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Autor Thema: Die Nacht des Blutes  (Gelesen 29236 mal)

Beschreibung: Episode 1.1

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Sternenblut

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #375 am: 15.02.2014, 09:50:05 »
Niemand bemerkte Omrah, als er sich durch die Tür nach draußen schlich. So wie ihn nie jemand bemerkt hatte, wenn er darauf geachtet hatte. Die Erwachsenen achteten einfach nicht auf einen Jungen.

In der Halle angekommen, nutzte Omrah die Zeit, in der er auf Ryffa wartete, um die Türen zu überprüfen. Die Tür im Erdgeschoss auf der Seite, von der er kam, war abgeschlossen. Auf der anderen Seite war die Tür oben, nach der Treppe, abgeschlossen. Die untere Tür aber war offen. Er warf einen kurzen Blick hinein. Dahinter lag ein langer Flur, gute fünfzehn Meter, von dem aus eine ganze Reihe Türen zu weiteren Räumen auf der linken Seite führte. Der Flur endete in einer weiteren Tür.

Was Omrah gleich auffiel, war, dass es hier ganz anders roch als dort, wo er herkam. Ein frischer Duft, vermischt mit den angenehmen Gerüchen von Blumen, lag in der Luft.

Er schloss die Tür gerade wieder, als Ryffa die Tür hinter sich schloss und die Treppe herunterkam. Bei ihm angekommen, lächelte sie ihn an. "Ich bin so froh, dass du gesund bist", erklärte sie. Dann nickte sie zur Tür. "Schon was interessantes gefunden?"
« Letzte Änderung: 15.02.2014, 09:50:38 von Sternenblut »
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Gelirion

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #376 am: 15.02.2014, 14:07:18 »
Ausruhen, Geliron wusste gerade nicht ob er dies schon konnte. Er fühlte sich erschlagen, müde und verzweifelt aber auch besorgt sowie aufgeregt. Sein Körper mahnte ihn an zu ruhen, doch sein Geist konnte dies noch nicht gewähren. Erst musste er sicher sein, dass sie alle hier sicher waren. Auch fürchtete er sich vor den Gedanken, die da kommen mögen, wenn er in einem Bett liegen würde. Denn noch nickte er der Gesandten zu und blickte ihr nach, wie sie sich auf machte die trübe Nachricht zu überbringen.

Das Esulilde das zweite Behandlungszimmer verließ und den nächsten hinein bat, bekam er beiläufig mit. Er blickte sich um. Wer jetzt an der Reihe war wusste er nicht, doch schien im Gang auch kein anderer mehr zu sein. Also machte er sich auf. Bevor er eintrat klopfte er höflich an die Tür. Innen schloss er die Tür hinter sich und nickte zum Priester. Dabei vermied Gelirion Elisias direkt in die Augen zu sehen. Dies mochte wie eine Höflichkeitsgeste wirken, doch schämte sich der Paladin immer einfach noch. “Ich denke ich soll mich entkleiden, richtig?” fragte er in den Raum und begann  die Schnüre seines Wappenrockes und des Gambison zu lösen. Es dauerte eine Weile, bis er sich aus seinen vielen Sachen gepellt hatte. Dabei ließ ihn sein Körper jetzt einmal richtig spüren wie schwer die Nacht war. Er konnte seinen rechten Arm nicht über den Kopf heben, ohne das Gesicht zu verziehen. Auch die Unterarme schmerzte, sein Rücken tat weh und seine Linke Hand pochte immer noch.
Verwundert betrachtete er die blauen Flecken, welche sich über die Brust verteilten, wo seine Schwester zugeschlagen hatte. Auch der große Fleck am rechten Schultergelenk überraschte ihn, aber dies war wohl ein Überbleibsel von dem Versuch die Tür im Schankhaus eimnzurennen. Neben diesen Prellungen hatte Gelirion nur noch ein paar Kratzer und Schürfwunden aufzuweisen. Wobei der Kratzer am rechten Unterarm eindeutig aus einem Kampf stammt.

Dann wartete er, auf den Tisch sitzend, nur noch in Hemd und Bruche gekleidet, darauf dass Elisias mit seiner Untersuchung begann. Er blickte mit seinen geröteten Augen weiter zum Boden und versuchte an nichts zu denken. Irgendwie fühlte es sich gerade gut an einfach nur dazusitzen und abzuwarten. Sein Körper konnte sich vielleicht für die Zeit der Untersuchung entspannen. Danach, wenn alle sicher waren, wenn es seiner Schwester besser ging, danach könnte er Timbar nach einem Waschraum und einer Rüstkammer fragen. Vielleicht hatten sie hier in der Feste sogar ein kleines Bad. Endlich das Blut und den Schweiß abwaschen zu können, ja das würde Gelirion jetzt gefallen. Sein Blick wanderte zu den dreckigen, blutbeschmierten Händen. Sich von dem Blut befreien, das wäre es jetzt. Rückartig wendete er den Blick ab, als er merkte wie ihm wieder trübe Gedanken umfingen und seine Augen wässrig wurden. Das durfte er sich nicht geben. Nicht vor einem Fremden wie Elisias. Gelirion schluckte und versuchte wieder an nichts zu denken, was ihm wie gerade eben recht schwer viel.
« Letzte Änderung: 17.02.2014, 08:36:59 von Gelirion »

Omrah

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #377 am: 18.02.2014, 19:07:24 »
Neugierig sah sich der Junge in den Gängen und Hallen des Sanatoriums um und hoffte fast schon, wie in einem richtigen Abenteuer, ein Geheimnis nach dem anderen zu lüften. Vielleicht würde das sogar passieren, denn niemand wusste genaueres über diesen Ort. Omrahs Fantasie wurde durch den unerlaubten Ausflug in die verzweigten Gänge des Gebäudes mächtig angekurbelt und für diese wenigen Minuten, waren seine Sorgen vergessen. Erst Ryffa erinnerte ihn für einen kurzen Moment wieder an die schockierende Wahrheit. Allerdings konnte er ihr keine Sekunde böse sein, denn sie war einer der wenigen Gründe, warum er überhaupt noch hier herumlief.
Schon als er von Zuhause geflohen und nach Aradan gekommen war, hatte sie ihn unterstützt und ihm geholfen. Sie hatte ihm gezeigt, wo in Aradan er sich zurechtfinden konnte, wo es gute Beute gab - von der er natürlich nur so viel nahm, wie er unbedingt zum überleben brauchte - und ihn vor den anderen Straßenkindern geschützt, die ihn nie wirklich akzeptiert hatten.

Sie hatte ihm ein neues Leben geschenkt und dafür war Omrah ihr unendlich dankbar. Das wurde ihm erst jetzt bewusst. Vielleicht auch erst durch die Ereignisse der letzten Stunden, die ihn immer wieder daran erinnert hatten, wie tödlich diese Seuche - oder was immer es auch ist - war. Dem Jungen fehlten die Worte, um diese Dankbarkeit auszudrücken, also blieb es bei einem einfachen aber ehrlichen und mit einem Lächeln unterlegten "Ich bin auch froh, das du gesund bist und es dir gut geht!" Ihm würde schon etwas einfallen, wie er ihr seine Dankbarkeit zeigen konnte.

Schließlich wandte er sich um und zeigte nacheinander auf die verschlossenen und dann auf die unverschlossene Tür.

"Die Türen hier sind verschlossen aber die ist offen. Da riecht es nach Blumen aber ich finde die anderen Türen viel interessanter. Da muss irgendetwas besonderes hinter liegen, wenn sie verschlossen sind. Also was meinst du, die Blumentür oder soll ich versuchen eine der anderen aufzuschließen?"


Omrah strahlte Ryffa an. Seine Neugierde hatte die Oberhand genommen und selbst wenn sie jetzt die offene Tür durchschreiten würden, dann würde er später wiederkommen um die anderen zu öffnen.

Areo

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #378 am: 18.02.2014, 22:58:21 »
Systematisch durchsuchte der Druide die einzelnen Schränke und Kästen des Behandlungszimmers. Sein Ziel war, die gewünschten Tinkturen, Wurzeln und Tränke zu finden, welche er kurz zuvor dem alten Mann vorgeschlagen hatte. Jener hatte in einem kurzen Absatz Areos Optionen zugestimmt. Sie waren sich beide einig, dass eine Entgiftung ihrer Organe, vor allem der Leber, der erste Schritt in einer Reihe von Kuren sein sollte, welche den Zustand Gelirions Schwester verbessern sollte. Hoffentlich. Rhamedes Idee des abführenden Mittels war gleichsam eine Möglichkeit, das schädliche, fremde Blut aus ihrem Kreislauf zu bekommen. Sie konnten nur hoffen, dass jene Seuche, sofern ihre Annahme der Übertragung überhaupt der Realität entsprach, der ätzenden Magensäure nichts entgegen zu setzen hatte und sich auf diese Weise nicht in ihrem Kreislauf ausbreiten konnte.
Sollte dem nicht so sein… Areo wagte es nicht, in diesem Moment an jene Folgen zu denken. Er brauchte es auch nicht. Noch hatten sie keinerlei Grund, vom Schlimmsten aus zu gehen.
Nach wenigen Minuten konnte er eine Reihe von Mitteln finden, welche seinen Vorstellungen entsprachen. Dabei fand er nicht nur den benötigten Mariendistel Extrakt, sondern auch einige Beutel getrockneter Kräuter, genannt Cistus, welche in Verbindung mit heißem Wasser nicht nur einen entgiftenden Teeextrakt hervorbringen würden, sondern gleichsam auch als Umschläge genutzt ihrem Körper während der Nacht helfen könnten, sich zu beruhigen. Dadurch konnten die restlichen Organe sich trotz der Überbeanspruchung  wesentlich besser ausruhen, was wiederum ihren Abwehrkräften helfen würde, sich auf die Fremdeinwirkung des potentiellen Krankheitserregers zu konzentrieren.
Behutsam nahm Areo eine saubere Tonschale aus einem hüfthohen Schränkchen neben der Tür und gab einige Gramm des Distelextraktes hinein. Dazu tropfte er ein wenig einer milchigen Flüssigkeit, welche die Verdauung anregen sollte, und vermengte jenes zu einem grün-braunen Brei. Hinzu gab er einige Schöpfer sauberes Wasser und verrührte das Ganze mit einem Holzlöffel. Das Resultat ließ er kurze Zeit stehen, während er nicht nur ein weiteres Schälchen nahm, sondern den Raum auch nach einem Tuch durchsuchte. Er fand ein Dreieckstuch im Verbandsfach und beschloss, dass es den Nutzen erfüllen würde. Er faltete den Stoff auf und breitete ihn behutsam über der zweiten Tonschale aus. Dann nahm er das Distelgemisch und schüttete es vorsichtig in das Tuch. Nachdem die erste Schale leer war, nahm er den Verband an den drei Ecken und faltete ihn so zusammen, dass er die Flüssigkeit ohne Verlust hindurch pressen konnte, sodass die reine Tinktur zurückblieb, ohne jegliche pflanzliche Rückstände.
Jene Medizin hob er sorgsam an und reichte sie höflich Ina. Er nickte der Frau freundlich zu und versuchte ihr zu signalisieren, dass sie trinken sollte. Ein starker, süßlicher Duft von Kräutern hatte sich bereits im Behandlungsraum verbreitet. Zweifellos würde sie, aufgrund der ätherischen Öle kurzzeitig die Nase rümpfen, doch jener Saft war alles andere als ungenießbar.
Areo überlegte erneut wegen Rhamedes‘ Einwand, durch Abführmittel das fremde Blut aus ihrem Körper zu bekommen. Er beschloss, der Tinktur etwas Zeit zu geben, damit sie ihren Körper von Innen stärken konnte. Sie würde die Kraft brauchen, wenn sie später jenes Mittel zu sich nehmen würde und die Tinktur würde keine halbe Stunde brauchen, in ihren Kreislauf einzudringen. Er nahm das zweckentfremdete Tagebuch zur Hand und riss sorgsam eine Seite heraus, bevor er einmal mehr an diesem Morgen die Feder benetzte und zu schreiben begann:
‚Frau Ina. Der Trunk wird ihnen helfen, ihren Körper zu beruhigen. Ich werde ihnen noch einige Umschläge vorbereiten, während sie sich in ihr Zimmer begeben werden. Jene bringe ich ihnen zeitnah, gemeinsam mit einem weiteren Mittel. Dann sollten sie sich ausruhen. Wir beschützen sie.‘
Während er die Worte schrieb, bemerkte Areo wieder, wie sehr auch er erschöpft war. Die grausame Nacht lag nur wenige Stunden hinter ihnen und die Bedrohung war nach wie vor allgegenwärtig. Doch an Ruhe war vorerst noch nicht zu denken. Auch wenn ihm selbst bereits schwindlig war, versuchte er die letzten Reserven seiner Kräfte zu ordnen und so lange wie möglich weiter durchzuhalten.
Ihre Arbeit hier war zu wichtig. Es war nun seine Aufgabe, sich gemeinsam mit dem alten Rhamedes um die Schwester ihres Anführers zu kümmern. Er klammerte sich an die Hoffnung, dass ihre Vorgehensweise ihr wirklich helfen konnte und verdrängte dabei jegliche Zweifel, während er den Zettel der Patientin reichte.

Rhamedes

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #379 am: 21.02.2014, 14:56:55 »
"Das sollte kein Problem sein, wenn es euer Wunsch ist. Auch wenn es nie geboten ist, in dieser Zeit völlig allein zu sein. Bewegt euch also nicht zu weit fort, auch wenn ich weiß, wie ihr euch fühlen müsst. Diese inneren Sorgen, die sich aufdrängen. Die Zweifel, die nagende Sorge, ob man jemanden zur Last fällt, ob man jemanden ansteckt oder wie schwer die Krankheit ist. Die Angst, dass ihr euren Bruder damit belastet. Wir alle haben diese Gedanken. Gerade, da viele von uns bereits ihre Nächsten verloren haben oder selbst mit der Sorge leben, weil sie Verletzungen mit sich herumtragen oder sich so unendlich erschöpft fühlen, wie noch nie in ihrem Leben.", Rhamedes sprach diese Worte ohne irgendeinen Vorwurf. Er lächelte zahnlos und aufmunternd, ehe sich der Tür wieder zuwendete. "Seid jedoch versichert, dass ihr trotz aller Sorgen und Zweifel, trotz jeder Krankheit, trotz jedes Kratzers keine Last seid. Solange ihr atmet, solange gibt es auch Hoffnung.[1]" Was sollte Rhamedes tun, außer ihr ein bisschen Mut zuzusprechen? Alleine zu sein, diesen Wunsch hegte Rhamedes auch, und er hegte ihn aus Verzweiflung. Ina fasste ihn auch aus Verzweiflung. Er konnte es ihr nicht verübeln, aber er empfand es als seine Pflicht ihr Hoffnung zu machen, weil er auch sich selbst damit Hoffnung machte. Passend dazu spürte Rhamedes wieder seine Hüfte. Doch mehr als Hoffnung konnte er nicht spenden. Er würde sie nicht aufhalten, wenn sie mit sich alleine sein wollte. Er konnte sie auch nicht aufhalten. Nur weil der Untod dräute, konnte man niemanden bevormunden. Es war falsch jemanden zu bevormunden, erst recht, wenn sie trotz Verzweiflung ihren Geist beieinander hatte. Rhamedes verließ den Raum, ohne Ina zu versprechen, dass er Gelirion von ihr fernhalte würde. Er würde Gelirion eben auch jenes nur empfehlen können. Aber sie waren zu viele Menschen auf zu wenig Raum, um wirklich eine Quarantäne zu schaffen. Es war ein Wortgeschacher, um allen ein wenig die Furcht zu nehmen.

Rhamedes verließ dann den Raum, um den Raum für Ina vorzubereiten und suchte auf dem Weg nach Gelirion. Kurz angebunden, erschöpft, müde und wenig aufmerksam waren die meisten Überlebenden. Es war ihnen nicht zu verdenken. Dementsprechend hatte sich auch nicht alle aktiv darum bemüht, zu schauen, wo Gelirion gerade war. Rhamedes beschloss also Elisias über seinen Fund zu unterrichten und mit einem Klopfen drang er in das Untersuchungszimmer ein, welches Elisias bezogen hatte. Dort sah er Gelirion auch auf dem Untersuchungstisch sitzen. Rhamedes stütze sich schwer und schwitzend auf seinen Wanderstab und deutete eine Verbeugung an, und schloss mit dem linken Bein die Tür hinter sich. Es gab keinen Grund, jetzt lange Girlanden an die Worte zu binden, um sie schön wirken zu lassen.
"Elisias, Gelirion. Ina ist zumindest an irgendwas erkrankt, was ihre Leber angreift.", begann Rhamedes und erzählte dann von seinen weiteren Beobachtungen, wie die gelblich gefärbten Augen und dass Areo nun eine Tinktur zur Beruhigung vorbereitete[2]. Alsbald kam er zum Ende seines Berichtes. "Und deswegen werden wir einen Quarantäneraum einrichten für die sicher Kranken. Ina hat zugestimmt, aber sie möchte vorher nochmal frische Luft schnuppern, einen Moment für sich alleine haben. Ich halte es nicht für eine gute Idee." Rhamedes blickte Gelirion an und nickte eindringlich. Rhamedes hatte Elisias gegenüber nicht geäußert, dass Ina das Blut geschluckt hatte, aber Gelirion wusste es und beide wussten auch, dass Ina sich dessen auch bewusst war. Es war nicht gut, wenn man Wesen in solcher Situation alleine ließ. Aber Rhamedes sprach weiter. "Ich kann dagegen aber nicht viel einwenden. Ich habe es ihr zugesagt. Ich werde ihr nicht folgen können, aber ich glaube, dass ihr es vielleicht tun solltet, Gelirion." Rhamedes nickte und drehte sich dann wieder um, um den Einzelraum für Ina vorzubereiten.
 1. Diplomatie 14
 2. Ich erlaube mir hier eine Abkürzung.

Sternenblut

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #380 am: 21.02.2014, 19:21:20 »
Die drei Schwestern hatten sich alleine in einen der Räume zurückgezogen. Lynette grüßte Esulilde mit einem kurzen Nicken, während die anderen beiden schweigend auf den Boden starrten. Alle drei hatten sich an die hintere Wand gekauert, und waren wohl allem voran damit beschäftigt, die Ereignisse der Nacht zu verarbeiten.

„Ich hoffe, dass niemand von uns krank ist. Also... so krank“, meinte Lynette zu Esulilde. „Das, was passiert ist, muss doch für heute reichen. Ihr seid in Ordnung?“

Als Esulilde ihre Frage bejahte, schenkte die älteste der drei Schwestern ihr ein schwaches Lächeln. Kurz sah sie zu ihren beiden Schwestern. „Ihr wollt euch doch sicher etwas ausruhen“, mutmaßte sie, an Esulilde gerichtet. „Ich brauche etwas frische Luft. Nur ein paar Minuten. Ich bin gleich wieder da.“

Sie sprach zwar Esulilde an, aber es war offensichtlich, dass sie ihre Worte eigentlich an ihre Schwestern richtete. Sie nickte der Priesterin kurz zu, dann verließ sie den Raum.


Nachdem Areo mit der Behandlung Inas fertig war, bedankte sie sich mit einem gezwungenen Lächeln bei ihm, und ging dann zu seinem Buch. Sie blätterte um, ohne auf das bisher Geschriebene zu achten, und verfasste einige kurze Worte. „Bleibt hier. Eure Arbeit ist wichtig. Ich gehe etwas an die frische Luft, bin aber schnell zurück. Und danke – für alles.“

Damit ging sie zur Tür, und verließ den Raum. Somit blieb Areo im Moment wenig anderes übrig, als auf Rhamedes zu warten. Nun ja, außer vielleicht, sich in der Zwischenzeit um Ain zu kümmern.


Ryffa sah sich in der Halle um, und schüttelte dann den Kopf. „Wenn das für dich in Ordnung bist, würde ich heute lieber keine verschlossenen Türen mehr öffnen. Nur noch sichere Wege. Bist du einverstanden?“
Sie lächelte. „Außerdem würde ich gerne die Blumen riechen, nach all dem Rauch heute Nacht.“
Dann, ganz plötzlich, gab sie ihm einen Kuss auf die Wange. Eine lange Sekunde lang spürte er ihre Lippen auf seiner Haut, dann zuckte sie plötzlich zurück. Ihr Gesicht lief rot an, und sie sah zu Boden, während sie nervös an ihren Händen nestelte.
« Letzte Änderung: 22.02.2014, 02:27:27 von Sternenblut »
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Gelirion

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« Antwort #381 am: 22.02.2014, 12:23:04 »
Als Rhamedes den Raum betreten hatte, blickte Gelirion auf. Als er erkannte, wer hinein gekommen war. Sprang er regelrecht vom Tisch und ging ein paar Schritte auf den alten Mann zu. Er ahnte sofort, warum Rhamedes hier war. Ruhig hörte er ihm zu, biss sich bei einigen Stellen auf die Unterlippe und nickte stumme. Rhamedes hatte Recht. Es wäre nicht gut Ina alleine herumspazieren zu lassen. So schnappte er sich seine Sachen als der Alte den Raum wieder verlassen hatte. Beim ankleiden sagte er zu Elisias. „Meine Untersuchung wird wohl noch warten müssen. Das versteht ihr doch.“ Er rückte das Hemd zurecht und wollte gerade seinen Gambison überstreifen als er inne hielt. Einen zähen Moment überlegte er. Dann ging er zu Elisias hinüber und sagte ruhig und mit ernster stimme. „Es gibt so viel zu tun. Wir sind noch nicht sicher und dann das mit meiner Schwester. Ich…“ er leckte sich über die Lippen und blickte den Mann an. „Ich fühle, dass mein Körper an langsam aber sicher an seine Grenzen stößt. Ich bräuchte jetzt eigentlich vor allem Ruhe aber solange nicht alles geklärt ist, solange meine Schwester krank ist. Kann ich nicht ruhen. Ich bitte euch, stellt mir einen Trank zusammen, damit ich noch etwas länger durchhalte. Damit ich noch genügen Kraft habe um wenigstens diesen Tag noch durchzustehen.“ er wendete den Blick ab und sah zu den Regalen mit Kräutern. „Mein wissen reicht nicht soweit um so etwas zusammen zu mischen aber ich weiß, dass Kräuter gibt, die gekaut einen wach halten. Bitte macht dies für mich.“

Nach dieser Bitte, ging er ein paar Schritte zurück. Er konnte jetzt nicht viel Zeit darauf verwenden mit dem Priester zu reden. Also zog er sich weiter an. Am Ende legte er den Schwertgürtel an und zuppelte nach etwas am Wappenrock herum. Seinen Zeitdruck verdeutlichten die lose gebundenen Schnüre aber vorerst hielten sie. Mit einem Blick zum Priester erwartete er dessen Antwort. Dann wollte er hinaus und seine Schwester suchen. Mit Pech hatte er jetzt zulange gebraucht und sie war schon vorgegangen. Wenn dem so war, blieb ihm wohl nichts anderes übrig als sie suchen zu gehen.

Sternenblut

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #382 am: 22.02.2014, 13:38:00 »
Elisias sah den jungen Paladin mit ernster Miene an. "Lasst euch nicht allzu viel Zeit. Ihr habt an vorderster Front gekämpft. Wenn bei jemandem die Gefahr besteht, dass er eine Wunde abbekommen hat, die er nicht bemerkt hat, dann bei euch."

Trotz seiner Warnung entließ er Gelirion dann mit einem Nicken. "Ich finde schon etwas, das euch noch ein wenig Kraft geben wird. Aber so oder so, ihr solltet bald ruhen."

Mit diesem Ratschlag verließ Gelirion den Raum. Im Gang fand er Timbar, der vor der Tür stand, die am Ende des Ganges weiter in die Festung führte. Sie stand einen Spalt offen.

Timbar drehte sich zu ihm um, sein Gesicht sorgenvoll. "Es sollten doch alle hier bleiben. Wisst ihr, wer durch die Tür gegangen ist? Es geht hier zu den Zellen und nach oben auf die Mauer. Aber es sollte niemand einfach so zu den Insassen."
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Esulilde Ziberadi

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #383 am: 24.02.2014, 09:20:43 »
Kurz lächelnd erwiederte Esulilde Lynettes nicken, bevor diese den Raum verlassen hatte.
Dann suchte sie sich in dem Raum einen Platz zum Schlafen, ließ sich dort nieder und meditierte erneut, so wie sie es getan hatte, bevor der Novize sie unterbrochen und die Ereignisse sich von dort an überschlagen hatten.
Erneut badete sie in der Dunkelheit wie in einem Teich. Sie spürte die Gegenwart ihres Herrn, während die Schatten sie wie Wasser umgaben. Ihr Herr war immer bei ihr. Nach einiger Zeit beendete sie ihre Meditation, nickte den noch wachen Schwestern zu und fiel erneut in die Dunkelheit, dieses Mal in die Dunkelheit des Schlafs.

Gelirion

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« Antwort #384 am: 24.02.2014, 12:31:23 »
Bei der Mutmaßung von Elisias wurde der junge Paladin bleich. Denn es wirklich möglich, das er eine Verwundung im Kampf nicht bemerkt hatte. Das konnte nun mal passieren. Einen Moment kam ihm das in den Sinn was Cederon gesagt hatte. Erleichtet stellte er fest noch keinen Hunger zu verspüren. Im Gegenteil, der Appetit war ihm schon lange vergangen un der roch gerade hauptsächlich sich selbst. Mit einem Nicken gab er dem Priester zu verstehen, das ser verstanden hatte. Dann war er auch schon vor der Tür und wurde von Timbar angesprochen.


Schlagartig hatte sich sein Puls verdoppelt. Innerlich fluchte er darüber, dass sein Ankleiden wohlmöglich zu lange gedauert hatte. Aber nun war es geschehen “Ina.” Antworte er knapp und eilte zum Nachtbarraum. Mit einem kurzen Klopfer kündigte er sic han und riss dann schon die Tür auf. Mit einer Entschuldigung auf den Lippen, blickte er hinein. Ina war nicht drinne. Areo konnte die Sorge des Paladin deutlich in dessen Gesicht ablesen. Dann hatte dieser schon wieder die Tür geschlossen und sich zu Timbar umgewendet.


”Sie ist nicht mehr da.” verkündete er und eilte zur Wache hinüber. ”Bitte, wir müssen sie finden. Bevor ihr etwas zustöst. Da ich mich hier nicht auskennen, könntet ihr mich führen? Sie ist krank und sollte nicht alleine umherirren.“ Sichtlich riss sich der junge Paladin gerade zusammen um nicht einfach selbst loszustürmen. Immer wieder blickte er zur Tür und in ihm kamen wieder die Gefühle hoch, welche er in der Taverne hatte. Die Sorge und die panische Hilflosigkeit nicht zu wissen wo seine Schwester war und ob es ihr gut ging. Dann griff er nach der Tür und blickte Timbar an. Führt mich, bitte. Sie wollte frische Luft aber wenn es hier auch zu den Zellen geht, wer weiß ob sie den rechten Weg genommen hat.”

Areo

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« Antwort #385 am: 24.02.2014, 20:00:01 »
Er las noch ihre niedergeschriebenen Worte, als Ina bereits durch die Tür den Raum verließ. Sorgenvoll blickte Areo ihr hinterher. Er hielt es zweifellos für keine gute Idee, dass sie jetzt alleine nach draußen ging. Nicht nur aus medizinischer Sicht wollte er, dass sie sich sofort in ein Zimmer begab. Sie alle waren sich bei weitem noch nicht im Klaren über das Ausmaß der Katastrophe vor ihrer Türschwelle. Selbst in den schützenden Mauern des Sanatoriums, war er der Meinung, sollten sie sich nicht alleine bewegen. Sie hatten nicht den Hauch einer Ahnung, was sich wirklich in der Nacht in der schillernden Stadt zugetragen hatte.
Er blickte auf die blutverschmierte Kleidung, welche er vor kurzem in die Ecke des Raumes gelegt hatte. Alles, woran sie sich klammerten, war die Vermutung, dass sich eine Seuche ausgebreitet hatte. Eine Krankheit. Sie gingen davon aus, dass sie über Bisse und Wunden übertragen wurde. Über Flüssigkeiten, wie Blut oder Speichel. Doch all das war zweifellos nicht bewiesen. In diesem Augenblick wussten wohl rein die Götter über das Ausmaß der Apokalypse Bescheid, welche die vorhergehende Nacht in Blut getränkt hatte.

Doch er rührte sich nicht vom Fleck. Er wusste, er würde sie nicht aufhalten wollen, selbst wenn er die Macht gehabt hätte. All die Schrecken, die Verzweiflung und der Verlust, den sie gemeinsam erlebt hatten... Er würde lügen, würde er sie nicht auch verstehen können. Es ging ihr sehr schlecht. Sie schien es sich nicht anmerken zu lassen, doch ihr Zustand war kritisch. Er verstand, dass sich ihr Körper und ihre Sinne nach frischer Luft sehnten, weswegen er ihr den Augenblick der Ruhe und Einsamkeit gönnen wollte. Areo versuchte sich, mit den letzten, schwindenden Kräften auf ihre Heilung zu konzentrieren. Sie würde natürlich nicht lange fortbleiben.
Wenn sie ihr Einzelzimmer bezogen hatte, mussten der Cistustee aufgebrüht und die Umschläge bereit gelegt sein. Die Sache mit der blutigen Kleidung war noch nicht vom Tisch. Wenn Blut ansteckend war, mussten sie ihre Ausrüstung waschen oder ihre Kleidung gänzlich wechseln.

Der Druide stütze sich am Waschzuber ab und stöhnte. Sein Schädel schien vor Anstrengung und Schmerzen zu bersten. Immer mehr Fragen trommelten auf ihn ein. Sie mussten sich bald um die Insassen kümmern. Ihre Vorräte einteilen. Beratschlagen, wie es weitergehen sollte. Vielleicht konnten sie für übrige Überlebende eine Art Signal aufstellen, dass das Sanatorium sicher war und man hier Zuflucht finden konnte. So sehr sich sein Körper dagegen wehrte, Areo wusste, dass an Ruhe sobald nicht zu denken war.

Er zuckte zusammen und schreckte kurz auf, als er eine leichte Berührung an seinem Schenkel verspürte. Als sein Blick nach unten schnellte, erkannte er jedoch schnell den vertrauten Anblick seines Freundes Ain. Obwohl er den Anweisungen seines Herrchens generell treu Folge leistete, schien er, aufgrund der jüngsten Ereignisse doch lieber auf Nummer sicher gehen zu wollen und erlaubte sich, das Kommando 'Warten' offiziell für vorbei zu erklären. Er schleckte sich über die Nase und freute sich darüber, Areo in diesem Raum aufgespürt zu haben, indem er mit dem Schwanz wedelte. Der Druide nahm sich einen kurzen Augenblick und ging in die Knie, um aus Respekt vor Ain mit ihm eine Augenhöhe zu teilen. Dann streichelte er ihn und drückte seinen weichen Kopf leicht an sich. Ain ließ die Streicheleinheiten freudig über sich ergehen, während er sich hinsetzte und zufrieden gähnte.

Lächelnd stimmte Areo seinem Freund in Gedanken zu. Ja, sie alle waren müde und erschöpft. Doch es war auch an ihnen, nicht aufzugeben, sodass sie in baldiger Zukunft sich vielleicht tatsächlich einen Moment der Ruhe gönnen konnten.

Areo erlaubte Ain, an seiner Seite zu bleiben, während er alles für den Tee sowie die Kräuterumschläge vorbereitete. Er realisierte schnell, dass er eine Feuerstelle brauchen würde, um das Ganze brauchbar aufbrühen zu können. Behutsam trennte er eine weitere Seite aus dem Buch und schrieb darauf nieder : 'Ich brauche eine Hitzequelle. Ein Feuer oder eine Glutstelle, an der ich die Medizin für Ina zum kochen bringen kann. Ich hoffe, es gibt eine geeignete Möglichkeit in der Nähe, wenn ja, so führt mich bitte dort hin.'
Er nahm die vorbereiteten Utensilien, Feder, Tinte sowie das Papier und machte sich gemeinsam mit Ain auf, den Wächter Timbar um seine Hilfe zu ersuchen.

Sternenblut

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #386 am: 24.02.2014, 23:24:28 »
Tatsächlich beruhigte es Esulilde, sich der Dunkelheit hinzugeben. Bevor sie einschlief, musste sie noch einmal an Meister Udeons Worte denken: "Du verbreitest doch Aguas' Wort. Ist es da angemessen, dass du Angst vor der Dunkelheit hast?"
Was auch immer er getan hatte, was auch immer er nun sein mochte, in dem Punkt hatte er Recht gehabt.


Timbar hörte Gelirion aufmerksam zu, und nickte dann. "Die Gefangenen können ihr nichts tun, es gibt doppelte Gitter - vom inneren Gitter kann man nicht bis zum äußeren greifen. Trotzdem sollte sie nicht... gehen wir."

Er stieß die Tür auf. Dahinter lag ein großer Raum, der zur rechten zu einer Wendeltreppe führte, die weiter nach oben ging. Geradeaus ging auf der linken Seite ein Gang gute sechs Meter weiter, während auf der rechten Seite die von Timbar angekündigten Zellen lagen. Eine Mauer bildete den Abschluss der Zellen, etwa auf gleicher Höhe mit der Wendeltreppe, so dass Gelirion nur die Gitterstäbe, aber nicht die Insassen sehen konnte.

Timbar lauschte einen Moment, und deutete dann auf die Treppe. "Ich denke, sie ist hoch."


Fast zeitgleich kamen Rhamedes und Areo aus den Räumen heraus, und sahen sich im Gang um. Sie bekamen noch gerade mit, wie Timbar die Tür hinter sich schloss. Areo sah kurz zu Rhamedes, und folgte dann Timbar, während der alte Medicus ihm folgte. Irgendwie ahnte er, dass Ina auf dem Weg nach draußen war, und irgendwie fühlte er sich verpflichtet, ihr hinterher zu gehen - vielleicht einfach, weil er ihr den Gang nach draußen auch erlaubt hatte.


Gelirion und Timbar waren noch nicht weit gekommen, als die beiden anderen Männer ihnen folgten. Sie bemerkten einander, und der Wachmann erklärte kurz die Situation - dass sie Ina suchten, und dass sie vermutlich über die Wendeltreppe auf die Außenmauer gegangen war, um frische Luft zu schnappen. Sie ließen einige Stufen hinter sich, genug, um bis ins oberste Stockwerk der Festung zu kommen - Rhamedes dachte zwischendurch, dass die Kraft in seinen Beinen ihn verlassen würde, aber er konnte sich immer noch weiter nach oben zwingen. Dort erreichten sie einen kleinen Raum, in dem Türen in drei Richtungen führten - nach links und rechts weiter in die Festung, und nach hinten zur Außenmauer. Diese Tür stand offen.

"Ich habe den Luftzug gespürt", erklärte Timbar. "Sie ist auf der..."

Er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden, denn er wurde von einem lauten Schrei unterbrochen. Der Schrei einer Frau - aber es war nicht Ina, da war sich Gelirion sicher. Timbar und er zögerten keine Sekunde, und liefen eine letzte kleine Treppe hinaus aus der Festung und auf die äußere Mauer. Draußen angekommen, konnten sie über die Zinnen der Außenmauer weit über die Stadt hinaus blicken - die brennende, untergegangene Stadt, die doch einst so schillernd gewesen war.

Doch sie war es nicht, die im Moment ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Zwei Frauen standen da vor ihnen. Gelirion erkannte die eine als Ina, die andere war - Lynette, die älteste der drei Schwestern. Ina hatte sich seltsam über ihre Schulter gebeugt, und Lynette schien vor Schmerzen zu zucken. "Hilfe!" schrie sie verzweifelt.

Dann richtete sich Ina auf. Ihr Mund war blutig, ihr ganzes Gesicht, und ein Fetzen Haut hing an ihrem linken Mundwinkel. Ihre Augen, ihre leeren, seelenlosen Augen, sahen Gelirion an, sahen ihm direkt in die Augen. Hungrig.

Dem Paladin kam es vor, als würde, was in Wahrheit nur Sekunden waren, Stunden verschlingen. Lynette drehte sich um, stieß ihre Peinigerin von sich. Ina, Gelirions Schwester, seine geliebte Schwester, die er zu beschützen geschworen hatte, stolperte zurück. Eine Fontäne aus Blut schoss aus Lynettes Wunde (war es ihre Schulter? Zu viel Blut nur für die Schulter...), und das Mädchen fiel auf seine Knie. Ina stieß gegen eine der Zinnen, rutschte auf dem von Blut besudelten Boden aus. Sie verlor das Gleichgewicht, fiel nach hinten, zwischen zwei Zinnen hindurch. Sie schrie nicht einmal, sie war einfach plötzlich fort.

Einen Moment herrschte Stille, mit Ausnahme dieses schrecklichen Geräusches, das durch Lynettes aus ihr heraus sprudelndes Blut verursacht wurde. "Helft mir..." hauchte das Mädchen. Das Geräusch von etwas Schwerem, das in Wasser fiel, ertönte von weit unterhalb der Mauern. Dann ein dumpfer Schlag, als Lynette nach vorne auf den Stein fiel.

Timbar eilte zu ihr, drehte sie um. Einen Moment untersuchte er das Mädchen, dann stand er auf. Seine Hände und seine Rüstung waren voller Blut. "Sie ist... ihr Hals..." brachte er nur hervor. Die tropfenden, blutigen Hände hielt er von seinem Körper gestreckt, als würden sie nicht zu ihm gehören.
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Omrah

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #387 am: 24.02.2014, 23:46:59 »
Lächelnd und nickend stimmte Omrah Ryffa zu. Er konnte ihr einfach nicht widersprechen und sie übergehen. Sie hatte soviel für ihn getan, das er sich schlecht vorkommen würde, wenn er ihre Bitte einfach ignorieren würde. "Von mir aus können wir auch erstmal gucken was hinter der offenen Tür liegt." war deshalb seine kurze Antwort. Wenn er so darüber nachdachte, war es dem Jungen sowieso egal, was er als erstes erkunden würde. Sie waren hier in Sicherheit und würden hoffentlich länger bleiben, sodass genug Zeit blieb auch die anderen Gänge zu untersuchen. Früher oder später würde er sie vielleicht sowieso sehen.

Ryffa riss ihn aus seinen Gedanken, indem sie ihm einen Kuss auf die Wange gab. Omrah war überrascht und lief ebenfalls rot an. Einen Moment starrte er sie mit offenem Mund an - unwissend was er jetzt tun sollte. Es war das erste mal, das er von jemand anderen als seiner Mutter geküsst wurde, was er immer gehasst hatte. Das hier war etwas anderes.
Schließlich entschied er sich dazu ihre Hände zu nehmen und für einen Moment zu umschließen. Er sah sie an und stotterte etwas, als er ihr versuchte etwas zu sagen. "I-Ich möchte dir gerne etwas geben. Es bedeutet mir sehr viel und ich will, das du es bekommst."

Vorsichtig ließ er ihre Hände wieder los und stellte seinen kleinen Rucksack auf den Boden, der seine restlichen wenigen Habseligkeiten beinhaltete. Zum zweiten mal an diesem Abend öffnete er seine kleine Box und förderte fast schon ehrfurchtsvoll ein geschnitztes, hölzernes Abbild von Hektor zutage. Einen Moment hielt er das Amulett an der Schnur in seinen Händen, bevor er aufstand und sich etwas vorbeugte, um es Ryffa umzuhängen. "Es hat meinem Vater gehört, bevor er... zu diesem... Ding geworden ist. Es wird dich beschützen, wenn ich nicht da bin." Vermutlich würde es das nicht, schließlich war es nur aus Holz aber der Junge gab einfach das von sich, was er dachte. Er war einfach nervös.

Bevor er von Ryffa zurücktrat, umarmte er sie und nahm dann ihre Hand. "Komm! Lass uns endlich sehen, was hinter der Tür liegt." Er schenkte ihr ein letztes Lächeln, bevor er sie zu der Tür zog und diese dann vorsichtig öffnete. 

Gelirion

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #388 am: 25.02.2014, 16:21:51 »
Im ersten Moment war Gelirion froh, dass Ina nicht tiefer in die Feste gegangen war, doch jetzt oben auf den Zinnen. Er glaubte nicht was er sah. Er wollte es einfach nicht glauben. Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Seine Schwester würde so etwas nie tun. Sie würde niemals jemand anderen verletzen. Es musste ein Trugbild sein und doch. Ein Teil von ihm erkannte sie. Erkannte seine Schwester. Er fühlte es, dass sie es war. Hilflos sah er zu wie seine geliebte Schwester sich wie eines dieser Monster benahm.
Als Ina Lynette frei gab, blickte der junge Paladin in das blutige Gesicht seiner Schwester. Seine Lippen formten Worte aber es war nichts zu hören. Sein Köper fühlte sich an als ob alle Wärme entfleuchen würde. Ihm war eisekalt. So kalt wie in einer Wüstennacht. Seine rechte Hand zitterte, als er sie gen seiner Schwester hob. Er wollte zu ihr. Er wollte sie halten bis sie wieder frei vom Wahn war. Er wollte sie festhalten. Doch im nächsten Moment rutschte sie schon aus. Sein Körper zuckte kurz, doch er bewegte sich nicht. Seine Glieder gehorchtem ihm einfach nicht. Er stand nur da, mit ausgestreckten Arm und Tränen die ihm über das Gesicht liefen. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass er angefangen hatte zu weinen. Auch hatte er nicht bemerkt wie Areo und Rhamedes nachgekommen waren. Er war wie von dieser Welt entrückt.
Erst zähe Augenblicke später, Timbar hatte die arme Lynette untersucht, begann sich Gelirion wieder zu bewegen. Doch Timbar, Lynette oder die anderen interessierten ihm nicht. Er drückte sich an die nächste Zinnenöffnung und versuchte nach unten zu sehen. Dabei schrie er aus voller Lunge nach seiner Schwester. „INA! INA!“ Seine Lunge danke es ihm mit einem starken Hustenanfall. In dem er sich gar krümmen musste. Doch kaum hatte der Husten nachgelassen, stand Gelirion an der nächsten Öffnung. Schrie und hielt dabei Ausschau nach seiner Schwester. Nach zwei Mal konnte er so nach ihr Schreinen. Dann versagte seine Stimme und der wohl bis lang übelste Husten ließ ihn an einer Zinne zusammensinken. Es dauerte eine weil, biss sich dieser Hustenanfall gelegt hatte, doch rührte sich Gelirion nicht mehr. Er saß mit dem Rücken zur Zinne, hatte sein Gesicht in den dreckigen Händen vergraben und schluchste nur noch. Ab und an war ein leises „Ina.“ Zu hören.

In diesem Moment interessierte es Gelirion nicht, wer dort oben mit ihm auf den Zinnen war. Dass er durch das offene zeigen von Trauer in seinen Augen vor den anderen sein Gesicht verlor. Ihm war gerade auch egal, dass sich Lynette wohl jeden Moment wieder erheben konnte und er und die anderen in Gefahr waren. Er ergab sich einfach seiner Trauer. Wahrlich, etwas anderes war für ihn auch nicht möglich. So Wie Ina um ihren liebsten Getrauert hatte, und so wie wohl tausende Andere in dieser verdammten Nacht trauerten, so trauerte Gelirion nun.

Areo

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Die Nacht des Blutes
« Antwort #389 am: 28.02.2014, 21:28:21 »
Eine tiefe Traurigkeit ergriff den jungen Druiden.
Seine wenigen, trainierten Sinne konnten kaum die geballte Grausamkeit des Augenblicks in sich aufnehmen und verarbeiten. Eben noch, vor wenigen Minuten saß die junge Frau, genannt Ina, die Schwester Gelirions vor ihm auf dem Tisch im Behandlungsraum und nun war ihre leblose, von der ewigen Dunkelheit ergriffene Hülle über die Zinnen gestürzt und somit hinab getaucht, zurück in die Hoffnungslosigkeit Aradans. Zweifellos durch den Aufprall auf der Wasseroberfläche des Grabens zerschmettert, welcher die Befestigung des Sanatoriums von dem Wahnsinn der zerstörten Stadt trennte, konnte nicht einmal mehr der kühle Abschied eines Begräbnisses die Trauer Gelirions besänftigen.

Atemlos stand Areo regungslos dort, während der Wächter Timbar versuchte, der armen Lynette zu helfen. Doch in einer Welt der Stille, sagte ein Ausdruck im Anlitz seines Gegenübers oft mehr aus als tausend geschriebener Worte. Er verstand. Lynette war tot. Getötet, durch das Monster, was vor wenigen Minuten nicht weniger war als ihre Begleitung. Ihre Patientin. Ihre Schwester.

Ina.

Langsam näherte er sich Gelirion. Behutsam kniete er neben dem gebrochenen Mann nieder und legte ihm sanft seine Hand auf die Schulter. Er wünschte, bei den Göttern, er hätte die Gabe, ihm zu sagen, wie sehr er mit ihm fühlte. Wie unsagbar es ihm Leid tat. Sie hatten alles in ihrer Macht stehende getan, ihr zu helfen. Tränen bildeten sich unter den trauernden Augen des Druiden. So sehr er flehte, die Worte des Trostes spenden zu können, so sehr half es nichts. Am Ende saß er nur stumm dort und Aradan hatte ihnen ein weiteres, geliebtes Geschöpf genommen.

Der alte Mann hatte gemeinsam mit ihm alles getan, was sie konnten. All ihre Hoffnung, ihre Möglichkeiten und Überlegungen waren nichts als verschwendete Zeit in einer Welt, in der jede Minute die letzte sein konnte. Gerade zu blauäugig waren ihre Versuche, mit Kräutern und Umschlägen gegen die Gewalt der Götter zu kämpfen.

Lynette, das arme Mädchen, hatte den Preis für jene Blasphemie zahlen müssen.

Sie hätten die Regel von Anfang an begreifen sollen. Es gab kein Entrinnen. In diesem Spiel des Pantheons gab es keine Zufälle mehr. Wer krank wurde, der starb. Wer starb, wurde verflucht. Wer dem Fluch anheim gefallen war, kehrte zurück und tötete. Einfach, klar und deutlich. Keiner von ihnen, würde davor beschützt sein. Jeder von ihnen war eine Bedrohung. Es war nur eine Frage der Zeit.

Zitternd hob Areo den Kopf und blickte in Lynettes Richtung.

Er hatte keine Wahl. Die Verzweiflung hatte Gelirion fest im Griff. Er war der Einzige, der begriffen hatte und auch in der Lage gewesen wäre, es zu tragen. Wahrscheinlich wusste es Rhamedes ebenso. Doch er war alt und sie durften keine Minute mehr zögern. Es Timbar zu erklären, stand deswegen ebenso außer Frage.
Behutsam griff Areo, über die Beine des kauernden Gelirions hinweg, nach dem Knauf seines Schwertes. Es war ihm nicht möglich, eine Bitte zu formulieren. Er musste darauf vertrauen, dass der Halbelf verstand. Langsam zog er an der Klinge und stand auf. Das Schwert in seiner Hand fühlte sich kalt an. Zu schwer, als dass er es wirklich in einem Kampf hätte führen können. Unbeholfen nahm er die Waffe in beide Hände und schritt die Mauer entlang zu dem Leichnam der jungen Frau. Dabei ignorierte er seine Umwelt und setzte sich das grausame Ziel vor Augen. Er wagte es nicht, den Blick Timbars zu kreuzen. Atemlos zitternd kam er vor der Toten zum stehen.

Er würde es tragen können. Er musste es tun.

Die Regeln waren einfach. Klar. Deutlich.

Die Klinge blitzte im Morgengrauen, während er sie über den Kopf hob und nach unten schmetterte. Mit einem schmatzenden Geräusch drang sie in den zerfetzten Hals Lynettes ein, nur um ihn einen Bruchteil einer Sekunde später wieder nach oben zu verlassen. Erneut sauste das Schwert hinab und schlug in einst unschuldiges Fleisch. Immer wieder. Bis der harte Stein der Mauer ihn schlussendlich bremste.
Ächzend kämpfte er blutüberströmt damit, bei Bewusstsein zu bleiben. Areo wagte nicht, weiter in der Nähe der Geschändeten zu verweilen und zwang seine Beine dazu, ihn zurück zu seinem trauernden Freund zu tragen. Dort fiel er auf die Knie.
Das blutige Schwert lag neben ihnen auf dem Boden. Die aufgehende Sonne spiegelte sich fremd in dem glänzenden Dunkelrot des gefärbten Stahls.

Der Morgen mag vielleicht angebrochen sein. Areo hatte sich so lange nach seinen Strahlen gesehnt. Er hatte gehofft, sie würden die Furcht und das Grauen hinfort spülen. Endlich den bösen Traum enden lassen.


Doch ihm wurde bewusst, dass der wirkliche Wahnsinn wohl erst begonnen hatte.

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