„Leider habe ich nur Gerüchte gehört und vermag nicht zu sagen, ob diese wahr sind oder nicht“, hatte Yngvar Anevia noch geantwortet, denn der Skalde hatte ihr keine Anwort schuldig bleiben wollen – und immerhin wollte er deutlich machen, dass er sich selbst nicht sicher war, ob Streiter, darunter auch Mitglieder der Adlerwache, sich im Herzen des Verteidigers verschanzt hatten.
Den Weg zur Bibliothek an der Seite seiner neuen Wegbegleiter bringt Yngvar in sich gekehrt hinter sich. Für den charismatischen Skalden, der sonst gerne und auch viel redet, wenn es passt, ist dies ein ungewöhnliches Verhalten – aber es passt zu den ungewöhnlichen Umständen. Trauer um Kenabres und die Leben, die er nicht hatte retten können, beschäftigt ihn. Bilder des Schreckens haben sich an die Innenseiten seiner Lider gebrannt. Der Hass gegen die Dämonenbrut in ihm ist größer als je zuvor. Selbst, dass Horgus seine Hilfe, wieder auf die Beine zu kommen, ausgeschlagen und blaffend gegen ihn gewettert hat, hat der stolze Nordmann hingenommen als hätte ihn dies nicht beleidigt. Ihm fehlt einfach die Kraft, sich mit solchen Bagatellen auseinanderzusetzen.
Doch gibt es wohl auch wichtigeres als sich über diesen ungehobelten Mann aufzuregen. Das Ziel der Gruppe, die Schwarzschwingenbibliothek, hat den Angriff der Dämonen nicht überstanden – doch es scheint noch Überlebende zu geben. Yngvar ist sofort wie aufgescheucht, als er die Hilfeschreie vernimmt, sieht jedoch schnell, dass er nur im Weg stehen würde, würde er sich ebenfalls an der Rettung beteiligen. Stattdessen lässt er aufmerksam seine Hand am Schwertheft, um bereit zu sein, seine Waffe im Notfall zu ziehen, sollte sich die Situation als Falle erweisen. Aber auch Sir Uther, der sich etwas von den anderen entfernt, behält Yngvar im Blick. Der Skalde setzt dem Ritter einige Schritte nach, behält dann aber taktvoll Abstand, als er merkt, was der durch eine hässliche Brandnarbe entstellte Mann im Sinn hat.
Schmerz ist grausam, gerade der Schmerz des Verlusts von geliebten Menschen, den Sir Uther anscheinend erlitten hat. Ein Blutschwur, die Verlorenen zu rächen, ist eine ehrenvolle und gerechte Sache. Murmelnd betet Yngvar zu Torag, dass auch er über den Streiter der Iomedae in der Schlacht wachen möge – über sie alle –, und wendet sich, als Emir Ali Ismael zu Sir Uther tritt, den inzwischen Geretteten zu, die gerade von ihrem Martyrium und ihren Peinigern berichten.
„Chaleb wird für seinen Hochverrat büßen, Herrin Fenna“, spricht Yngvar nach der Schilderung ernst und mit einer Überzeugung, von der er selbst nicht weiß, woher sie stammt. Da Ka’Orth bereits die Vorstellung der gesamten Gruppe übernommen hat, meldet Yngvar sich so direkt zu Wort, ohne selbst seinen Namen zu nennen.
„Es schmerzt mich, was er diesem Hort des Wissens sowie vor allem Euch und Euren Gefährten angetan hat“, fährt er fort, denn es bricht ihm als Skalde und Hüter des Wissens wirklich das Herz, eine heillos zerstörte Bibliothek zu sehen, aber selbstverständlich liegt ihm das Leben anderer mehr am Herzen als Pergament und Papier. Leider hat er auch keinen Schimmer, was er mit der Information über den Würmerdämon anfangen soll, denn von so einer Kreatur hat er noch nie etwas gehört.
[1]„Mein Beileid zu Eurem Verlust, doch sollten wir Euch nun von hier fortbringen - nachdem wir die Toten bestattet haben, wenn Ihr dies wünscht, denn ich will mich gern anbieten, dies zu übernehmen oder Euch dabei zu helfen. Ich fürchte, in Muße Abschied zu nehmen, wird Euch an diesem Ort nicht gewährt sein. Es ist hier nicht sicher, so wie vermutlich nirgends in Kenabres, aber sollten Überlebende Kreuzritter wirklich am Herzen des Verteidigers ein befestigtes Lager errichtet haben, so wie ich schon mehrfach vernommen habe, werdet Ihr dort sicherer sein als anderswo.“
Dann blickt Yngvar jedoch fragend in die Runde.
„Dies wäre doch nun unser Ziel?“, will er wissen. „Verzeiht, ich will nicht Entscheidungen für Euch treffen, immerhin begleite ich Euch – und nicht umgekehrt.“
Vielleicht hat er kurz seine Position vergessen. Hier in diesen Landen gilt das Wort von Adligen und Rittern mehr als das eines Gelehrten, der in ihren Augen ohne Titel und eigentlich nur ein Schausteller ist. Dies ist eins der Dinge, an die er sich immer noch nicht gewöhnt hat, immerhin sind Skalden in seiner Heimat bedeutsame Leute in den Gemeinschaften.