Blitze erhellen den Wald, Donner grollt und der Regen fällt in dichten Schwaden. Ein Schmerzensschrei erklingt. Nein so hatte sie all dies nicht gewollt. Es war zu früh. Der Blick zu ihrem stark gewölbten Bauch an dem sich das Nasse Kleid spannte zeigte leichte Bewegungen. Ihrem Sohn, sie war sich dieser Tatsache so sicher, dass es gar keine Tochter sein konnte, würde jetzt kommen. Wieso hatte sie die Abkürzung durch den Wald nehmen wollen? Wieso war sie in ihrem Zustand überhaupt noch losgezogen, die Waren des Hofes in der Stadt zu verkaufen?
“Reiß dich zusammen, auch andere Frauen haben schon Kinder ohne Hilfe bekommen.“ mahnte sie sich selbst, als die nächste Wehe ihren Leib verkrampfen lies und sie dazu brachte die Luft die sie in ihren Lungen hatte in den Wald zu schreien. Am Fuß einer Eiche fand sie schließlich ein wenig Schutz vor dem Wetter. Gerade begann sie nach einer erneuten Wehe wieder Luft zu holen als sie spürte wie ihr Bauch mit sicheren Händen betastet wurde.
“Nein. Hinfort Feengeist. Lass mir mein Kind!“ stöhnte sie, und die Angst vor einem Wechselbalg gab ihr die Kraft einer Mutter die ihr Kind verteidigt. Doch dann sah sie in das freundliche, alterlose Gesicht einer Elfe, die ihr beruhigende Worte zuflüsterte. Sie schien zu wissen was zu tun war, und die Mutter hatte auch keine Kraft mehr sich zu wehren. Der Sturm bebte im Akkord mit den Schreien der Mutter, und als sich im Morgengrauen die letzten Regenwolken verzogen und die ersten Sonnenstrahlen durch das grün des Waldes drangen legte die alte Elfe der jungen Mutter das blutverschmierte, aber unzweifelhaft lebendige, lautschreinde Kind auf die Brust. Anschließend berührte sie Mutter und Kind an der Stirn und sprach einige Worte, welche die Mutter, nun befreit von Schmerzen und erschöpft nicht mehr mitbekam. Lediglich die einige Wort bekam sie mit das die Elfe vor sich hin murmelte.
“... Galum Aw ...“[1]Gal fluchte innerlich, während er Fersengeld gab. Wieso musste sich dieser Pfeffersack von einem Händler auch genau dann umdrehen, wenn er die Hand in seinem Beutel hatte. Schon hörte er die Pfiffe der Wache. Verflucht sei dieser neue Hauptmann. Aber seine Methoden waren die richtigen. Sie hielten Diebe, Mörder und Schläger und derlei Gesindel im Schach. Leider traf es auch Leute wie ihn. Er schlitterte um eine Ecke, und ließ die zwei Münzen, die er noch aus dem Beutel hatte retten können in seine Tasche gleiten. Ein Sprung auf einen Hühnerverschlag, ein Klimmzug und er war wieder in seinem Zimmer. Schnell wusch er sich den Schweiß aus dem Gesicht und versuchte seinen Atem zu beruhigen. Doch sein Lehrer hatte scheinbar doch bemerkt, dass sein Zögling erneut entwischt war, anstatt sich den Lektionen zu widmen. Eine schallende Ohrfeige, und eine Predigt darüber, dass er doch seine Chancen wegwarf. Ja es war eine Chance. Seine Mutter hatte Arbeit im Haus dieses Pfeffersacks bekommen, welcher darauf bestand das auch die Gesindekinder lernen mussten. Nicht das Gal irgendwelches Interesse daran gehabt hätte. Aus irgendeinem Grund versagte sein Charme bei seinem Lehrer, allerdings würden weder Mutter noch der Pfeffersack ihm lange böse sein können. Und heute Nachmittag würde er Melissa einen Leib Brot und vielleicht sogar etwas Obst und Fleisch bringen können. Seine Mutter hatte ihm zwar verboten zu den Hütten vor der Mauer zu gehen, aber sie hatte ihm auch gesagt, er solle jenen helfen die es nicht so gut hatten.
Traurig blickte Gal zurück auf die Tore der Stadt. Erinnerungen durchfließen ihn. Hier hatte er einige seiner schönsten Momente durchlebt, und war irgendwie immer mit allem davon gekommen. Nach dem Tod seiner Mutter hatte er erst noch einige Zeit im Haus des Pfeffersacks wohnen dürfen, doch als dieser dann von ihm verlangte zu arbeiten, war er gegangen. In die Hütten vor der Stadt. Zu Melissa. Er hatte für ihr Auskommen gesorgt, hatte ihre erblühende Schönheit und Tugend beschützt und war ihr schließlich verfallen und hatte sie ihr, in ihrem Einverständnis genommen. Doch dann war er einen Schritt zu weit gegangen, und eigentlich hatte er es gewusst. Dieses Collier hätte er nicht nehmen dürfen, zu auffällig zu leicht wieder zu erkennen. Doch damit hätte er den Ring für Melissa kaufen kaufen können. Sie zur Frau nehmen, und vielleicht eins der Zimmer in der Stadt beziehen können. Doch der Hehler hatte ihn nur ausgelacht, und dann waren überall Wachen gewesen. Und im Versuch sich zu verteidigen, hatte mindestens zwei von ihnen getötet. Und sie hatten ihn erkannt, hatten seinen Namen gerufen. Er hoffte, dass sie Melissa nichts antun würden. Doch er konnte nicht mehr zurück. Vielleicht irgendwann einmal. Melissa würde die Geschichte hören. Sie würde verstehen.
Erneut steht Gal auf dem Hügel vor der Stadt. Fünf Jahre ist es her, dass er gegangen ist. Ob sich die Leute noch an ihn erinnern? Aus dem drahtigen Jungen von damals ist ein Mann geworden. Wenig verbindet ihn noch mit dem der ging. Die Wildnis der Welt, die Schrecken die in Höhlen lauern. Er hat sie überlebt. Hat ein kleines Vermögen gemacht, und wieder verprasst. Kampferprobt mit feinen Narben an Händen und Armen, sonnen-gebräunt steht er an dem gleichen Ort. Es war richtig zu gehen, dass weiß er nun. Er hat einiges erlebt, er hat überlebt. Noch weiß er nicht, ob es richtig ist zurück zu kommen, aber die Münze hat entschieden. Er streicht über die Münze aus hellem Birkenholz um seinen Hals. Er hat einen Glauben gefunden, und dieser hat ihn nun zurück zum Ort seiner Jugend gebracht. Ein Ziehen im Herzen sagt ihm, dass es nicht der Ort ist zu dem er zurückgekehrt ist, sondern eine Person.