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Autor Thema: Die Geschichte wiederholt sich  (Gelesen 65591 mal)

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Shiver

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Die Geschichte wiederholt sich
« Antwort #375 am: 07.08.2014, 14:13:30 »
Shiver nickte Aether Shanty zu, als er ernst wurde. Das beeindruckte Shiver immer, wenn ein Mitmensch von der Realität eingeholt wurde. Es war ein ganz menschliches Verhalten, dass sie irgendwann erkannten, welcher Ernst das Leben beinhaltete, gerade wenn man Lebenspfade verfolgte, die zwangsläufig in den Tod oder die Gefahr wiesen. Shiver zog wieder ein Rasiermesser und klappte es diesmal langsam und mit beiden Händen auf. Er ging derweil zu dem Tisch, auf dem die schwer verunstalteten Menschen lagen, mehr lagerten, und litten.
"Selbst wenn wir ihre Wund'n schlöss'n, wiss'n'wer nich', was das mit ihn'n gemacht hat. Wer'n die auch so solch'n Maschin'nmensch'n, die uns eben vor'm Golem angriff'n? Und was is', wenn wir sie vor sowas rett'n könn'? Wie bekomm'n wir sie durch'n Dschungel? Wenn wir sie selbst zum Lauf'n brächt'n, wie soll'n sie den hart'n Marsch überleb'n? Was, wenn wieder Baumkuschler und Wildtiere angreif'n? Wir müss'n gleich sogar 'nen Teil der Ausrüstung hierlass'n und die Leich'n von Samual und Wolfweich."
Shiver warf die aufgerauchte Zigarette auf und trat den Stummel mit dem Fuß aus. Es hatte es Endgültiges. "Wir müss'n uns're Kadaver nach Middlesteel schlepp'n, und keine ander'n. Ich mach ihn'n das Licht aus."

Shiver trat auf die Wesen zu und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Es war keine Gleichgültigkeit, die Shivers Mimik bestimmte. Er wusste, dass es manchen nicht leicht fallen würde, einschließlich ihm. Aber so konnte er sich einen Moment von Maguerite befreien, und er verstand auch die anderen Konsequenzen und Komplikationen. Zum einen jene, die er mündlich geäußert hatte. Er wusste zum anderen auch, dass diese Entführten potenzielle Konkurrenten gewesen waren, auch wenn sie bei Überleben vielleicht nicht mehr darauf pochten. Doch Shivers Entscheidung war überlegt. Wie sollten sie an diesem Ort deren Überleben garantieren oder auch nur erhoffen können? Es würde schon schwer genug werden, nicht von so schwer verwundeten - sowohl seelisch als auch körperlich - Menschen gebremst zu werden. Und wäre es nicht grausamer, sie erst zu retten, ihnen Hoffnung zu geben und sie dann zurückzulassen, um irgendwelche Wildtiere zu besänftigen oder abzulenken? Das wäre wahrlich niederträchtig. Und beim Überleben musste man manchmal egoistisch sein oder nur an seine Gruppe von Eingeschworenen denken. Gnade war eine gute Entscheidung für Shiver.
Und aus diesem Grund setzte er das Rasiermesser an der Halsschlagader an und spielte den tötenden Barbier, bei allen von den Maschinen angezapften. Einer nach dem Anderen.

Der Flüstermann

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« Antwort #376 am: 09.08.2014, 02:33:25 »
Nachdem diese schwere Entscheidung getroffen war, machte sich Shiver an die Arbeit, den beiden Menschen Gnade zu gewähren und sie von ihrem Leid zu befreien. Obwohl von Leid nicht viel zu sehen war, bis auf das langsame aber stetige Atmen. Zumindest würden sie leiden, wenn sie befreit werden würden. War es aber wirklich die richtige Entscheidung, diesen beiden Menschen das letzte Fünkchen Hoffnung auf ein Weiterleben zu nehmen? Wenn sie diesen Horror überleben würden, könnten sie daraus Kraft ziehen und ein neues Leben beginnen. Doch die Entscheidung war getroffen und nach den Schnitten nicht mehr rückgängig zu machen.
Nachdem Shiver die Halsschlagader durchgetrennt hatte, schoss das Blut regelrecht aus der Wunde. Seltsam eigentlich, denn so wie es ausgesehen hatte, war der Großteil des Blutes abgepumpt worden. Ohne jedoch genauer darauf achten zu müssen fiel auf, dass dieses Blut eine sehr dunkle, unnatürlich rote Farbe hatte. Doch so schnell trat der Tod nicht ein und die beiden Menschen röchelten noch einige lange Sekunden, bevor das Blut schließlich auch das Gehirn verließ und damit zum Tod führte. Damit blieben zwei weitere Leichen zurück, die der Dschungel gefordert hatte.
Es blieb also nur noch ein einziger Weg übrig. Die Tür hinter den beiden Tischen schien bedrohlich zu glänzen und die Gruppe darauf aufmerksam zu machen, dass es nach dem Betreten kein Zurück mehr gab. Was würde dahinter liegen? Endlich einige Antworten auf all das hier? Die Kugel? Der Tod? Oder noch mehr Leid, Elend und Horror? Hatten sie nicht alle schon genug davon erfahren? Marguerite schien schon kurz vor dem Zusammenbruch zu sein - wie lang würde sie diese Expedition noch aushalten? Und was war eigentlich mit dem Gerät, dass Simon gefunden hatte? Was für Informationen verbarg es? Würden diese Informationen womöglich einige Antworten auf die vielen Fragen liefern oder die Gruppe noch weiter in den Abgrund treiben?
Es gab nur eine Möglichkeit das herauszufinden.

Simon Hook

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« Antwort #377 am: 09.08.2014, 11:04:41 »
Es war kein schöner Anblick, als Shiver das Leben der beiden Menschen beendete. Doch man konnte es so sehen, dass er sie von ihrem Leid erlöste und ihnen wenigstens noch etwas Würde gewährte. Gestorben wären sie vermutlich ohnehin, zumal nicht einmal Carl zu wissen schien, wie man ihnen hätte helfen können. Jedoch war es ein weiter Schlag, der die Stimmung zu drücken und die Angst und den Zweifel anzufachen schien. Dieses Labor hätte wohl niemand von ihnen mitten in einer Dschungelruine erwartet.

„Wir sollten sie mit in die Heimat nehmen, sofern das möglich ist“, sagte Simon nach einer Weile des betroffenem Schweigens. „Wäre es anders gekommen, könnten wir vermutlich an ihrer Stelle sein. So ein Ende hat niemand verdient. Lasst uns die Kugel suchen und dann von hier verschwinden. Diese Reise hat jeden von uns schon zu viel gekostet.“

Simon dachte selbst jetzt strategisch, soweit es ihm möglich war. Es waren viele Fragen offen, und natürlich interessierte es ihn sehr, welche Nachricht das Gerät enthalten mochte, das er gefunden hatte – doch erst einmal müssten sie die restliche Ruine sichern, damit sie nicht in einen Hinterhalt gerieten und der Feind nicht noch mehr Opfer fordern konnte.
Mit dem geladenen Gewehr, das Aether ihm überlassen hatte, einsatzbereit in den Händen, trat der Sondergardist an die Tür. Er blickte seine Gefährten an, nickte, als diese sich bereit zeigten, und stieß dann mit einem Tritt die Tür auf.

Shiver

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« Antwort #378 am: 10.08.2014, 11:23:49 »
Shiver betrachtete das ungewöhnliche Blut, welches beinahe schön ölartig zu sein schein. Irgendwas veränderte die Maschine an diesem Blut. Und vor allem blieb die Frage, wie sie an diese Maschine gekommen sind? Und was war, wenn die Maschine tatsächlich irgendeinen Austausch vornahm? Shiver wischte das Blut von seinem Rasiermesser. Die Halsschlagader war durchschnitten, nichts würde das Gehirn mehr versorgen können, selbst wenn es wollte. Und so drehte sich Shiver weg in die Richtung der letzten Tür, nicht ohne den Ladezustand seiner Taschenpistole zu überprüfen.

"Wär' gut, Carl, wenn'd mich gleich nich' wieder in Flammen steckst. Sonst grill' ich dich.", warnte er Carl, als ihre Blicke sich dabei kurz trafen. Shiver hatte nicht vergessen, welcher Fauxpas dem Alchemisten im letzten Kampf passiert war. Kämpfe waren unkontrollierbare Situationen, in denen man sich zwar zurechtfinden konnte, doch die man nie gänzlich zu beherrschen vermochte. Glück, Pech, Taktik, Strategie, Gewalt, Entschlossenheit, Expertise und rohe Fähigkeit, alles spielte eine Rolle, ebenso die Dummheit und Unfähigkeit und jeder der Gruppenmitglieder schien ihr genauso anzuhängen, wie sie manchmal zur Fähigkeit neigten. Damit war es aber für Shiver gegessen, seine Aussage blieb jedoch drohend gemeint.

Sein Blick fiel auf Simon. Er machte seinen Gefährten keine Vorwürfe mehr, dass sie nur langsam ihre Geheimnisse preisgegeben hatten. Er wusste, dass sie sich auch so grob beschützen würden, alleine aus Selbsterhaltungstrieb. Aber der Schutz sollte nicht zu weit gehen. "Und wer soll die ganz'n Tot'n schlepp'n? Ich? Du? Samual, Wolfweich und jed'n ander'n Fatzke, den wir zerstückelt und zerlegt gefund'n hab'n? Die bleib'n hier. Sie sind tot, wozu des Aufheb'ns? Ihn'n ist genug Rechenschaft getan, wenn ihr Anblick dich in dein'n Träum'n quält. Erinnert sich immerhin einer an sie."
Dann machte Shiver sich bereit. Das erste Mal verschwand die Taschenpistole nicht im schweren Ledermantel. Rasiermesser und Waffe gezückt stellte er sich hinter Simon, dessen Tritt auf die Tür erwartend.

Marguerite Moulin

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« Antwort #379 am: 10.08.2014, 15:05:14 »
Maguerite zog hörbar die Nase hoch und atmete tief durch, nachdem sie sich erst wieder umgedreht hatte als Shiver sein Werk beendet hatte. Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht. "Wir können sie nicht mitnehmen.", pflichtete sie Shiver bei.

"Wir kriegen noch nicht einmal Samuel und Wolfhard hier raus. Wie sollen wir noch zwei Leichen mit uns rumschleppen?" Resignation machte sich in ihrer Stimme breit: "Lasst uns diese beschissene Kugel finden und dann nichts wie raus hier.", am liebsten wäre sie sofort umgekehrt, aber nun waren sie bereits so weit gekommen und hatten einen hohen Preis bezahlt. Jetzt umzudrehen würde alle Opfer ohne Zweck zurücklassen.
„Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“

Aether Shanty

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« Antwort #380 am: 12.08.2014, 18:14:07 »
Die klaren, harten Worte des Glatzkopfes rüttelten Aether wach und rissen ihn kurzzeitig aus seiner Konzentration. Natürlich hatte der Kerl Recht. Wie sollten sie es überhaupt jemals bewerkstelligen, auch nur einen der Verstorbenen überhaupt bis zum Ufer des Flusses zu tragen? Ab gesehen von der zusätzlichen Traglast, war der Dschungel voller Aasfresser in allen möglichen Größenvariationen. Aether hatte den Gedanken, Samual und Wolfhard eine anständige Rückkehr in die Heimat zu gewährleisten, nur dafür benutzt, sich selbst zu trösten. Das Wissen, dass diese beiden Männer umgebracht worden waren einfach zur Seite geschoben; das würdige Begräbnis als Schuldenbegleichung dafür gesehen, dass er ihnen nicht helfen hatte können. In beiden Fällen war ihm nicht viel mehr geblieben, als dumm, gar unfähig dabei zuzusehen, wie die Schicksalsklinge ihren Lebensfaden beendet hatte.
Nein. Sie würden es niemals bewerkstelligen können, die beiden gefallenen Kameraden nach Hause zu schaffen.

Und Shiver, Maguerite, Carl und er selbst würden ebenfalls an diesem Ort verrotten, wenn ihre Zeit gekommen war. Kein Begräbnis für Banditen, Beutelschlitzer und Hexen. Kein Abgesang für das Lumpenpack aus Middlesteel! Nur die Aaskäfer Ljongelis, welche sich an ihrem modrigen Fleisch laben...

Still stand er da, die Flinte weiter auf besagte Tür gerichtet. Kein Lächeln mehr für Aether Shanty. Denn wenn er eines gelernt hatte, als er damals in jenem Büro um sein Leben gebettelt hatte... Als die Kristallkugel des Oberaufsehers seinen besten Freund ermordete... Dann, dass das man dem Tod keine Pointe abgewinnen konnte, egal wie sehr man sich dafür verstellt und vorgibt, jemand gänzlich Anderes zu sein.

Schweigend wartete Willbur also ab. Darauf, dass jemand die letzte Schwelle dieses Teufelsmauls öffnete. Wenn er schon hier draußen verloren gehen würde, dann, so versprach er sich selbst, hatte er zumindest noch ein paar Kugeln für denjenigen übrig, der sich dieses Wagnis auferlegte!

Der Flüstermann

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« Antwort #381 am: 13.08.2014, 01:23:22 »
Als die Tür von einem entschlossenen Simon Hook eingetreten wurde, stieß der Gruppe eine Wolke heißen Dampfes entgegen. Die Dampfwolke durchnässte die Kleidung derjenigen, die vor der Tür standen und verbrannte ihre freiliegende, ungeschützte Haut.[1] Reflexartig wich die Gruppe vor der Tür zurück. Einige Sekunden lang entwich weiterer heißer Dampf aus dem nun erkennbaren, etwa 3 Meter langen Durchgang. Er quoll über die Ränder der Metalltür und fing sich an der Decke an zu sammeln. Da der Blick jetzt frei war, konnte man erkennen, dass ein Rohr geplatzt sein musste. Am Rande des Durchgangs verliefen Drei dicke Rohre, die aus der Decke traten und in den nächsten Raum führten. Eines davon war offensichtlich durch zu hohen Druck geplatzt und hatte den schmalen Raum mit dickem, weißem Wasserdampf gefüllt. Nach dem kurzen Schreck gingen die restlichen Überlebenden der Expedition weiter. Eine letzte Tür trennte sie von der Kugel und Simon zögerte nicht, auch diese aufzutreten.

Der nächste Raum war rund und aus dem gleichen Material wie diejenigen vor ihm. Nur drei Dinge beherrschten diesen letzten Raum, von dem keine weitere Tür abging. Ein großer, breiter Tisch an der gegenüberliegenden Wand, der sich an die Biegung anpasste und eine schiere Masse an verschieden großen Röhren, Rohren, Kabeln und Schläuchen, die aus den Wänden und der Decke des Raumes heraustraten. Sie alle versammelten sich in der Mitte des Raumes und waren an die Basis eines Vier Meter hohen und Zwei Meter breiten, runden Gefäßes angeschlossen. Die etwa 30 Zentimeter hohe Basis und eine Konsole, die daneben stand und mit dem Gefäß verbunden war, waren mit einigen Schaltern und Knöpfen zum drehen ausgestattet. Eine große Glasscheibe, die etwa zwei Drittel der Front ausmachte, gab den Blick auf das Innere frei. Allerdings war durch graue Nebelschwaden nicht viel zu erkennen - nur ab und zu gaben sie den Blick auf eine dürre, eingefallene und krank wirkende Haut frei.

Auf dem Tisch im hinteren Teil des Raumes lagen einige Schriftstücke, ein weiterer ovaler Stein, der zu der Vorrichtung Simons passte und einige, kleinere Gerätschaften. Vor allem waren es aber beschriebene Blätter und sogar alte vergilbte Bücher und Schriftrollen, die den Tisch füllten. Das was für die übel zugerichteten Menschen in dem Raum vorher verantwortlich war, ließ sich nicht blicken. Keine Spur war zu sehen, die darauf hindeutete, das hier vor einigen Minuten noch jemand gewesen war. Leise zischende und saugende Geräusche und ein stetiges Gluckern waren zu vernehmen aber ansonsten war es seltsam ruhig.
 1. Wertetechnisch keine Auswirkungen, da der folgende Kampf übersprungen wird. Könnt ihr aber trotzdem gerne ausspielen.

Marguerite Moulin

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« Antwort #382 am: 14.08.2014, 21:41:49 »
Maguerite quieckte laut als die dampfende Wolke Dampf aus dem Zwischenraum ihnen entgegen schlug. Maguerite hatte zwar weit genug von der Tür weg gestanden trotzdem war der Dampf sogar bis zu ihr vorgedrungen und ihre Haut an den Armen war stark gerötet und brannte wie Feuer. Unweigerlich viel vorsichtiger folgte sie allen in den nächsten Raum.

Sie war maßlos enttäuscht. Sie hatte eine Art Altar erwartet mit einer golden schimmernden Kugel darauf. Aber was war das für ein Drecksloch? Der Enttäuschung geschuldet warf sie nur einen kurzen Blick durch den Raum[1]. Ernüchtert ging sie zu dem Tisch und kramte in den Aufzeichnungen herum, die dort lagen.
 1. Wahrnehmen: 5
„Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“

Aether Shanty

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« Antwort #383 am: 15.08.2014, 14:00:32 »
Der heiße Dampf schlug dem Schurken entgegen, welcher dicht hinter Simon durch die offene Tür schritt, und ließ ihn die Zähne vor Schmerz zusammenpressen. Wilbur ließ sich davon jedoch wenig ablenken und drängte die nasse Hitze in den Hintergrund seiner Wahrnehmung, war es doch nicht die erste, tückische Falle in diesen Katakomben, welche aus Dampf bestand und sich nach dem ersten Einwirken, schnell in Schall und Rauch auflöste. Verglichen mit dem giftigen, Sinne-vernebelnden Gas am Eingang oder den Granaten der Maschinenmonster war dies nur Wasserdampf... Kaum genug, um einen höheren Effekt zu erzielen, als nur die Kaverne in eine düstere, gar mystische Grabesatmosphäre zu tauchen.

Will' ließ seine Sinne rasch sich einen Überblick in dem Zimmer verschaffen. Da Marguerite bereits die Initiative ergriffen hatte und sich dem Tisch näherte, beschloss der Vigilant, die Maschinerie inmitten des Raumes genauer zu begutachten. Langsam, ohne dabei das Gewehr zu senken näherte er sich dem großen Kubus und versuchte, durch das beschlagene Sichtfenster einen Eindruck zu erhaschen, was sich wohl für Grausamkeiten darin verbergen mochten. Innerlich stellte er sich nach den jüngsten Erlebnissen auf das Allerschlimmste ein, als seine Linke versuchte, den geronnenen Dampf auf der Scheibe mit einem Wischen zu entfernen, um den Blick darauf zu klären...[1]
 1. Wahrnehmung 11

Der Flüstermann

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« Antwort #384 am: 19.08.2014, 07:34:25 »
Marguerites kurzer, enttäuschter Blick durch den Raum gab ihr keine neuen Erkenntnisse. Dafür waren die Aufzeichnungen auf dem Tisch umso interessanter. Tatsächlich waren die meisten Blätter und Bücher voll von mathematischen Formeln aber auch anatomisch korrekte Darstellungen eines Menschen waren darunter. Verschiedene Maschinen waren auf die Blätter gezeichnet, direkt neben Herzen, Lungen und anderen inneren Organen. Es war eine seltsame und weiterhin verstörend analytische Mischung aus Mechanik und lebender Materie. Das passte allerdings gut zu dem, was die Gruppe bisher gesehen hatte. Die Irrneblerin erschreckte kurz, als sie eine Kugel in einer der Aufzeichnung erkannte. Es gab keinen Zweifel. Laut den Zeichnungen gab es mehr als eine Kugel. Sie war etwas, das diesen Wesen die Kontrolle über den Körper erlaubte - eine Kopie eines Gehirns.

Und genau an der Stelle, an der man ein Gehirn finden würde, würde man auch die Kugel finden.

Während Marguerite die Entdeckung machte, die sie alle aus dieser Hölle herausholen würde, näherte sich Willbur Draecorik der Maschinerie in der Mitte des Raumes. Er wischte über die beschlagene Scheibe und entdeckte eine menschliche Gestalt, die von grauen Nebelschwaden umgeben war und auf einem kleinen Podest stand.
Sie musste über zwei Meter messen und zeigte in voller, abartiger und kranker Pracht das Ergebnis, jahrelanger Manipulation des menschlichen Körpers. Dieses Mal verhüllte keine alte Lederrüstung den Körpers des Wesens. Eingefallene, graue, krank wirkende Haut spannte sich über tote Muskelstränge, die mit kleinen Pumpen und dünnen Schläuchen verbunden waren. Zahnräder waren neben Knochen angebracht, bewegten sich aber momentan nicht. Gefäße waren in den leeren Brustkorb gebaut worden, die Flüssigkeit beinhalteten und diese durch Pumpen durch die ganzen Schläuche transportierten. Der Kopf war nur noch ein menschlicher Schädel voller Drähte.
Doch selbst von diesem Blickwinkel aus konnte Aether erkennen, dass eine Kugel in dem Schädel steckte und mit dem Rest des Körpers verbunden war. Ganz offensichtlich war dieses Wesen tot, abgeschaltet oder in einer Art Koma, denn die einzige Bewegung war die Flüssigkeit, die durch den Körper gepumpt wurde.

Shiver

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« Antwort #385 am: 21.08.2014, 23:03:37 »
"Schon bitter, was Mensch'n für die Aussicht auf'n ew'ges Leb'n alles tun, was?", sagte Shiver, als er hinter Aether Shanty an der Scheibe stand und ebenfalls auf das merkwürdige Wesen blickte, welches halb Maschine und halb Mensch war. "Sie müss'n Lust auf irgend'ne Art von Leb'n gehabt hab'n und gleichzeitig höchste Verachtung. Das hier alles ist 'nen bissch'n wie Middlesteel. Dort leb'n bedeutet auch am Leb'n zu häng', egal wie scheiße es is'. Es is' häufig unwürdig, und doch woll'n wir alle nich' abkratz'n. Darin sind wir fast alle gleich, bis zum Punkt, wo manche von uns sich aufgeb'n, was? McKinkai, der alte Hur'nbock hatte genau das im Sinn, was? Wusste, worauf wir hier stoß'n musst'n. Seine Alte also." Shiver rieb sich die Glatze, an der sich wieder die ersten kastanienbrauen Stoppeln langsam sehen ließen, es gab es kratziges Geräusch.

"Ob er seine Alte in Öle und Lauge eingelegt hat, s'e mit irgendwelch'n Tinktur'n einschmiert, um s'e nich' gammeln zu lass'n, bis er die Kugel hat? Daher all die Besess'nheit? Der Wille, andere zu opfern, damit er seine Alte wiederhat?"
Shiver lächelte, es war freudlos, am liebsten hätte er sardonisch gelacht. So waren sie. Er würde für die Perle auch seine Begleiter opfern, nicht grundlos zwar, aber er würde es tun. Ja, auch wenn er nur ihr Werkzeug und ein Tröster war. Wenn Aether und die Perle am Abgrund hingen und er nur eine Person retten könnte, es wäre keine Frage. Jeder hatte wohl eine Person, für die er sich entscheiden würde, irgendwann im Leben. McKinkai war vielleicht über diese Entscheidung hinaus und versuchte zu rückgängig zu machen, den Verlust umzukehren, doch das war alles Spekulation.

"Ob die Kugel in dem Vieh is'?", fragte Shiver schließlich.

Marguerite Moulin

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« Antwort #386 am: 22.08.2014, 18:19:36 »
Verstört drehte sich Maguerite um, weg von den Aufzeichnungen, Details, die ihr wahrscheinlich für immer im Gedächtnis bleiben würden. Mit langsamen Schritten schloß sie zu den anderen auf, die vor dem riesigem Kanister standen in dem eines dieser merkwürdigen Halbwesen gefangen war.
Als wollte sie sich die Schrecklichkeit des Bildes ersparen lugte sie nur vorsichtig über Simons Schutler. "Hat das Ding ne Kugel im Kopf?", fragte sie, weil sie sich nicht traute selbst hinzugucken.
"Die Kugel sitzt im Kopf, als ne Art Gehirn. Wobei ich nicht weiß, ob ich möchte, dass die Dinger jemand in die Finger kriegt."

Ihr lief ein kalter Schauer die Schultern herunter: "Vielleicht sollten wir lieber die Kugel nicht finden..."
„Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“

Aether Shanty

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« Antwort #387 am: 22.08.2014, 19:29:52 »
"Die Kugel ist was?!" Entfährt es dem Schurken vor Entsetzen. Er fixierte das groteske Gesicht des Wesens.

Wenn das alles, was seine beiden Gefährten da sagten, stimmte, dann hatte Shiver Recht! Dieser verdammte, schmierige Mechomaniker aus Spence' wollte diese Kugel dazu benutzen, seine verstorbene Frau wieder zu erwecken... Zumindest würde das einen ziemlich eindeutigen Grund liefern, wieso er zwei Mal eine solch gefährliche, äußerst kostspielige Expedition finanzierte. Selbst wenn dies nicht gänzlich der Wahrheit entsprach, konnte Willbur die eben gesprochenen Worte Marguerites nicht von der Hand weisen. Wenn diese Kugel dort, in dem hässlichen Gesicht dieser maschinellen Abartigkeit, tatsächlich für dieses unheilige Leben jener Maschinenwesen verantwortlich war, dann war es wahrlich keine gute Idee, sie dem Mechomaniker zu liefern! Will' konnte nur mutmaßen, was für grauenvolle Experimente der alte Mann, mit Hilfe des zwielichtigen Mister Blacks, dort unten in seinem Keller durchführen würde.

Nein. Für alles Geld der Welt würde Willbur seinen Auftrag nicht zu Ende bringen. Für einen kurzen Augenblick spiegelten sich die Gesichter seiner Gefährten in der Sichtscheibe des Tanks und führten ihm plötzlich vor Augen, dass er nicht wusste, wie sie darauf reagieren würden... Und was er tun musste, sollten sie anderer Meinung sein.

"Shiv', mal angenommen Marguerite behält Recht und dieses Ding sorgt wirklich dafür, dass eine Maschine zum Leben erwacht... Nehmen wir für einen Augenblick an, dass es wirklich stimmt, dass die verstorbene, liebe Frau Kinkai dort unten, verborgen in seinem Labor nur darauf wartet, in so etwas verwandelt-" Er nickte dem Wesen hinter der Scheibe zu. "Zu werden. Könnten wir dann, bei all unserer Habgierigkeit verantworten, was der Kerl da auf Middlesteel loslässt? Ab gesehen von den möglichen grausamen Folgen... Was ist, wenn herauskommt, dass wir daran beteiligt waren? Ich kenne mich ja nicht mit der Rechtssprechung in diesem, speziellen Belangen aus... Aber ich weiß, dass seine Geliebte für das Bauen eines Kombos die Bonegate Quadrille tanzte! Verfluchte Scheiße, wenn jemand das herausfindet, dann kostet das unser Leben."

Simon Hook

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« Antwort #388 am: 25.08.2014, 23:11:13 »
Simon sah Maguerite, die durch die Aufzeichnungen blätterte, interessiert über die Schulter, und als sie sich von den Akten und Büchern abwandte, widmete er sich selbst diesem – wie er fand – höchstfaszinierendem Sammelsurium voller Ingenieurskunst, wie er sie noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Eigentlich hätte er erwartet, dass sich ihre geflohenen Gegner in diesem Raum versteckten. Stattdessen waren die Expeditionstruppe auf eine weitere Art Labor gestoßen… Oder eher eine Werkstatt? In diesem Fall war dies wirklich schwer zu entwirren.

Der junge Sondergardist hörte mit einem Ohr mit, was die anderen sagten. Was sie hier vor Augen hatten, war wirklich befremdlich und gehörte bestimmt nicht in die Hände eines solchen verkorksten Verrückten, wie McKinkai es zweifelsfrei war, aber Simon wusste, dass seine eigene Meinung wenig zählte. Der Auftrag von Hauptmann Flare war eindeutig gewesen: Beobachten, bewachen, berichten. Was mit der Kugel geschehen würde, sollte niemand der Expeditionsteilnehmer entscheiden. Eigentlich. Es war eine schwierige Entscheidung und ein Dilemma, vor dem die Gruppe gerade stand, das war Simon klar. Und ja, Aether hatte nicht unrecht: Die Kugel, oder eine der Kugeln, durfte nicht in falsche Hände geraten und somit ein Werkzeug irgendwelcher Machenschaften werden, deren Ausgang man unmöglich voraussagen konnte. Dass nichts Gutes daraus erwachsen würde, wenn sie gerade McKinkai das gaben, wonach er gierte, war jedoch recht absehbar.

Simon nahm seinen Rucksack ab und begann, den Diskussionen zum Trotz, möglichst viele der Aufzeichnungen, aber besonders diejenigen, die ihm am aufschlussreichsten über die Bau- und Funktionsweise der Kugel erschienen, einzupacken. Das würde Hauptmann Flare – oder die Männer hinter Flare, sicherlich interessant finden. Und es würde Simons Bericht stützen.
„Es gibt noch eine andere Möglichkeit“, mischte er sich währenddessen in das Gespräch ein. „Wir verraten McKinkai. Ehrlich gesagt, könnte ich ihn gar nicht verraten. Denn hinter seiner Sache habe ich nie gestanden, oder seht ihr das anders? Was wir hier haben, ist der Beweis, dass dieser irre Alte nach Bonegate gehört... Wir verhalten uns einfach wie rechtschaffene Bürger Middlesteels und zeigen ihn an. Ich meine: Wir können nur dafür sorgen, dass dies nicht in seinen Händen landet, oder nicht? Ich sehe mich nicht befugt, darüber zu entscheiden, ob diese Aufzeichnungen zu gesetzeswidrig und gefährlich sind. Dafür sind andere zuständig. Mitnehmen sollten wir sie dennoch. Was wir hier sehen, ist erschreckend, ja, aber überlegt euch doch mal, was es für die Medizin bedeuten würde, das alles hier im Dschungel in Vergessenheit geraten zu lassen. Das Wissen, das hier schlummert, kann man auch für gute Zwecke verwenden. Es könnte Menschen helfen. Und wenn auch nur in der Hinsicht, dass es McKinkai das Handwerk legt, wenn wir es nutzen, um unsere Behauptungen über ihn zu unterstützen.“

Shiver

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« Antwort #389 am: 26.08.2014, 07:51:37 »
Der Glatzkopf konnte sich ein lustloses Lächeln abgewinnen, als er hörte, wie seine Gefährten auf einmal gegen das Mitbringen der Kugel waren. Dieser alte Heldengen, diese Selbstzufriedenheit, vor allem von Männern, wenn sie die Chance hatten, wenn jemand ihnen das Gefühl geben konnten, etwas zu bedeuten. Es war die größte Art der Verzauberung, gebe jemanden Bedeutung und er verliert sich darin, meist aus Selbstliebe am Anfang und dann durch Überforderung.

Kritisch betrachtete Shiver, wie Simon die Schriften einsammelte. Shiver rieb sich die Augen. "Vergess'n wir besser nich', dass wir nich' die einz'gen hier sind und nich' die einz'gen sind, die hierhin geschickt wer'n. McKinkai aufhalt'n, weil wir ihn die Kugel nich' geben? Pff. Er schickt die nächst'n. Wir McKinkai aufhalt'n? Aufgrund einer bloßen Vermutung? Kennt jemand McKinkai gut genug, dass er ihm das vorenthalt'n kann? Und selbst wenn, was tun? Hier wer'n Leute verschleppt und verändert oder ihr Blut gemolk'n. Die Anlage zerstör'n? Wie? Alle Kugeln mitnehm'n oder woanders im Dschungel vergrab'n? Sie ins verdammte Meer schmeiß'n? Habt ihr Hoffnung, dass McKinkai nich' vorgesorgt hat? Dass das scheiß Schiff vielleicht gar nicht abfährt, wenn wir die Kugeln nich' hab'n?

Im Gegenteil. Macht es nich' Sinn, wenn man mit dem Mist Gutes anstell'n könnte, so 'ne Kugel mitzunehm'n und sie dann jemand anderem zu geben? Oder zwei Kugeln mitzunehm'n und eine an McKinkai zu geb'n und andere zu warn'n und ihn'n auch eine Kugel zu geb'n? Wenn sie das Hirn ersetz'n, müss'n hier mehr sein.

Ich für mein Teil brauch' die Knete. Und ich will mir nich' sagen, dass ich umsonst hier war. Falsches Gutmenschentum hilft uns da nich' weiter, wisst ihr. Ich versteh', dass ihr sauer seid, dass zwei Leute für McKinkai gestorb'n sind aus unserer Expedition und noch mehr aus der Alt'n. Wir haben alle geseh'n, was passier'n kann. Und? Mach'n wir das Leben in Middlesteel besser? Bestimmt nicht. Mach'n wir es schlimmer? Ach. Ihr nehmt euch zu wichtig, wenn ihr glaubt, die scheiß Welt zu rett'n in irgend'nem fernen Dschungel."


Shiver blickte seine Gefährten an und zuckte mit den Schultern. "Is' nur meine Meinung. Wir bekomm'n McKinkai nich' in die Finger, nur weil wir beschloss'n hab'n, ihn aufgrund neuer Erkenntnisse und Spekulation'n scheiße zu find'n."
Dann steckte Shiver sich eine Zigarette an. "Aber wenn ihr kneift, zieh ich mit. Dann schuldet ihr mir aber 'nen paar Bier."

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