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Autor Thema: Geisterstadt  (Gelesen 91355 mal)

Beschreibung: Episode 1.2

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William Marlowe

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Geisterstadt
« Antwort #645 am: 24.07.2015, 17:39:33 »
"Sie lassen es nicht zu, Omrah, sie konnten es nicht verhindern. Das mag manche Leute noch mehr erschrecken, als wenn dies alles eine Strafe oder ein Test der Götter wäre, aber mir macht es Mut zu wissen, dass diese, genau wie wir in diesem Augenblick, dagegen ankämpfen oder Pläne schmieden, was zu tun ist. Du bist ein sehr tapferer Junge, aber nimm dir nicht zuviel auf die eigenen Schultern. Jeder einzelne, den du erlösen kannst, zählt."

Damit erhob Will sich und ging zu Arjen hinüber.

"Gut, dann lass uns mal. Vielleicht gehen wir nur zuerst zu Heiler Khoon hinüber und sagen Bescheid, nicht dass er nervös wird, dass die beiden Neuen hier so einfach durch sein Haus streunern. Und ich wollt ihm auch noch zeigen, dass das hier kein Biss war."

Gemeinsam gingen sie also zu Heiler Khoon hinüber und Will trug sein Anliegen vor. Er wickelte auch den behelfsmäßigen Verband von seiner Wunde, um die tiefen Kratzer zu entblößen. Dabei musste er ziemlich an dem Verband reißen, denn der Stoff war schon bös' mit der Wunde verklebt, und natürlich blutete diese daraufhin wieder stärker. Aber morgen früh konnte Will sich ja selbst darum kümmern.

"Es macht Euch doch nichts aus, Heiler Khoon, wenn Arjen und ich ein paar Schritte durchs Haus tun? Natürlich werden wir uns von Euren Schützlingen fern halten und auch sonst nichts durcheinander bringen. Wir haben nur etwas privates zu besprechen und sind beide zu rastlos, um uns irgendwo in einer stillen Ecke niederzulassen."
« Letzte Änderung: 24.07.2015, 21:14:46 von William Marlowe »
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Sternenblut

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Geisterstadt
« Antwort #646 am: 25.07.2015, 11:29:08 »
Khoon hörte Will aufmerksam zu - eine Eigenschaft, an die Will sich erinnerte, man hatte bei ihm stets das Gefühl, dass er sich wirklich voll und ganz auf seinen Gesprächspartner konzentrierte. "Ich bin prinzipiell einverstanden", erklärte er. "Aber zuerst... auf ein Wort, unter vier Augen."

Er griff Will zwar nicht fest, aber doch bestimmend, an der Schulter und führte ihn einige Meter von Arjen weg. Dann ließ er ihn los. Mit seinen immer wachen Augen sah er ihn an.

"Ihr wisst, worum es geht. Ich weiß genug über Aradans Rechtssystem, um euch nicht zu verurteilen, nur weil ihr verurteilt wurdet. Erzählt es mir."
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

William Marlowe

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Geisterstadt
« Antwort #647 am: 25.07.2015, 13:07:38 »
"Erzählen? Ach herrje, was soll es da schon groß zu erzählen geben. Sie war schön, ich war dumm, dann war sie schwanger, und der Spaß hörte auf. Aber willig genug war sie vorher und gefallen hat's ihr, wie man allein daran erkennt, dass sie einen ganzen Monat lang zweimal die Woche ins Theater kam, nur damit sie sich nach der Vorstellung eine private Zugabe von mir holen konnte."

Will bemühte sich zwar um Nonchalance, doch ein Menschenkenner wie Khoon dürfte auch einem guten Schauspieler wie Will anmerken, dass diese nur eine Maske war, zumal Will seinem Blick konsequent auswich.

"Vor ein paar Tagen hab ich sie auf der Straße getroffen. Den Herrn Inquisitor hat sie geheiratet. Eben den, der mein Geständnis für sie gewonnen hat. Und meinen Jungen haben sie Giorgio genannt. Giorgio Fabio Henslow."

Die letzten drei Worte spuckte Will mit giftiger Verachtung aus, doch dann zuckte er mit den Schultern. "Weil's jetzt eh egal ist. Wer weiß, ohne die drei Jahre im Straflager hätt' ich wohl in der ersten Nacht den Löffel abgegeben. Und ich hätte Lissie nicht getroffen."

Plötzlich sah er Khoon an. "Sagt, Ihr kennt nicht zufällig Lissie... Lissie... ach verflixt, in einem ganzen Jahr hab' ich sie nie gefragt, wie sie weiter heißt, aber ein Haus für ungeliebte Kinder hat sie geführt, am Stadtrand, so um die zwanzig Lahme, Blinde und Taube. Kennt Ihr sie? Habt Ihr sie gesehen oder von ihr gehört? Also, ich mein', nachdem... Ich hatte an dem Abend nämlich Vorstellung, ich war nicht daheim..."
« Letzte Änderung: 28.07.2015, 08:21:34 von William Marlowe »
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Schnüffler

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Geisterstadt
« Antwort #648 am: 26.07.2015, 22:43:56 »
Schnüffler antwortete nicht sofort auf Rotznases Vermutung, da er sofort aufstand als Gelirion den Hof betrat. "Ich habe alles getan, was mir möglich war.", sagte er Gelirion und es klang wie eine Entschuldigung. "Ich habe gehört, dass die Ceriva-Gläubigen ihre Toten gerne verbrennen und die Asche in eine, Fluss zerstreuen. Damit soll gezeigt werden, dass die Seele ihren Weg durch den Äther zu Ceriva findet." Schnüffler erschrak selbst ein wenig, als er so von den Bräuchen der Kirche sprach. Innerlich schalt er sich, dass er mit dem Holz gegeizt hatte. Er realisierte, dass es hier um mehr ging, als ein Andenken an eine Verstorbene. Darum erwog Schnüffler, die Tote wieder auszugraben. Aber das wäre nun wahrhaftig unwürdig.

"Dein Verlust erfüllt mich mit Trauer und Wut.", sagte er schließlich. Gerne hätte er Gelirions Hand gegriffen oder seine Worte sonstwie mit einer Geste unterstrichen. Aber dazu fehlte ihm der Mut und die gesellschaftlichen Umgangsformen.

"Die kleine Rotznase da hat mich eben gefragt, ob das Seelenheil der Verstorbenen von dem Begräbnis abhängt. Das glaube ich nicht, denn es hieße, dass wir die Macht hätten, den Göttern die Seelen zu entreißen." Schnüffler vergewisserte sich, dass er auch die Aufmerksamkeit des Mädchens hatte. "Aber ich glaube, dass die Götter die Beerdigung befohlen haben, wann immer es uns möglich ist. Im Jenseits werden die Verdienste der Toten von den Göttern gewürdigt. Ein jeder erhält, was er verdient. Und das gleiche gilt für uns Lebende. Denn indem wir ihren Namen erhalten, würdigen wir ihr Vermächtnis an uns und der Welt. Wir erinnern uns an ihre Aufgaben, die wir weiterführen. Wir erinnern uns auch an ihre Fehltritte und es liegt an uns, Sühne zu leisten. Am Ende der Welt wird die Gemeinschaft der Menschen sich verantworten müssen, was sie aus der Welt gemacht hat. Und ich hoffe, die Götter sehen gnädig unser Werk an und finden, dass es gut war."

"Gelirion, begraben wir Deine Schwester. Lass uns ihr Werk an der Welt bedenken. Es ist nun unser Werk und wir müssen fortführen, was sie nicht beenden konnte. Unser Verlust soll uns nicht verzweifeln lassen, sondern mit Tatendrang und Hoffnung erfüllen. Unsere Hände werden die ihren sein. Die ganze Welt liegt vor uns."

Schnüffler nickte Gelirion pflichtschuldig zu und trat zurück.
« Letzte Änderung: 26.07.2015, 23:17:19 von Schnüffler »
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Sternenblut

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« Antwort #649 am: 28.07.2015, 07:07:26 »
Udeon sah aus, als würde er bald einschlafen, nachdem er sich gesetzt hatte. Die Augen gingen halb zu, und er beugte sich leicht nach vorne - ein erschöpfter, alter Mann. Spielte er nur eine Rolle? Esulilde gegenüber hatte er erklärt, dass dieser Teil an ihm ebenso wahr und real war wie der andere, der machtvolle, den Esulilde ebenfalls kennengelernt hatte.

Iana überlegte einen Moment. "Angst ist nichts Schlimmes, sie warnt dich nur", sagte sie, halb zu sich selbst. Sie lächelte. "Das hat Cederon immer gesagt, wenn ich mal vor etwas Angst hatte. Aber wie kann sie uns Kraft geben?"

Ihr Blick fiel auf ihren Sohn. "Kann ich ihn mitnehmen für die Meditation? Ich möchte ihn auf keinen Fall alleine lassen."
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Sternenblut

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« Antwort #650 am: 28.07.2015, 07:13:02 »
Ryffa hielt Omrah sogar noch einen Moment länger fest, bevor sie sich aus der Umarmung löste. "Ich dich auch. Ich habe mir Sorgen gemacht. Bei all dem, was hier passiert ist..." Sie sah zu Boden, sagte nichts, und ballte nur die Fäuste.[1]

Nach einem Moment atmete sie tief ein, und sah wieder hoch. "War es gefährlich da draußen? Du siehst aus, als ob du gekämpft hast." Sie deutete auf die Stellen, an denen der Untote seine brennenden Hände auf ihn gelegt hatte.
 1. Wenn du möchtest, Sense Motive.
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Sternenblut

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« Antwort #651 am: 28.07.2015, 07:21:08 »
Khoon zögerte einen Moment, doch dann klopfte er Will freundschaftlich auf die Schulter. "Ich glaube euch. Es tut mir leid, dass ihr dieses Schicksal erleiden musstet." Er sah sich um, als wolle er damit das gesamte Sanatorium betrachten. "Auch an diesem Ort gab es viel zu oft Unschuldige, die fälschlich verurteilt wurden. Leider war ich nur ihr Heiler, nicht ihr Richter."

Er lächelte entschuldigend. "Es tut mir leid, eine Lissie kenne ich nicht. Ich wünsche euch, dass ihr sie wiederfindet. Und grämt euch nicht. An jenem Abend waren viele dort, wo sie ihrer Ansicht nach nicht hätten sein sollen. Doch ihr wisst nicht, was sich verändert hätte, wäre ihr da gewesen. Vielleicht wärt ihr dann jetzt tot. Vielleicht wäre eure Lissie nicht so schnell geflohen, weil ihr ihr Mut gemacht hättet. Vielleicht, vielleicht. Denkt nicht darüber nach. Was zählt ist, dass ihr noch hier seid und nach ihr sucht."

Dann sah er zu Arjen. "Ich danke euch für eure Zeit. Ich möchte euch jetzt nicht länger aufhalten."
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Sternenblut

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« Antwort #652 am: 28.07.2015, 07:23:35 »
Auch Semerok hatte sich zu der kleinen Gruppe dazu gesellt. Schweigend stand er am Rande, die Hände vor seinem Bauch verschränkt, und hörte Schnüffler einfach nur zu.
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William Marlowe

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« Antwort #653 am: 28.07.2015, 09:30:52 »
Als Khoon sagte, dass er ihm glaube, nickte Will bloß. Irgendwas saß ihm quer in der Kehle, dass er das einfache Wort 'Danke' nicht daran vorbei brachte. Er räusperte sich. Und räusperte sich noch einmal. Und schwieg dann doch. Normalerweise wäre dies nun der perfekte Zeitpunkt für einen Abgang, doch Will hatte noch eine Frage. Er wandte sich zu Arjen um und winkte ihn herüber. Vielleicht würde es ihn auch interessieren. Derweil friemelte er seinen improvisierten Verband—so wie er war: durchtränkt von frischem und steif vor geronnenem Blut—wieder um seinen Arm.

Nachdem Arjen sich zu ihnen gesellt hatte, wandte Will sich noch einmal an Heiler Khoon.

"Die Sache mit der Besessenheit, die würde ich gern besser verstehen", begann er krächzend, bevor ein drittes Räuspern den Kloß in der Kehle endlich freibekam. "Ist der Patient immer noch...? Und der Geist, ist er ansprechbar? Wenn ja, ist er völlig im Wahn gefangen oder klar genug, um zu begreifen, wer und wo er ist und vor allem was? Das heißt, lässt sich mit ihm argumentieren? Kann man ihm erklären, dass er erreicht hat, was er erreichen wollte? Oder wird er einfach so weitermachen und einem nach dem anderen in den Selbstmord treiben, bevor er in den nächsten fährt? Was kann man dagegen tun?

Verzeiht, das ist jetzt kein morbides Interesse. Heute morgen hab' ich noch zu einem frommen Mann gesagt, dass ich nicht daran glaube, dass Seelen wegen jedem bisschen Unrecht, das sie im Leben haben erdulden müssen, als Rachegeister zurückkämen, dazu habe ich viel zu viel mitangesehen, das einen Rachegeist hätte beschwören müssen, und nie ist einer erschienen. Aber vielleicht ist auch das jetzt anders. Der fromme Mann hat Arjen und mir erklärt, dass in der neuen Ordnung—seine Worte—die Toten ein Teil der Welt seien, dass sie hierher gehörten, und wir nun die Eindringlinge in ihrer Welt seien. Gar nichts Widernatürliches will er an ihnen mehr spüren.

Also, ich versuche diese 'neue Ordnung' einfach nur zu begreifen und ihre Spielregeln zu erkennen."

« Letzte Änderung: 28.07.2015, 09:42:40 von William Marlowe »
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Esulilde Ziberadi

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« Antwort #654 am: 28.07.2015, 09:37:28 »
Esulilde wandte ihren Blick von Udeon ab und antwortete Iana: "Das wichtigste ist, dass Ihr die Angst die Euch durchflutet, am Ende überwindet. Es ist dieser Akt der Willenskraft, der uns Stärke verleiht. Und je intensiver wir vorher die Angst spüren, desto mehr Willenskraft benötigen wir. Es ist stets ein kraftspendendes Gefühl, seine Angst überwunden zu haben - das Wissen, doch stärker zu sein als die Angst, die einen Momente zuvor beinahe vollständig verschlungen hätte... und man sogar noch Herr seiner Sinne ist. Daraus ziehen wir auch bei der Anwendung unserer Magie unsere Stärke."

Esulilde dachte daran zurück, wie sie Rhamedes stabilisiert hatte - die Angst hatte ihr Kraft gegeben.

Sie erinnerte sich an ihre Flucht, nachdem Udeon zur Verkörperung des Schreckens wurde - die Angst hatte sie angetrieben, ihr die Kraft gegeben, zu fliehen... hätte sie die Angst niedergekämpft hätte sie den Tempel nicht verlassen, wäre von Udeon und seinen damaligen, ihm offenbar dienenden Untoten getötet worden.

Auch reflektierte sie Omrahs Momente der Angst. Nach der Heilung durch Esulilde war Omrah rückwärts zurückgewichen, hatte Esulilde aber noch immer angesehen. Dann schien es, als hätte ihn die Angst vollständig überwältigt und hatte ihn ertränkt, als er wenige Momente später das Gesicht in den Händen verborgen hatte.

Beim zweiten Mal, in jenem Raum, in dem das Artefakt lag, hatte er sich ängstlich Gelirion zugewandt - vielleicht hatte er auf seinen Trost gehofft, weil er erneut nicht stark genug gewesen war, seine Angst zu überwinden? Auch dort hatte die Angst ihn scheinbar ertränkt... ganz im Gegensatz zu Esulilde, die begonnen hatte, sich nicht nur in der Dunkelheit, sondern auch im Angesicht der Angst wie ein Fisch im Wasser zu fühlen. Die Dunkelheit -und ganz besonders die Angst- waren die Aspekte ihres Gottes.

"Timeroth darf ebenfalls gerne unserem Ritual beiwohnen. Auch ich selbst habe schon in den jüngsten Jahren Aguas' Ritualen, Messen und Gebeten beigewohnt, sowohl im Tempel als auch zu Hause. Bei mir liegt es in der Familie, denn auch meine beiden Eltern sind ebenso wie ich Prediger unseres Herrn."

Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zu ihrem Vater und ihrer Mutter... Waren sie unter jenen gewesen, die Xaraleas' Dämon beschworen hatten? Waren sie im gemeinsamen Haus -tot oder lebendig?- oder bereisten sie in ihrem Amt als Wanderprediger entfernte Städte? Vorher hatte sie nur wenig daran gedacht, da es stets die Gewissheit gab, sie sehr bald wiederzusehen.
Doch jetzt... was war, wenn nicht nur Aradan, sondern auch die umliegenden Gebiete von Untoten heimgesucht wurden?

Erneut durchflutete sie ein Schauer der Angst aufgrund des ungewissen Schicksals ihrer Eltern. Dennoch erhielt Esulilde ihre Körperhaltung aufrecht, als sie auch diese Welle der Angst überwand. Die Angst ist allgegenwärtig. Also muss sich jeder von uns entscheiden ob er sich von der Angst ertränken lässt oder sie als Teil von sich annimmt.

Gelirion

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Geisterstadt
« Antwort #655 am: 04.08.2015, 23:36:26 »
Auch Gelirion hörte den Worten von Schnüffler genau zu. Er selbst atmete immer wieder tief ein und aus, verdrängte so die Bilder an seine tote Schwester. Wenigstens für diesen Moment. Als der Halbork endete, schritt er weiter auf ihn und das Kind zu. Bis jetzt zeigte er keine Regung, wirkte fast, durch das stete atmen und ein fast mimiklose Gesicht, der Welt entrückt. Genug Tränen waren vergossen, genug Leben verbraucht. Jetzt ging es auch für ihn, um die letzte Ehre für seine Schwester und all jene die gestorben waren.
Er passierte beide ohne eine große Regung zu zeigen. Irgendwie seltsam. Der Paladin der sich nicht scheute zu weinen, seinen Gefühlen lauf zu lassen. Genau dieser Paladin wirkte jetzt wie versteinert. Gehalten ihn irgendeinen verrückten Moment. Die Ungewissheit, was er vorhatte, wie er reagieren würde auf Schnüfflers Worte, war regelrecht in der Luft spürbar.
Erst hinter dem Erdgrab blieb er stehen, wendete sich in einer runden Bewegung zu Schnüffler und Rotznase um und registrierte dabei die Anwesenheit von Semerok und Omrah.

Eine längere Pause folgte, in der der Halbelf einfach da stand. Der Wind im Hof spielte mit seinem locker getragenen Wappenrock. Dann begann er. „Ich danke dir Schnüffler. Du sprichst Wahr. Wir sollten die Toten, alle toten Ehren. Den Tot würdigen, denn er ist nicht nur Abschied und Trauer. Er ist auch ein Zeichen des Lebens. Er erinnert uns daran, dass alles vergänglich ist. Etwas, was wir nicht aufhalten können und sollten.“ Sein Blick ging zu Semerok. „Ceriva lehrt ihren Kindern, dass alles im Fluß ist. Dass alles Teil eines großen ganzen ist und das sie uns auf unserem Lebendweg wie eine große Mutter beschützt. Uns den ersten Schupf ins Leben gibt aber auch und mit offenen Armen, gleich unseres Standes empfängt. Uns zeigt, dass der Tot nicht ein Ende ist, sondern ein neuer Anfang.“ Hier machte Gelirion eine längere Pause, sammelte sich offensichtlich um am Ende in einen Sprechgesang zu verfallen. „ Die Schatten werden länger - Der graue, grame Grillenfänger - Streicht um das Haus. - Der Tag ist aus. - Die Ängste kommen näher, - Sie stell‘n sich größer, krall‘n sich zäher - In der Seele fest, - In deinem Traumgeäst. - Manchmal ist es bis zum anderen Ufer der Nacht - Wie ein lichtloser Tunnel, ein nicht enden wollender Schacht.
Ich bring dich durch die Nacht, - Ich bring dich durch die rauhe See - Ich bring dich durch die Nacht, -
Ich bringe dich von Luv nach Lee. - Ich bin dein Lotse, ich bin dein Mann, - Bin deine Schwester, lehn dich an, - Ich bin der Freund, der mit dir wacht, - Ich bring dich durch die Nacht. …“Das Lied, denn es hörte sich fast an als würde es normaler weise gesungen werden, ging noch zwei Strophen weiter. Am Ende ging er in die Knie, sammelte etwas lose Erde vom Grab auf und richtete sich wieder auf. Während er in der in der rechten die Erde vom Wind fort tragen ließ, ließ seine Linke den blutroten Wein aus dem Kelch zu Boden fließen. „Wir alle sind Kinder des Zwielichts. mit möglichst kräftiger, aber nicht schreiender Stimme, formt Gelirion diese Worte.
„Wandeln zwischen den lichten Seiten und den schattigen Seiten des Lebens. Tragen Trauer, Freude, Leid und Hoffnung in uns vereint. Der Tot ist kein Abschied, kein Abschied für immer. Denn oh große Wanderin. Ceriva. Du führst uns auf unseren Wegen im Leben. Leitest im Tot unsere Seelen. Auf das nichts vergessen wird. Denn alles hat seinen Platz in deinem großen Gewebe. Alles findet sich wieder. Nicht heute nicht morgen doch irgendwann. Bis dahin, tragen der Wind uns das Wasser all die Namen derer, die vor uns gegangen sind.“ auch wenn weder der Kelch noch die Hand leer waren, ließ er beides zu Boden fallen. Giff nach seinem Schwert und zog es aus der Scheide. Von der Scheide, führte er die Spitze der Klinge in einer schnellen ausladenden Bewegung, welche einem Kreis ähnelte, gen Boden. Kurz sang dabei sogar das Schwert. „Oh Ceriva. Du siehst auf uns. Auf deine Kinder die in so kurzer Zeit, so viele Tränen vergießen mussten. Doch, wir sind noch hier. Erinnern uns an die die gegangen sind. Jeden Einzelnen.“ Beim Sprechen werden die Augen des Paladin sichtbar wässrig. „All die die so abrupt aus unserem Leben gerissen wurden. Es brachte uns Schmerz trauer und Leid. Doch wir erinnern uns auch an die Freude und das Glück welches sie uns brachten. Oh große Ceriva. Wir leben und so du willst werden wir alle wieder sehen. Nicht heute, nicht morgen doch irgendwann.“ Klirrend glitt das Schwert zu Boden.Gelirion ging auf Schnüffler zu. Hob beide Arme und neigte den Kopf nach vorne. So dass der Halbork mit seinem Kopf, den Kopf Gelirions berühren könnte. Diese Geste wiederholte er auf knien, bei der kleinen Rotznase sowie Omrah und zum Schluss mit Semerok. Wobei er bei ihm deutlich länger stehen blieb und sich seinen Tränen hingab.
« Letzte Änderung: 07.08.2015, 08:20:37 von Gelirion »

Omrah

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Geisterstadt
« Antwort #656 am: 06.08.2015, 15:46:41 »
Omrah sah an sich herunter und betrachtete einen Moment seine verbrannte Haut und Kleidung. Fast hatte er sich schon daran gewöhnt und dabei war doch kaum Zeit diesem schicksalhaften Moment vergangen. Tatsächlich schmerzten die Wunden noch immer ein bisschen und jetzt da Ryffa ihn wieder darauf aufmerksam gemacht hatte, wurde das schmerzhafte Pochen stärker. Er verzog leicht das Gesicht, nahm dann aber Ryffas geballte Fäuste in seine Hände. "Einige Untote haben uns angegriffen und wir mussten kämpfen. Ich... sie..." Der Junge wollte nicht weitersprechen und in die Details gehen. Die würden Ryffa nur Angst machen. Sie musste nicht wissen, dass er fast nicht wiedergekommen wäre. "Aber was zählt ist, dass wir überlebt haben. Wir wussten, dass es nicht ungefährlich werden würde."
Er hätte niemals mitgehen dürfen. Ja, er hatte geholfen aber im Endeffekt hätte die Gruppe auch ohne ihn das Artefakt holen können. Ryffa hatte all das, was hier im Sanatorium geschehen war, alleine ertragen müssen. Er nahm sie wieder in den Arm. "Ich lasse dich nicht wieder alleine. Ich bleibe bei dir. Du musst das alles nicht alleine tragen."
« Letzte Änderung: 06.08.2015, 15:52:49 von Omrah »

Schnüffler

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Geisterstadt
« Antwort #657 am: 10.08.2015, 12:38:02 »
Gelirions Abschied von seiner Schwester erschütterte Schnüffler auf eine Art, die er nicht gekannt hatte. Menschen waren wie Tier: Man liebt sie, man begräbt sie und dann wurden sie vergessen. Zumindest war das bisher seine Einstellung gewesen. Doch er selbst hatte sich überrascht, indem er die Worte von Bestimmung und Verantwortung gesprochen hatte und Gelirion trug sie weiter mit einer grimmigen Bestimmtheit, die mehr war als einfache Rachegelüste. Schnüfflers Gedanken kreisten um den Schmerz, den Gelirion verspüren musste. Und obwohl ihre Leben wohl verschiedener nicht hätten verlaufen können, obwohl seine Schwester ihm völlig unbekannt geblieben war und obwohl er sich bisher noch nie Gedanken gemacht hatte um die Zukunft, fühlte er sich mit Gelirion durch dieses Ereignis schicksalshaft verbunden. Und nicht nur mit ihm, sondern mit allen Überlebenden des Sanatoriums. Sie würden sich der Dunkelheit nicht ergeben - und wenn sie übermächtig war. "Alles oder Nichts!", murmelte Schnüffler leise, dass es fast nicht zu hören war.

Schnüffler wies die kleine Rotznase zum Gehen. Sie mussten Gelirion jetzt mit seiner Trauer alleine lassen.

Schnüffler war ungewöhnlich still, auf dem Weg durch die Gänge. Er dachte nach über ihre Situation, über ihre Ziele und über ihre Chancen. Über ihre grimmige Entschlossenheit, die sich gegen das scheinbar Unabwendbare auflehnen musste. Alles oder Nichts!

Schnüffler wusch sich und zog frische Kleidung an. Er wollte zu Mentaru gehen und über die Stadt sprechen. Auf dem Gang begegnete ihm allerdings Esulilde. "Hmm, Esulilde? Hast Du mal kurz Zeit?", fragte er.
« Letzte Änderung: 24.08.2015, 14:31:47 von Schnüffler »
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Arjen Bucalo

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« Antwort #658 am: 10.08.2015, 16:14:45 »
Arjen gesellte sich zu Will und Meister Khoon, als der Stückeschreiber ihn herbeiwinkte. Im Gegensetz zu Will kannte er im Senatorium niemanden, auch nicht Khoon, und so beließ er es bei einer knappen Vorstellung und hörte erstmal zu.

Als Will das Thema ansprach, ging ihm ein Stich durchs Herz. Er erinnerte sich wieder an Luca und die beiden Töchter, die auf der Plattform inmitten der wandelnden Toten zurückgeblieben waren. 'Irgendwann müssen wir sie holen', dachte er zum wiederholten Male.

Ansonsten wartete der Krieger zunächst ab, dass Khoon antwortete. Das Thema wollte er mit Will erst aufnehmen, wenn sie alleine waren.

Sternenblut

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Geisterstadt
« Antwort #659 am: 23.08.2015, 17:19:32 »
Khoon schüttelte traurig den Kopf. "Der Geist wird ihn nicht loslassen, bevor er sich nicht für seine angebliche Schuld selbst bestraft hat - sprich, bis er sich umgebracht hat. Die Seele des Verstorbenen ist völlig im Wahn gefangen, unfähig, sich daraus zu lösen. Seine Realität besteht im Grunde nur aus dem Wunsch, den er während seines Todes verspürte, der Gedanke an Rache. Er sieht die Wirklichkeit nicht so wie wir. Der Patient ist für ihn Timbar, und wenn der Patient tot ist, wird er den nächsten suchen, den er für Timbar hält, bis in alle Ewigkeit. Udeon meinte, er könnte den Geist vertreiben, aber das benötigt ein aufwendiges Ritual, für das wir im Augenblick wohl keine Zeit haben - und dieses Ritual muss bei Nacht geschehen."

Dann legte er Will freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. "Aber wer auch immer der fromme Mann war, dem ihr begegnet seid: Wenn ihr mich fragt, ist auch er einem Wahn verfallen. Die Welt gehört jenen, die sie für sich in Anspruch nehmen. Und so lange wir bereit sind, für das Leben und das Gute zu kämpfen, kann mir diese neue Ordnung am Arsch vorbeigehen."

Er räusperte sich kurz, und nahm seine Hand wieder zurück. "Verzeiht meine Wortwahl."
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