Areo hatte dem Gespräch aufmerksam gefolgt und jedem der gesprochenen Worte im Stillen zugestimmt. Die Aufgabe war nun klar definiert, jeder wusste was er zu tun hatte. Es freute ihn sehr, dass Katharina ihn an ihrer Seite haben wollte, wenn die Gemeinschaft aufbrechen würde, um dieses Buch zu holen. Obgleich er weder sprechen noch hören konnte ging sie ohne weiteres dieses Risiko ein... Sich auf einen Krüppel wie ihn zu verlassen. Dieser Gedanke bestärkte ihn sehr und es überraschte ihn, wie er sich in seiner neuen Rolle wohl fühlte. Seit er die Enklave der Druiden in Richtung Aradan verließ, hatte er nicht mehr das Gefühl von Zugehörigkeit verspürt, in dieser lauten, dröhnenden Welt, jenseits der Wälder des Westens. Doch nun, inmitten dieser Fremden... In dem Schutze der Mauern des Sanatoriums... Im Herzen des Wahns hatte er eine neue Bestimmung gefunden.
Sie vertrauten ihm und er schwor sich, diese Leute niemals zu enttäuschen.
So nickte er Katharina entschlossen zu, als er die Gesten Radjeshas verstanden hatte. Er würde sich, sobald wie möglich für die Expedition ausrüsten. Dieses Mal wäre er nicht schutzlos und auf das Schwert Gelirions angewiesen... Nun war er vorbereitet und rechnete mit dem Schlimmsten.
Die Insassen waren hierbei jedoch das völlige Gegenteil. Erneut verwundert über sich selbst, stellte der Druide fest, dass er seit Anbeginn ihres Aufenthalts innerhalb dieser Festung kaum mehr einen einzigen Gedanken an die Seelen verschwendet hatte, welche an diesem Ort weggesperrt waren. Er achtete die Meinung des Heilers und verstand seinen Einwand. Doch was blieb ihnen großartig übrig?
Selbstverständlich würde er alles in seiner Macht stehende tun, um diesen Personen zu helfen... Doch was konnten sie ausrichten, was ein ganzer Stab an Ärzten, Zauberern und Wissenschaftlern vor der Nacht des Blutes nicht auch hätten tun können? Er zweifelte sehr daran, dass sie wirklich mehr für die Geächteten tun konnten... Als sie von ihrem Leid zu erlösen. Er fasste sich mit der Hand grübelnd ans Kinn und stützte dadurch seinen Kopf auf der Tischplatte ab. Areo wusste nicht, ob er wirklich ehrlich zu sich selbst war, wenn er über dieses 'Problem' nachdachte, oder ob sein Bewusstsein der Wahrheit absichtlich entging, wenn er sich versuchte darauf zu konzentrieren.
Die Zeiten hatten sich geändert. Vor einer Woche noch wäre er der Erste gewesen, der für die Betroffenen in diesen Mauern gesprochen hätte... Der alles in seiner Macht stehende getan hätte, um ihr Leiden zu heilen oder sie zumindest so zu behandeln, dass sie damit leben konnten.
Doch dieser Tage war vorüber.
Es ging um so unendlich viel mehr, als das egoistische Wesen des fürsorglichen, nächsten Liebenden jemals verstehen konnte. Diese Insassen, ob unschuldig oder nicht... Waren äußerst gefährlich und könnten, unbedacht behandelt, nicht nur das Schicksal dieser Gemeinschaft besiegeln. Egal ob sie diese nun freilassen, integrieren, einfach nur behandeln oder mit Nahrung versorgen müssten...
Areo wurde sich bewusst, dass er nur einen Ausweg für diejenigen sah, in welchen sie nicht auf Anhieb einen Funken Hoffnung sehen konnten.
Den sanften, gnädigen und allseits erlösenden Tod.
Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen bei diesem Gedanken und er merkte, wie er kaum merkbar zu zittern begann. Doch er wankte nicht in diesem Entschluss. Sollten sie sich diesem Thema stellen müssen, so wird er alles in seiner Kraft stehende dafür tun, den Personen zu helfen. Sie einzeln begutachten und mit Rat und Tat helfen... Diejenigen unter ihnen, für die es keine Aussicht auf baldige Besserung gab, würde er zum Tode verurteilen und diese Aufgabe selbst übernehmen, könnte sie kein Anderer tragen.
Dieser Kampf war einfach zu wichtig und Areo würde alles opfern was er könnte, einschließlich sich selbst, um die Dunkelheit zu besiegen. Damit das Leben zurück in diese Welt finden konnte.
Für den Moment schwieg er doch und folgte weiter dem Verlauf des Gesprächs. Vielleicht gab es auch eine andere Möglichkeit, welche außerhalb der Reichweite seiner Wahrnehmung lag...
Vielleicht gab es noch Hoffnung für die Vedammten.