Nur für Randall gedacht! Andere Spieler bitte nicht spicken. (Anzeigen)
35, 36, 37, 38, 39, 40. Und kehrt! 1, 2, 3, 4...
Die Wachablösung hatte wohl verschlafen. Die Sonne war längst aufgegangen, und noch immer marschiertest du auf dem Wehrgang der Burg Redcliffe auf und ab. Langeweile war nicht das Problem. Langeweile war dein Freund. Langeweile hieß, dass niemand dich mit Bitten oder Forderungen belästigte oder gar mit dummen Gewäsch. Langeweile war dir ganz recht, besonders hier oben, wo der vertraute und trotzdem atemberaubende Anblick der Landschaft in allen Richtungen bis an den Horizont dir das Gefühl von Freiheit gab: im Süden das Dorf mit seinen umliegenden Feldern und Wiesen; im Osten eine Landschaft, die immer karger und hügeliger wurde bis hin zu den diesigen Höhen der Frostspitzen; im Westen führte die gutbereiste Straße – gepflastert, denn sie stammte noch aus Zeiten, als das Tevinter Imperium auch hier herrschte– über Lothering und Südtor bis nach Denerim; im Norden dagegen der langgestreckte Calenhad See, an dessen hinterstem Zipfel bei klarem Wetter der Magierturm ragte. Bei diesem Anblick konntest Du davon träumen, dass du in die Welt hinauszögest, ob nach West oder Ost, Süd oder Nord, völlig egal, denn du warst frei...
Wie gesagt, Langeweile war noch nie dein Problem gewesen, aber auf etwas warten müssen, das ging dir gegen den Strich – noch dazu auf eine Wache, die gestern abend beim Freibier wohl zu gierig zugegriffen hatte. Die ganze Burg (mit Ausnahme der Wachhabenden) hatte nämlich auf Connors zehnten Geburtstag angestoßen und der stolze Vater, Arl Eamon, hatte sich weder bei Speis noch bei Trank lumpen lassen.
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"Ser Randall" unterbrach eine Stimme dich in deinen Schritten und Gedanken. "Ihr sollt sofort zu Arl Eamon kommen. Er habe einen Auftrag für dich. Es sei dringend."
"Sehr wohl, Ser Godric", sagtest du, ohne nachzudenken. Und gehorchtest, ohne nachzudenken. Erst am Fuße der Treppe angelangt, die zum Hauptgebäude führte, kamst du auf die Idee, dich zu wundern. Der Arl hatte dich noch nie rufen lassen. Nicht namentlich. Einen persönlichen Auftrag hatte er dir auch noch nie erteilt. Vielleicht, wenn gerade kein Diener in der Nähe war, hatte er dir zugenickt und gerufen: "Ihr da, schaut doch einmal nach, ob Ihr mir ein Bier und etwas kalten Braten besorgen könnt!"
Dein Herz klopfte, als du an seiner Tür klopftest. Es klopfte noch lauter, als du, immer noch ein wenig verwirrt, vor ihm standest – ihr wart tatsächlich allein.
"Ich erhielt heute morgen einen Brief von meiner Tante mütterlicherseits, Bannfrau Lorna aus Südtor", begann der Arl. "Sie macht sich Sorgen. In einem ihrer Dörfer gibt es Ärger. Erst wurde Vieh verstümmelt und getötet, jetzt verschwinden sogar Leute. Die Dorfbewohner glauben, dass die Elfen des nahen Waldes dahinter stecken; es sei gar von einem Fluch die Rede. Wenn meine Tante nichts unternimmt, fürchtet sie, werden die Bewohner von Waldheim einen Rachefeldzug gegen die Elfen starten. Egal, ob Elfen ihre Hand im Spiel haben oder nicht: das kann meine Tante natürlich nicht dulden. Soweit alles klar, Ser Randall?"
Du nicktest eifrig. Er kannte also doch deinen Namen!
"Könnt Ihr Euch vorstellen, wo das Problem liegt?"
Da brauchtest du nicht lange zu grübeln: es war die Pflicht eines jeden Ritters, über die Familienverhältnisse seines Herrn mit sämtlichen Vorkommnissen, von Geburten bis Todesfällen, stets auf dem Laufenden zu sein.
"Eure Tante ist fast 80 und schwer von der Gicht geplagt", sagtest du sofort. "Ihr Mann und die ältesten beiden Söhne sind verstorben, der drittgeborene ist Priester, die beiden Töchter im Bannorn verheiratet. Ihr ältester Enkel ist erst zwölf. Sie kann sich selbst nicht darum kümmern und auch keinen ihrer Ritter schicken, denn sie hat nur drei, was für ihren kleinen Haushalt zwar ausreicht, aber keinen für längere Zeit entbehrlich macht." Du fügtest natürlich nicht hinzu: Tante Lorna konnte sich mehr als drei Ritter nicht leisten, weil der Mann und die beiden Söhne vor ihrem Tod fast das ganze Familienvermögen in der "Perle" in Denerim verspielt oder verhurt hatten. "In dem Brief bittet Tanta Lorna Euch um Hilfe, die Sache für sie aufzuklären."
Der Arl nickte während deiner Rede mehrmals und seine Miene hellte sich zusehends auf.
"Das habt Ihr gut erfasst, Ser Randall", sagte er. "Und ich schicke Euch. Geht nach Waldheim und findet heraus, wer für das Verschwinden der Anwohner verantwortlich ist. Ergreift ihn, wenn möglich, und übergebt ihn der Gerichtsbarkeit meiner Tante. Ich gebe Euch ein Schreiben mit, dass Euch die Hilfe des dortigen Dorfwächters Tarl Dale sichert. Scheut Euch aber nicht, Verstärkung aus Südtor kommen zu lassen, falls es sich um mehr Gegner handeln sollte, als ihr zusammen stellen könnt.
Ein letztes: Tanta Lorna musste, da sie den Einsatz von dunkler Magie nicht auszuschließen vermochte, Ser Greagoir von den Templar benachrichtigen. Es steht zu vermuten, dass dieser auch einen oder mehrere seiner Leute entsandt hat. Wenn möglich, arbeitet mit diesen zusammen. Das heißt, seid höflich, tauscht Euch mit ihnen aus, zeigt Euch diplomatisch – aber lasst Euch nicht von ihnen in eine bestimmte Richtung drängen. Eure Ermittlungen sollt Ihr unabhängig von den Templar betreiben, offen in alle Richtungen. Versteift Euch nicht zu früh auf einen Übeltäter. Folgt einzig den Indizien, Eurem Gewissen und Eurem Eid mir gegenüber.
Habt Ihr alles verstanden?"
Du nicktest. Der Arl gab dir noch letzte Anweisungen, zum Beispiel dass Ser Godric dich mit Pferd und Ausrüstung versorgen würde, gab dir das Schreiben, und ehe du dich versahst, schob er dich in Richtung Tür.
"Vor Mittag seid Ihr auf der Straße!" sagte er noch.
Kurz darauf rittest du zum ersten Mal in deinen sechsunddreißig Lebensjahren auf der Straße, die du sonst immer nur von deinem Lieblingsbaum oder später vom Wehrgang aus sehnsüchtig beobachtet hattest, in die Welt hinaus. Allein, auf dich gestellt, und endlich mit einer Aufgabe betraut, bei der du vielleicht beweisen konntest, was wirklich in dir steckte.
Zehn Tage später tauchte das Örtchen Waldheim am Horizont auf.