"Würdest du die Güte besitzen, mir Platz zum Atmen zu lassen?", zischte Dana leicht gereizt, ohne zu ihrem Exmann aufzusehen oder diesem dabei auch nur die Gelegenheit zu geben, verbal oder durch Taten auf ihre als Frage getarnte Forderung zu reagieren, bevor sie ein zynisches "Dankeschön" anfügte.
Sie konnte es auf den Tod nicht ausstehen, wenn er auf seine herablassende Art quengelte.
Und erst recht konnte sie aufgrund ihrer Trenung nicht gutheißen, dass er so nahe an sie heranrückte - einmal abgesehen davon, dass er noch mit Friedhofsmatsch überzogen war und höchst unangenehm roch, wie sie fand. Deswegen hatte die Bitte, sie atmen zu lassen, vielleicht auch zwei Bedeutungen.
Hatte er etwa versucht, den Dunst, der von ihm ausging, durch ein billiges Duftwässerchen zu überdecken? Danas Augen verengten sich etwas. Das machte es nur noch schlimmer. Außerdem, auch wenn das Zeug ihrer Wahrnehmung nach stank, roch es nicht nach einem Parfüm für Männer... Von welchem Flittchen er das wohl hatte?
Missbilligend, aber nicht wissend, worüber sie sich am meisten aufregen sollte, presste die hübsche Schurkin ihre Lippen aufeinander, sodass ihr Mund kurz zu einem schmalen Strich wurde.
Dann erst drehte sie den Schlüssel herum, hörte das Klicken und das Schaben der Riegel, die durch den Mechanismus entsichert wurden, und konzentrierte sich nicht ohne Aufregung und Gespanntheit auf ihre selbstgewählte Aufgabe.
"Versteckt und gut gesichert", dachte sie sich. "Dann wollen wir mal..."
Vorsicht hob Dana das Brett an und entdeckte die Bücher, die sich darunter verbargen. Ein staubiger, leicht modriger Geruch stieg ihr entgegen - was aber immer noch angenehmer war als Ichabod, der ihr noch in der Nase hing.
Aber tatsächlich: Dies schienen die Folianten zu sein, die der Professor zum Gegenstand seines letzten Willens gemacht hatte. Jedes schien für die Nachlassempfänger deutlich adressiert zu sein - bis auf eines. Das Verlangen, sich alle Bücher genau anzusehen, kribbelte Danas Fingern.
Bevor sie die Hand nach dem Buch ausstrecken konnte, an das die Bitte geheftet war, dieses sofort zu lesen, mischte sich Jadar L. Nefalen ein und gab seine Bedenken preis.
Dana sah zu dem Alchemisten auf.
"Ach, papperlapapp!", winkte sie, nun wieder deutlich freundlich, ab. "Der Professor hat uns hier bestimmt keine Falle mit Schutzzaubern gestellt", war sie sich sicher, denn das wäre wohl nicht dessen Art. Dennoch kamen in ihr Zweifel auf - von denen sie sich äußerlich natürlich nicht beirren ließ. Die Blöße würde sie sich nach dem ersten Abstreiten nicht geben.
"Er schrieb: 'Wissen um den Feind ist der sicherste Weg zum Sieg über ihn'", zitierte Dana das Testament, denn dieser Satz war ihr nach all den Jahren in Zusammenarbeit mit Petros Lorrimor wirklich in Fleisch und Blut übergegangen - nicht selten hatte der Gelehrte dieses in ihrer Gegenwart auch ausgesprochen.
"Genau dieses Wissen wird vermutlich in den Büchern zu finden sein. Ich gehe nicht davon aus, dass sie im wörtlichen Sinn gefährlich für uns sind - allein, dass ihr Inhalt nicht für jeder Augen bestimmt ist."