Der Hund wedelt mit dem Schwanz und schnüffelt neugierig. Kikuchyios Onkel grüßt ihn herzlich. "Komm herein, Kiku." sagt er ungezwungen und öffnet ihm die Tür zu seinem bescheidenen Wächterhaus. Die Holzdielen des Bodens sind alt jedoch gepflegt. Das Mobiliar ist einfach und wird dem schlichten Lebensstil eines Mönchs gerecht. Der Onkel führt seinen Neffen in das hintere in Richtung des Gartens liegende Zimmer. Dort steht auf einer kleinen Feuerstelle ein eiserne Kanne von der Dampf aufsteigt. Daneben aufgereiht auf einem hölzernen Tablett stehen zwei Teeschalen und ein Gefäß in dem die Teeblätter aufbewahrt werden und eine Kelle sowie einem Rührbesen aus Bambus. An der Wand hängt ein Haiku eines alten Meisters:
[1] Uralter Weiher:
Von dem Sprung eines Frosches
im Wasser ein Ton.
Bruder Kyozan bittet Kikuchiyo Platz zu nehmen und schließt zunächst die Türe hinter ihnen. Dann öffnet er die große Schiebetür auf der gegenüber liegenden Seite und die beiden können auf einen von Schnee bedeckten Felsbrocken blicken. Kyozan setzt sich nun ebenfalls neben Kikuchiyo. Er schweigt und betrachtet den Fels.
"Sag mir Neffe, was siehst du wenn du den Fels betrachtest?"
[2]Die Sonne scheint an diesem Tag und so ist es trotz des Schnees in diesen Höhen relativ warm. Als Kikuchiyo den Raum betritt legt er seine Waffen ab und folgt der Einladung seines Onkels sich zu ihm zu setzen. Er mustert den Stein, der im Garten liegt und überlegt. Dann schaut dann plötzlich zum Gedicht welches an der Wand hängt und muss plötzlich auflachen.
"Was haltet ihr hiervon?" Er richtet sich auf und gibt mit steifer Stimme und ernster Miene folgendes von sich:
"
Ein frierender Fels
unter der weißen Decke
zusammengerollt."
Kurz herrscht Stille, dann fangen beide Bayushi an zu lachen. Der Felsen machte wirklich etwas den Eindruck von einer älteren Person, die sich mit einer viel zu kleinen Schneedecke versucht zuzudenken und warm zu halten, was ihm nicht gut gelingt, auch wenn ein Stein offensichtlich nicht frieren kann und die Decke sicherlich kaum Wärme spendet.
Der Landsamurai nimmt seine Maske ab. "Onkel, vielen Dank! Die Reise ist es nur hierfür schon wert gewesen. Ich hätte früher kommen sollen. Leider ist der Anlaß meiner Reise aber leider ein Ernster. Euer Bruder Hirokazu erlag vor nicht ganz zwei Monden in Shutai seiner Krankheit." Er macht eine Pause und wartet auf die Reaktion seines Gegenübers.
Bruder Kyozan schlägt die Hände ins Gesicht und lässt sie dann langsam hinab gleiten. "Hirkokazu-kun! Geliebter Bruder!" Ein trauriges Lächeln überschattet das Gesicht des Mönchskriegers und seine Augen werden feucht. "So haben dich die Kami gerufen." flüstert er und legt die Hände in einer meditativen Geste in den Schoß. Einige Momente der Stille ziehen vorüber.
"Ich danke dir, Kikuchiyo-kun, dass du mir diese wichtige Nachricht überbracht hast." Er verbeugt sich tief und schaut sein Gegenüber nun mit einem entschlossenen Lächeln an. "Lass uns für ihn beten." Und mit diesen Worten steht er auf und öffnet die Türen des kleinen Zimmerschreins. Er reicht Kikuchiyo einige Räucherstäbchen und die beiden entzünden diese an einer Kohle um sie dann vor dem Altar zu opfern.
Zuerst erfolgt die Niederwerfung vor dem Sonnengott Yakamo und der Mondgöttin Hitomi.
Dann faltet der alte Mann die Hände und schließt die Augen und beginnt das Sutra der Rückkehr zu beten. Das Gebet, welches einem verstorbenen auf dem Weg zurück zu den Ahnen Geleit geben soll. Erst nachdem das erste Räucherstäbchen bereits niedergebrannt ist, beendet Bruder Kyozan die Wiederholung des Gebets. Er hebt den Kopf öffnet die Hände verbeugt sich vor dem Schrein und verkündet feierlich. "Ich werde zur Feier des Anlasses einen Tee der Freude zubereiten, wie ihn mein Bruder immer zu trinken pflegte, er soll noch ein Mal unser Gast sein!"
Nachdem der Minuten der Besinnung und das Läuten der kleinen Metalschale
[3] erlischt, setzen die beiden Bayushi ihr Gespräch fort.
"Euer Bruder beauftragte mich damit euch sein Wakizashi zu bringen... und auch dies hier." Kiku brachte eine lilane Schwerttasche aus schöner Seide mit weißen und goldenen Bestickungen hervor, welche jeweils kleine Scoprione darstellen. Danach holt er eine Schachtel aus dunklem Holz aus einem Beutel. Die Schachtel wirkt schlicht um schmucklos. Der Mönch inspiziert den Inhalt der Schachtel zuerst und findet darin drei gefaltete Briefe.
Der erste beinhaltet den letzten Willen von Hirokazu. Der zweite Brief ist direkt an den Mönch adressiert und der dritte ist von einer sehr anderen Handschrift und schon deutlich älter als die anderen beiden. Er war verfasst von einem Toramoto Katsuhide and seinen Sohn. Kyozan ist bewußt um wen es sich dabei handelt auch ohne den Krebs im Familienstempel genauer anzusehen.
Sorgfältig laß der Mönch alle drei Briefe und pausierte danach für einige Momente in stummer Überlegung.
"Du weißt was dein Vorhaben bewirken kann oder? Du wirst dir viele Feinde machen, ohne das es für dich einen Vorteil birgt. Du trägst den Namen Bayushi. Selbst wenn du wieder den Familiennamen deines Vaters von Schuld waschen könntest, was würdest du dann tun? Den Namen einer Vasallenfamilie des Krebsclans annehmen? Was würdest du gewinnen?"
Das junge Landadlige antwortet ruhig. "Es geht nicht darum was ich gewinnt. Ich gehöre zum Scopion-Clan und Hirokazu war mir nicht nur ein Großvater sondern auch so viel Vater wie es nur jemand hätte sein können. Es geht aber darum was richtig ist. Eurer Bruder selbst bat mich auf dem Sterbebett die Ehre der Toramoto wieder herzustellen. Er hat eine alte Schuld mit Toramoto Katsuhide zu begleichen."
Kikuchyios Großonkel ist von den Worten seines Großneffens ergriffen. Es scheint ihm als ob er einen Schimmer der Größe erahnen kann zu der Kikuchiyo ein Mal aufsteigen könnte.
Er nickt und greift dann nach dem Erbstück seines Bruder und streckt es Kikuchiyo entgegen. "Ich wünsche, dass du es für mich und meinen Bruder trägst. Als sein letzter verbliebener Sohn bist du der einzige dem diese Ehre gebührt." Er legt es zwischen sich und Kikuchiyo. "Hirokazu, Bruder. Ich übergebe dein Schwert an Kikuchyio. Möge es ihm auf dem Weg der Ehre stetes Geleit bieten." Für einen Augenblick erscheint es Kikuchiyo als ob wirklich sein Großvater im Raume bei ihnen sitzt. Dann ist das Gefühl verschwunden.
Nachdem Kikuchiyo das Wakizashi angenommen hat, steht Kyozan auf und legt die Hand auf die Schulter seines Großneffens: "Du wirst die alte Schuld begleichen. Das Schicksal hat dir diese Aufgabe ins Blut geschrieben." Er macht eine kurze Pause und fügt dann hinzu: "Folge dem Weg deines Vaters aber gehe deine eigenen Schritte. Nur so wirst du weiter kommen."
Er blickt wieder hinaus auf den frierenden Felsen. "Hast du eigentlich schon dein Bokuto mit der Samurai-ko gekreuzt?" Der Sohei blickt auf die Schneedecke, in der die Wassertropfen vom Dach seiner Hütte einen kleinen Graben gezogen haben.
Stumm nimmt Kikuchiyo das Schwert seines Großvaters entgegen. Die schwarz lackierte Saya ist matt und schmucklos, doch die Tsuba besteht aus edlem Silber und hat die Form einer vierblättrigen Blüte mit einem ausgestochenem Bereich in Form eines Scorpions auf der rechten Seite.
"Ein anderes Schwert werde ich finden müssen, wenn ich die Schuld begleichen und den Namen der Toramoto reinwaschen möchte. Das Schwert des Toramoto Katsuhide, welches einst verschollen ging und mit ihm die Ehre und das Glück meiner Eltern. Ich habe aber keinerlei Anhaltspunkte und weiß nicht wo ich mit der Suche beginnen soll."
Kikuchiyo hatte überlegt in die Krebslande zu reisen und seine Tante, die Zwillingsschwester seiner Mutter aufzusuchen. Sie war in die Kuni-Familie verheiratet worden und könnte eventuell ein paar Lücken in seinem Wissen füllen. Eine Reisegenehmigung könnte aber aber nur unter einem Vorwand bekommen und würde eventuell schlafende Hunde wecken.
Zum anderen Thema kommt er danach. "Sprecht Ihr von Kiyo-san? Nein, dazu bin ich noch nicht gekommen. Gleich nach dem aufstehen bin ich zu Euch gekommen und zuvor müßte ich auch noch erneut bei Masato-sama eine Erlaubnis einholen. Was wisst ihr eigentlich von Bayushi Masato-sama?"
Irgendwann müßte Kikuchiyo in den Dienst eines Herren treten, wenn er nicht seine Tage als Landsamurai in Shutai verbringen und sich mit Berg-Banditen ärgern möchte. Eventuell war Masato ja ein geeigneter Kandidat hierfür.
Der alte Sohei hört Kikuchiyo aufmerksam zu. Nachdem der Landsamurai seine Ausführungen beendet hat, herrscht erst ein mal Stille. Bruder Kyozan überlegt. Er schnauft schwer und ein Ausdruck von Unzufriedenheit spiegelt sich auf seinem Gesicht. "Es beschämt mich dir nicht weiter helfen zu können, Kikuchiyo-kun. Alles was ich für dich tun kann ist ein Empfehlungsschreiben auf zu setzen. Dann bleibt dir nur zu hoffen auf den richtigen zu treffen, bei dem die Worte eines alten Soheis noch Gewicht haben."
Er steht auf und holt Pinsel, Tuschestein, Reibstein und Papier. Er schlägt die Ärmel seines Kimonos zurück und beginnt in gekonnten Pinselschwüngen zu schreiben. Als er fertig ist blickt er auf und greift zu einer hölzernen Kiste. Der silberne Verschluss öffnet sich mit einem leichten Kkratzen und darin liegen in schwarzem Samt gebettet ein Stempelstein sowie rote Tusche. Bruder Kyozan beginnt nun auch die rote Tusche vor zu bereiten und nachdem er den Stein damit benetzt hat, setzt er neben seinen Namen den roten Stempel der Schreinwache,
"Bayushi Masato-sama ein Mann von hohem Status." Der Großonkel lächelt und schweigt. Ein Satz der wenig und doch sogleich viel sagen kann. "Mir ist keine seiner großen Taten bekannt. Seine Eltern waren beide jedoch vortreffliche Magistraten. Warum fragst du? Hat dich der Magistrat beeindruckt?"
Der junge Landsamurai nimmt das Schreiben entgegen und verbeugt sich. Er läßt den Brief im Revers seiner Jacke verschwinden. "Danke für euer Verständnis. Ich habe mir über den Magistraten noch keine endgültige Meinung gebildet. Es scheint aber eine gute Gelegenheit zu sein, aus meinem Landleben auszubrechen, sollte ich den den Dienst des Magistraten treten. Auf der anderen Seite fühle ich mich noch nicht am Ende meines Musha-Shugyo. Unser Lord in Shutai hat mich für den Moment von meinem Diensten freigestellt und mich meinen familiären Angelegenheiten zu wittmen. Er wird mich bis zum Sommer bestimmt nicht zurück erwarten. Wenn ich wieder zurück kehre, werde ich sicher wenig Gelegenheiten bekommen das Schwert der Toramoto zu suchen. Nichts desto trotz bin ich schon dankbar für die Gelegenheit hierher reisen zu können und Euch wiederzusehen."
Er legt seinem Großonkel die Hand auf die Schulter und lächelt. "Gibt es etwas was ich für Euch erledigen kann?"
"Bis zum Sommer sind es noch lange Monate, Kikuchiyo-kun und ich kenne keinen Samurai, der den Musha-Shugyo in so kurzer Zeit zu Ende ging." Der alte Sohei steht auf und blickt hinaus auf den Stein im Schnee. "Wenn dich dein Herr für das Klären der Familienangelegenheiten frei gestellt hat so ist es deine Pflicht dieser Aufgabe nach zu kommen. Ich werde dafür beten, dass die Schicksale dir einen Wink geben." Er nickt und streicht über die hölzerne Perlenkette, die um seinen zähen Nacken liegt.
"Wer ohne Weg geht, geht für das Gehen und so ist jeder Weg ein Weg den es lohnt zu begehen." Versucht er dem Großneffen ein wenig Entschlossenheit zu zu sprechen und fügt dann als Antwort auf Kikuchiyos Frage hinzu: "Natürlich. Kümmere dich um die Familienangelegenheiten und kehre zurück um mir zu berichten was du erreicht hast mein Junge!" Er lächelt breit und Kikuchiyo kann zum ersten Mal die Zahnlücken seines Großonkels erkennen, welche ganz offensichtlich seinem fortgeschrittenen Alter geschuldet sind.
Der offizielle Teil des Klären der Familienangelegenheiten waren mit diesem Besuch abgeschlossen. Kikuchiyo ist jedoch davon überzeugt, dass er keine Gelegenheit mehr bekommen würde zu reisen und die Reiche zu erkunden, sollte er sich nun auf den Rückweg mach Shutai zu machen.
Dem Magistraten nun seine Dienste anzubieten ist sicherlich auch noch etwas verfrüht für Kikuchiyo, er hat ihn schließlich erst gestern erst kennengelernt. Dennoch würde er versuchen sich die Option zu erarbeiten und offen zu halten. Auch dies wäre eine seltene Chance aus dem Landsamurai-Darsein auszubrechen, auch wenn dieses sicherlich seine angenehmen Seiten hat.
Kikuchiyo unterhält sich mit Sohei noch zum Mittag als dieser sich dann von ihm verabschiedet. "Ki-kun, es war mir wirklich ein großes Vergnügen dich hier zu Besuch zu haben. Leider habe ich heute jedoch auch noch einige Pflichten wahrzunehmen und ich würde mich vorerst verabschieden. Du willst sicher auch wieder zu deinen Gefährten stoßen. Bevor du dich aber wieder auf den Weg machst mußt du dich auf jeden Fall noch einmal bei mir Verabschieden."
Verlegen fährt sich der Landadlige durch die Haare und antwortet: "Das ist mir aber peinlich. Sicher will ich euch nicht von euren Diensten abhalten. Ich werde mich dann nun auf den Weg machen. Wir sehen sehr bald" Mit diesen Worten verabschiedet sich Kikuchiyo vorerst und macht sich auf den Weg zum Teehaus wo er hofft seine Weggefährten noch anzutreffen.