Als sich nach und nach alle zurückzogen, kümmerte sich Dana unter Aufsicht von Kendra und mit gebührendem Respekt darum, den Kleiderschrank des Professors zu erkunden, um Ichabods Bitte nachzukommen und ihm etwas zum Anziehen herauszusuchen. Sogleich darauf suchte sie ihren Mann auf, der sich bereits in die Badewanne gesetzt hatte.
Mit einem Klopfen kündigte sie sich an und schlüpfte dann in den Raum.
„Ich bringe dir die Kleidung, Liebster. Kendra war so freundlich, mich für dich etwas heraussuchen zu lassen. Sie passt vermutlich nicht wie angegossen, doch besser etwas zu groß als voller Brandlöcher“, neckte sie ihn etwas wegen seiner schmächtigen Statur (die sie ihm in keinster Weise zum Nachteil anrechnete, wie er wusste), jedoch kam dies nicht mit dem gewohnten Witz über ihre Lippen. Angespanntheit und Sorge, die sie bei ihrem Mann wahrnehmen konnte, hatten längst und lange auch schon sie ergriffen.
Dana legte Ichabod die Kleidungsstücke bereit, sodass er sie direkt anziehen könnte, wenn er sein Bad beendet haben würde, jedoch ließ Dana ihren merkbar mitgenommenen Mann an dieser Stelle nicht allein, sondern schloss die Tür hinter sich und hockte sich leicht seufzend zu ihm am Wannenrand nieder.
„Ich finde es unerträglich, dich so niedergeschlagen zu sehen“, sagte sie dann mit einem Lächeln, mit dem sie ihn aufmuntern wollte, aber auch sie quälten Sorgen und Ängste, was sie auch sogleich zugab, denn Ichabod konnte sie, da sie sich do nahe standen, ohnehin lesen wie ein Buch, „jedoch geht es mir nicht anders. Ich habe Angst vor dem, was uns noch erwarten mag. Angst um dich – und um uns. Ich fürchte, es könnte unser Ende sein, wenn wir dem Pfad auch nur eine Chance für einen erneuten Anschlag auf uns lassen. Bis jetzt konnte das schlimmste bei jedem Mal abgewendet werden, doch…“
Sie zögerte kurz.
„Desna war gnädig mit uns bisher, doch das kann sich schnell ändern, wenn wir das Glück unnötig herausfordern. Hier geht es nicht um Nichtigkeiten, die wir verlieren könnten.“
In den Worten der jungen, selbsternannten Ärztin steckte viel mehr Wahrheit als ihr lieb war. Die Furcht davor, Ichabod nicht nur zu verlieren, sondern darüber hinaus auch noch in Schreckenfels sterben zu sehen, versetzte sie in die Gefühle der Aufgewühltheit und der Hilflosigkeit zurück, die sie als kleines Mädchen verspürt hatte, als sie den grausamen Tod ihrer Mutter nicht hatte verhindern können. Dana würde es um keinen Preis zulassen, dass ihrem über Alles geliebten Mann etwas zustieß.
„Lass uns Ravengro hinter uns lassen“, bat sie ihn mit einem traurigen Lächeln und fasste während ihren folgenden Sätzen zunehmend etwas Zuversicht.
„Wir gehören nicht hierher. Wir könnten umherreisen, so wie wir es bisher getan haben, und vielleicht irgendwo Fuß fassen, wo es uns gefällt. Varisia könnte unser nächstes Ziel sein, was meinst du? Wir könnten eine Weile Abstand nehmen von Ustalav und neu beginnen, weitab von diesem furchtbaren Ort und all den Schatten unserer Vergangenheit. Unsere Zukunft liegt nicht in Schreckenfels. Sie liegt hier“, sagte sie, während sie seine Hand ergriff, an dem er ihren Ehering trug, und ihre Finger mit den Seinen verschränkte, und fügte „… und hier“ hinzufügte, kurz bevor sie ihm ihre freie Hand in den badewassernassen Nacken legte, sich vorbeugte und ihm einen zärtlichen Kuss gab.
Dabei war sie nicht sicher, ob er ihr zustimmen und auf ihre Bitte eingehen würde oder nicht. Doch egal, wie er nun reagieren würde: Dana würde bei ihrem Mann bleiben. Nun, da sie sich wiedergefunden hatten und sie wusste, wie es war, von ihm getrennt zu sein, wollte sie ihn nie wieder verlassen. Seinen Ehering in ihrer Hand spürend, bedauerte sie es, dass sie den wundervollen Ring, den er ihr zum Zeichen ihrer Verbundenheit an den Finger gesteckt hatte, in diesem Moment nicht tragen konnte.