Autor Thema: Alrik  (Gelesen 4555 mal)

Beschreibung: Prolog

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TheOldHero

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Alrik
« am: 07.03.2013, 15:58:21 »
Im Dialekt der Dorfbewohner heißt er Granwulf, der Bergwolf.
Seit Tagen gibt es nichts anderes mehr, das Alriks Gedanken ausfüllt.
Er hat es von der Sekunde an gewusst, als er das erste Mal den Namen gehört hat, und die Geschichten: Vom Wolf, der sich das Vieh der Bauern mit einer Selbstverständlichkeit nimmt wie ein Landherr den Zehnt seiner Untertanen. Von diesem Moment an hat er gewusst, dass keiner von ihnen beiden entkommen würde.
Regentropfen rinnen Alrik in den Bart. Seit Tagen folgt er der Spur. Sein Entschlossenheit - Wahnsinn, wie manche sagen - hat ihm die Kraft gegeben, endlos zu marschieren. Den kaum sichtbaren Abdrücken im Schlamm hinterher. Aber vor einer Weile sind die Spuren vergangen. Die Erde so weich, dass die Spuren nicht deutlicher werden, sondern undeutlicher... fortgespült vom Regenwasser. Ebenso wie seine Kraft.
Er ruft sich noch einmal seinen Gegner in Gedanken.
Granwulf.
Seinen Namen trägt der Bergwolf nicht, weil er so groß wie ein Berg wäre, sondern, weil ein Bauer mit einer Hacke nach ihm geschlagen hatte und schwor, dass das Metall von dem Fell des Tiers abgeprallt war wie vom Stein eines Bergs.
Aber es hilft nichts. Die Schwäche zerrt bleiern an seinen Gliedern.
Da, in der Dunkelheit, zwischen den kahlen Bäumen des Waldes... ein Licht?

Alrik

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Alrik
« Antwort #1 am: 08.03.2013, 09:42:07 »
Ein Licht? Wahrscheinlich irgendein Tölpel von Holzfäller. Alrik schnaubt verächtlich. Andererseits lässt es seine Verfassung momentan nicht zu, im Matsch zu übernachten. Er war zu müde und sein Schlaf wäre zu tief. Er wäre ein gefundenes Fressen für diese Bestie und so leicht wollte er es ihr nicht machen. Also die Hütte. Grummelnd setzt sich Alrik in Bewegung.


TheOldHero

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Alrik
« Antwort #2 am: 08.03.2013, 12:46:15 »
Selbst noch in seiner geschwächten Verfassung trügen Alriks Instinkte ihn nicht - es ist tatsächlich eine Hütte, mitten auf einer lichten Anhöhe.
Mit dem Auge des geübten Waldläufers entdeckt Alrik Spuren im Schlamm, die um die Hütte herumführen. Nur sind die Abdrücke vom Regen derart verwaschen, dass sich unmöglich erkennen lässt, ob sie von einem Mensch oder Tier stammen.
Granwulf, durchzuckt es ihn plötzlich. Vielleicht ist der Wolf vor ihm hier gewesen... Oder er ist jetzt gerade hier und tut sich gütlich an dem Holzfäller-Tölpel...
Da öffnet sich die Türe.
"Häh? Wer da? Da schleicht doch jemand rum!"
Gegen den Lichtschein von innen erscheint der Mann als bloße, schwarze Silhouette. Für einen Holzfäller nicht ganz kräftig genug.

Alrik

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Alrik
« Antwort #3 am: 12.03.2013, 11:03:41 »
Alrik atmet schnaubend aus. Er kneift die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, wer da in der Tür steht, doch die Möglichkeit, dass es sich um die Bestie handelte, war bereits dahin. Enttäuscht und daher gereizt, knurrt Alrik in Richtung des Mannes.

"Hier schleicht niemand herum! Komm aus dem Licht, damit ich dich sehen kann, Mensch!"

TheOldHero

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Alrik
« Antwort #4 am: 13.03.2013, 09:36:17 »
"Niemand also", wiederholt die Stimme des Manns, zerrissen von Sturm und prasselndem Regen. "Bei dem Wetter komm ich ganz sicher nicht da raus. Und du solltest da auch nicht bleiben. Wenn du keinen Ärger machst, hab ich vielleicht noch nen Platz am Kamin für dich..."
Er öffnet die Tür etwas weiter, und ihr Knarren übertönt sogar das Unwetter. "...Niemand."

Alrik

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Alrik
« Antwort #5 am: 13.03.2013, 10:43:49 »
Alrik musste grinsen. Niemand hat mich geblendet! Niemand hat versucht, mich umzubringen! Jedes Zwergenkind kannte die Geschichte um den einäugigen Riesen und den legendären Helden. Aber heute würde sich niemand an den Bauch eines Schafs binden. Der Mensch sah harmlos aus. Alrik nahm die Axt herunter, die er instinktiv erhoben hatte und trat näher.

"Alrik mein Name. Bin nicht auf Ärger aus und nehme den warmen Platz am Kamin gerne."

TheOldHero

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Alrik
« Antwort #6 am: 13.03.2013, 13:28:47 »
Als Alrik sich der Türschwelle nähert, erkennt er mehr von dem Mann. Ein wilder Bart umrahmt sein Gesicht, seit Wochen wahrscheinlich ungeschnitten - wenn auch für Zwergenverhältnisse nicht einmal einem Jungspund würdig. Aber seine Augen sind schmal und intelligent.
"Deine Klamotten kommen ans Feuer. Tropf mir nicht den Teppich voll."
Der Kamin steht an der anderen Seite des Raumes, davor ein Ohrensessel, von dem ganze Stofffetzen schon herunterhängen. Eine brüchige Leiter führt zu einem Dachboden, auf dem eine dürftige Matratze liegt. Der Geruch von heißem, würzigen Fleisch liegt in der Luft.

Alrik

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Alrik
« Antwort #7 am: 13.03.2013, 17:16:29 »
Alrik legt seine Klamotten bis auf seine Hose ab und hängt sie nahe dem Kamin auf. Der Duft des gebratenen Fleisches lässt seinen Bauch lauthals wehklagen und so begibt er sich zum Mann an den Tisch; die Axt immer noch fest in der Hand. Die Kargheit der letzten Tage ließ ihn in Plauderlaune kommen.

"Feiner Zug von euch, Mensch. Hätte ich dir gar nich zugetraut. In euren Städten muss man sonst Türen einschlagen, wenn man hinein will. War aber schon immer der Meinung, dass es nich gut sein kann, unter Menschen zu wohnen. Was machst'n du hier draußen? Bist du so'n Baumfreund? Ich würde ja Bäumen nich trauen, aber das musst du wissen. Is eigentlich noch was von dem Fleisch da?"

TheOldHero

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Alrik
« Antwort #8 am: 13.03.2013, 17:38:22 »
"Fleisch", sagt der Mann langsam, als müsse er nachdenken. "Ja, wenn du willst. Willst du die Axt zum Schneiden benutzen?" Er zeigt auf die Waffe in Alriks Hand, und es ist nicht klar, ob er einen Witz machen wollte. Dann dreht sich aber zum Feuer um. Auf in der Wand befestigten Spießen hängen Fleischlappen über dem Feuer. Der Mann geht zögerlich zum Kamin und zieht sich ein Fleischstück mit der bloßen Hand herunter. Das Fleisch ist kross, beinahe schwarz.
Der Mann setzt sich wieder und sieht Alrik an. "Bedien dich. Gegen Bäume habe ich nichts, aber wenn sie mit mir machen würden, was ich mit ihnen mache, sähe ich nicht mehr so aus."
An der Wand hängt eine schartige Axt, beinahe so groß wie die des Zwergs.

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Alrik
« Antwort #9 am: 13.03.2013, 17:54:37 »
Etwas an dem Mann ist seltsam. Selbst für Menschenverhältnisse. Die Art, wie er spricht, ist nicht immer die Gleiche...
Aber gut, er wohnt in einer einsamen Hütte im tiefsten Wald und sein einziger Gefährte ist eine Axt, die so abgenutzt ist, dass jeder anständige Zwerg bei ihrem Anblick in Mitleidstränen ausbrechen sollte...

Alrik

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Alrik
« Antwort #10 am: 13.03.2013, 18:38:12 »
Die Axt? Alrik ist zunächst irritiert und dreht sich um, ob zufällig noch eine hinter ihm liegt. Dann schaut er zur Axt an der Wand. Schließlich dämmert es ihm, dass der Mensch die Axt in Alriks Händen meinen musste, was den Zwerg allerdings nicht weniger irritierte. Warum sollte er mit seiner Axt das Fleisch schneiden? Dafür war eine zweihändige Axt nun wirklich nicht da. Menschen. Komische, kurzlebige Kreaturen.

Er beschloss die Sache einfach zu übergehen und nahm sich ebenfalls ein Stück Fleisch. Er schnuppert kurz daran.

"Was'n das? Hirsch? Schwein? Kuh? Bin die Tiere der Obenwelt nicht gewöhnt. Bei uns gab's nur Ziege."

TheOldHero

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Alrik
« Antwort #11 am: 14.03.2013, 11:24:05 »
"Hirsch." Der Mann beißt ein Stück aus dem knusprigen Fleisch."Schwein, Kuh... Sie schmecken langweilig. Wie auch sonst. Sie stehen auf einer Weide und fressen sich durch den Tag." Sein Blick wird verächtlich. "So wie die Menschen in den Dörfern. Ein trauriges Leben, findest du nicht? Die Beine haben wir nicht, um sie uns in den Bauch zu stehen."
« Letzte Änderung: 14.03.2013, 11:25:28 von TheOldHero »

Alrik

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Alrik
« Antwort #12 am: 14.03.2013, 15:37:02 »
Alrik war überrascht, in diesem Menschen ein Wesen zu finden, dass seine Überzeugungen teilte. In der Sprache seiner Ahnen gab es dafür eine Bezeichnung. Istam khnun khanneh. Der Sucher des Lichtes am Ende des Stollen. Es kam in seiner Bedeutung mehr einem Fluch gleich. Licht existierte in zwergischen Stollen nicht. Es signalisierte das Fremde. Das Neue. Die Obenwelt. Zwerge gehörten in den Berg, nicht darauf, so zumindest die Meinung seiner Ahnen. Und Neues bereitete ihnen Angst.

Aber Alrik war neugierig. Er suchte immer noch die Herausforderung. Nicht, dass er dabei die Obenwelt im Sinn gehabt hätte, aber sich in Konventionen zu fügen, lag nicht in seiner Natur. Schmerzlich erinnerte sich Alrik, dass genau diese Einstellung zu seiner Verbannung geführt hatte. Sie war Grund seiner Schuld und seines Schwurs. Ob es dem Menschen ähnlich ergangen war. Ob er auch ein Verbannter war? Ob auch er einen Schwur zu erfüllen hatte, um zu den seinen zurück kehren zu dürfen? Alrik reagierte, wie es jeder gute Zwerg getan hätte. Er verbarg den Anflug von Erinnerung und all den damit verbundenen Gefühlen in den tiefsten Tiefen seiner Seele und beschloss, nie mehr darüber zu reden.

"Wenn du das sagst, Mensch."

Nach einer Pause wendet er sich abermals an den Menschen. Es galt, seine Pflicht zu erfüllen-

"Du scheinst oft draußen zu sein. Hast'e von Granwulf gehört?"

TheOldHero

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Alrik
« Antwort #13 am: 14.03.2013, 15:55:31 »
Der Mann kaut an seinem Fleisch und scheint Alrik zu beobachten. "Hier kommen nicht viele Leute her, die mir Dinge erzählen. Was hast denn du gehört?"

Alrik

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Alrik
« Antwort #14 am: 14.03.2013, 16:26:29 »
Der Zwerg erwidert den Blick und lacht dann auf.

"Großer Bergwolf. Soll angeblich ein Fell haben, so dick, dass kein Metall ihm was anhab'n kann. Nun und wie es die Götter so wollen, fehlt mir für den Winter ein Pelz."