Bevor einer seiner Gefährten reagieren konnte, war Omrah auch schon fort. In dem Spiel aus Licht und Schatten, das sich im Tunnel bildete, nutzte der Junge die Schatten so geschickt, dass man ihn schon nach wenigen Schritten nicht mehr sehen konnte. Es war, als hätte die Dunkelheit ihn einfach verschluckt.
Omrah musste sich Mühe geben. Mancher Lichtstrahl fiel für ihn so ungünstig, dass er sich regelrecht verbiegen musste, um ungesehen zu bleiben. Zum Glück wär sein Körper so gelenkig, dass er das schaffte - und bekam es dabei sogar hin, sich nahezu geräuschlos zu bewegen.
Schritt für Schritt lief er um die Biegung, die Geräusche wurden deutlicher - keine Ratten, Ratten machen keine solchen Geräusche, jedenfalls keine Ratten, denen er begegnen wollte -, und konnte schließlich sehen, was sie erwartete.
Von zwielichtigem Tageslicht erhellt - draußen hatten sich offenbar Wolken gebildet -, lag er dort vor ihm: Ein großer Schutthaufen, der den halben Tunnel versperrte, und dessen Ausläufer sich bis zur gegenüber liegenden Wand hinzog. Offenbar war die Straße darüber eingebrochen. Inmitten des Chaos konnte Omrah einige Dachziegel erkennen - was wohl den Grund für den Zusammenbruch lieferte.
Dann sah er eine Bewegung. War das eine Hand? Lebte dort etwa noch jemand? Seine Augen suchten kurz, dann fand er den Kopf, der zur Hand gehörte. Ein junger Mann, vielleicht Zwanzig, dessen blutverschmierte Haare in seinem Gesicht hingen. Sein dahinter liegender Körper wär von einem großen Steinbrocken zerschmettert worden, und... er musste tot sein. Langsam begriff Omrah.
Je genauer er hinsah, desto mehr Bewegungen nahm er wahr. Ein halbes, vielleicht ein ganzes Dutzend wandelnder Toter musste hier begraben sein. Doch die meisten hatte das nicht zerstört. Sie versuchten, ihn zu erreichen, griffen mit ihren eingeklemmten Armen nach ihm, richteten ihre toten Augen hungrig auf sein junges Fleisch. Dort eine Frau, ihr Hals von einer Eisenstange durchbohrt, die tief im Schutt festsaß. Sie reckte ihren Kopf hoch, schnappte mit ihren Zähnen, als könne sie ihn so erreichen. Etwas weiter nur eine einzelne Hand, die aus den Trümmern hervorragte, und suchend tastete...