedenfalls ist das Schwert dazu in der Lage, die Verbindung Lukushs zu seinem Reich zu zertrennen, wenn er in dieser Welt ist. Wir haben gegen ihn gekämpft, am Rande der Schlucht. Merya hielt das Schwert, und hatte sich ihm von hinten genähert. Wir wollten ihn ablenken, doch es misslang. Lukush rettete sich, in dem er zurück in den Nebel floh - und riss Merya mit sich."
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Sanjan, von den Bahir

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Die Hohepriester des Nebels
« Antwort #241 am: 02.10.2013, 10:34:33 »
Auch Silivros hörte den Worten des Hohepriesters und Kays zu. Diese alte Frau sollte ihnen also helfen. Eine Seherin an der Seite zu haben, war sicher eine gute Sache aber die Aufgabe selbst. Fragend blickte er auf seine Hände als das Ausmaß der Aufgabe erahnbar wurde. Er konnte sich nicht vorstellen ein göttliches Wesen töten zu können. Nicht einmal mit einer so mächtigen Waffe. Die Antwort auf Dindals Frage, eine Frage die wohl in jedem brannte, war nicht gerade befriedigend. Doch war es nun geschehen und das Wie war irrelenwand.

Der Halbelf faltete die Hände vor seinen Bauch. Es sollte nicht so auffallen, dass sie zitterten. „Könnt ihr uns auch mehr über Lukush erzählen? Wie ist seine Art, was treibt ihn an? Wenn…“ er stockte. Es wollte ihm kaum über die Lippen kommen. „…wir ihn besiegen sollen, müssen wir so viel wie möglich über ihn wissen. Und, ich nehme an das Schwert ist verloren, gibt es einen Anhaltspunkt wie wir es schaffen könnten?“ Die Fragen waren nicht nur an den Hohepriester und Kay gerichtet sondern auch an Borgin.

Innerlich wurde ihm langsam bewusst was sein Lehrmeister meinte.
« Letzte Änderung: 02.10.2013, 10:35:33 von Silivros »

Sternenblut

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Die Hohepriester des Nebels
« Antwort #242 am: 03.10.2013, 20:20:33 »
Marlan sah Silivros einen Moment nachdenklich an, dann nickte er. "Lukush ist eine Wesenheit, die völlig anders ist als einer von uns. Er ist nicht sterblich, wird nicht von Dingen wie Hunger und Müdigkeit, Liebe und Sehnsucht getrieben. Vielmehr ist er, wie soll ich sagen... ein Prinzip, ein Konzept, das eine Gestalt bekommen hat. Jeder von euch kennt sicherlich jemanden, der sich streng an irgendwelche Regeln hält. Und sei es etwas so banal erscheinendes wie: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Leute, die morgens früh aufstehen, komme was wolle, um den Tag entsprechend nutzen zu können. Stellt euch vor, dieser Wille, dieses Konzept zu verfolgen, würde losgelöst von der Person existieren. So in etwa ist es mit Lukush. Das Konzept, das sich in ihm personifiziert hat, könnte man etwa so beschreiben: Der Angst machende, sich anschleichende Schatten, dessen Formen gerade deutlich genug sind, damit die eigene Fantasie daraus Albtraumgestalten erschafft."

"Lukush ist nicht in dem Sinne böse, er handelt nicht, um Schrecken zu verbreiten - er kann schlicht nicht anders, weil es eine innerste Natur ist, so zu handeln. Würde man ihm in seinem eigenen Reich begegnen, wäre es etwa so, als würde man in einer Hölle kindlicher Albträume landen. Aber außerhalb seines Reiches ist es möglich, diesem Schrecken zu begegnen. Seine Macht wächst mit der Angst seines Gegenübers. Gibt man dieser Angst nicht nach, schwindet seine Macht. Er ist immer noch ein ernstzunehmender Gegner, aber es ist möglich, sich ihm entgegen zu stellen."

Der Hohepriester ließ die Worte einige Momente wirken. Borgin war bei seinen Erzählungen wieder bleich geworden - die Erinnerungen an das Geschehene machten ihm deutlich zu schaffen.

Dann sprach wieder die Seherin. "Ich habe das Schwert gesehen, in einer Traumvision. Es befindet sich immer noch im Besitz des Mädchens, das damals im Nebel verschwand. Aber ich denke, wenn wir erst einmal auf der anderen Seite sind, kann ich sie finden. Das wird die erste Aufgabe sein. Haben wir das Schwert, kümmern wir uns um Lukush."
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Dindal

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« Antwort #243 am: 09.10.2013, 10:25:05 »
So sehr Dindal auch den Respekt - den die Nebelpriester und die Seherin garantiert verdient hatten - beibehalten wollte, konnte er sich seinen Kommentar nicht verkneifen. Er konnte sich wirklich nicht vorstellen, wieso man ihn einem wirklichen Krieger oder sogar einer Stadtwache vorzog. Er war alt und gebrechlich und war nicht dafür geschaffen zu kämpfen.

"Dann weiß ich wirklich nicht, was der Nebel an mir findet. Aber wenn er meint, das ich dabei helfen kann eine Schattenschlange zu töten, die wie ein Gott in einer anderen Realität herrscht, dann will ich mich dem beugen. Außerdem habe ich geschworen, das ich alles tun werde um diese Mission zu einem erfolgreichen Ende zu führen und daran halte ich mich!"

"Was habe ich schon zu verlieren?"

Auch der Rest der Antworten gefiel dem Gnom nicht - auch nicht die Antworten der Seherin. Viel zu große Ausmaße schien die Aufgabe anzunehmen, die ihm auferlegt wurde. Sie sollten also nicht nur die große Schlucht betreten, sondern dort auch noch versteckte Passagen in eine andere Realität finden, diese betreten, ein magisches Schwert beschaffen - das noch immer im Besitz von Merya ist, mit der wer weiß was passiert ist - und dann damit einen Halbgott töten.
Dem alten Gnom wurde bei diesen Gedanken etwas schwindelig aber da er sich nicht setzen konnte, versuchte er sich abzulenken und nicht mehr an die Aufgabe zu denken, was ihm aber nicht wirklich glückte.
Immer noch etwas überrascht und überfordert, brachte der Gnom nichts anderes mehr heraus als ein:

"Wie sieht der Plan aus? Wann geht es los?"

Baltin

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Die Hohepriester des Nebels
« Antwort #244 am: 11.10.2013, 04:39:45 »
Baltin hörte dem Gespräch aufmerksam zu, beteiligte sich aber nicht.
Wie Silivros gesagt hatte, konnte jede Information nützlich sein.
Aber der Halbling vertraute ganz auf seinen Gott. Er war froh, seine Bestimmung zu kennen und nun bei einer so großen Sache dienen zu können.
Selbst wenn er sich für ihre Aufgabe opfern müßte, so war dies doch vorherbestimmt. Schließlich lebte er nur noch aus einen Grund, da war sich Baltin sicher.
Interessiert lauschte er den weiteren Worten.

Sternenblut

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Die Hohepriester des Nebels
« Antwort #245 am: 15.10.2013, 22:51:47 »
Borgin sah Dindal ernst an. "Der Nebel irrt sich nie. Das ist aber kein Garant für Erfolg. Er wählt jene mit den geeignetsten Fähigkeiten aus, aber wie der Einzelne diese Fähigkeiten anwendet, das entscheidet nicht der Nebel."

Marlan nickte. "Wohl gesprochen. Aber noch etwas. Ihr sollt Lukush nicht töten - ihr müsst nur seine Verbindung zu seiner Realität kappen, wenn er in dieser Welt ist. Es gibt zwei Möglichkeiten, was dann passieren wird. Entweder verliert er den Großteil seiner Macht und ist in dieser Realität gefangen, oder er wird zurückgeschleudert in sein Reich und kann es nie wieder verlassen. Aber sterben wird er nicht."

Schließlich sprach Kay wieder. "Was den Plan angeht... zuerst gehen wir zur Nebelschlucht. Wir suchen einen Weg hinein. Borgin hier hat das schon einmal geschafft, und es wird ihm wieder gelingen. Auf der anderen Seite suchen wir das verlorene Mädchen und nehmen das Schwert an uns. Denkt daran, dass der Nebel nicht sie ausgewählt hat - das Schwert muss einer von euch haben, damit die Mission Erfolg haben kann. Und schlussendlich locken wir Lukush mit einer Spur zum Ausgang. Dieses Mal aber ist die Nebelwache im Vorteil, denn mit meinen Fähigkeiten werden wir deutlich genauer wissen, worauf es sich vorzubereiten gilt. Diesmal wird Lukush nicht die Nebelwache überrumpeln, sondern umgekehrt."
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Sanjan, von den Bahir

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Die Hohepriester des Nebels
« Antwort #246 am: 20.10.2013, 15:31:07 »
„Sozusagen, wir locken ihn dieses Mal in eine Falle.“ Silivros nickte langsam. Die Aufgabe gefiel ihm nicht wirklich aber die andere Option, einen lebenden Alptraum in die Welt zu lassen war noch schlimmer. Er verstand, warum die Schattenschlange zurückgedängt werden musste. „Was ist eigentlich mit der Frau? Sagen eure Visionen etwas über sie? Wird sie uns das Schwert einfach so geben?“ Silivros bezweifelte gerade, dass sie dies so einfach tun würde. Schließlich war sie lange im Nebel oder auch im Reich der Schlange. Was dies mit ihr gemacht hatte, war eine Frage, welche gestellt werden musste.
« Letzte Änderung: 20.10.2013, 16:07:14 von Sternenblut »

Sternenblut

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« Antwort #247 am: 20.10.2013, 16:07:03 »
Kay schüttelte den Kopf. "Die Bilder waren sehr vage. Ich weiß, dass sie noch lebt, und dass sie noch immer versucht, die Schattenschlange zu bekämpfen, aber ansonsten kann ich wenig mit Sicherheit sagen. Ich bin aber in der Lage, sie aufzuspüren, wenn wir erst einmal auf der anderen Seite sind."
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Sanjan, von den Bahir

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Die Hohepriester des Nebels
« Antwort #248 am: 20.10.2013, 16:55:00 »
Der junge Priester nickte. Das ließ alles offen und er hoffte, dass die Frau noch ihren Verstand behalten hatte. Dann blickte er zu Marlan. „Verehrter Marlen, entschuldigt meine Neugier doch verstehe ich eines nicht. Ihr meintet vorhin, als wir miteinander gesprochen hatten, dass es neben meinem Anliegen noch mehr ungewöhnliche Ereignisse gab. Welche waren das? Ist damit diese Sache mit der Feenprinzessin und dem angeblichen Fluch gemeint? Und dann, was haben die Nebel gesagt? Konnten sie eine Erkenntnis bringen?“ Gelirion knetete seine Hände, welche in seinem Schoß ruhten. Er war aufgeregt uns voller Fragen, ja fast ungeduldig wie ein kleines Kind. Als er merkte, dass er reichlich Fragen gestellt hatte blickte er beschämt zu Boden. Er wusste halt nicht ob dies jetzt überhaupt der Rechte Moment war. Auch wollte er nicht gleich jedem die Angelegenheit mit dem Brief und der Suche nach seiner Herkunft auf die Nase binden. Es ging die Anderen, seiner Meinung nach auch nichts an. Schließlich kannte er keinen von ihnen wirklich. Aber irgendwie mussten die Fragen gerade jetzt heraus.

Dindal

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Die Hohepriester des Nebels
« Antwort #249 am: 23.10.2013, 15:30:31 »
"Nur seine Verbindung zu seiner Realität kappen... pah. Hört sich genauso schwer an, wie ihn zu töten." Dindal strich sich gedankenverloren über seinen Bart und ließ sich den Plan durch den Kopf gehen. Es hörte sich nach einer Aufgabe an, die selbst für junge Leute in der Blüte ihres Lebens nur schwer machbar sein würde aber was ihn noch mehr verunsicherte, war das Mädchen, das noch immer das Schwert besaß und in der Nebelschlucht gefangen war.
Dindal hatte das seltsame Gefühl, das sie nicht mehr sie selbst sein würde und das Schwert vermutlich nicht freiwillig herausrücken würde. Die Worte der Seherin bekräftigten ihn nur in dieser Vermutung.
Natürlich hoffte Dindal, das sie kooperativ sein und das Schwert abgeben würde. Vielleicht erkannte sie Borgin und das würde ihr helfen sich nach all den Jahren in der Schlucht an ihre Vergangenheit zu erinnern.
Bei den Fragen Silivros blickte Dindal den Mann an, sagte aber nichts. Er wartete einfach die Antworten ab und bereitete sich innerlich darauf vor, aufzubrechen. Vorher müsste er noch in die Werkstatt und seine Ausrüstung holen, die ihm schon soviele Jahre auf seinen Reisen gute Dienste geleistet hat.   

Sternenblut

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Die Hohepriester des Nebels
« Antwort #250 am: 07.11.2013, 07:52:35 »
Marlan sah Silivros einen Moment nachdenklich an, bevor er antwortete. "Ich möchte euch bitten, die folgenden Dinge für euch zu behalten. Wir werden es den Bürgern der Zwillingswacht mitteilen, aber es muss behutsam geschehen, damit keine Panik ausbricht. Euch sage ich diese Dinge jetzt, weil ihr ansonsten womöglich schon auf der Reise seid."

Er faltete die Hände vor dem Bauch zusammen, während er sprach. "In dieser Welt sind Kräfte am Werk, die wir im Augenblick noch nicht ganz verstehen. Nicht nur hier, in der Zwillingswacht, sondern überall auf der Welt, geschehen merkwürdige Ereignisse. Leute glauben auf einmal, jemand anderes zu sein, oder haben Träume oder Erinnerungen, die sie nicht einordnen können. Auch ich selbst war davon betroffen, und habe mich daraufhin in die Meditation zurückgezogen. Mit Hilfe des heiligen Nebels offenbarten sich mir zumindest einige Geheimnisse. Und es ist wichtig, dass ihr sie erfahrt, denn diese Dinge können im Prinzip jeden betreffen, jederzeit."

"Ein lebendes Wesen", holte er zu einer Erklärung aus, "besteht nicht nur aus Körper und Geist, sondern auch aus einer Seele. Sie ist, gewissermaßen, der Kern, die Essenz des Wesens, das Unsterbliche in uns, das selbst den Tod überdauert. Die meisten Religionen gehen davon aus, dass diese Seele nach dem Tod über die Sonne selbst auf einen Pfad in göttliche Reiche geschickt wird, um dort für immer in Glückseligkeit zu leben. Aber offenbar... ist das zumindest nicht immer so. Seelen können zurückkehren, um erneut körperliche Gestalt anzunehmen."

Der Hohepriester ließ seine Worte einige Zeit im Raum stehen, um allen die Möglichkeit zu geben, sie zu verarbeiten. Er sah jedem Einzelnen aufmerksam in die Augen, bevor er weitersprach. "Die Erinnerungen an die Person, die man einst war, verschwinden bei der Wiedergeburt. Die Seele wurde von dem vorherigen Leben geprägt, und da das neue Wesen aus der Seele heraus entsteht, nimmt es auch diese Prägungen mit. Das frühere Leben beeinflusst, wer man ist, prägt gewissermaßen den eigenen Charakter. Dennoch ist man frei, eigene Wege zu gehen. Etwas aber geschieht in dieser Welt. Leute erinnern sich an das, was in früheren Zeiten passiert ist. In manchen Fällen sind diese Erinnerungen so stark, überfluten den Geist so sehr, dass die Person, die man eigentlich ist, verschwindet, und sich der Geist einer früheren Person im falschen Körper wiederfindet. Das ist, was die Bürger dieser Stadt Yereks Fluch nennen. Man wird zu jemandem, der man in einem früheren Leben war."

Marlan entfaltete die Hände, und legte seine rechte Hand auf seine Brust. "Mir selbst ist dies wiederfahren, doch durch die Lehren des Nebels und die Schulung meines Geistes in unzähligen Meditationen verlor ich mich nicht gänzlich. Ich meditierte, suchte nach dem, der ich heute bin, und fand mich. Doch die Erinnerungen an eine Vergangenheit, die zwar zu meiner Seele, aber nicht zu meinem Geist gehört, sind noch immer da. In mir wohnen, wenn man so will, zwei Personen."

Schließlich sah er zu Kay, die nickte und sich wieder an die neu berufenen Nebelwächter wandte. "Es geschieht überall auf der Welt. Nicht bei allen passiert es in dem Ausmaß, wie es Marlan geschehen ist, manchmal haben die Leute nur komische Träume oder erinnern sich an Dinge in ihrer Vergangenheit, die gar nicht passiert sind - jedenfalls nicht in ihrem jetzigen Leben. Aber es gibt Extremfälle, in denen jemand vollkommen zur neuen Person wird - bis zu dem Punkt, an dem sich sogar die Wahrnehmung verändert, und er auch in anderen die Personen sieht, die sie mal waren. Jemand könnte euch als Feind erachten, weil ihr in einem früheren Leben Feinde wart. Und wer früher nach Macht strebte, mag dies auch heute wieder tun. Ich bin überzeugt, dass einiges in dieser Welt geschehen wird, was politisches Chaos hervorrufen wird. Aber das ist nicht alles."

Kay räusperte sich kurz, und zog dann wenig elegant ihren Rotz hoch. Als wäre das völlig normal, sprach sie danach weiter. "Ihr alle kennt die Siddhai, die Führer dieser Welt, wenn man so will. Sie halten sich zwar vor allem in den Zentralstädten auf, aber es gibt keinen Ort, an dem sie keinen Einfluss haben. Doch sie sind nicht mehr allein. Sie nennen sich die Narashi, und verbreiten die Botschaft, dass die Herrschaft der Siddhai nicht gut für diese Welt ist. Sie wollen die Leute in die Freiheit führen. Ihr Anführer, ein Wesen namens Gazriel, besitzt die Fähigkeit, die verborgenen Erinnerungen an frühere Leben in einer Person hervorzuholen. Nach allen Berichten, die ich bisher hörte, macht er dies jedoch nur auf den ausdrücklichen Wunsch einer Person. Es wirkt so, als habe er gute Intentionen, aber genaueres ist mir nicht bekannt."

Nun schaltete sich Marlan wieder ein. "Dieser Gazriel war noch nicht in der Zwillingswacht, er hat mit Yereks Fluch nichts zu tun. Aber ob er Freund oder Feind ist, wissen wir noch nicht zu beurteilen. Ob es ihn in diese Gefilde überhaupt verschlagen wird, bleibt abzuwarten. Aber der Konflikt zwischen Siddhai und Narashi könnte selbst bei uns Auswirkungen haben. Beide Gruppen versammeln ihre Anhänger hinter sich. Bisher bleibt es bei Reibereien, aber es ist nicht auszuschließen, das Schlimmeres passiert."
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Baltin

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« Antwort #251 am: 08.11.2013, 04:44:35 »
Baltin überlegte kurz.
"Wieso tauchen diese Erinnerungen denn so plötzlich auf? Müßten die Betroffenen nicht schon mit der Erinnerung auf die Welt kommen? Oder gibt es einen Auslöser von außen?"
Der Mönch überlegte, ob diese Vorkommnisse Auswirkungen auf ihre Mission haben würden, bezweifelte es aber.
Schließlich machten sie sich in die Nebelkluft auf und hatten dort ganz andere Proben zu meistern.
Kurz erschrak er; hatte er die Antworten auf seine Fragen verpaßt? Es war unhöflich, zu fragen und dann nicht die Antworten anzuhören.
 

Sanjan, von den Bahir

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« Antwort #252 am: 08.11.2013, 17:23:55 »
„Das tun sie. Sie werden im Prinzip mit den Erinnerungen geboren aber wie der Hohepriester Marlan sagte, die Erinnerung verschwindet.“ äußerte sich Silivrios auf die Frage von Baltin. Zuerst war ihm gar nicht bewusst, dass er überhaupt geantwortet hatte. Es war mehr eine Äußerung aus Affekt als etwas anderes.
Dann senkte er den Blick. Er hatte bemerkt, dass er sich eingemischt hatte, dass Baltin den Hochepriester angesprochen hatte. So fragte er etwas kleinlaut bevor er weiter ausholte. „Wenn ich versuchen darf darauf zu Antworten, ehrenwerter Marlan. Ihr müsst euch Den Körper wie ein Gefäß vorstellen. Ein Gefäß welches mit einer Flüssigkeit gefüllt wird. Diese Flüssigkeit ist die Seel eines Wesens. Nun, sagen wir diese Flüssigkeit, welche das Gefäß füllen möchte sei gut gereifter Wein. Nun, sobald Seele, Geist und Körper eins werden, wird aus dem gereiften Wein sofort frischer junger Federweißer. So als ob er noch nie gereift wäre. Das was die beiden Flüssigkeiten noch gemeinsam haben ist, dass sie alkoholisch und aus Trauben sind, doch der Rest ist vollkommen neu. So kann aus dem jungen Federweißer auch ein ganz anderer Wein werden oder auch Essig. Das wiederum entscheidet das Gefäß, seine Umgebung und andere Faktoren. Nun jedoch scheint es etwas in dieser Welt zu geben, was aus den Federweißer oder anders gereiften Wein wieder den alten Wein oder Teile des alten Weines macht. Das ist durchaus beunruhigend. Denn Dies stört, meiner Meinung das Gleichgewicht der Welt.“ Er schluckte kurz bevor er weiter machte. „Ich sehe auch die Gefahr die ihr meintet. Wenn wir auf der Reise sind und unser altes Ich erwacht, könnten wir uns im schlimmsten Fall bekämpfen oder sind im besten fall zu unkonzentriert um unsere Aufgabe zu beenden. Stimmt das?“ Auch wenn er fragte, blickte der Halbelf nicht auf.

Sternenblut

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Die Hohepriester des Nebels
« Antwort #253 am: 09.11.2013, 10:37:45 »
Marlan lächelte Silivros zu, und auch die anderen Hohepriester nickten. "Ein gar nicht so unpassendes Bild", stimmte Marlan zu. "Die Frage ist", dabei sah er zu Baltin, "bringen diese Ereignisse die Welt aus dem Gleichgewicht... oder geschehen diese Dinge, gerade weil die Welt aus dem Gleichgewicht ist. Wir wissen es nicht."

Dann wurde sein Blick sehr ernst, und er sah wieder zu Silivros. "Ihr habt die größte Gefahr erkannt. Niemand hier weiß, wann oder warum es geschieht. Es mag für eure Reise überhaupt keine Rolle spielen - aber ebenso kann es passieren, dass in einigen oder sogar allen von euch das frühere Ich erwacht. Vielleicht nur leicht, so dass es eure Träume beeinflusst, vielleicht so überwältigend, dass ihr vergesst, wer ihr heute seid. Die andere Gefahr ist, dass ihr anderen begegnen könnt, mit denen eben dies geschehen ist. Und möglicherweise erachten sie euch als Feinde, aus Gründen, die für euch nicht nachvollziehbar sind."

"Auch stellt sich die Frage, warum Lukush gerade jetzt wieder versucht, in unsere Welt zu gelangen. Ist es Zufall? Oder erleichtert ihm das Ungleichgewicht in der Welt, von dort nach hier zu gelangen? Falls ja, besteht die Gefahr, dass dies nicht nur für ihn gilt... es könnte sein, dass auch andere Wesenheiten in unsere Welt hineindrängen. Das zu überprüfen, ist eine weitere Aufgabe eurer Wacht."
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Dindal

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« Antwort #254 am: 13.11.2013, 21:57:51 »
Während sich der alte Gnom langsam über den Bart strich, verarbeitete er das Gehörte und dachte lange darüber nach, bevor er zögerlich wieder das Wort ergriff. Er versuchte seine etwas wirren Gedanken - die in seinem Kopf noch Sinn gemacht hatten - den anderen klar zu machen. Er wünschte sich wenigstens für ein paar Minuten Pfeife rauchen zu können, weil es ihm dabei half seine Gedanken zu ordnen aber das wäre wohl respektlos gewesen und deshalb ließ er es lieber sein.

"Wenn Lukush ein Konzept ist, ein Prinzip, bei dem es um die nicht fassbare Angst geht und das Gestalt angenommen hat, dann kann ich mir tatsächlich eine Verbindung vorstellen. Vielleicht lehne ich mich jetzt zu weit aus dem Fenster aber nehmen wir einmal an, das diese Kräfte, die eine Person an ein früheres Leben erinnern und die Seele wieder zurückdrängen stärker oder sogar kontrolliert werden."

"Selbst wenn diese Kraft oder auch Fluch von niemandem direkt kontrolliert wird, so wird er doch stärker und man kann zumindest indirekt Kontrolle darüber übernehmen, wie man an Gazriel sieht. Diesen 'Fluch' gibt es ja noch nicht Ewig, wenn ich das richtig annehme und das heißt ganz einfach, das er ja irgendwo herkommen muss. Vielleicht hat dieser Gazriel oder die Narashi sogar direkt damit zu tun aber das sind nur Spekulationen."


Dindal machte eine kurze Pause, in der er seine Worte ordnete und den anderen die Möglichkeit gab hinterher zu kommen.

"Und wenn man diese Kraft kontrollieren kann, bedeutet das, das man damit auch Angst verbreiten kann. Wenn es weltweit bekannt wird, das die Narashi über die Fähigkeit verfügen die Seele eines Verstorbenen wieder in den bereits besetzten Körper zurückzuholen und damit die neu entstandene Seele zu vertreiben, dann wird Panik und Angst ausbrechen.
Doch es ist keine Angst, wie man sie normalerweise kennt. Diese Kraft kann jeden betreffen, jederzeit und das vollkommen unvorbereitet und unerwartet. Man kann sich hinlegen und am nächsten Morgen als jemand anderes aufwachen. Diese Angst ist also allgegenwärtig."

"Das ist das Prinzip, das Lukush seine Macht gibt. Angst, die keine feste Form hat und der man nicht entkommen kann. Jeder Mensch wird sich früher oder später mit diesem Thema beschäftigen und dann wird ihnen klar werden, das sie niemals sicher sein werden."


Dindal war selbst überrascht, was er da gerade gesagt hatte. Die Worte waren - ohne darüber nachzudenken - einfach über seine Lippen gekommen. Er hoffte, das er mit seiner Theorie daneben lag und diese beiden Probleme nichts miteinander zu tun hatten.

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