Die Fortsetzung ihrer Suche nach dem Ausgang aus diesem götterverlassenen Tunnelsystem heitert Horgus Gwerm weniger auf, als man aufgrund seiner ständigen Unzufriedenheit und seiner Eile, Neathholm schnell hinter sich zu lassen, annehmen könnte. Der Händler ist sehr weit von Zufriedenheit entfernt, obwohl sich vermutlich inzwischen niemand der Anwesenden mehr vorstellen kann, dass der mürrische, dicke Mann überhaupt in der Lage ist, auch nur einmal kein Haar in der Suppe zu suchen (und wenn er keins findet, sich stattdessen einen anderen Grund ausdenkt, um meckern zu können). Doch tatsächlich ist der nach der Drohung des Emirs recht still geworden und schimpft noch nicht einmal lamentierend über seine Lage oder seine schmerzenden Füße.
Wer dies jedoch damit begründet, dass Horgus eingeschüchtert ist, irrt sich. Niemandem dürfte entgangen sein, dass der Adlige ein Feigling ist, doch er ist überaus stolz und fühlt sich in seiner Ehre zutiefst gekränkt. In ihm gärt Zorn und Hass, denn der Wüstenmann hat sich über ihn lustig gemacht, ihn als schlimmsten Störenfried und schlechten Menschen bezeichnet und es nebenbei auch noch gewagt, Horgus‘ Kindheit anzusprechen. Derart persönlich zu werden und im gleichen Atemzug zu verlangen, Beleidigungen zu unterlassen, spricht für Horgus einmal mehr für die Falschheit des Keleshiten. Der Händler würde nicht leugnen, dass es ihm Freude und Genugtuung bereiten würde, dem Emir in einem Duell eine gehörige Lektion zu erteilen. Dennoch würden sich wohl die Dämonen mit etwas Glück um diesen vorlauten Prediger kümmern und sich dieses Problem würde sich damit auf weniger anstrengende und riskante Weise erledigen… Man will ja nichts überstürzen – und sich besonders nicht in einen sinnlosen Kampf stürzen.
Horgus interessiert es hauptsächlich, zurück an die Oberfläche zu gelangen und nach Hause zu kommen. Alles weitere, selbst sein Ego, muss zugunsten dafür hintenan stehen. Horgus fällt das alles andere als leicht. Er ist ein Geschäftsmann, der selbst einem geschenkten Gaul ins Maul schauen würde, und der Emir ist ein sehr großes Ärgernis für ihn, aber die Umstände verlangen danach, sich dennoch zu sagen und einzureden, dass der Keleshite auf irgendeine Art und Weise dienlich sei. Eine Person mehr zwischen Horgus und den Dämonen sowie deren Dienern kann eigentlich nichts anderes als dienlich sein.
So hält Horgus im stillen Groll die Klappe, bis Lann das Tor zur Siedlung des feindlich gesinnten Mischlings-Stamm ankündigt und verschwindet. Der Händler spürt seine eigene, nun stärker werdende Nervosität, während er sich jedoch überraschend gelassen gibt und auch einem Wutanfall fern zu sein scheint.
„Welch Jammer, dass Frau Tirabade schlecht zu Fuß ist“, kommentiert Horgus im trockenen Ton das Angebot des Emirs, die Tür zu untersuchen und zu öffnen, auch ohne Fähigkeiten eines Diebes zu besitzen, wobei der adlige Händler das Wort ‚Frau‘ zwar beiläufig, allerdings sicherlich beabsichtigt betont.
„Das Diebeshandwerk ist ihr Fachgebiet.“
Horgus ist überzeugt davon, dass die Schurkin sich an einem Einbruch und Raub in einem seiner Lagerhäuser beteiligt hat, weswegen er auch schon beim Streit beim verfluchten Zwergentempel im Zorn eine in diese Richtung gehende Andeutung gemacht hat. Er selbst ist eher interessiert, dass Türen – besonders diejenigen, die sein Eigentum vor Langfingern wie Anevia schützen – gut gesichert und verschlossen sind, weswegen er wenig Ahnung davon hat, sich an Schlössern und Fallen zu schaffen zu machen. Ohnehin verspürt Horgus nicht das Verlangen, sich heimlich (oder überhaupt) dem Tor zu nähern, hinter dem sich wahrscheinlich weitere Mischlinge und dazu noch Dämonenanhänger verbergen.
Erst recht, als der Emir bekanntgibt, böse Auren in der Nähe wahrzunehmen, runzelt Horgus die Stirn. Diese Nachricht missfällt ihm, selbstverständlich, jedoch bewahrt er sich genug Würde, kein Anzeichen von Angst oder Schrecken auf seinem runden und wenig ansehnlichen Gesicht zu zeigen.
„Geht dies nicht präziser?“, hakt Horgus mit ungeduldigem Unterton nach, denn er begehrt eine genaue Anzahl der Auren sowie ihre Stärke und eine genaue Angabe dessen, was mit ‚in der Nähe‘ gemeint ist, zu erfahren. Was er jedoch nicht spezifiziert, denn es sollte offensichtlich sein, was ihm an der Formulierung des Emirs nicht präzise genug ist. Außerdem pflegt er mit überheblichem Verhalten von seinem inneren Unbehagen abzulenken.