Arjen grinste und zog die Brauen zusammen, als Will ihm erzählte, er wäre Don Pedro. Eigentlich hatte er gedacht, dass die Rolle aus Wills unerschöpflichem Repertoire stammte. Als der Stückeschreiber dann auch gleich auf die unpassende Schweigsamkeit des Kriegers kam und sein Lied anstimmte, wurde aus dem Grinsen ein Lächeln. Nein - Will hatte seinen Humor nicht verloren.
Die ersten Strophen vernahm Arjen noch gelassen. "Das alles soll ich gesagt haben? Blieb denn noch Zeit zum Kämpfen?..., warf er neckisch ein. Doch Will war so in seine Darbietung vertieft, dass er die Worte wohl überhört hatte. Und dann kamen weitere Strophen:
'...Der scheidet leicht und wird im Jenseits vereint
Mit Frau und Sohn, mit Freund und auch jenen,
Die er zu Boden gestreckt, auf Befehl von oben.
An einer Tafel sitzt man beisammen,
Vergibt und wird vergeben
Und lacht und weint und findet Ruh'...'
Plötzlich spürte Arjen einen Kloß im Hals. Mit Mühe schluckte er ihn herunter. 'Mit Frau und Sohn... und jenen, die er zu Boden gestreckt auf Befehl von oben'. Der Krieger tat einen tiefen Atemzug. 'Vergibt und wird vergeben... ...und findet Ruh'.
Will sang weiter - Arjen wandte sich ab und starrte einen unbekannten Punkt in der Ferne des Tunnels an. Ließ nur die Stimme des Sängers auf sich wirken und merkte, wie er tatsächlich für einen Augenblick so etwas wie Ruhe fand. 'Drum Tom, fass' Mut und tu das Deine. Mehr Rechenschaft verlangt der Himmel nicht.' Konnte es so einfach sein? Nein - ganz sicher nicht. Aber für den Augenblick. Für diesen einen Augenblick schien es so einfach. Es war wohl Wills Stimme, oder einfach diese ungebrochene Lebensfreude des Stückeschreibers, der - wie Arjen inzwischen wusste - auch vieles durchgemacht hatte. Und doch hatte er sich diesen Optimismus bewahrt. Mag sein, dass dieses Gefühl einen Liedschlag später wieder endete, doch dieser Augenblick schien frei. Der erste seit dem Tod von Diana und Lukas.
'Und er singt so, als ob er es wüsste. Aber das kann doch gar nicht sein!' Plötzlich fasste Arjen einen Entschluss. 'Es ist genug Zeit vergangen. Sobald wir unser Lager aufschlagen, spreche ich ihn auf seine Vergangenheit an' - er legte die Hand auf das zusammengefaltete Schreiben in seiner Brusttasche. 'Und erzähle ihm von meiner.'
Als der Krieger sich wieder zu den anderen umdrehte, hatte Will sein Lied beendet und Schnüffler gerade eben die Leiche der Toten über die Schulter geworfen. Doch anscheinend wollte Gelirion nicht, dass sie an die Oberfläche getragen würde. Will mischte sich nicht ein. Das war eine Sache, die der Paladin allein entscheiden musste - sie war seine Schwester. Und Arjen kannte ihn noch nicht gut genug, um sich in diese Angelegenheit mit einem Rat einzumischen.
Er folgte Schnüffler stumm, achtete jedoch darauf, das Will und auch der kleine Omrah nicht zurückblieben. Nach ein paar Schritten wandte er sich an den Stückeschreiber und sagte leise: "Ein schönes Lied, Will. Jeder geht mit dem Kummer auf seine Weise um" - er nickte in Richtung der Leiche, die über der Schulter des Halborks baumelte. "Deine hilft vor allem den beiden Kindern sicher mehr."