Autor Thema: Fremde Bekannte auf der Straße  (Gelesen 8881 mal)

Beschreibung: Prolog - Echo-im-Halbdunkel

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Echo-im-Halbdunkel

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Fremde Bekannte auf der Straße
« Antwort #15 am: 22.02.2014, 06:41:24 »
"Nur rechtens, guter Mann, nur rechtens," lachte Echo-im-Halbdunkel schnurrend. Sie trat etwas näher an den Kutschbock heran und senkte die Stimme. Ihre leicht zusammengekniffenen Augen glänzten verschwörerisch.
"Eine Expedition in die Ruinen von Kalabuto, so der Zufall es will? Ich glaube, wir haben denselben Weg vor uns. Und eine Katze werdet ihr nicht so schnell los, wie den Menschen soeben. Oder zwei Katzen," schnurrte sie noch lauter, als Tüpfel erst auf die Trittstufe unter dem Kutschbock und von dort aus in einem beherzten Satz auf Echos Schulter sprang.
"Hört nicht darauf, was Bauern sagen. Schwarze Katzen können auch Glück bringen..."

Ksynthral

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« Antwort #16 am: 24.02.2014, 18:32:31 »
"Wollt ihr mir jetzt vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe und woran ich glaube, werte - wie heißt ihr überhaupt?"

Er verneigte sich leicht, auch wenn sein Blick noch etwas mürrisch war, zog den Hut:

"Gelik Ebberschwinge mein Name!"

Dann, mit einem leicht abschätzigen Blick auf Tüpfel fügte er hinzu:

"Ich weiß zwar immer noch nicht, von welcher Expedition ihr sprecht und wie ihr darauf kommt: Aber nach Kalabuto kann ich euch mitnehmen - ist mir ein Lohn gewiss, außer, dass ich mir den Mund mit euch fusselig reden werden, wie ihr euren haarig? Hehe!"

Echo-im-Halbdunkel

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« Antwort #17 am: 28.02.2014, 06:02:15 »
Die Katzenhexe schnurrte und nahm die Einladung an, indem sie prompt auf den Wagen stieg und sich zu dem Gnom gesellte. Das Kerlchen schien ganz schön eigenartich zu sein, doch andererseits kannte Echo-im-Halbdunkel nicht viele Gnome.
"Man nennt mich Echo-im-Halbdunkel, werter Herr Ebberschwinge. Und meine Freundin heißt Tüpfel." Die Zauberkundige strich über den Rücken der schildpattfarbenen Katze, die vergnügt schnurrte. "Ein Lohn soll Euch gewiss sein, und Ihr dürft entscheiden, ob ihr eine glänzende Münze oder eine Geschichte lieber hättet."
Die Hexe lehnte den Kopf zurück und genoss weiter die milde Wärme der Vormittagssonne. Sie kniff leicht die Augen zusammen, was sie allerdings nicht daran hinderte, sich weiter mit dem Wagenfahrer zu unterhalten. "Und wenn Ihr von einer Expedition nichts wisst, dann könnt Ihr mir sicherlich sagen, was Ihr mit dem ganzen Krempel in Kalabuto wollt," verzog sich ihr Mund dabei zu einem schelmischen Grinsen.

Ksynthral

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« Antwort #18 am: 03.03.2014, 18:11:18 »
"Seid willkommen auf meinem fahrenden Untersatz, Echo-im-Halbdunkel... Echo. Echo. Echo. Hehe! Einen seltsamen Namen habt ihr da, aber ein hübsches Haustierchen: Tüpfel sagt ihr? Hoffentlich habt ihr beide wachsame Augen. Das kann hier nie schaden - die Straßen sind gefährlich! Und ich hatte mal einen Freund und Begleiter, dessen Augen zwar getrübt waren und das Haare ergraut - aber er hatte eine vorzügliche Wahrnehmungsgabe! Aber seinen Namen, seinen Namen... Ich habe ihn vergessen, passiert! Hehe!"

Gelik Ebberschwinge blieb Echo nun wohlgesonnen und hatte sich scheinbar damit abgefunden ein wenig Begleitung auf seiner Reise nach Kalabuto zu haben. Eine Entscheidung über seine Entlohnung jedoch traf er noch nicht:

"Jetzt wollen wir doch erst einmal schauen, ob wir in Kalabuto ankommen, hm? Und während der Reise, da kann ich euch dann ja mehr erzählen: Über mein 'Gerümpel', wenn ihr denn so neugierig seid. Ganz Unrecht habt ihr ja nicht. Und verheimlichen kann man euch wohl gar nichts."

Dann klatschte er sich lachend auf den Schenkel und schenkte der Katzendame ein breites Lächeln. Er gab dem Ochsen das Signal zum Aufbruch und schon ging die Reise des Gnoms weiter: Und auch Echo-im-Halbdunkel betrat einen neuen Pfad auf ihrem Weg nach Kalabuto...
« Letzte Änderung: 28.03.2014, 00:10:11 von Ksynthral »

Ksynthral

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« Antwort #19 am: 28.03.2014, 00:15:42 »
Die Reise nach Kalabuto hatte für Echo-im-Halbdunkel eine neue Dimension erreicht: Sie war nun mit einem fahrbaren Untersatz unterwegs und hatte einen Begleiter gewonnen. Zwar war dieser sehr redselig und ziemlich frech, aber sein Auftreten wirkte doch besonders - Geschichten kannte Gelik auf jeden Fall einige!

Die nächsten Stunden jedenfalls wurde den beiden nicht langweilig und man unterhielt sich über dies und über das. So richtig wollte Gelik Ebberschwinge zwar noch nicht rausrücken mit der Sprache, doch er gestand der Katzendame die Expedition ein:

" Nun gut, Echo, ihr hattet Recht - das ist nicht der Hausrat irgendeines Mütterleins, den ich unterwegs aufgelesen habe. Und ich bin auch sicherlich kein einfacher fahrender Händler oder ein normaler Reisender. Ich befinde mich auf einer Expedition. Mehr kann und darf ich euch nicht sagen. Ich kenne euch dafür zu wenig - und außerdem misstraue ich Leuten die mich bespitzeln von Natur aus. Warum habt ihr in meinen Wagen gesehen und euch nicht das prächtige Feuerwerk angesehen, he?!"

Der Gnom wirkte bestimmt aber freundlich und inzwischen trottete der Karren gemeinsam mit seinen beiden Passagieren weit in den Nachmittag hinein, dem Abendrot entgegen.

Echo-im-Halbdunkel

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« Antwort #20 am: 28.03.2014, 17:20:50 »
Für Echo-im-Halbdunkel verlief der Tag überaus angenehm. Sie erfuhr lauter interessante Dinge, und ließ den Gnom ihrerseits an Geschichten teilhaben, die keinen Zweifel daran ließen, dass sie eine überaus gelehrte Katze war. Und letztendlich musste Gellik zugeben, dass sie sich nicht getäuscht hatte.
"Ich habe zwei Augen, also habe ich in den Wagen und zum Feuerwerk geschaut," entgegnete die Hexe mit einem schelmischen Feixen. "Außerdem bespitzele ich nicht. Ich beobachte." Schnurrend lachte sie und kraulte Tüpfel, die es sich auf ihrem Schoss gemütlich gemacht hatte. Ihre goldorangenen Augen leuchteten wissend, als sie wieder zu ihrem Fahrer und Gesprächspartner sah.
"Aber Ihr begebt Euch sicher nicht alleine auf die Expedition, Meister Gelik? Überlegt Euch, ob ihr ein paar weitere hilfreiche Pfoten gebrauchen könnt," bot sie ihre Hilfe und die ihrer Vertrauten an. Nur dass Tüpfel gerade herzhaft gähnte und sich auf die andere Seite rollte, anstatt dem Gespräch Beachtung zu schenken. Sie wusste wohl, dass ihre große Freundin einen Weg zum nächsten Abenteuer mit Gewissheit finden würde.

Ksynthral

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« Antwort #21 am: 30.03.2014, 21:07:59 »
"Soso, Echo, und ihr wollt also diejenige sein, die mir helft? Mit diesem verschlafenen Vieh dort? Na, wenn ihr auch so reagiert wenn euch jemand - "

er senkte verschwörerisch seine Stimme und raunte der Katzendame zu:

"Oder sagen wir besser, Etwas, attackiert?! Wunderbar, genau solche Opferlämmer suche ich!"

schallend lachte der Gnom auf und klopfte sich hocherfreut über seinen eigenen Scherz auf die Beine:

"Ach was solls, ihr habt ja Recht - willkommen in meiner Reisegruppe: Angebot angenommen!"

Abermals reichte er Echo-im-Halbdunkel die Hand und schüttelte sie kräftig. Dann richtete er sich seinen Hut und verkündete ihr nächstes Ziel:

"Nächster Halt: Kalabuto. Und ihr lagt ganz richtig - ich erwarte dort Verstärkung. Seid euch gewiss, ich weiß, was ich tue! Hehe."

Dann schloss er die Augen und fing an eine der Katzendame unbekannte Melodie zu summen.

Echo-im-Halbdunkel

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« Antwort #22 am: 31.03.2014, 10:21:37 »
"Man muss die Ruhe zu schätzen wissen, wenn man eine Gelegenheit hat," blieb Echo-im-Halbdunkel mit ihrer verschlafenen Vertrauten solidarisch. "Denn Ihr habt es richtig erkannt: Es kann im Dschungel schnell passieren, dass einen etwas attackiert."
Was sie denn tun würde, wenn eine feindlich gesinnte Kreatur des Weges käme, erklärte die Hexe nicht. Sie lächelte einfach wissend und schnurrte leise. "Ihr werdet es nicht bereuen, Meister Gelik," versicherte sie dem Gnom.
Mit einer Hand in Tüpfels warmem Fell genoss die humanoide Katze die friedliche Fahrt, lauschte dem Gesang der farbenfrohen (und schmackhaften) Vögel, dem Summen der Insekten, dem Knarzen alter Bäume und dem Raunen des Windes. Die ganze Welt war ihre Heimat, fühlte sich vertraut und fremdartig zugleich an - voller Geheimnisse, die es zu entdecken galt.

Ksynthral

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« Antwort #23 am: 01.04.2014, 21:59:14 »
"Wenn ihr das so sagt? Einer Katzendame wie euch, also, die hinter meinem Rücken in meinen Wagen spitzt, der vertraue ich natürlich sofort - versteht ihr, hehe? Das wäre ja noch schöner! Aber wir werden das alles sehen, sobald - ja: Sobald die Zeit gekommenm ist, da wir wetteifern müssen und uns eilen! Aber jetzt..."

Er grinste verschwörerisch und lenkte die Ochsen langsam voran auf dem Weg gen Kalabuto. Er setzte erneut an zu seinem kleinen Wegelied und ließ sich gemeinsam mit Echo-im-Halbdunkel dem Abendrot entgegentreiben.

Die Zeit verging und schließlich schlugen die beiden Reisenden am Rande des Handelsweges ein kleines Nachtlager auf. Man entzündete ein kleines Lagerfeuer, es wurde spärlich aber schmackhaft gegessen und getrunken. Der Gnom zauberte so einige kleine Leckerbissen aus seinem Vorrat hervor. Und dann teilten sie sich zu Zweit die Nachtwache ein. Gelik würde den morgendlichen Teil übernehmen und legte sich sogleich zur Ruhe. An Echo war es nun den ersten Teil der Nacht zu durchwachen und auf die Umgebung zu achten - man wusste ja schließlich nie.

Ksynthral

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« Antwort #24 am: 03.04.2014, 20:53:43 »
Aber die Nachtwache Echos verlief ruhig und ereignislos bis auf einige umherstreunende Wildtiere. Und als sie Gelik weckte weigerte sich dieser zwar zuerst aufzustehen - aber dann trat auch er ordnungsgemäß seinen Teil der Wache an. Die Katzendame konnte sich schlafen legen und fiel recht bald schon in einen tiefen, aber sehr unruhigen Schlaf.

Durch den Dschungel, immer tiefer hinein. Die Bäume gewinnen an Breite und Höhe, langsam, ganz langsam umfängt das Dickicht des undurchdringlichen Waldes das Abenteurerherz. Die Luft färbt sich grün, so könnte man zumindest meinen. Knorrig Äste überspannen die kleinen Pfade und Wege und bilden ein zweites Firmament für den Besucher an fremdem Ort. Die Sonne ist abgeschirmt und nur wenig Licht dringt ins Halbdunkel des Dschungels hindurch. Riesige parasitäre Leichenblumen blühen auf dem Boden und durchgraben die Wurzeln der Bäume - ein Wunder, dass das hier noch alles steht und hält - aber auch morsche Knochen bilden eben ein großes Ganzes. Am Ufer des kleinen Flusses, bei dem das Wasser so ruhig dahinplätschert, liegen mehrere menschliche Leichen. Die Gesichter sind genauso wie die Körper selbst kaum noch als solche zu erkennen. Rüstungen und die Leiber sind zerfetzt und zerrissen: Ein Untier mit gewaltigen Klauen muss hier gewütet haben und seinen Blutdurst voll ausgelebt haben!

Plötzlich, urplötzlich schallt eine Reihe lauter und dumpfer Schläge schmetternd durch den Dschungel! Aus allen Richtungen ist plötzlich wildes Affengekreische zu hören!

Dann verfinstert sich der Blick auf die Szenerie plötzlich, als ein schwerer Prankenschlag niedergeht...


Schweißgebadet wacht Echo-im-Halbdunkel am nächsten Morgen auf. Ein schlechter Traum, wohlwahr. Aber sie hat Glück gehabt - sie ist irgendwo auf der Straße von Eleder nach Kalabuto und der Gnom Gelik, den sie Tags zuvor kennengelernt hat, sitzt dösend am Lagerfeuer und wacht kurz nach ihr auf.

Gemeinsam frühstücken sie kurz etwas und brechen dann ihr Lager ab - erneut beginnt die Fahrt auf dem Ochsenkarren. Und wenige Stunden später erreichen die beiden ungleichen Gefährten die ersten Bauerngehöfte vor Kalabuto!

"Und das eins mal klar ist, von einem Abenteuer oder dergleichen will ich in Kalabuto erst einmal nichts mehr hören, habt ihr mich verstanden?! Hehe!"

Gelik Ebberschwinge lächelte Echo vielsagend an - dann gab er seinem Ochsenkarren den letzten fehlenden Antrieb: Das war Kalabuto!

Echo-im-Halbdunkel

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« Antwort #25 am: 04.04.2014, 13:00:32 »
Als Echo-im-Halbdunkel aus dem unruhigen Traum aufschreckte, tat es Tüpfel ihr gleich. Die beiden Katzenwesen sahen einander wissend an - beide hatten dasselbe gesehen. Und beide wussten es besser, als sich von dem Traum bedrücken zu lassen. Es war eine Warnung, die eine weise Katze beherzigen würde, allerdings kein Urteil.
Nach ausgiebiger Fellpflege und etwas Frühstück ging die Reise weiter - immer weiter dem Abenteuer entgegen. Die Hexe freute sich, bald einen neuen Ort zu entdecken, und auch ihre Vertraute wirkte energisch und wach und jagte einem Käfer auf der Wagenplane nach.
"Kein Wort!," versprach Echo dem Gnom mit einem verschwörerischen Lächeln, und wandte sich ab, um die neuen Gerüche, die der Wind mit sich brachte, einzuatmen. Natürlich waren nicht alle Düfte neu - Bauernhöfe rochen überall gleich - dennoch hatte dieser neue Ort seine eigene Note, seine eigene Würze. "Mrrr," schnurrte die Katzenhexe leise und erwartungsvoll vor sich hin.

Ksynthral

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« Antwort #26 am: 06.04.2014, 21:47:16 »
Kalabuto war umringt von Ananas-Plantagen und Dattelpalmen-Hainen und glich so Eleder sogar ein klein wenig. Das war es dann allerdings auch schon mit großen Ähnlichkeiten. Kalabuto, im Landesinneren gelegen, war auf einem flachen Hügel oberhalb des Tränenflusses erbaut worden. Im Endeffekt jedoch bestand die Stadt aus nicht mehr als einem bröckelnden Haufen uralter Ruinen: Rankpflanzen, Mauerbruchstücke und Zerfall wohin man auch blickte! Schon der ferne Anblick der Stadt offenbarte kein schönes Antlitz, jeder Bauernhof war prächtiger in seinem Erscheinungsbild!

Dafür besaß die Stadt eine lange Geschichte: Sie existierte schon vor den hier einheimischen Kalabuta-Stämmen, einst von den chelischen Kolonialisten entdeckt, als diese ins Hinterland vordrangen. Diese entdeckten eine Siedlung, wie für sie geschaffen, und nach einigen Zusammenstößen mit den eingeborenen Bewohnern rissen sie die Stadt an sich!

Heute ist Kalabuto eine Stadt in der immerwährend eine knisternde Spannung in der Luft liegt. Ein Großteil der Ruinen wird von den eingeborenen Kalabuta bewohnt, aber beherrscht wird die Stadt von einer Minderheit sargavischer Kolonialisten. Sie haben die höchsten Gebäude, wenn man sie den hoch nennen wollte, mit den besten Aussichten für sich selbst beansprucht.

In erster Linie allerdings stellte Kalabuto den ersten Verteidigungsposten gegen den Stadtstaat Mzali dar. So musste die Stadt schon großes Leid erfahren - eine Vielzahl von Überfällen überrollte Kalabuto mehr oder weniger regelmäßig und die Streitkräfte der Mzali plünderten die Stadt!

Kalabuto lebte jedoch immer wieder auf - vor allem durch den Handel: Die letzte befestigte Bastion vor dem Dschungel und Umschlagpunkt für Waren aller Art!

Doch jetzt, da die Sonne langsam unterging, als Gelik und Echo durch das eingefallene Westtor der Stadt ritten, wurde Kalabuto in finstere Schatten getaucht. Die Straßen waren stumm und größtenteils menschenleer - nicht gerade gastfreundlich jedenfalls! Aus der ersten Gasse kamen den beiden Reisenden sofort eine Gruppe von Bettlern entgegen, die um einige Münzen baten. Und an der nächsten Wegkreuzung standen einige dunkel gekleidete Personen, die ihre Köpfe zusammensteckten und tuschelten.

Gelik Ebberschwinge blickte seine Begleitung lächelnd an und nickte zu den Obdachlosen hinüber, die ihre knochigen Hände nach dem Viehwagen reckten:

"Jetzt zeigt zu was ihre Nütze seid, Echo, hehe! Gebt den armen Teufeln eine Münze - ansonsten müsste ich euch jetzt bis zum Schrumpfkopf laufen lassen - und das wollt ihr doch nicht wirklich oder?"

Der Gnom lächelte der Katzendame vielsagend zu und deutete verstohlen auf die dunklen Gestalten vor ihnen.

Echo-im-Halbdunkel

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« Antwort #27 am: 07.04.2014, 19:27:43 »
Echo-im-Halbdunkel hatte ihre Kapuze wieder aufgesetzt, als Geliks Wagen sich Kalabuto näherte. Die Augen der Katzenhexe schweiften über die Ruinen - uralte Überreste, die so viel Geschichte in sich trugen. Darin lag für sie die eigentliche, verborgene, vernachlässigte Pracht der auf den ersten Blick wenig ansehnlichen Stadt. Die modrigen Düfte der wuchernden Kletterpflanzen verliehen dem geheimnisvollen Ambiente eine weitere Würze - oder waren es die feinen, kaum merklichen Gerüche der winzigen Beutetiere?
Tüpfel wirkte ein wenig unruhig, als der Wagen durch das Tor rollte. Ihre große Freundin spürte dies wie ein nagendes Kribbeln, und sie wusste, dass es nicht an der Stadt selbst lag, sondern an der unmittelbaren, verdächtig stillen Umgebung. Die kleine Katze hatte recht gehabt - schon bald zeigten sich die ersten zwielichtigen Gestalten aus den Gassen.
Echo verengte die Augen. Im Gegensatz zu ihrem Volk bettelten Menschen meistens ausgesprochen uncharmant. Die Hexe hatte aber natürlich nicht vor, den Rest des Weges zu Fuß zu laufen. So griff sie in ihre Umhängetasche und holte eine Handvoll Kupfermünzen hervor, die sie den Armen zuwarf, während Tüpfel die Meute beim Vorbeifahren mit gesträubtem Fell taxierte.
Die Ohren der zauberkundigen Katzendame, die aus den Schlitzen der Kapuze herausragten, waren jedoch auf die weiter vorne wartende Gruppe gerichtet, und gleich drehte sie den Kopf so, dass sie diese auch besser ansehen konnte. Was führten diese Menschen bloß im Schilde?

Ksynthral

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« Antwort #28 am: 08.04.2014, 17:48:48 »
Die Bettlermeute quiekte auf, als die Katzendame die Münzen vom Wagen warf - wie die Aasgeier stürzten sich die Ärmsten der Armen auf die Kupferstücke. Aber nicht Gier füllte ihre Blicke, sondern Hunger, Not und Elend. Dankbare Rufe machten sich breit und sie priesen die beiden Reisenden in verschiedenen Sprachen und riefen allerhand Götter an. Allen voran natürlich Desna - göttliches Glück und eine gute Reise!

Genauso schnell wie sie allerdings aus ihren Löchern gekrochen waren verschwanden die Obdachlosen auch wieder in den Schatten der Ruinen. Langsam lenkte Gelik Ebberschwinge den Wagen weiter. Vorbei an den Kapuzenmännern - er war sich scheinbar sicher, dass sie ihnen zu zweit und auf einem Planwagen nichts anhaben wollen würden.

Aber ansonsten lag Echo-im-Halbdunkel mit ihrer unguten Vorahnung durchaus richtig. Sie konnte zwar keine verborgenen Räuber oder dergleichen in der Dunkelheit ausmachen, aber auch an den kommenden Straßenecken tummelte sich zwielichtiges Volk!

Opportunisten warteten hier in Kalabuto nur darauf ahnungslose Besucher in die Klauen von Schlägern oder sogar Sklavenhändlern zu locken! In kleinen Ansammlungen von Hütten die hier und da zwischen den steinernen Ruinen zu erkennen waren wurde offenbar noch ein ganz anderes Gewerbe betrieben und auch der Handel mit verbotenen Kräutern, Tränken und Tinkturen florierte in der Stadt. Neben zahlreichen Tavernen, die müden Reisenden Rast und Schutz boten gab es hier auch genug sumpfige Straßengräben in denen man schnell den Tod finden konnte: Und die Stadt selbst war auch nicht völlig frei von Wildtieren.

In der Ferne heulte ein Wolf auf - doch man konnte glücklicherweise nichts von ihm sehen. Außerdem waren hier am Hafenviertel zu viele Menschen unterwegs in den frühen Abendstunden!

Viele Verkaufsstände säumten die dreckige Hafenstraße von Kalabuto, Läufer gingen umher und zahlten die letzten Einnahmen des Tages aus. Tand und Alltagswaren, aber auch zahlreiche Händler für Naturalien: Seltene Weine aus dem Süden und gepökeltes Fleisch aus dem fernen Norden! Es schien als könnte man hier beinahe alles erwerben, was es auf dieser Welt gab. Auch Lagerhäuser, Handelsgesellschaften und kleine Bootswerkstätten gab es, doch diese waren größtenteils schon geschlossen für den heutigen Tag. Es roch nach fauligem Fisch und ranzigem Fett und das Wasser schimmerte selbst im Mondlicht dreckig bräunlich daher. Kein schöner Ort, aber ein rege besuchter, offensichtlich!

Plötzlich springt ein kleines Mädchen, vielleicht zehn, elf Jahre alt vor den Planwagen auf die Straße und reißt die Arme hoch:

"Haltet ein liebe Reisende!"

Die Kleine war allen Anscheins nach eine Zenji-Bettlerin und würde ihnen jetzt sicherlich irgendeinen Kram verkaufen wollen. Und so kam es dann auch, nachdem Gelik die Ochsen gestoppt hatte.

"Danke, Danke! Ich bin Kibi- und ihr müsst aus dem Westen kommen, ja? Alle kommen aus dem Westen und niemand bleibt lange hier! Alle gehen in den Dschungel, und wir bleiben alleine hier. Meine Eltern sind fort, meine Geschwister sind fort, meine Freunde: Aber ich habe Hunger!"

Schüchtern blickt sie zu den beiden Reisenden empor. Gelik Ebberschwinge zieht bereits eine Augenbraue besonders weit nach oben und stupst Echo in die Seite - er grinst.

"Schaut!"

Das Mädchen hält ein Bündel kleiner Holzamulette hoch.

"Handgeschnitzte Glücksamulette! Im Dschungel braucht man die, die Wilden dort erkennen euch dann als Freunde! Wollt ihr welche kaufen? Bitte! Nur ein paar Kupfermünzen, was sind sie euch wert, wieviele braucht ihr!"

Bettelnd tippelt die Kleine auf den Planwagen zu und streckt Echo und Gelik die Glücksamulette entgegen. Ihre großen Augen sind gerötet und das vernarbte Gesicht zeugt von einer nicht gerade glücklichen Kindheit.

Echo-im-Halbdunkel

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« Antwort #29 am: 09.04.2014, 13:21:58 »
Die Katzenhexe musste ihre schwarze Nase rümpfen, als die fauligen Gerüche der Hafenstraße sie erreichten. Die reinliche Kreatur mochte die Angewohnheit der Menschen und manch anderer Wesen, ihren Dreck einfach hinzuwerfen und nicht einmal zu vergraben, ganz und gar nicht. Dies gehörte wohl zu den unliebsameren Geheimnissen, die sie auf ihren Reisen entdecken durfte. Ihrer Vertrauten ging es ähnlich, das konnte Echo deutlich spüren.
Immerhin hatte der Markt zahlreiche interessante Dinge zu bieten, die die Abenteurerin im Vorbeifahren betrachten konnte. Orte des Handels waren immer faszinierend. Gerne würde die Hexe absteigen und an den exotischen Kräutern schnüffeln, die weichen Stoffe betasten und irgendeinem Händler ein paar Kuriositäten abschwatzen. Doch sie hatte sich entschieden, Gelik zu begleiten, und dabei blieb sie.
Als ein kleines Mädchen vor den Wagen trat und begann, ihre Amulette anzupreisen, legte Echo-im-Halbdunkel den Kopf schräg. So hungrig und verloren, wie es zu sein vorgab, kam ihr das Kind gar nicht vor. Sie konnte die Falschheit förmlich riechen. Leise etwas maunzend, wechselte die Katzehexe einen Blick mit Tüpfel. Die kleine schildpattfarbene Katze stubste ihre große Freundin mit einer Pfote an[1] - und diese lehnte sich vor und beäugte Kibi und ihre Ware mit großen, geheimnisvollen orangegelben Augen, die tief ins Gefüge der Realität blickten.
"Wer hat dir das beigebracht, Kind?"
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