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Autor Thema: Une nouvelle ère  (Gelesen 56415 mal)

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Paul Zeidler

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Une nouvelle ère
« Antwort #75 am: 02.05.2014, 14:17:56 »
Paul und von Lütjenburg folgten der Einladung des Paters ohne viele Worte. Paul hätte ohnehin nichts gewusst, was er noch zu seinem Begehren hätte hinzufügen sollen. Freundliche Worte und Gesten kamen ihm jedenfalls nicht in den Sinn. Er wirkte nachdenklich und zerstreut. Und er musste an sich halten, dass ihm die vielen Gedanken nicht aus dem Mund fielen, so wie dem alten Galetti[1], den er sogar selbst einmal getroffen hatte. Am Rande seiner Wahrnehmung war da die einfache Wohnsituation des Paters und es verwunderte ihn auch, da er nicht erwartet hatte, dass ein so hoher Herr so einfach lebte. Das war aber einer von vielen Gedanken und Bildern, so dass es ihn kaum beschäftigte und sogleich war es wieder vergessen.

Paul folgte dem Pater und setzte sich auf das Sofa. Die Situation hatte schon fast etwas komisches, dachte er für einen Moment. So stellt die Tochter ihren Umwerber dem Vater vor. Er auf dem Sofa, der Vater in einem Sessel gegenüber. Nur dass nicht ein junges glückliches Dinge neben ihm saß, sondern von Lütjenburg.

Die Frage nach dem Getränk riss Paul aus seinen Gedanken. "Wein, bitte", antwortete er und wagte nicht, sich selbst einzuschenken, denn vielleicht wäre das unhöflich. Dann dachte er: "Unter allen Umständen den Wein - und wenn er sauer ist, umso besser. Dann bitte einen Zweig Ysop dazu, wegen dem Bilde." und es erschien ihm das Vorstellung des gequälten Heilands am Kreuze[2]. Und als er das Bild in aller seiner Deutlichkeit vor seinem inneren Auge ausgemalt hatte, da erschrack er über sich selbst und musste sich fragen, ob er nun toll oder größenwahnsinnig wurde. Indessen, er wußte nicht, warum ihm das Bild gekommen war oder was es ihm bedeuten sollte. Vielleicht waren seine Nerven einfach überreizt. Aber gut.

Als der Pater ihn schon zum zweitenmal aufforderte, zu sprechen, zwang sich Paul sich zusammenzureißen und begann, sich zu erklären. "Pater, ich danke Ihnen, dass Sie uns beide empfangen. Der Grund unseres Besuches liegt darin, dass wir besorgt sind um die jüngsten Geschehenisse in Paris, und dass wir von einer unmittelbaren Gefährdung Ihrer Person wissen. Doch bevor wir ihnen das alles davon berichten, will ich uns vorstellen. Es soll niemand sagen können, dass wir Sie trügen wollten. Neben mir sitzt Carl von Lütjenburg. Er ist Oberst der deutschen Armee vor Paris. Ich bin ebenfalls ein deutscher, noch dazu ein Protestant. Ich habe eine kleine Gemeinde hier in der Stadt, schon einige Zeit. Wir beide haben uns durch einen Zufall kennengelernt und die Sorge um eine blutige und blutigste Revolte der Blanquisten und Socialisten hat uns bewogen, zusammenzuarbeiten, so unterschiedlich unsere Ziele sonst auch sein mögen. Was meine Person angeht, so weiß ich sehr wohl, in welcher Gefahr ich schwebe, mich Ihnen zu offenbaren. Bitte verstehen Sie dies aber insofern, dass ich Ihnen mein Vertrauen anbiete, bevor ich über mein Wissen spreche."

Paul machte eine Pause und wartete darauf, wie der Pater reagieren mochte.
 1. Johann Georg August Galetti: Gymnasiallehrer in Gotha. Bekannt für seine Zerstreutheit, seine wunderliche Art und vor allem für seine Stilblüten. Etwa: Sie wissen wohl, dass der Klügere immer nachgibt, aber da kennen sie mich schlecht, denn ich gebe nicht nach.
 2. Johannesevangelium 19,29f.: Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es ihm an den Mund. Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht!, und neigte das Haupt und verschied.
« Letzte Änderung: 02.05.2014, 14:41:01 von Paul Zeidler »
"Siehe, ich mache alles neu" - Offenbarung des Johannes 21,5

Aspekte: Zwischen den Welten, Der Tag beginnt um Mitternacht, Leading by Example, Lokale Bekanntheit, Das Reich Gottes

Sébastien Moreau

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Une nouvelle ère
« Antwort #76 am: 05.05.2014, 23:13:39 »
„Ein verdammter Moralapostel“, antwortete Sébastien lachend, als François seinen Redeschwall beendet hatte und Nicodème fragte, wer Paul Zeidler überhaupt sei. „Ein Pfaffe und Prediger, fast wie du, nur eben ein Protestant. In den vergangenen Tagen ist er uns zwei-, dreimal über den Weg gelaufen, erst heute Früh zuletzt“, erinnerte sich der junge Arbeiter. Genau… Paul Zeidler war auf dem Place Blanche gewesen und hatte versucht, die Schlägerei zu verhindern.
„Fast habe ich schon den Eindruck, er folgt uns“, fügte er hinzu und war sich gar nicht so sicher, ob er das so scherzhaft meinte wie er es klingen ließ.

Sébastien hatte Nicodème sehr wohl angemerkt, dass dieser eindeutig nicht überzeugt von der Idee seines besten Freundes war, aber Sébastien ließ sich für ausgefallene Ideen meist begeistern, gerade wenn sie von François stammten. War dies einerseits Loyalität dem Freunde gegenüber verschuldet, war diese Entführung, die sie planten, für Sébastien ein Abenteuer, dem er nicht widerstehen konnte. Einerseits ging es um die große, übergeordnete Sache, aber auch lockte sie wieder das Jungenhafte in dem eigentlich bereits erwachsenen Arbeiter und Familienvater hervor, der früher gern mit seinen Brüdern und Freunden auf den Straßen Paris‘ Soldat gespielt und Streiche ausgeheckt hat. Er wollte beeindrucken – nicht zuletzt die hübsche, reizvolle Madame Lavalle.

„Ich war bei ihm in seiner kleinen Suppenküche“, erzählte Sébastien weiter, „und habe mir angehört, was er zu sagen hatte. Nun, eins ist sicher: Er will weder Blanquist noch Republikaner sein. Er möchte am liebsten, dass wir unsere Revolution vergessen, uns brav mit dem Feind die Hände reichen und gemeinsam die Nachfolge Christi antreten.“
Ein breites Lächeln huschte über Sébastiens Gesicht. Ein Kirchenmann war manchmal zu wenig Realist. Die Idee mochte nett und schön sein, doch sie war in den Augen des jungen Arbeiters nicht umsetzbar. Würden sie nun nicht kämpfen, würde sich an der Situation der Armen nie etwas ändern. Die Zukunft lag im Moment in ihren Händen. Wenn sie die Gelegenheit nicht nutzten, würde sich ihre Bewegung zerstreuen, und Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit würde weiterhin nur ein Traum bleiben.
„Er ist ein guter Mensch, doch kein Mann der Tat…“, urteilte Sébastien deswegen über Paul Zeidler, dessen Herangehensweise an das Problem in seinen Augen den Republikanern in die Hände spielen würde.
„Zumindest nicht in einer Art, die vergleichbar mit deiner wäre, Nicodème“, fügte er anerkennend hinzu und schlug ihrem Pfaffen dabei freundschaftlich auf die Schulter. Ein Priester, der Farbe bekannte und für die Rechte der Arbeiter eintrat, so wie Nicodème, war eine erfreuliche Erscheinung. Das war in Sébastiens Augen die Art von Nachfolge Christi, die gerecht war.
Doch dann kam Sébastien zum Wichtigsten zurück: ihrem Vorhaben.
„Wahrscheinlich ist die Idee, Zeidler ruhighalten zu wollen, gar nicht so verkehrt“, gab er seine Gedanken preis. „Zutrauen würde ich es ihm, dass er entschlossen und auch offen gegen uns arbeitet, wenn er kann, nur um unsere armen Sünderseelen zu retten“, lachte er. „Er versteht nicht so wie unser Pfaffe“, bezog Sébastien noch einmal Nicodème ein, „dass die Ereignisse sich nicht von allein bessern, sondern manchmal einen kräftigen Schubs in die richtige Richtung brauchen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der alte Mann uns freudig aufnehmen würde, wenn wir mit dem Darboy bei ihm anklopfen“, vermutete er, bevor er schelmisch lächelte und fortfuhr, „doch er muss ja nicht begeistert sein.“
Sébastien dachte nicht daran, seinen besten Freund zur „Vernunft“ zu bringen. Im Gegenteil: Er fand die Variante, den Erzbischof bei Zeidler unterzubringen, ebenfalls besser, als ihn direkt zu Achilles Werkstatt zu führen. Bezogen sie den alten Protestanten mit ein, würden sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Zeidler würde sicher nicht mit der Entführung des örtlichen, katholischen Kirchenoberhaupts in Verbindung gebracht werden wollen. Und François‘ Einwand, dass Darboy sich wohl eher von anderen Pfaffen bereden ließ als von Blanquisten, war nicht aus der Luft gegriffen.
„Mir gefällt der Plan, so können wir uns Zeidlers Schweigen sichern und ihn doch noch für unsere Sache gewinnen, wenn er erstmal erkennt, dass wir die Dinge nicht schlecht angehen, sondern damit die unnötige Gewalt verhindern, die auch wir nicht wollen.“ Das betonte Sébastien noch einmal mit einem Zwinkern in Nicodèmes Richtung. „Und wer würde schon erwarten, dass wir einen Pfaffen aus seiner Kirche mitnehmen und in eine andere bringen? Mehr oder weniger. Vorwarnen sollten wir Zeidler lieber nicht, wir überraschen ihn einfach, sonst macht er sich selbst noch Vorwürfe und kommt auf dumme Ideen, weil ihn Gewissensbisse plagen und er sich selbst schon vor dem himmlischen Richterstuhl sieht.“ Hier bestand womöglich ein ähnliches Risiko wie es das, sich bereits vor der Entführung mit Darboy abzusprechen. Sébastiens Gesprächspartner hatten Paul Zeidlers Predigt und Argumentationen gegen eine nicht gewaltfreie Vorgehensweise nicht mit angehört, doch Sébastien selbst waren diese gut in Erinnerung geblieben – vor allem aufgrund der Diskussion, an der er selbst nicht unbeteiligt gewesen war.
„So würden wir erst Darboy einen Schreck einjagen und dann dem Protestanten, doch wir wollen ihnen ja nichts Böses“, unterstützte Sébastien weiterhin François‘ Vorschlag. „Beide werden schon mit sich reden lassen, wenn wir sie vor vollendete Tatsachen stellen. Da fällt mir ein: Ich glaube, da war noch ein zweiter Pfaffe bei unserem Zeidler. Und dieser Kerl. Dieser Charles – erinnerst du dich noch an den, François? Der war heute Morgen auch dabei. Gehört ja vielleicht zu Zeidlers Jüngern“, scherzte er. „Sollte er heute Abend ebenfalls dort sein, wird bestimmt auch er einen guten Kameraden abgeben, wenn wir ihn erst einmal überzeugt haben“, war er zuversichtlich. Andernfalls müssten sie sich ja nicht mit Zeidlers Leuten anfreunden, wenn diese nicht wollen würden.

Damit war für Sébastien ihre Vorgehensweise entschieden, sofern seine beiden Brüder im Geiste nicht widersprechen würden. Im Stillen, aber nickend, hatte er François zugestimmt: Sie würden Darboy zu zweit aus der Kirche holen, ihn in die Kutsche verfrachten, die bereitstehen würde, und ihn dann zu Zeidler bringen. Vorerst. Was sich danach ergeben würde, würde sich noch zeigen. Zu Achille könnten sie immer noch umziehen, wenn die Gelegenheit dazu günstig sein würde.
„Liberté, égalité, fraternité!“

Menthir

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Une nouvelle ère
« Antwort #77 am: 13.05.2014, 11:44:36 »
Donnerstag, 23. März 1871 - Vormittag - 11:00 Uhr - Place du Châtelet (Quartier Saint-Germain-l’Auxerrois)

Darboy hatte die Hände aneinander gelegt, Fingerkuppe an Fingerkuppe, bis auf die Daumen, welche an seinem Kinn ruhten. Die Pose eines nachdenklichen, aufmerksamen Mannes. Und in der Tat hörte er den Worten Paul Zeidlers aufmerksam zu. Seine Mimik veränderte sich von Augenblick zu Augenblick, von einer gewissen Ungläubigkeit über ein Erstaunen bis zu einem erschrockenem Ernst, als Paul so freigiebig davon sprach, dass ein preußischer Oberst neben ihm saß und das ausgerechnet ein preußischer Oberst[1], ja viel mehr, gleich zwei protestantische Deutsche sich so sehr um seine Sicherheit sorgten. Paul konnte in den Augen des nachdenklichen Mannes sehen, dass er gut daran getan hatte, vorwegzusetzen, dass eine Täuschung nicht in seiner Absicht lag.

Darboy nahm Wasser und Wein, schenkte Carl von Lütjenburg eben jenes, klares Wasser und Zeidler vom Weine. Es war eine grüne Flasche mit einfachem Etikett und sie enthielt einen tiefroten Wein, der trotz der wenigen Tage, die er schon offen stand noch aromatisch und fruchtig roch. Wenn aus nur einer Flasche ein Geschmack abgeleitet werden konnte, dann war der Erzbischof ein Freund lieblicher Weine. Er goss beide Gläser, sowohl Wasser als auch Wein, halbvoll und stellte dann Karaffe als auch Wein wieder genau an dem Ort ab, an dem er sie aufgenommen hatte.

Er hatte dabei geschwiegen und sich Zeit gelassen. Zeit, die er dringend benötigte, um das Gehörte einen Moment sacken zu lassen und zu verdauen. Es war ungewöhnlich, gerade von so einer dann doch deutlich ungleichen Paarung über Geschehnisse informiert zu werden und scheinbar wägte er ab, inwieweit er darauf eingehen sollte oder nicht.
"Zuerst danken ich Ihnen für Ihre Sorge, meine Herren.", begann er schließlich im freundlichen Ton. "Sie haben recht, es dünkt mir ungewöhnlich, wie Sie zurecht andeuten. Zuletzt, da ich mir zwar sicher nicht Ihrer spezifischen Sorge bewusst sein werde, doch der Allgemeinheit der Gefahr gegenüber sehr vertraut zu sein habe. Ich erinnere daran, dass das politische Attentat doch freilich und leider, sowas wie das Erkennungsmerkmal politischer Umwälzung und politischer Unzufriedenheit geworden ist. Alleine Napoléon III.[2] Oder denken wir an den Tod Lincolns[3], von dem Sie zweifelsohne gelesen haben werden. Oder wenn Sie davon reden, dass Sie beide aus protestantischen Landen kommen, denken Sie doch alleine nur daran, welche Attentate in Preußen in den letzten Jahren verübt wurden, sei es aus politischer Unwucht oder aus verletzter Ehre. König Friedrich Wilhelm IV.[4] wurde aus verletzter Ehre angegriffen, der jetzige Kaiser wurde angegriffen, weil ein Student der Meinung war, dass er der Einigung des deutschen Reiches im Wege stünde[5], dem preußischen Ministerpräsidenten stellt man ewiglich nach, zuletzt um einen Krieg gegen Österreich zu verhindern[6]. Ich werde nie verstehen, warum Menschen überhaupt zur Überzeugung kommen, dass selbst in einem Alter der Personen-dominierten Politik, ein Anschlag, ein Toter reichen könnte, um seinen Willen durchzusetzen. Ich bin kein Historiker, beim besten Willen nicht. Aber wenn mir meine Zeit als Kirchenmann, in der Seelsorge und in der Verantwortung für die Christen etwas gezeigt hat, dann dass der Tod, so von jemanden gewollt, nie alleine kommt und dass in der Gewalt nie eine bleibende Lösung zu suchen ist. Wir Christen kennen das gut, Herr Zeidler. Wie viele unserer Toten sind nicht tot geblieben, sondern sind entweder Heiland oder Heiliger und Märtyrer geworden? Nicht, dass ich das in dieser Situation wollen würde, aber sie verstehen den Punkt: Der Mensch hat keine Macht über den Tod, selbst wenn er ihn bringt."
Darboy nahm die Hand vom Kinn, lehnte sich zurück und legte die Hände in den Schoss. Er blickte das ungleiche Paar einen Augenblick an.
"Ich fürchte die Gefahr, ein Stück weit werde ich Ihr dennoch trotzen müssen. Ich habe meinen Posten nicht im Kriege mit den Preußen aufgegeben, ich habe den Posten nicht im Zwiste mit dem Heiligen Vater aufgegeben, Sie sind sich deshalb auch bewusst, dass wütende Blanquisten, Sozialisten oder gar Kommunisten mich kaum von diesem Posten verdrängen können. Ich weiß, nur, weil in den letzten Jahren kein hochrangiger Kirchenmann durch ein Attentat niederging, muss das nicht heißen, dass dies so bleibt. Aber sehen Sie, wir leben in sehr unsteten Zeiten. Die Menschen kommen mit ihrem Lebenswechsel vom Land in die Fabriken nur spärlich klar, und was die einen als Fortschritt feiern, liefert den nächsten an das sprichwörtliche Messer. Überall toben Krieg und Wut und Verzweiflung. Ja, lassen Sie es mich drastisch formulieren: Es herrscht das Chaos. Und in diesem Chaos braucht der Mensch einen Anker. Der ist freilich für unterschiedliche Menschen unterschiedlich geartet, aber es ist eine christliche Pflicht, dieser Anker zu sein. So handeln doch ähnlich, Herr Zeidler. Sie geben dem Menschen auch Sicherheit in der Zeit der Unsicherheit, in dem sie ihn ernähren. Da bin ich ganz bei ihnen. Ich kann also nicht gehen, wenn Sie so etwas andeuten. Ich kann und darf nicht die Sache aus dem Blick verlieren, auch wenn ich selbst Angst vor dem Tode habe."
Darboy blickte beide eindringlich an. Seine Worte war ein Testament dafür, dass scheinbar schon im Allgemeinen die ein oder andere Person bei ihm persönlich aufgetreten war, um ihn davor zu warnen, alleine in der zumindest vergleichsweise bescheidenen Wohnung zu leben oder stoisch an seinem Posten festzuhalten. Wahrscheinlich mutmaßte er hier ähnliche Motive.
"Wie dem auch sei. Sie genießen mein Vertrauen, um mich in die Einzelheiten Ihrer Sorgen und Befürchtungen einzuweihen. Ich bin Ihnen dafür verbunden."
 1. Carl von Lütjenburg ist eigentlich Major.
 2. Napoléon III. wurde 1855 zuerst am 28. April von dem Italiener Giovanni Pianori beschossen, dann am 8. September vom Amtsdiener Edouard Bellemare. Zwar wurde bei zweiten Geistesgestörtheit festgestellt, beide können aber im weitesten Sinne darauf zurückgeführt werden, dass Napoléon gegen die italienische Vereinigung (Risorgimento) war und als Verteidiger des christlichen Glaubens auftrat. Napoléon inszenierte sich gerne als Schwertarm des Christentums, das war beispielsweise seine Legitimation, im Krimkrieg (1853-1856) einzugreifen. 1858 fand das schwerste Attentat statt. Bei einem Bombenattentat starben acht Menschen und 150 wurden verletzt, jedoch überlebten Napoléon und seine Frau unverletzt. Dieses Attentat hatte sogar Effekt. Der Italiener Felice Orsini hat zwar Napoléon nicht getötet, aber ihn in der Gerichtsverhandlung danach soweit persönlich beeindruckt, dass Napoléon seine Beziehung zu Italien verbesserte und ein großer Förderer der Einigung wurde (mit Ausnahme, dass er den Kirchenstaat erhalten sehen wollte). Napoléon III. ließ sogar Orsini in der Todeszelle durch den Polizeichef ausrichten, dass er es bedauerte, ihn aus Staatsräson seiner Strafe zuführen zu müssen.
 3. Attentat auf Abraham Lincoln (1865)
 4. Friedrich Wilhelm IV. wurde 1844 von Heinrich Ludwig Tschech angegriffen, der damit seine Ehre wiederherstellen wollte.
 5. Kaiser Wilhelm I. wurde 1861 (damals war er also noch König und gerade frisch Nachfolger seines verstorbenen Bruders Friedrich Wilhelm IV.) vom Studenten Oskar Becker in Baden-Baden verwundet.
 6. Otto von Bismarck wurde 1866 durch Ferdinand Cohen-Blind leicht verletzt.
« Letzte Änderung: 13.05.2014, 13:26:54 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Menthir

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Une nouvelle ère
« Antwort #78 am: 13.05.2014, 13:26:10 »
Donnerstag, 23. März 1871 - Vormittag - 10:45 Uhr - Rue des Saules (Montmartre)

Damit war es entschieden. Es herrschte eine hart erkämpfte Eintracht zwischen den dreien, die ihren mutigen Plan unter der groben Anleitung der Lavalle dingfest machten. "Das ist sehr gut. Dann lasst uns nachher bei mir treffen, so zwei Stunden vor der Abendmesse des Darboy. Was haltet ihr davon? Ich bringe alles an Ausrüstung, die wir brauchen dorthin, wir machen uns noch ein bisschen Mut und dann geht das auch schon los."
Selbst Nicodéme musste jetzt lachen, dass Monsieur Durand selbst in diesem Moment noch an Wein denken konnte. Aber wer konnte es ihm schon verübeln. Jeder hatte vor wichtigen Entscheidungen Angst, und meist half es nicht, diese Entscheidung dann noch umsetzen zu müssen. Ja, es war doch gar so geartet, dass viele zwischen dem Entschluss und der Umsetzung dieses Entschlusses keine oder kaum Zeit verstreichen lassen wollten, denn jede zähe Minute zwischen Entschluss und möglicher Umsetzung machte die Umsetzung fraglich, gerade wenn man sich seiner Sache nicht ganz sicher war. Vielleicht war die Lavalle deswegen zuerst ungehalten? Wollten sie diese Zeitspanne verkürzen und hatte Sorge, dass die drei Revolutionäre zu große Manschetten hatten? Nicodéme versuchte sich noch immer etwas zweifelnd zu geben, aber Sébastien erkannte, dass er im Großen und Ganzen einverstanden war.
"Es ist sicher kein wasserdichter Plan, aber wer kann schon behaupten, so einen aufstellen zu können, wenn er eine Welle des Moments reitet[1]. Wir sollten den Moment dann wohl ausnutzen. Immerhin kann keiner darauf vorbereitet sein, weil wir selbst erst seit eben davon wissen."
Nicodéme versuchte vor allem das Positive daran zu sehen. Sébastien wusste, dass es ihn beruhigen musste, dass auch weitere Geistliche an dieser Unternehmung, wenn auch unfreiwillig teilnehmen würden. Irgendwie mutmaßte der junge Pfarrer, dass dies helfen würde, alles auf vernünftigen Bahnen zu halten. François rieb sich die Augen einen Moment. Im Hintergrund hatte Achille wieder seiner harte, schweißtreibende und kreative Arbeit aufgenommen. Er beteiligte sich wie immer nicht sonderlich an diesen konspirativen Sitzungen. Sein Zeichen des Widerstands blieb die Kunst. François dachte noch einen ganzen Moment über das nach, was Sébastien gesagt hatte. Er war zufrieden mit dem Plan, aber dieser Charles war ihm augenscheinlich nicht geheuer.
"Ja, ich erinnere mich an diesen Charles.", antwortete er schließlich. "Ich habe nicht wirklich, dass Gefühl, dass er ein Zeidlerscher Jünger ist. Irgendwas anderes verbindet sie, da bin ich mir sicher. Ich mein, kann sein, dass diesen Charles auch nur Nächstenliebe antreibt, dass er sich hinter den alten Mann stellt und ihn schließlich aus der Menge trägt. War aber vielleicht auch nur sein schlechtes Gewissen. Ich mein, man musste ja auch den Republikanern heute morgen lassen, dass sie meist älteren Jahrgangs waren. Hatten mehr Rückgrat als die meisten Amtsträger und Konservativen, die hier so durch Paris kreuchen. Und weil viele Alte Rückgrat hatten, hat sich dieser Charles wohl schlecht gefühlt und eingegriffen. So handeln doch viele mit Stock im Arsch."
François bemerkte Nicodémes nachdenklichen Blick und versuchte dann nicht weiter auf seine Beschreibung einzugehen, sondern weiter auf diesen Charles. "Dann sind die beiden ja auch fix verschwunden. Zumindest habe ich sie nicht mehr gesehen. Es könnte jedoch eine Verbindung gemutmaßt werden, weil sie immer an ähnlichen Orten auftauchen."
"Nun ja, wenn man an Wohl und Wehe dieser Stadt interessiert ist und sein Quartier in Montmatre hat, gibt es auch nicht unendlich viele Möglichkeiten am öffentlichen Leben im Moment teilzunehmen.", gab Nicodéme zu bedenken. François nickte. "Das kann gut sein." Und atmete dann durch. Das Gehämmere von Achille ging ihm langsam auf den Zeiger und zehrte an seiner Konzentration. "Also um sechs bei mir.", sagte François und hob die Hand zum Abschied, klopfte dann beiden auf die Schulter und setzte noch nach. "Das wird ein unvergessliches Erlebnis! Wir drei gegen die Welt, für den Menschen!" Dann ging François aus dem Ausgang, aus dem auch die Lavalle gegangen war. "Ich werde da sein.", sagte Nicodéme nur. Er hatte sich wahrlich mit dem Plan abgefunden und würde ihm folgen. Noch immer würde es seinen Stand beim Erzbischof verschlechtern, wenn er von dessen Partizipation erfuhr. Aber wenn er nur Schmiere hielt und im Hintergrund wirkte, würde sich das schon ausgehen. Das war wahrscheinlich seine Hoffnung, und sie taten es schließlich für die Sache. Nicodéme folgte mit einer Verzögerung François und dann waren beide verschwunden. Erst in ein paar Stunden würden sie sich wieder sehen, dann jedoch würden sie sich ausrüsten und stolz in ihre persönliche Zukunft ziehen. Das war der Plan. Ein gefährlicher Plan.

Sébastien hörte, wie das Hämmern im Hintergrund verstummte als Nicodéme gegangen war. Der Mann mit den eingesackten Schultern kam mit unsteten Schritt auf ihm zu und wischte sich dabei die öligen Finger in einem alten Tuch ab. Achille Petit hatte immer schon die Angewohnheit gehabt, immer Ölreste aufzubrennen, um seine kleinen Schmiedefeuer in Gang zu bringen. Von seiner Position aus sah Sébastien, dass ein neues Stück Roheisen in dem kleinen Häufchen auf Temperatur gebracht werden sollte. Unvermittelt begann er zu sprechen und so ungewöhnlich, wie es war, er sprach von sich. "Ich war ein guter Freund von Louis Blanc[2]. Ich weiß nicht, hast du sein Werk gelesen oder mit ihm drüber gesprochen? L'organisation du travail[3]? Ob du es glaubst oder nicht, ich war daran beteiligt. Nicht groß. Aber ich war daran beteiligt. War ein Parteigänger für ihn, so ein richtiger Partisan[4] also. Wusstest du, dass Louis seit kurzem wieder hier ist? Er ist ein guter Mann, vielleicht nicht ganz deins, weil er weiß, Kompromisse zu schmieden. Ich mein nur." Achille Petit hielt inne und musterte Sébastien durch seine knopfartigen, dunkelgrünen Augen. "Ich war auch mal wie du. Genauso. Verstehst du? Unser Traum von einer sozialen Welt, im Umsturze errungen hielt keine vier Monate und das obwohl wir Männer wie Louis bei uns hatten[5]. Ja, wir haben die Todesstrafe für politische Delikate abgeschafft gehabt, Pressefreiheit eingeführt, Abschaffung der Sklaverei in den Kolonien, das allgemeine Wahlrecht, von dem ihr Jungs in ein paar Tagen profitieren könntet und Louis hat sogar sein Recht auf Arbeit durchbekommen. Aber wir waren noch zu strikt, noch zu schnell, zu umstürzend." Er seufzte und krempelte seine Ärmel auf und zeigte vernarbte Arme. Narben, die zu groß war, um zufällig und bei normalen Arbeiten entstanden zu sein. "Ich war auch so. Alles jetzt und nicht erst morgen. Als unsere Idee zerbrach, habe ich sie mit der Waffe in der Hand verteidigt. Wusstest du, dass über 3000 Arbeiter gestorben sind in den Gefechten? Wir haben sie, die schon arm und verhärmt sind, wie Schlachtvieh in die Fleischerei getrieben. Über 15.000 sind in die Kolonien verschifft wurden und dort an Malaria und anderen Krankheiten oder an Zwangsarbeit verreckt. Verstehst du, Sébastien? Eure Vordenker, wie der alte Marx, denken, dass dies nur bewiesen hätte, dass die Arbeiterschaft keine Kompromisse eingehen darf. Er hat Louis auch mal scharf angegriffen, weil er nach England geflohen ist, wie so viele Freidenker. Der Marx ist kein Prophet, sieh es bitte ein, Sébastien. Wie oft ist er nach England geflohen?" Die Erinnerungen, die er äußerte, machten Achille zu schaffen und augenscheinlich auch etwas bitter, ja, gar wütend. "Der Marx ist ein Tölpel. Männer, die nie gearbeitet haben, wissen doch nichts vom wirklichen Leid der Arbeiter. Marx ist so ein Mann, und er lässt sich von einem Mann finanzieren, protegieren[6], der genau vom Manchester-Kapitalismus[7] profitiert und dann treten die beiden auf, als hätten sie die Arbeiterheiligkeit gepachtet. Dabei haben sie sogar ihre Erkenntnisse fast alle geborgt." Er winkte ab. "Tut mir leid. Ich will einfach nicht, dass du auch durch das viele Blut waten musst, durch dass ich waten musste, nur um deine Ideen und Ziele sterben zu sehen." Er zeigte auf das langsam glühende Eisen in der Entfernung. "Menschen sind nicht so viel anders als Eisen. Es verändert sich über die Zeit und mit sehr vielen Fehlentwicklungen. Es braucht Mühe, Arbeit und die Bereitschaft zu Scheitern, ja, aber es braucht auch Geduld, viel Geduld und Anpassung. Wenn ich Eisen zu schnell und zu heftig bearbeite, dann wird es spröde oder bricht. Steter Tropfen höhlt den Stein, andere Formen der Gewalt lassen ihn brechen und nicht formen." Er seufzte nochmal. "Ich weiß, ihr habt einen Plan. Aber denke darüber nach, nochmal Louis aufzusuchen. Er ist im Café nebenan zum Mittag. Wir treffen uns nach Jahren mal wieder. Was sagst du?"
 1. 
Fun Fact (Anzeigen)
 2. Louis Blanc
 3. Organisation der Arbeit
 4. Partisan
 5. Das ist ein Verweis auf die Februarrevolution 1848 und deren Niederschlagung im Juni 1848
 6. gemeint ist natürlich Friedrich Engels
 7. Manchester-Kapitalismus
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Carl von Lütjenburg

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Une nouvelle ère
« Antwort #79 am: 17.05.2014, 02:19:56 »
Carl war zunächst ruhig geblieben, denn er hatte entschieden Paul das Reden zu überlassen. Zum Einen würden die beiden Geistlichen trotz der nicht gänzlich identischen Glaubensauslegung sicher einen besseren Draht zueinander haben, als ein französischer Priester zu einem preußischem Offizier es jemals haben könnte. Zum Anderen, fiel es ihm in der Regel einfach schwer mit sehr frommen Menschen im Allgemeinen und Geistlichen und dergleichen im Speziellen umzugehen. Er hatte es Zeit seines Lebens versäumt einen Zugang zum Glauben zu gewinnen und so kamen ihm die Fragen und Monologe, die von den Kanzeln dieser Welt auf die Menschen herab schallten oftmals unglaublich unwichtig vor. Es war stets irritierend mit welcher Vehemenz man Geschichten, die niedergeschrieben wurden, lange bevor es Dampfmaschinen, Gewehre und Eisenbahnen gab, immer wieder aufs neue auswringen konnte, um Andere davon zu überzeugen wie sehr diese doch ihr modernes Leben und ihre modernen Probleme betrafen.

Doch auch insofern war Carl sehr preußisch, als dass er diese Menschen nicht verstehen musste, um sie ihr Leben leben zu lassen. Wie Darboy im allerdings sein Leben zu leben pflegte erstaunte Carl dann allerdings schon ein wenig, immerhin war die Prunksucht der katholischen Geistlichen doch ein gern gepflegtes Bild in vielen protestantischen Ländern. Doch so wie der Mann sprach schien er tatsächlich näher an Zeidlers Idealen als an denen einer verschwendungsfreudigen Kirche zu stehen.

Als Darboy geendet hatte räusperte sich Carl leise und beugte sich vor, nach dem Glas mit Wasser greifend. "Herr Darboy. Zunächst muss ich Herrn Zeidler korrigieren." langsam trank er einen Schluck des Wassers und setzte das Glas wieder ab, bevor er sich zurücklehnte und weitersprach. "In der Tat bin ich im Range Major und nicht Oberst. Major Carl Heinrich von Lütjenburg, Stab der 2. Armee." Als Paul Carls Identität freimütig heraus plauderte, musste Carl stark an sich halten, um diesen nicht erschrocken anzublicken. Offensichtlich meinte der Alte es mit der Ehrlichkeit besonders Ernst oder er hatte einfach gar kein Gefühl für Geheimnisse beziehungsweise dafür, dass Carl sich in einer Stadt voller Feinde befand.
"Tatsächlich wäre ich darüber hinaus sehr dankbar, wenn meine Identität nicht dieses Haus verlässt. Ich bin nicht aus unredlichen Gründen in der Stadt, aber ein Deutscher ist dieser Tage ungern in Paris gesehen, möchte ich meinen, besonders wenn er dazu in einer preußischen Uniform steckt.
Und als nächstes muss ich Sie korrigieren, Herr Darboy. Oder vielmehr bestätigen. Sicherlich sind Sie ein bedeutsames Symbol für ihre leidgeplagten Mitbürger. Doch was wird geschehen, wenn jemand ihnen ein Leid antut oder sie gefangen nimmt? Ich möchte nicht respektlos sein, doch ich glaube bei der momentanen Lage werden nur die wenigsten niederknien und für ihr Wohlergehen beten. Ich sehe es vielmehr so, dass es ein letzter Tropfen ist, nach dem die Stadt schon seit vielen Tagen lechzt, so dass sie endlich überlaufen kann. Ich bewundere Ihre Bereitschaft sich der Möglichkeit des eigenen Todes bereitwillig und trotz eigener Furcht entgegenzustellen, doch geht es hier um mehr als darum einen einzelnen Menschen auszulöschen. Die Männer, die Ihnen nachstellen sind nicht alleine. Sie werden angeleitet von professionellen Attentätern und Söldnern, die ich zufällig einigermaßen gut kenne..."
Kurz berichtete Carl von den Ereignissen um den Deutsch-Dänischen Krieg, ohne jedoch direkt auf die damalige Vertragsfälschung und die Standpunkte einzelner Personen einzugehen.

"Sie sehen also wozu diese Menschen fähig sind. Und was ich mich darüber hinaus noch frage ist, wer hinter den Lavalles steht. Sie sind Söldner und es fällt mir schwer zu glauben sie leisten den Blanquisten aus purer Nächstenliebe Schützenhilfe. Übrigens, Herr Zeidler, erinnern Sie sich an den Mann mit dem Kalabreserhut, der in ihre Predigt geplatzt ist? Den habe ich übrigens auch heute Morgen bei der Schlägerei auf dem Place blanche beobachten können, wie er seinerseits die Schlägerei beobachtete. Es scheint mir als sind viele zwielichtige Gestalten in der Stadt die ein Interesse an einer Eskalation haben."

Paul Zeidler

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Une nouvelle ère
« Antwort #80 am: 20.05.2014, 11:42:07 »
Paul antwortete nicht direkt auf die Frage von Lütjenburg. Er schien sehr nachdenklich, wenn nicht gar etwas verwirrt. "Um offen zu sein, schon jetzt mag ich die Ereignisse kaum zu überblicken. Ich bin weder ein Politiker noch ein Intrigant. Ich bin ein einfacher Pfarrer und was mich seit vielen Jahren antreibt, ist das heftige Verlangen nach der Erlösung der Menschen vom Hass der Welt.[1] Und der Hass der Welt ist in diesen Tagen deutlich vor Augen. Ich sehe die guten Menschen um mich herum, die in ihren Tagen nicht anders können, als sich körperlich und seelisch in den Fabriken zerstören zu lassen. Das Kapital hat bewirkt, dass die Menschen sich kaum mehr von den Maschinen unterscheiden, die sie bedienen. Ja, wenn sie mir diesen launischen Ausspruch gestatten, so hat man im vorigen Kahrhundert ausrufen können, Gott sei tot und es lebe der Mensch. In diesem Jahrhundert müssen wir ausrufen, dass der Mensch tot sei und es lebe das Kapital. Das ist der Götzendienst unserer Zeit: Dass wir alles, jede kleine Lebensregung, dem Kapital zu opfern haben. Es ist paradox, dass der Mensch sich aufopfert für das Werk seiner Hände. Der körperliche, humanitäre und seelische Verfall ist deutlich, doch wir sind so sehr im Rattern dieser Blutmaschine, dass es nichts Minderes bedürfte als ein Umsturz allen Bestehenden. Daher: Ich muss sagen, dass ich die Sozialisten, die Kommunisten und die Blanquisten verstehen kann, wenn sie die Pflugscharen zu Messern wetzen und sich mit Gewalt dieser Ordnung entledigen. Verstehen kann ich sie, aber ich werde sie nicht gutheißen.

In mir drängt sich die unbändige Liebe zu allem Leben und es schmerzt mich tief, wenn ich an das Blut und die Vernichtung der kommenden Tage denke. Ich bin überzeugt, dass sich die wahre Humanität und der Glaube zuerst in den Herzen der Menschen verwirklichen muss. Wahrlich, erst muss das Herz des Menschen Frieden finden, bevor es den Frieden in die Welt tragen kann. Welch große Worte, wie gering die Möglichkeit.

Ach, in diesen Tagen bin ich bis ins Tiefste betrübt. Können Einzelne dem Hass der Welt mit der Aussicht auf Frieden entgegentreten? Ich denke mir, gerade weil es keine realisitische Möglichkeit gibt, muss ich mein Möglichstes tun. Das Absurde dieser Tage hat nur insofern einen Sinn, als dass man sich nicht mit ihm zufrieden gibt
[2]. Vater, Sie sagen, dass Sie entgegen aller Bedrohung nicht von ihrem Hirtenamt fliehen wollen. Das scheint mir sehr richtig und erinnert mich an das selige Wort des Evangelisten Johannes, wo es heißt: "Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. "[3]. Sie haben mir Hoffnung gemacht. Ich danke Ihnen, Vater."

Paul schwieg einen Moment, schien die folgenden Worte zu sammeln. "Ich habe es bereits gesagt, ich bin ein kleiner Mann und nicht geschaffen für die Politik. Wir wissen, dass die Revoltierenden planen, Sie zu entführen. Sie sagen, dass Sie ein Leuchtturm der Hoffnung seien. Was meinen Sie damit? In welcher Weise treten Sie für die Hoffnung der Menschen ein, Vater? Und wie können Sie all die Liebe unseres Herrn und ihre geistgegebenen Kräfte für die Mühe der Arbeiter einsetzen? Was haben Sie in diesen Tagen dem Hass entgegenzusetzen? Und welche Aufgabe können Sie mir, als ihrem Bruder, geschieden durch die Konfession und verbunden im Geiste, geben?"
 1. Anklang an das Johannesevangelium, in welchem der Hass der Welt die Liebe des Heilands gegenübergestellt wird. Siehe z.B. Joh 15,18: Wenn die Welt euch hasst, dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat.
 2. Nach Camus: Mythos des Sisyphos
 3. Johannes 15,13
« Letzte Änderung: 20.05.2014, 11:48:12 von Paul Zeidler »
"Siehe, ich mache alles neu" - Offenbarung des Johannes 21,5

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Sébastien Moreau

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« Antwort #81 am: 29.05.2014, 12:57:31 »
„Hm“, machte Sébastien nachdenklich und fuhr sich mit der Hand über seinen etwas verspannten Nacken. Achilles Worte hatten ihn überrascht – genauso wie der Anblick der Narben, die der Künstler im gezeigt hatte. Es waren die Art von Narben, die das Jugenhafte und Abenteuerlustige in Sébastien faszinierte und die den Revolutionär in ihm nicht etwa abschreckte, sondern in aufgeregte Entschlossenheit versetzte – etwas, das Achille vermutlich nicht derart beabsichtigt hatte, denn mit seiner Rede hatte er Sébastien zur Zurückhaltung ermahnt, das war offensichtlich gewesen. Obwohl Achille vielleicht bereute und wie ein geläuterter Sünder klang, fand Sébastien, dass man auf Narben, die vom Kampf für Gerechtigkeit herrührten, stolz sein konnte. Die Opferbereitschaft für ein größeres Ziel – das zeichnete doch alle Freiheitskämpfer aus, oder nicht? Dennoch berührte den jungen Arbeiter selbstverständlich auch Achilles Schicksal, das dieser ihm offenlegte. Insgeheim fürchtete Sébastien, dass ein blutiger Tod auch über ihn hereinbrechen könnte, über François, die Jungen – überhaupt über viele, die ihrer Bewegung angehörten. Achille machte Sébastien mit der Schilderung der Ereignisse, die er durchlebt hatte, nicht gerade Mut, das musste man ihm lassen, auch weil Sébastien nun in Achille ein Stück weit sich selbst in einigen Jahren sah. Einen besiegten Mann, der viel verloren hatte, viel mehr, als ihm lieb war.
Wenn er einmal genauso war wie ich, überlegte Sébastien, werde ich dann einmal genauso sein wie er?, obwohl er die Vorstellung von sich, die er (über den revolutionären Asperkt hinaus) unwillkürlich hatte, schmiedend in einer Werkstatt wie dieser und Protest mit verzerrten Abbildern ausdrückend, etwas befremdlich fand.

Keiner von ihnen wusste, was sie erwarten würde. Doch Zeit für Geduld, die Achille ihm nahelegen wollte, hatten sie nicht. Die Wahl war nah und auch darüber hinaus mussten sie die Gelegenheit nun am Schopfe packen, bevor sie verstrich. Jeder Moment, den sie warteten, gab den Republikanern die Möglichkeit, gegen sie zu arbeiten. Sébastien wollte nicht durch Blut waten müssen – wer würde das schon wollen? Sicher war aber: Er würde kämpfen, wenn es nötig war, wenn es sein musste. Darum führt kein Weg herum, wenn man die Arbeiter dazu zwingen würde, neben ihren Zielen auch sich selbst und ihre Familien zu verteidigen. Dennoch, gerade für die, die sie liebten, waren die Arbeiter dazu bereit, war er sich sicher. Sie würden einen blutigen Kampf sich nehmen, wenn es soweit kam. Denn Ideen und Ziele starben nicht. Sie waren wie Pflanzen, dachte Sébastien, die überall wuchsen und gediehen, die selbst, wenn man versuchte, sie niederzumachen, wiederkehrten und noch mehr wucherten und noch prächtiger erblühten als zuvor. Marx mochte kein Heiliger sein und noch nicht einmal zum Proletariat gehören, doch er hatte Recht. Und seine Ausführungen, die in den Köpfen der Leidtragenden Wurzeln geschlagen hatten, würden von dort nicht einfach wieder verschwinden.

„Ich mache mir auch Sorgen, Achille“, gab Sébastien seufzend zu und musterte seinen Gesprächspartner mit Bedauern im Blick. Er verstand die Verbitterung des alten Künstlers, doch er selbst konnte nicht anders, als Zuversicht zu zeigen. Was blieb ihm anderes übrig als das Vertrauen in seine Ziele und seine Bewegung und die Hoffnung, dass ihr Vorhaben gelingen und sich alles zum Guten wenden würde?
„Sorge ist gut, wenn sie einen vorsichtig macht“, wandte er deswegen mit einem zögerlichen Lächeln ein, „aber hinderlich, wenn sie das Denken bestimmt. Wir Arbeiter sind freie Männer und Frauen, das wissen wir, und dieses Wissen kann uns niemand nehmen, mein Freund. Sieh, was ihr damals geschafft habt, du hast es mir gerade aufgelistet. Viele gute Menschen wurden getötet oder sind verschleppt worden, doch nicht ohne Grund haben sie für ihre Sache gekämpft. Ihr Kampf war gerecht.“
Nun versuchte Sébastien, auch dem von Selbstzweifel verfressen scheinenden Achille – diese Seite kannte Sébastien gar nicht –, gut zuzureden.
„Nur weil sie verloren haben, nur weil du verloren hast, mein Freund, waren deine Taten nicht vergebens“, sprach er voller Überzeugung und fand dabei selbst wieder aus dem beklemmenden Gefühl der Trauer hinaus, das Mitgefühl für Achille und auch eigene Angst in ihm ausgelöst hatte.
„Wie viele sterben täglich an ihrer Armut? An Hunger und Krankheit und an Folgen von schwerer Schufterei, mit der sie versuchen, ihre Kinder und die Alten zu ernähren? Der Krieg gegen die Preußen hat alles nur noch schlimmer gemacht. Keine Kompromisse einzugehen bedeutet Blutvergießen, möglicherweise, aber Kompromisse, Anpassung und Geduld sind kein Mittel gegen das Elend auf den Straßen. Das spielt alles nur Thiers‘ Leuten in die Hände und am Ende wird sich gar nichts ändern. Auch ich will nicht durch Blut waten müssen, aber ich werde meine Kameraden und mich verteidigen, wenn der Gegner mich zwingt.“
Wieder seufzte Sébastien. Er hatte sich heißgeredet und musste sich zügeln, um wieder zu einem ruhigen Tonfall zurückzureden. Fast klang er resigniert, als er fortfuhr, obwohl es eher Müdigkeit war, die ihn befallen hatte. Er war müde, sich zu rechtfertigen. Achille meinte es nur gut mit ihm, das wusste Sébastien, doch er hatte ein Ziel vor Augen, das ihn nicht losließ.
„Ich will meine Kinder nicht verhungern und auch nicht als billige Arbeitskräfte in den Fabriken enden sehen. Ich will ihnen eine Zukunft schenken, in der sie glücklich sein können. Auch Joséphine verdient ein besseres Leben als das, das ich ihr derzeit bieten kann. Sieh es einmal so“, versuchte er, Achilles bildhafte Schilderung aufzugreifen: „Aus der Nähe betrachtet mag es ein schnelles und heftiges Unterfangen sein, aber unsere Ideen sind nicht jung und neu, sie ziehen sich durch die Geschichte unserer Heimat. Es ist einfach ein nächster Schritt, den wir tun, ein nächster Tropfen auf den Stein, nach den vielen anderen, die bereits gefallen sind. Mit diesem hier werden wir schlussendlich erfolgreich sein und den Stein aushöhlen. Blanqui wird uns dabei helfen, wenn wir ihn erst einmal freibekommen haben.“
Das hörte sich gut an, fand Sébastien.
„Aber na schön: Ich werde mit deinem Louis sprechen“, willigte er ein und klopfte Achille freundschaftlich auf die Schulter. „Bis gleich“, fügte er noch hinzu, bevor auch er erst einmal die Werkstatt verließ. Nach dem ganzen Pläneschmieden brauchte er etwas Zeit, um den Kopf freizubekommen. Und bis zum Mittag blieb noch etwas Gelegenheit dazu.
„Liberté, égalité, fraternité!“

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« Antwort #82 am: 29.05.2014, 16:53:26 »
Donnerstag, 23. März 1871 - Vormittag - 11:03 Uhr - Place du Châtelet (Quartier Saint-Germain-l’Auxerrois)

Der Erzbischof nickte Carl von Lütjenburg, Major Carl von Lütjenburg zu. "Haben Sie meinen Dank für Ihre Richtigstellung." Er drehte seinen Kopf zur Seite und blickte in das triste Wetter des Tages durch das Fenster, welches sicher wieder einmal geputzt werden könnte und müsste. "Ich werde Ihrer Bitte nachkommen. Ich sehe nicht, was es mir brächte, Sie in Ihrem sicherlich hehren Auftrag bloßzustellen. Und selbst wenn ich einen Sinn darin sähe, bin ich - so hoffe ich doch - nicht der Mensch, der Ihre Identität zu meinem Vorteil ausnutzen wollte, gerade nicht, wenn Sie beide mir vertrauliche Informationen geben." Sein Kopf drehte sich wieder zu seinen Gesprächspartnern und er schlug die Beine übereinander. An seinen Beinen ließ sich erkennen, dass er körperlich unter den letzten Monaten gelitten hatten. Er war nah daran spindeldürr zu sein. Entweder hatte er freiwillig den Hunger der Pariser geteilt, er hatte sein bischöfliches Brot mit ihnen gebrochen oder der viele Stress forderte seinen körperlichen Tribut. Seine Beine wirkten fast, durch die Hose, streichholzartig[1].
"Ich weiß die Sorge wahrlich zu schätzen, Herr Major, jedoch bin ich mir dessen sicher, wozu Menschen fähig sind. Die menschliche Kulturgeschichte ist voll menschlicher Verfehlungen, die wir ihn ihrem Kern überall finden, ob wir mit der Erbsünde[2] beginnen wollen oder dem Morde Abels durch Kain[3], oder selbst wenn wir uns die religiösen Bilder verlassen, finden wir das menschliche Unheil überall." Der Erzbischof blickte den preußischen Offizier eindringlich an. "Sie sind nicht gekommen, um mir zu sagen, dass gewisse Menschen gefährlich sind. Dass ich dessen bewusst bin, dürfte mein Einblick in die Attentate gezeigt haben. Sie wollen mir etwas ganz Konkretes mitteilen, und sie finden mich erfreut vor, wenn Sie bei dem Konkreten blieben. Zumindest erscheint mir ein argumentativer Tanz, der letztendlich um eine gewisse und grundsätzliche Einigkeit herumführt, müßig. Wir beide wissen doch, dass wir Pflichten sehr ernst nehmen, trotz aller Gefahren, also reden wir bitte nicht darüber, dass etwas gefährlich ist, sondern wir reden darüber, wie wir dieser Gefahr begegnen. Stimmen Sie mir dort zu? Wollen wir diese Art des Gespräches führen, Herr Major?

Der Erzbischof hörte Paul Zeidler sehr aufmerksam zu, auch wenn er bei diesen inneren Überlegungen sehr nach innen gekehrt war. Seine Augen ruhten nicht auf dem Sprechenden, sondern auf seinen überkreuzten Knien. Die rechte Hand ruhte an der rechten Wange seines Gesichtes, den Daumen unter dem Kinn, der Zeigefinger an der Schläfe. Seine Augen waren nur halboffen, sein Atmen gleichmäßig und doch konzentriert. Hin und wieder war ein zustimmendes Nicken zu sehen oder ein zustimmendes Gemurmel. Er verharrte noch einen Augenblick in dieser Haltung. Dann legte er die Hände auf dem Schoß zusammen und blickte Paul Zeidler an.
"Sie nehmen mir die Worte meiner heutigen Predigt beinahe aus dem Mund. Es erscheint mir teilweise gar als Wiederkehr in das Alte Testament. Denken wir doch nur an die Zeit der Pharaonen, als sie sich riesige Pyramiden bauen ließen, als Gottkönige verehrt, um sich ein gutes Nachleben im Jenseits zu ermöglichen[4], doch was taten sie mit den vielen Arbeitern? Sie starben für ihre Projekte. Die Monumentalität der Vergangenheit spiegelt doch genau jenes, Herr Zeidler, was sie konstatieren und es führt es etwas fort: Sie sind nicht nur Opfer ihrer Hände Werk, denn es sind nicht einmal ihre eigenen Werke. Ohne Karl Marx zur Gänze folgen zu wollen, ist sein Konzept der entäußerten Arbeit[5] in der Hinsicht faszinierend. Heute haben sie nichts von ihrem Werke, wie damals, nur dass die Pharaonen inzwischen personifizierte Götzen des Mammon[6] sind.

Ich kann ihnen, den Revolutionären, also auch nur mit Verständnis begegnen. Ich sehe doch eine gewisse Sorge darin, dass Sie gleichwohl alles der alten Ordnungen mit vernichten wollen. Was haben die Kirchen ihnen getan? Sie sehen die Fehlbarkeit einzelner Männer, die auch in Kirchenwürden stehen, und verdammen eine ganze Organisation. Carl, verdammen Sie alle Franzosen, nur weil Sie die Lavalles kennen? Die Revolutionäre sehen die Probleme, doch zu selten sehen sie Lösungen. Alles zu entzünden und dem Chaos zu überantworten, dies bedeutet nur Tod und Verderben. Es bedeutet, die Uhren zurückzustellen und alle Schwierigkeiten der Entwicklung wieder durchmachen zu müssen. Das möchte ich verhindern, deswegen weiche ich nicht von meinem Posten.

Und deswegen nennen Sie mich - zu unrecht - einen Leuchtturm des Mutes. Ich weigerte mich im Krieg zu gehen, ob die Revolutionäre mir an das Schlafittchen wollten. Die Kirche hingegen fürchtete, dass die Preußen mich töten würden. Unlautere Geister der Kirche fürchtete, dass des Bischofs Besitz veruntreut werden würde.
Doch die Kirche hat dadurch eine kleine Restitution erlebt. Das hat den Menschen etwas Mut gegeben, dass jemand Ihnen in Zeiten der Sorge ein Ohr leiht, ihren gefallenen Frauen, Männern und Kindern die Sakramente erteilt, dass jemand mit ihnen im Hunger sein Brot bricht."

Er öffnete die Beine wieder und setze sich wieder gerade hin. Er deutete auf das sachte durch die Wolken brechende Licht. "Ein jeder kann ein Leuchtturm des Mutes sein und viele, unbesungene Menschen sind es dieser Tage, für ihre Nächsten, für Freunde, für Fremde, jeder nach seiner Kraft. Meine Position lässt mich nur etwas höher stehen und deswegen entsteht das Gefühl, dass ich von mehr Menschen gesehen werde. Aber qualitativ leuchte ich nicht stärker als Sie, Herr Zeidler. Dementsprechend steht es mir nicht zu, Ihnen irgendeine Weisung zu geben. Es ist gar andersherum. Sie sind es, der sich nicht vom Amtswegen blockiert sehen muss, der sich noch mit jedem Bedürftigen auseinandersetzen und ihm behilflich sein. Und ist es nicht nur das, was wir leisten können? Ich gebe Ihnen vollkommen Recht, Herr Zeidler. Der Mensch muss sich als Ganzes noch für den Frieden öffnen, doch wir alle - als einfache Menschen - können das nicht alleine und nicht gänzlich leisten. Frieden, das ist eine Entscheidung, die am Ende jeder Mensch für sich treffen muss. Nur hierbei können wir helfen und dabei, die Schmerzen menschlichen Leides zu lindern und sie sind ein Leuchtfeuer dessen. Das ist das, was ich mir von Ihnen weiter wünschen würde: Reden Sie weiter mit den Menschen und zeigen Sie Ihnen dem Weg zum Frieden und helfen Sie jenes Leid zu lindern, dass niemand von uns verhindern konnte."

Er stand jetzt auf und ging zum Fenster. Er legte seine rechte Hand an den hölzernen Fensterrahmen und lehnte sich an und blickte runter auf den Platz, von dem die Geräusche des alltäglichen Lebens hochgetragen wurden. "Ich werde heute Abend eine Friedensmesse halten. Ich habe Partisanen und Verbündete aller Lager eingeladen. Die Kirche ist nicht einverstanden mit meinem Vorgehen, aber was bleibt mir zu tun? In den revolutionären Kräften haben meine Worte - in deren Augen - keine Legitimität, da ich ein Kirchenmann bin. Heute morgen habe ich sogar eine Art Spottbrief vom Erzbischof von Mechelen[7] bekommen. Er warnte mich eindringlich davor, in diesen Tagen in die Geschäfte weltlicher Politik einzugreifen. Das stelle man sich vor? Sind wir alles Mönche, die dem Weltlichen entsagen? Sein wir ehrlich, die Waffen sind gezogen, die Schwerter gewetzt, alle Seiten starren auf ihre Generäle und ihre Standartenträger und warten, dass das Gefecht beginnt. Alle Seiten kleiden sich in den Mantel von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, freilich einer Brüderlichkeit wie Kain und Abel sie am Ende lebten." Der Erzbischof wirkte selbst ein wenig resigniert. "Was bleibt mir also, als mit Ihnen zu reden? Sagen Sie mir als, Herr Zeidler? Was können wir tun, außer predigen und Wunden lindern?"
In der Ferne pfiff der eisige Wind durch ein undichtes Fenster.
 1. Ein passabler Heilkundewurf (+2) könnte mehr über die Gründe per grober Ferndiagnose eröffnen.
 2. Erbsünde
 3. Kain und Abel
 4. Altägyptisches Totengericht
 5. Entfremdete Arbeit
 6. Mammon
 7. Victor-Augustin-Isidore Kardinal Dechamps
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Menthir

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« Antwort #83 am: 29.05.2014, 19:55:29 »
Donnerstag, 23. März 1871 - Vormittag - 12:06 Uhr - Rue des Saules (Montmartre)

Achille war erleichtert gewesen, als Sébastien sich bereit erklärte, zumindest mit Monsieur Blanc zu sprechen. Gleichwohl hatte der junge Monsieur Moreau auch schnell erkannt, dass eine unausgesprochene, aber eben sichtbare Form der Dankbarkeit, in Form von wenigen, zufriedenen Tränen, sich in die Augenwinkel Achilles gestohlenen hatte, als Sébastien die Revolution des Jahres 1848 eben nicht als vollkommenes Versagen darstellte. Eine Kritik, die Achille und seine Leidensgenossen dieser Tage nicht nur von den Republikanern zu hören bekamen, sondern auch immer wieder von den jungen und frischen Sozialisten und Kommunisten. Viele kompromissbereite Revolutionäre litten darunter in der einen oder anderen Form. Sie waren eben nicht das Idealbild des kompromisslosen, aber doch wohlwollenden Revolutionärs, wie Louis-Auguste Blanqui es war. Ein Mann der an allen französischen Erhebungen seit der Julirevolution 1830[1] beteiligt war und viel mehr Jahre im Gefängnis verbracht hatte als in seiner Freiheit. Ein Mann, der jede Faser seines Daseins - so sahen es die Revolutionäre - dafür aufopferte, der Arbeiterschaft ihren Durchbruch zu bringen. Ein Mann, der die Diktatur des Proletariats[2] forderte, ein Mann, der Barrikadenkämpfe gelebt hatte, sein ganzes Leben, und der es immer noch tun würde, wenn er nur in Freiheit wäre. Die Menschen hingen diesem Vorbild nach und nicht den Achille Petits oder den Louis Blancs. Das konnte den Idealisten wohl auch kaum jemand verübeln, aber darüber, dass sie die Beteiligung dieser weniger geschätzten Revolutionäre vergaßen oder absichtsvoll verdrängten, waren diese oftmals betrübt und Sébastien fragte sich - vielleicht nicht zum ersten Male - ob Achilles Enttäuschung wirklich den Niederlagen geschuldet war, oder ob er sich nicht doch so fühlte, als würde sich das Verhalten anderer Revolutionäre ihm gegenüber wie ein Dolchstoß in den Rücken empfinden lassen. Zwar sprach Achille nie schlecht über andere, aber das mochte seinem Naturell geschuldet sein. Vielleicht kam es deshalb, dass er der Bewegung nur noch grob ideell verbunden war. Ein Kind der Sache, aber nicht der Menschen, die diese Sache in den Kampf trugen.
Dennoch sagte Achille nichts mehr zu den Argumenten, wischte sich die Augenfeuchte von den Lidern, nickte Sébastien zu und so trennten sich ihre Wege für kurze Zeit.

Das Guinguette war mit vielen Gästen gefüllt zur Mittagszeit. Eine ideale Zeit, um das inzwischen etwas aufklarende Wetter bei inzwischen erträglichen Temperaturen in einer warmen Jacken, einem Kaffee, einer Zigarette und einem süßen Croissant zu verbringen. So ähnlich verbrachte auch Louis Blanc seinen Mittag, er saß mit Achille an einem Tisch unter einer noch nicht blühenden Linde. Sie hatten einen weißen Wein in ihren Gläsern und Achille lachte gerade über irgendeine Bemerkung von Louis, als Achille schließlich Sébastien bemerkte und ihn an den Tisch bat, der von drei Holzklappstühlen umstellt war.
"Darf ich vorstellen? Louis, das ist der junge Kerl[3], von dem ich dir erzählt habe, Sébastien Moreau. Und das, lieber Sébastien, ist Louis Blanc."
Louis Blanc war ein sehr schmaler Mann von nicht nennenswerter Statur, klein, und er hatte ein inzwischen etwas hängendes Kinn und ein gewisses Altersbäuchlein wachsen lassen. Er trug ein braunes Jackett und darunter eine graue Weste, die jedoch etwas spannte. Sein baumbraunes Haar war halblang und fiel in natürliche Wellen, das Deckhaar trug er jedoch mit Seitenscheitel. Trotz seines eher unauffälligen Äußeren, hatte er sehr aufmerksame grünbraune Augen und eine gewisse Jugendlichkeit an sich. Seine sechzig Jahre sah man ihm nur dann an, wenn man sein Alter kannte und wusste auf die Zeichen des Alters zu achten.
"Ah, Sébastien. Achille hat in der Tat von euch geschwärmt. Setzt euch doch zu uns. Einen Wein?"
Ein drittes Glas stand bereits griffbereit und einer der beiden hatte gleich eine Karaffe von Weißwein bestellt, sodass sich die Frage rhetorisch gestaltete und Louis Blanc Sébastien bereits einen Wein eingoss.
"Es ist ein lieblicher Wein, ein bisschen das Erwachen des Frühlings, ein bisschen die Süße der Jugend, stellvertretend für das erneute Erwachen der Arbeiterschaft.", sagte er freundlich und stellte das Glas an den für Monsieur Moreau vorgesehenen Platz.

Das Drumherum war umtriebig und laut genug, dass man sich entspannt unterhalten konnte, zumal dieser Tage sowieso keiner so stark darauf achten mochte, worüber man sich privat unterhielt. Die Wahlen waren überall das Thema schlechthin, auch wenn die Gespräche darüber meist ziellos und blind mit wüsten oder unrealistischen Wünschen verbunden war, oder mit Platzhalter: Faire Arbeit, Faire Löhne, Essen für alle, Wohnraum für alle, was auch immer das im Detail bedeuten mochte. Sébastien fiel auf, dass neben dem Teller mit dem Croissant, mit etwas Butter und Erdbeermarmelade, ein kleines Büchlein lag. Wenn er es recht auf den ersten Blick sah, war es Proudhons[4] Qu’est ce que la propriété? Ou recherches sur le principe du droit et du gouvernement.
Louis Blanc, der eine kleine, zur Mode der Zeit passende Rundbrille trug massierte seine Nasenflügel und lächelte dann entschuldigend.
"Das darf ich doch so sehen? Hach, welch große Chance so eine Wahl ist, meinen sie nicht? Die einzige Frage, wie sich wahrlich stellt, ist doch die folgende: Warum haben wir es in den letzten Jahrzehnten immer wieder geschafft, genügend Menschen auf die Barrikaden zu bekommen?" Er lachte leise bei der politischen Doppeldeutigkeit dieses Satzes. "Aber wieso bekommen wir kaum Leute an die Wahlurne? Es erscheint mir nicht so, dass dies alleine in der so viel proklamierten Unbildung oder Nicht-Bildung des einfachen Volkes liegt. Da muss es etwas anderes geben. Und ich frage mich - sie sind nahe am Puls der Zeit Monsieur Moreau - wie kommt das? Wissen sie darauf nicht etwa eine Lösung?"
Er nahm das Croissant auf, bestrich es mit einem bisschen Butter und Marmelade und biss genüsslich ab, während er Sébastien fragend anblickte. Das zu Kauende in eine Wangentasche verschwinden lassend, fügte er hinzu. "Ich mein, wie kann es sein, dass sich eine Handvoll Arbeiter gleich am Morgen der Ankündigung auf dem Place Blanche mit alten Männern prügelt, aber gleichwohl ich noch nicht eine Truppe von Männern gesehen habe, die ernsthaft, am Menschen interessiert, mit ihnen über ihre Möglichkeiten diskutiert? Wissen Sie es? Wenn nicht, betrachten Sie sich als ersten Mann, der in diesem Interesse angesprochen wurde. Was genau, Monsieur, erwarten Sie sich von dieser Wahl?"
Achille blickte Sébastien auch gespannt an, auch wenn er etwas verwundert war, dass Louis Blanc direkt in das Thema einstieg.
 1. Julirevolution 1830
 2. Diktatur des Proletariats
 3. Kerl ist hier lobend zu verstehen, in der klassischen Wortbedeutung des freien Mannes.
 4. Pierre-Joseph Proudhon
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Sébastien Moreau

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« Antwort #84 am: 13.06.2014, 00:17:35 »
Sébastien fand sich, nachdem er sich die übrige Zeit bis zum Mittag damit vertrieben hatte, durch die Straßen und Gassen von Montrematre zu streifen und sich damit ein wenig die Beine zu vertreten sowie den Kopf freizubekommen, am Guinguette in Nachbarschaft zu Achilles Werkstatt ein, um dort diesen selbst und auch Louis Blanc zu treffen. Was genau den nach seinen Idealen strebenden Arbeiter erwarten würde, wusste er nicht. Würden die beiden alten Freunde versuchen, ihm „Vernunft“ beizubringen? Würden sie ihn ausbremsen wollen? Achille wollte nicht, dass Sébastien durch Blut waten musste und scheiterte, weil er sich zu viel versprach, weil er auf Seiten einer Revolution stand, statt ein Befürworter eines langsamen, stetigen Fortschritts zu sein. Sébastien hatte in den vergangenen Augenblicken darüber nachgedacht – über die Zukunft und das, was den Arbeitern Paris‘ bevorstehen könnte. Kaum etwas anderes hatte ihn in den vergangenen Tagen seit dem Kampf gegen Thiers‘ Truppen auf dem Place Blanche beschäftigt. Vorfreude und kameradschaftliche Gefühle, Hoffnung, Tatendrang, aber auch Sorge. Durch Blut zu waten, das mochte von so manchem Barrikadenkämpfer und selbsternannten Revolutionär romantisiert werden, und auch für Sébastien klang dies nach Abenteuer, Heldentum und Freiheit – dennoch wollte er nicht, dass seine Freunde und seine Familie zu Schaden kamen. Viele gute und ehrliche Menschen hatten im Zuge der vielen Kämpfe im Zuge der revolutionären Geschichte dieses Landes ihr Leben verloren. Nein, sie hatten es für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gegeben, dies war die richtige Formulierung. Sie hatten für eine bessere Welt gekämpft – und was wäre gerechter, als dies nun, da sich die Gelegenheit dazu bot, nicht nur fort-, sondern auch zum Ziel zu führen? Blut war ein notwendiges Übel, denn Freiheit kostete Blut… Oder nicht? Friedlich-christlich zu sein und sich mit dem Feind die Hände zu reichen, so wie Paul Zeidler es gepredigt hatte – dies hielt Sébastien noch immer nicht für erfolgsversprechend. Frieden und eine gewaltfreie Lösung waren ein verlockender Gedanke – ebenso verlockend wie utopisch, in Sébastiens Augen –, dennoch besaß der Geruch von Aufruhr, der in diesen Tagen in der Luft der Hauptstadt lag, einen anderen, sehr verführerischen Reiz.

Sébastien ließ sich von Achille, der ihn und Louis Blanc miteinander bekannt machte, an den Tisch bitten und nahm, nachdem die gegenseitige Begrüßung vollbracht war und er dem Künstler freundschaftlich auf die Schulter geklopft hatte, auf dem Stuhl Platz, den man ihm bereitgestellt hatte. Etwas Wein nahm der junge Arbeiter gern an. Vielleicht würde er ein wenig gegen die Kopfschmerzen helfen, die ihn nun schon seit Stunden plagten. Innerlich verfluchte er den fistelnden Hünen mit dem Tischbein für den gelungenen Kopftreffer, dessen Sébastien noch immer spürte.

Monsieur Blanc schien redselig und offen zu sein, aber kaum belanglose Worte verlieren zu wollen, da er schnell zum eigentlichen, politischen Thema ihrer kleinen Runde kam. Sébastien reagierte, während Blanc redete, hauptsächlich mit seiner Mimik auf das Ausgesprochene: ein beipflichtendes Lächeln oder Nicken, aufmerksame Nachdenklichkeit… Schließlich versiegten die Worte und als sowohl Louis als auch Achille Sébastien anblickten, bot sich endlich die Gelegenheit zu sprechen, ohne Blanc zu unterbrechen. Allerdings fiel die Beantwortung der letzten Frage, die Blanc ihm gestellt hatte, nicht so leicht, wie gedacht. Was erwartete sich Sébastien von der Wahl? Eigentlich sollte es leicht sein, dies zu beantworten sein, dennoch geriet er in ein kurzes Zögern, bevor er antwortete:
„Hauptsächlich, dass nun ein Grundstein dafür gelegt wird, dass sich die Lage von uns Arbeitern bessern wird“, schloss er an die letzte Frage Blancs an. „Wenn wir nun an einem Strang ziehen, wird unsere nächste Regierung eine Regierung, die im Sinne aller handelt und nicht nur im Sinne der Reichen. Ich wünsche mir, dass meine Kinder keinen Hunger leiden müssen und in einem Paris aufwachsen, in dem wir Arbeiter nicht ausgebeutet werden, sondern in dem Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit herrscht.“
Formulierungen, die Alles im Allem, wohl etwas abstrakt waren. Das Ziel war klar, der Weg dorthin jedoch lag noch im Ungewissen. Sébastien selbst wusste, dass das, was getan werden musste, viel leichter gesagt war. Doch er selbst war kein Politiker, er wusste nicht im Einzelnen, was zu tun war, er handelte einfach so, wie er es für richtig hielt. Monsieur Blanqui hingegen, er wüsste, was zu tun sein würde. Auch deswegen war es wichtig, dass der Tausch mit dem Darboy gelingen würde.
„Was die Stimmung auf den Straßen betrifft“, fuhr Sébastien dann fort, „haben Menschen, die Grund haben, auf die Barrikaden zu gehen, wahrscheinlich kein Vertrauen in die aktuelle Regierung – warum sollten sie also eine neue wählen, könnten sie sich denken, wenn man dadurch nur einen Teufel gegen den anderen tauscht? Ich halte es daher für kein Wunder, dass sich mehr Freiwillige für Barrikaden als Wähler finden. Doch auch anderes spielt mit hinein. Frust abzulassen  und sich selbst um die eigenen Geschicke zu kümmern zu können, nach einem Leben nahezu ohne Selbstbestimmung – das macht es reizvoll, auf die Straße zu gehen. Aktiv und sofort etwas zu tun, anstatt andere auszuwählen und zu warten – oder zu reden. Neben der Euphorie herrscht momentan Verunsicherung und Ungewissheit, denke ich. Es ist wohl kaum zu vermeiden, dass Streit aufkommt.“
Gerade nicht, wenn Beleidigungen ausgetauscht wurden und Ärger gesucht wurde. Die älteren Republikaner auf dem Place Blanche an diesem Morgen waren provozierend aufgetreten. Sébastien hatte zwar den ersten Schlag ausgeteilt, doch dies war nicht ohne Grund geschehen.
„Liberté, égalité, fraternité!“

Paul Zeidler

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« Antwort #85 am: 01.07.2014, 11:50:47 »
Die Worte des Bischofs hätten Paul bekräftigen müssen. Stattdessen spürte er eine gewisse Unruhe in sich hochsteigen, die aus einem Gefühl der Ohnmacht resultierte. "Ja, wir müssen weiter gegen die Unruhen predigen und die Wunden lindern. Das ist wohl alles, was wir verrichten können. Wissen Sie, Vater, in diesen Stunden würde ich gerne mehr tun. Es würde mir leichter fallen, mich zu verausgaben oder ein Opfer zu bringen, wenn es nur eine sichtbare Auswirkung hätte. Aber das ist das Geheimnis GOttes, dass er von uns nur die kleinen Taten fordert und Opfer unserer Geduld fordert. Vielleicht ist unsere Hoffnung und nicht unsere Taten Lobpreis genug. Gib uns Mut und Hoffnung, oh GOtt, dass wir nicht verzagen in unserer Kleinheit."

Paul hatte sich das herunterreden müssen und schien nun in die Situation zurückzukehren. Er räusperte sich. "Nun haben wir lange genug drumherum geredet. Eine kleine Gruppe von radikalen Kommunarden bedroht Sie. Sie befürchten, dass in der bevorstehenden Wahl die gemäßigten Kräfte die Mehrheit erlangen werden und versuchen, das Volk zu agitieren. Außerdem ist einer aus ihren Reihen in Gefangenschaft geraten, ein gewisser 'Louis'. Daher planen sie, Sie zu entführen, womöglich, um einen Tausch zu arrangieren. Wir haben nur durch Zufall ein kurzes Gespräch in den Straßen mitbekommen und kennen ihre genauen Pläne und ihr Vorgehen nicht. Aber wir maßen der Angelegenheit genug Bedeutung zu, als dass wir Sie in Kenntnis setzen wollten. Von Lütjenburg, habe ich es richtig zusammengefasst?", fragte er mit Blick auf den Major.
« Letzte Änderung: 01.07.2014, 17:31:29 von Paul Zeidler »
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Menthir

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« Antwort #86 am: 09.09.2014, 15:04:50 »
Donnerstag, 23. März 1871 - Vormittag - 11:05 Uhr - Place du Châtelet (Quartier Saint-Germain-l’Auxerrois)

Der Erzbischof blickte vom Fenster weg, blieb jedoch an ihm stehen, lehnte sich jetzt gegen die hölzerne Fensterbank und blickte Paul Zeidler und eindringlich an, während er auf die Antwort Carls von Lütjenburg wartete, die für den Moment jedoch ausblieb. Eine Aussage, die wahrscheinlich der Bestätigung nicht harren brauchte.
Der Erzbischof verschränkte die Arme, die typische, unbewusste Haltung der Abwehr, wenn auch nicht der Abkehr. Krause Falten erschienen auf seiner Stirn, er dachte angestrengt nach, die verschränkten Arme als Barriere des Momentes, als Ausgrenzung der beiden Gästen, der Schaffung eines kleinen, gedachten Raumes, in dem nur er für den Moment mit sich und seinem Gott alleine war. Während er Paul anschaute, wurde der Fokus seiner Augen ersetzt durch die Leere der Gedanken. Paul spürte, wie der Erzbischof durch ihn hindurchblickte.

Es vergingen unzählige Sekunden, lediglich das Ticken irgendeiner Uhr verdeutlichte diesen unangenehmen Vorgang, ließ ihn aber bemessen auf eine Zeit von fast zwanzig Sekunden betretenen Schweigens. Dann spürte Paul, wie die Augen des Pariser Kirchengranden seine Augen wieder trafen.
"Dieser Louis, von dem sie sprechen, es wird ihr Arbeiterlouis sein. Ein sehr schmeichelnder Satz, entstammt er doch auch privilegierten Verhältnissen. Louis-Auguste Blanqui[1] wird gemeint sein. Er wurde vor nicht ganz sechs Tagen, wenn ich die Nachrichten recht im Kopf zu behalten weiß, in Bretenoux[2] auf Antragen und Wunsch von Adolphe Thiers[3] gefangen genommen. Ich habe mir schon gedacht, dass die Arbeiter darauf nicht gemäßigt reagieren würden."

Langsam ging Darboy wieder zu seinem Sessel. Es war augenscheinlich, dass es ihm an Kraft fehlte, zu lange zu stehen oder viele Schritte zu gehen. Die letzten Monate hatten ihn ausgelaugt. Es wäre ein Akt des Willens seinerseits, die Messe am heutigen Abend zu halten. Er ließ sich sehr rasch in den Sessel plumpsen und atmete tief durch, wahrscheinlich sogar etwas Schmerz weg. Doch er überdeckte dies mit einem freundlichen Lächeln und einem unerwarteten Antragen.
"Was halten Sie davon, Herr Zeidler? Wir halten die Messe oikumen. Wissen sie, vor einigen Jahren gründete sich hier der Christliche Verein junger Menschen[4] und seit jeher kamen junge Männer hierher, nicht viele, aber doch mehr als einer, die von dieser Oikumene[5] sprachen. Und dieser Konflikt - wir haben ausreichend festgestellt, dass wir Wunden lindern, Armut lindern und Gewalt verhindern wollen - ist kein konfessioneller Grabenkampf und soll er doch auch nicht sein. Wir können über unsere möglichen, theologischen Differenzen hinweg zusammen für etwas mehr Frieden predigen, das zum einen. Zum anderen wird es die, sie nannten sie Kommunarden, oder welche Art von Rotröcke es auch sein mögen, verwirren, wenn zwei Männer in Eintracht auf der Kanzel stehen. Wenn diese sich ihrer Methode der Brüderlichkeit, doch eben wahrer, gewaltloser Brüderlichkeit bedienen, um den Männern und Frauen, den Kinder und Greisen, hier etwas Hoffnung zu geben.[6]" Er blickte erwartungsvoll zu Paul.
"Im Gegenzug will ich Ihnen meine Unterstützung zusagen für Ihre Projekte, Herr Zeidler. Was sagen Sie? Ich stelle Ihnen bischöfliche Gelder zur Verfügung, damit sie die Armen nachhaltiger versorgen können und nicht selbst alles zusammenklauben müssen. Das ist, was ich Ihnen anbieten kann."

Sein Blick wanderte zu Carl von Lütjenburg. "Und Sie sagen, dass die Preußen nicht an einer weiteren Eskalation interessiert sein? Erlauben Sie mir, Sie zu bitten, dass Sie dies unter Beweis stellen?" Er räusperte sich. "Sie sollen das nicht nach außen beweisen, Sie wollen Ihre Identität ja leise halten. Doch, ich habe preußische Kanonen auf Paris schießen sehen, als das Gros der Bevölkerung sich schon gar nicht mehr wehrte. Ich habe erleben dürfen, wie das Deutsche Reich sich am 18. Januar ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles[7] ausrufen ließ, obwohl Ihre Hauptstadt doch Berlin sein sollte. Sehen Sie, es fällt einem schwer, wenn man über Monate beschossen wurde und viele Freunde im Kriege verlor, den nicht alle freiwillig gewählt haben, an die Integrität eines jeden Preußen zu glauben, so gern ich das als Mensch gern wollte. Ich biete Ihnen also an, und sei es auch so, dass Sie nur Sorge vor der Eskalation im preußischen Sinne haben, dass Sie sich insofern beweisen, dass Sie ein Auge offenhalten, dass Ihrem Freunde Paul Zeidler und mir auf der Kanzel nichts geschieht. Wie steht es darum? Sie sind doch ein Preuße, also werden Sie doch darum bemüht sein, in seinem Sinne zu handeln, nicht wahr[8]?"

Jetzt blickte er seine beiden Gäste gespannt an. Es blieb deutlich, dass er die Gefahr entweder nicht ernst nahm oder zumindest, dass er sich davon keineswegs von seinen Absichten abbringen ließe. Vielleicht war es dumpfe Sturheit, vielleicht hatte er seinen Spitznamen doch verdient.
 1. Louis-August Blanqui
 2. Brentenoux
 3. Zur Erinnerung, mal wieder Thiers
 4. Christlicher Verein junger Menschen - Die französische Variante wurde 1852/1855 in Paris gegründet mit dem Ziel überkonfessionalem Dialogs. Henry Dunant ist wohl das bekannteste Mitglied des französisch-sprachigen Zweiges dieser Bewegung, wenn auch er Sekretär in Genf war, aber er war auch an der Pariser Gründung beteiligt.
 5. meint eigentliche die bekannte Welt in der Antike, oder den bewohnten Erdkreis, wird später zur berühmten Ökumenischen Bewegung.
 6. Er spielt deinen Aspekt Leading by Example an.
 7. Deutsche Reichsgründung
 8. Er spielt deinen Aspekt Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben? an, da er deine preußische Integrität spielerisch anzweifelt.
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Menthir

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Une nouvelle ère
« Antwort #87 am: 09.09.2014, 16:33:52 »
Donnerstag, 23. März 1871 - Vormittag - 12:07 Uhr - Rue des Saules (Montmartre)

Louis Blanc leerte seine Wangentasche und legte das angebissene Croissant, nun bar jeder Butter und in diesen Tagen sündhaft teurer Erdbeermarmelade, die eher geleeartig war, weil die ganze Früchte zu kostbar waren. Er legte es auf den Teller und wischte seine Hand in einer burgundfarbenen Serviette[1] ab. Sein Gesichtsausdruck war von Genuss zu Unlust gewechselt und er blickte Achille an, als hätte dieser etwas verbrochen. Dieser unangenehme, viel sagende Blick, der einem ein so oftmals trügerisches Gefühl gab, weil er im Zusammenhang der verfügbaren Informationen aufgenommen wurde. Aber wer wusste schon, worüber sich Louis und Achille sich vorher unterhalten hatten, dass dieser Wechsel so unmittelbar kam, als hätte sich eine anthrazitfarbene, wasserschwängerte Wolke vor die Sonne geschoben und würde sich gleich abregnen. Er warf die nun benutzte Stoffserviette auf das Croissant und nahm den Serviettenring, wahrscheinlich aus Messing, in die Hand und legte ihn ebenfalls auf dieses Konstrukt der Aussage des vergangenen Hungers.

"Ich hoffe, es ist Ihnen jetzt unangenehm, wie ich mir aufführe.", sagte er schließlich gereizt, nachdem er Sébastien einen ganzen Moment angeblickt hatte. "Wahrscheinlich hatten Sie jetzt das Gefühl, Sie hätten etwas Falsches gesagt oder mir in irgendeiner Form Unrecht getan. Möglicherweise habe sich in Ihrem Geiste Abwehrmechanismen abgespielt, ohne dass Sie diese bewusst steuern mussten. Was wollte dieser Mann von mir? Wieso reagiert er so? Sie sind ohne erkenntlichen Grund defensiver geworden, ihre Stirn hat sich möglicherweise kraus gezogen. Sie spüren, wenngleich auch keine körperliche Gefahr, die von einem kleinen, dicklichen Mann hohen Alters kaum ausgehen kann, droht, dass etwas im Argen ist und werden kritischer, abwehrender. Sie ziehen sich in eine natürliche Schutzhülle zurück und warten darauf, sich zu verteidigen. Wird der Mann mich anklagen? Wie soll ich mich rechtfertigen? Sie waren schon langsam dahin gekommen, als ich Sie nur ansprach, nicht wahr? Er sagte kaum Guten Morgen und schon zwang er Sie, dieser dreiste, alte Mann, sich für ihr mögliches, vielleicht sogar wahrscheinliches Verhalten zu rechtfertigen. Ohne, dass er spezielle Dinge Ihres Lebens wissen kann, arbeitet er mit stumpfen Erwartungen, wie ein schlechter Statistiker, und zwingt sich gleich zur Rechtfertigung, und als Sie diese, selbstverständlich, geben, erdreistet er sich auch noch sein Essen zu beenden und sie weiter unter Druck zu setzen. Bis zu diesem Moment. Puuf. Der Druck ist weg."
Er nahm den Messingring wieder vom Tuch, nahm die Serviette vom Croissant und das Croissont wieder in die Hand und biss mit einem verschmitzten Lächeln hinein. Auch Achille, der vorher ungewohnt angespannt gewirkt hat, lächelte jetzt, wenn auch etwas gezwungener, als würde ihm etwas auf dem Magen liegen.

"Ich will Ihnen erklären, warum dieser Druck weg ist. Verzeihen Sie mir einfach, dass ich Sie zu Beginn unseres Gespräches gleich mit dem Rücken an die Wand gestellt habe, und mit Fragen traktiert habe, die einem rhetorischen Erschießungskommando gleichkommen. Aber ich möchte Ihnen damit etwas verdeutlichen, nämlich die Rhetorik der Blanquisten. Sie spielen mit Ihrer Angst, die durchaus berechtigt ist, und mit Ihrem Gewissen. Jede Tat, die Sie also tun sollen, ist eine Tat Ihres Gewissens. Ihnen wird gesagt, Ihnen wird geradezu gepredigt, und glauben Sie mir, die Blanquisten sind fromme Priester, dass Sie hilflos sind, dass Sie nur Ihre Familie ernähren können, Ihren Beruf, vielleicht als gemeiner Fabrikarbeiter, nur dann ertragreich ausfüllen können, ernährend bestreiten können, wenn Sie sich einfach nehmen, was Ihnen zusteht. Ein Schreckensszenario wird verbal errichtet, welches den wahren Umständen soweit entspricht, dass es in seiner dystopischen Macht plausibel bleibt und Ihnen das Gefühl von Hilflosigkeit gibt. Sie wähnen sich folglich zwischen den Mühlsteinen der Fabrikanten und Republikaner, und ehe Sie in diesem Zustand zu nutzlosem, aber den Fabrikanten ernährende Mehle werden, erheben Sie sich mit erhobener, gereckter Rotfaust[2], brüllen Zeter und Mordio[3], schmeißen sich auf die nächste Barrikade, erheben irgendeine Form von Gewehr und schießen nieder, wer da auch die Barrikade zu stürmen droht. Auch wenn Sie noch immer nicht wissen, wie Ihre Tat sie nun ernährt und die Situation der Arbeiter verbessert, Sie tun eine Gewissenstat: Sie wissen, Sie haben - im Gegensatz zur faulen Masse des Mittelstandes - Ihr Schicksal in die Hand genommen und werden - wenn es schlecht läuft - einen Heldentod sterben. Das ist eine beruhigende Aussicht, wenn die Alternativ ewige Knechtschaft unter dem Joch des Fabrikanten ist, nicht wahr?"
Das Messer glitt in die Butter, dann in die eher geleeartige Marmelade, alles schmeckte aneinander, Blanc blickte mit kulinarischer Wolllust auf diese an sich einfache, doch in Zeiten der Krise außergewöhnliche Speise, ohne dabei Sébastien aus den Augen zu verlieren. Er biss schmatzend ab und zeigte seinen Genuss damit deutlich an. Er kaute ostentativ deutlich und spülte dann, nachdem er bereits zweimal geschluckt hatte, die Reste seines Bissen mit diesem süß-lieblichen Weißwein hinunter.
"Ich sehe Ihrem Gesicht doch an, dass meine Analyse gar nicht so weit daneben liegt. Nun ist der Druck jedoch fort, in diesem Gespräch zumindest. Erlauben Sie mir, wenn ich mir nämlich herausnehme, Sie nicht weiter mit dem Rücken an die Wand zu stellen, wenn ich mir erlaube, Sie nicht in meinem Sinne manipulieren zu wollen. Ich bin kein Blanquist und ich brauche kein Fußvolk, etwas, was Ihnen sowieso nicht gut steht, mein lieber Monsieur Moreau, denn soweit ich das beurteilen kann, sind sie nicht auf den Kopf gefallen.

Ich komme dennoch nicht umhin, zu bemerken, dass Sie mich mit Platzhaltern in Ihren Ausführungen bedacht haben, die allesamt sehr wenig aussagen. Aber das ist schwer, Ihnen also nicht zu verübeln.
Es ist schwer zu erkennen, wie die Anfeindung einer Person, einen Fortschritt bringt. Wenn ich das Gespräch so fortgeführt hätte, wir wären im Streit geendet, und wir hätten keinen Fortschritt erlebt, weil sie Ihre Ideale, und ich die meinen, schlachtengleich verteidigt hätten. Wir sind stolze Männer und glauben zu wissen, wofür wir einstehen. Ich für die Wahl, sie für die Änderung der Verhältnisse im blanquistischem Wege. Wenn wir uns jedoch streiten - Sie haben ihre biologische Selbstfunktion demonstriert bekommen, wie sie automatisch ablehnender werden, sobald Sie eine Form von Gefahr wittern - vergessen wir beide allzu schnell, dass wir doch über das Wohl der Arbeiterschaft in gleichem Maße besorgt sind. Und das wollen wir nicht, dass wir einander beweisen wollen, wer von uns die Zukunft besser lesen kann. Das ist ein Streit über ein gehaltloses Thema, da wir beide ausgebildeten Wahrsager sind, nicht wahr?

Doch obgleich wir die Zukunft nicht zur Gänze vorhersagen können, haben wir die Fähigkeit entwickelt, einzelne Ereignisse erahnen zu können. Und ich erahne folgendes: Der Weg der Blanquisten führt in eine Gegengewaltspirale. Selbst wenn es Ihnen gelingt, wie bei der Eroberung der Kanonen, Teilerfolge zu feiern oder gar soziale Entwicklungen in Gang zu setzen, wird es nach ihrer Niederschlagung keine Rolle mehr spielen. Das haben uns alle alten Revolutionen doch schmerzlich bewiesen. Ich erinnere an die Errungenschaften der großen, unser geliebten Revolution; wie viel ist von ihr geblieben, als Napoleon sie über das Knie legte und ihr den Hintern versohlte? Sie ahnen es, Monsieur. Sie ahnen ist. Hier stehen wir wieder.

Ich habe deswegen das Gefühl, dass ein Versuch der Veränderung mit der Legitimation eines ganzen Volkes oder zumindest der Mehrheit, ein größeres Erfolgspotenzial verspräche, auch wenn wir kleinere Schritte gehen müssen und das Schicksal nicht mit einem tatkräftigen Schwerthieb ändern können.

Ich stelle es ihnen frei zur Wahl und werde nicht enttäuscht sein, sollten Sie ablehnen, ich will Sie nicht manupulieren, nein, Sie sollen Ihren klugen Kopf nutzen, doch bedenken Sie bitte folgendes:

Sie sind ein, das steht außer Frage, tatkräftiger wie verzweifelter Mann. Sie haben menschliche Schwächen, wie wir alle, doch sie haben den Blick für das Ganze nicht verloren. Im Gegensatz zu vielen Ihrer Mitstreiter, haben Sie Ihre Vernunft noch nicht dem radikalsten Ideal geopfert, nur weil es schön klingt. Sie wissen, dass der Weg schwer ist, und trotz allem sind sie leidensfähig. Das macht sie prädestiniert für eine größere Rolle als die eines Blanquisten, verstehen Sie?
Was hielten Sie davon, wenn Sie ihren abendlichen Aufstand vergessen und sich stattdessen dem Bürgermeister Montmatres anschließen. Kennen Sie, Georges Clemenceau[4]? Ein guter Mann. Ich könnte Sie miteinander bekannt machen und Sie könnten hehrere Wege, parlamentarische Wege gehen und müssten nicht mehr diesem prämodernen Zustand des Rechts des Stärkeren folgen, sondern könnten wirklich und fortwährend etwas bewegen. Was sagen Sie?"

Achille blickte weg beim letzten Teil des Gespräches, in sein Weinglas starrte er geradezu. Es war klar, dass er mit Louis Blanc über die geplante Befreiung von Blanqui im Detail gesprochen hatte und sie jetzt versuchten, Sébastien umzustimmen, ihn vor seinen Freunden zum kleinen Verrat zu bringen. Dennoch war es vielleicht verlockend eine erhöhte Position an der Seite des Bürgermeisters anzunehmen. Das versprach, soviel wusste Sébastien, ein geregeltes Gehalt, ein legaler Posten außerhalb einer Fabrik und damit eben die Chance, dass seine Frau und er nicht hungern mussten, während seine Kinder sogar eine Schule besuchen konnten und später vielleicht sogar eine Universität. Das könnte zumindest den Zustand seiner Familie bessern und gab ihm doch immerhin die Chance, immer noch etwas zu verändern, wenn auch weniger radikal[5].

Louis Blanc biss wieder von seinem Croissant ab, diesmal geräuschlos und freudloser, denn er war konzentriert, ob der Reaktion von Sébastien.
 1. Das sind freilich noch alles Stoffservietten, die modernen Papierservietten werden 1894 in Deutschland erfunden.
 2. 
 3. Zetermordio
 4. Georges Benjamin Clemenceau
 5. Ich spiele deinen Aspekt "Doch doch, ich liebe meine Frau, aber... " an, und zwar in der Hinsicht, dass Sébastien ja jetzt durchaus die Chance hätte, sein schweres Gewissen seiner Frau gegenüber zu beruhigen, in der er ihr, als auch Jules und Viviane ein besseres Leben verschaffen könnte.
« Letzte Änderung: 09.09.2014, 16:34:50 von Menthir »
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit." - Jean-Jacques Rousseau, Du Contrat Social

Carl von Lütjenburg

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Une nouvelle ère
« Antwort #88 am: 14.09.2014, 15:14:02 »
Carl hatte zunächst darauf verzichtet Darboy zu antworten und es vorgezogen das Hin und Her zwischen dem Bischof und Zeidler, Carls ebenso neuem wie auch merkwürdigem Verbündeten, zu beobachten. Überhaupt hatte er den Eindruck, dass es klüger war Zeidler reden zu lassen und selbst zu schweigen. Eigentlich verhielt es sich vermutlich so, dass Paul dem preußischen Offizier in dieser Situation mehr Glaubwürdigkeit und Wohlwollen verschaffte, als jedes Dokument oder auch Geschenk, dass er hätte vorweisen können.
Er hatte sich fest vorgenommen, nur wenn es wirklich notwendig wurde in das Gespräch einzugreifen und gegebenenfalls im eigenen Sinne in die rechte Direktion zu bewegen. Doch all die guten Vorsätze wurden alsbald auf eine harte Probe gestellt, als Darboy an Carls eigener Integrität zweifelte.
Doch es war nicht so als hätte Carl eine große Wahl gehabt, tatsächlich merkte er bei jedem Wort, wie der Ärger ein Stück mehr in ihm aufstieg und als der Bischof zu reden aufhörte, musste Carl diesen Worten einfach entgegentreten. Er wollte nicht laut werden, doch seine Wut ließ ihn seine Worte zischend ausspucken.

"Ja, unsere Hauptstadt ist Berlin und es ist ein großes Glück, dass ihr sie uns 1807[1] gnädiger Weise doch noch gelassen habt, als Preußen halbiert und versklavt wurde. Ein Jahrhundert des Wachstums mit einem einzigen Vertrag vernichtet! Frankreich sicherte sich ohne Rücksicht die Ostflanke und ließ tausende Deutsche in Russland an Seuche und Hunger verrecken, wenn sie nicht das Glück hatten, sich eine Kugel für die Grande Nation[2] einfangen zu dürfen. "

Carl beruhigte sich wieder ein wenig, war aber noch nicht fertig mit seiner Tirade: "Und nun wollen Sie mir erklären, dass es nicht aussieht, als wäre Preußens Interesse an einer Deeskalation  nicht glaubwürdig, weil wir uns ihren Spiegelsaal ausgeliehen haben? Ich möchte Ihnen mal etwas sagen, Herr Darboy. Zum Einen sollten Sie sich als Franzose wohl eher geschmeichelt fühlen, dass wir in ganz Berlin offenkundig keinen vergleichbaren Raum besitzen um unser Kaiserreich auszurufen und zum Anderen wird Frankreich sich nun damit abfinden müssen, dass es in Deutschland nun nichts mehr zu sagen hat. Nie wieder! Ich kann verstehen, dass die Art dies zu verdeutlichen, bei keinem Franzosen auf Gegenliebe stößt, doch haben auch wir ein Interesse daran, endgültig klarzustellen, dass die Zeit, in der man uns klein halten konnte nun ihr Ende gefunden hat.

Offensichtlich scheinen ihre Landsleute ja nicht immer vollkommen Aufnahmebereit zu sein, also sind deutliche Zeichen wohl notwendig. Vor den Toren steht eine riesige Armee, die langsam ungeduldig wird und hier drinnen fabulisieren  sie davon zuerst ein Königreich der Arbeiter zu errichten und uns danach wieder aus Frankreich zu werfen. Dass es für Paris bald gar keine Nahrung mehr geben wird und Seuchen demnächst in allen Straßen wüten werden, interessiert und besorgt - soweit ich dies beobachten konnte - zumindest ein paar Preußen, aber so gut wie keine Franzosen. Hier läuft doch etwas gewaltig verkehrt, oder nicht?"


Mit den letzten Worten hatte Carl sich vollends wieder beruhigt und an seiner Mimik war deutlich zu erkennen, dass ihm sein Ausbruch auf der einen Seite leid tat und vermutlich sogar etwas peinlich war. Auf der anderen Seite lag aber vor allem in seinen Augen eine gute Portion Trotz, die davon kündete, dass weder er sich als barbarischen Invasor sah, noch so wahrgenommen werden sollte und es ihm arg zu schaffen machte, wenn er derartig in Frage gestellt wurde. Sicherlich gab es haufenweise Revanchismus in den Reihen der Preußen zu finden und auch wenn Carl sich eher nicht davon antrieben ließ, so war er dennoch nicht dazu bereit das Vergangene zu vergessen, wenn ihm die Gegenwart vorgeworfen wurde.

Nach einem kurzen Moment des Schweigens räusperte sich Carl und setzt erneut an zu reden - diesmal wieder ruhig und gefasst, vielleicht auch ein wenig demütig: "Um dann doch auf ihre Frage zurückzukommen... Ich habe Paul um Hilfe gebeten, weil ich hier vollkommen auf mich allein gestellt bin und das obwohl ich sehr wohl weiß, dass es gefährlich, wenn nicht gar tödlich sein kann, sich in diese Dinge einzumischen. Ich habe drei Kriege gefochten und für mein Vaterland und meine Kameraden gebe ich mein Leben gerne, wenn es denn irgendwann sein soll. Dennoch es ist niemals einfach sowas von anderen zu erbeten.
Ich sage das nur, damit sie verstehen können, dass ich Paul nicht aus bloßem Kalkül oder gar leichtfertig angesprochen habe, sondern weil es mir  anders nicht möglich schien meine Befehle zu erfüllen und damit indirekt in der Stadt Schlimmeres zu verhindern. Ich könnte es mir also nur schwer verzeihen, sollte Herrn Zeidler hier etwas geschehen, nur weil er mir zur Seite steht. Wenn Sie beide, es also für klug halten mehr oder weniger ins offene Messer zu laufen, dann will ich vor Ihnen herlaufen und das Messer im rechten Moment beiseite stoßen.  Sie beide Seite an Seite wäre sicherlich ein gutes Signal an die Bevölkerung, aber ich kann nur schwer einschätzen, ob es nicht besser wäre dem Anschlag einfach zu entgehen und die Feinde so ins Leere laufen zu lassen."

 1. Carl meint den Frieden von Tilsit
 2. Grande Nation

Sébastien Moreau

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Une nouvelle ère
« Antwort #89 am: 17.09.2014, 00:06:33 »
Sébastien war, während er Blancs Ausführung verfolgte, leicht irritiert. Der Mann war wortgewandt, keine Frage, doch fand seine Art bei Sébastien nicht sonderlich Anklang – was vielleicht daran lag, dass sich der junge Arbeiter tatsächlich recht unwohl in diesem Gespräch fühlte. Teils hatte er etwas Mühe, zu folgen. Nicht, weil er die Bedeutung der Worte nicht verstand, sondern weil er Sinn dahinter suchte, eine Intention. „Dreister, alter Mann“ nannte Louis Blanc sich selbst, wenn er dies auch den Gedanken seines Gesprächspartners zuschrieb… Berechtigterweise. Sébastien gefiel nicht, wie Blanc mit ihm umsprang, es versetzte ihn noch immer in Unruhe. Nein, kein „Puuf“. Der Druck war keinesfalls weg, auch wenn Sébastien versuchte, die Anspannung, die ihn befallen hatte, loszuwerden. Das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen, Dinge richtigzustellen, war nach wie vor gegeben.

Zu widersprechen wäre eine Option gewesen, denn so, wie Blanc die Blanquisten darstellte, war es sehr negativ und pessimistisch dargestellt. Das Gefühl, dass er von seinen Kameraden ausgenutzt und manipuliert wurde, hatte Sébastien nicht. Er fühlte sich wohl unter Seinesgleichen – nicht so hier, in Gegenwart Blancs, dessen Worte genauso provokant waren wie die Art, in der dieser Mann sein Croissant vertilgte. Der Behauptung zum Trotz, sich nicht streiten zu wollen, trug Blanc jedenfalls nicht viel dazu bei, um bei Sébastien nicht anzuecken. Vielleicht hatte Blanc gewissermaßen Recht: Die Blanquisten waren bereit, für ihre Sache ihr Leben zu geben. Unmittelbar geholfen war damit noch niemandem, mit dem Heldentod, zumindest, wenn es chaotisch von Statten ging, so wie Blanc es beschrieben hatte… Aber genau deswegen planten sie ja, den Arbeitern ihren Louis wieder zurückzugeben.

Ungeachtet dessen wurde Sébastien den Eindruck nicht los, dass Blanc mit ihm spielte, ihn in eine bestimmte, anti-blanquistische Richtung zu lenken, was sich final durch bestätigte, dass Blanc ihm die „freie Wahl“ ließ, sich statt der Darboy-Aktion für eine Anstellung beim Bürgermeister Montrematres zu entscheiden. Hatte Sébastien sich zuvor bemüht, nicht sonderlich gequält oder verstimmt dreinzublicken, verfinsterte sich seine Miene bei Blancs letzten Worten schließlich etwas.

Doch war es nicht Blanc, den Sébastien vorwurfsvoll ansah, als man ihm das Wort überließ, sondern Archille. Archille, der in sein Weinglas starrte, anstatt Sébastiens Blick zu erwidern. Wohl vom schlechten Gewissen geplagt – und das nicht ohne Grund!
„Ich dachte, du seist mein Freund, Archille“, sagte Sébastien etwas kühl. Er fühlte sich in eine Falle gelockt. „Ich weiß, dass dir unser Plan nicht zusagt, aber das gibt dir nicht…“
Nein, er unterbrach sich selbst, bevor er laut wurde. Er schnaubte stattdessen.
„Was hast du dir dabei gedacht?“
Er führte dies an dieser Stelle nicht näher aus. Er war aufgewühlt und Archille konnte sich sicher denken, dass er sich darüber empörte, dass er einerseits Details ausgeplaudert und andererseits Sébastien selbst in diese aktuelle Situation gebracht hatte.

Sébastien wartete keine Reaktion ab, sondern wandte sich direkt Louis Blanc zu.
„Sie, Monsieur, Sie stellen mich vor eine Wahl, die ich nicht treffen möchte“, stellte er ernst klar, fühlte sich allerdings nicht selbstsicher, sondern wie ein in eine Ecke getriebenes Tier.
„Entweder soll ich meine Freunde, meine Brüder hintergehen, indem ich sie im Stich lasse, oder aber meine Familie, denn nichts anderes wäre es doch, wenn ich Ihr Stellengebot ablehne, nicht wahr?“
Es war eigentlich eine unverhoffte Gelegenheit, eine beinahe schon glückliche Wendung für Sébastien, Arbeit angeboten zu bekommen. Gut bezahlte Arbeit, wie er vermutete. Denn um seine jetzige Stelle stand es vermutlich nicht erfreulich, da heute nicht der erste Arbeitstag war, den er versäumte. So etwas wurde, selbstverständlich, nicht gern gesehen. Nicht von seiner Frau Joséphine (weswegen Sébastien sich auch davor hütete, nun, da er eigentlich arbeiten sollte, Zuhause vorbeizusehen), aber auch nicht von seinem Arbeitgeber – einem ihrer Gegner im Kampf um Freiheit und Gleichheit, wenn man so wollte. Doch derzeit war Sébastien, war Sébastiens Familie, von dem Lohn abhängig, den er verdiente. Joséphine wäre nicht erfreut zu erfahren, wenn Sébastien seine Anstellung verlieren würde… Das wäre fatal. Er konnte eine Anstellung beim Bürgermeister sehr gut gebrauchen, das stand fest. Allerdings…
„Sie wollen mich also nicht manipulieren, nein? Das hört sich für mich ganz anders an.“
Es war für ihn nur natürlich, auf die „freie Wahl“, die Blanc ihm anbot, misstrauisch und abweisend zu reagieren.
„Sie wollen nicht, dass ich helfe, Blanqui zu befreien, also bieten Sie mir… was eigentlich?“, verlangte er zu wissen. „Geld? Ansehen? Macht? Soll ich Ihrem Freund Clemenceau den Rücken freihalten? Wahlzettel sortieren? Oder seine Möbel reparieren?“
Sébastien schnaubte erneut.

„Ich bin Tischler, Monsieur Blanc“, betonte Sébastien, „kein gebildeter Mann, der mit Zahlen und Worten jonglieren kann, so wie Sie es wahrscheinlich tagtäglich tun. Habe ich den Eindruck vermittelt, dass ich eine größere Rolle spielen möchte als meine Brüder im Geiste? Vielleicht will ich mich gar nicht gar nicht von den anderen Arbeitern abheben, haben Sie daran schon einmal gedacht? Gleichheit, darum geht es doch. Um Kameradschaft. Das Nutzen der Gelegenheit, solange noch Zeit dafür ist und Thiers sich nicht wieder einmischt.“
Sich zu wehren, Trotz zu beweisen, hatte vielleicht keinen Sinn. Sébastien war sich bewusst, dass er sich in einer furchtbaren Zwickmühle befand. Nein: Er wollte die Wahl, vor die Blanc ihn stellte, wirklich nicht treffen. Aber blieb ihm nun ein Ausweg? Sébastien sah keinen. Entweder, oder – zwei Optionen. Er sank in seinem Stuhl zurück.

„Sie wollen also wissen, was ich sage“, nahm er resigniert, nach einer kurzen Pause, wieder das Wort auf, fixierte dann allerdings Archille, als er fortfuhr:
„Ich kann François und Nicodème das nicht allein tun lassen. Wir wollen niemanden verletzen. Das ist alles nur Schau. Wir wissen das, natürlich, doch falls es zu Schwierigkeiten kommt…“
Sébastien mochte es sich nicht vorstellen.
„Ich würde mir nie verzeihen, wenn den beiden etwas zustieße und ich nicht da gewesen wäre, um das zu verhindern.“
Ein Verrat an seinen Freunden, gerade an François, konnte Sébastien nicht mit seinem Gewissen vereinen.
Nun suchte er wieder Blickkontakt zu Blanc. „Dennoch sitze ich noch hier, wie Sie sehen. Ich bin noch nicht aufgestanden und gegangen.“
Nein, seine Familie konnte Sébastien auch nicht dem Elend überlassen. Seine Liebsten versorgt zu wissen, war eine Herzensangelegenheit. Um seine Frau und Kinder abzusichern, würde er sofort und jederzeit sein Leben geben.
„Offenbar bin ich wirklich verzweifelt“, murmelte Sébastien, seine Lage kommentierend, als er nun nach seinem Weinglas griff und es, wenig genießend, mit einem Zug leerte.
„Verraten Sie mir, Monsieur Blanc: Was genau haben Sie im Sinn? Was genau wollen Sie von mir?“
Dass Blanc uneigennützig handelte, konnte Sébastien nicht glauben. Dass dieser Mann ihn nicht zu manipulieren versuchte, sowieso nicht. Blanc sollte die Karten auf den Tisch legen, statt allgemeine, schwammige Aussagen zu machen. „Hehrere, parlamentarische Wege“? Sébastien sah nicht, wie genau diese größere Rolle aussehen sollte, die Blanc ihm zugedachte. Er sah nicht, wie genau das erfolgsversprechender sein sollte, als den Arbeitern ihren Louis zu geben. Denn langsame Änderungen waren zwar auch Änderungen, aber wer sagte ihnen, dass sie wirklich beständiger waren als schnell errungene?
„Liberté, égalité, fraternité!“

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