Die Mischung aus Kälte und Wärme, dem Frieren, welches nur durch ein kurzes, anstrengendes Schwitzen unterbrochen werden konnte; die Tatsache, dass Nichtstun einen verfrieren ließ, und Tun einen erschöpfte; das Arbeiten an einem wärmenden Feuer an einem furchtbar kalten Tag; es alles hatte etwas von Philosophie. Jaak verstand dieses Wort nicht, er verstand nicht, was Liebe zur Weisheit bedeuten sollte. Es war so mit allen Worten. Er nutzte sie wie alle anderen Menschen auch, denn nur so konnte man sich untereinander verständigen, aber er verstand ihre Bedeutung nicht vollends. Das Letzte, das Ende an ihnen war ihnen unbegreiflich und so blieb es die Philosophie. Aber so wie er Worte nutzte, ohne sie vollends zu verstehen, machte die Philosophie einen ungeheuren Eindruck auf ihn. Und er begeisterte sich für ihre Erkenntnisse wie er sich bisweilen auch für Worte begeistern konnte. Beides war ein Eindruck dessen, was das Sterben ausmachte: Man brauchte es nicht verstehen, um zu sterben. Von dem Beginn des Sterbens, von Menschen ohne Sinn für Worte Geburt genannt, bis zum Abschluss des Sterbens, fälschlicherweise häufig als Tod bezeichnet, man brauchte keinen Sinn dafür. Man musste diesen Pfad dennoch beschreiten oder konnte ihn gehen, oder wand sich irgendwann, um nicht von ihm weichen zu müssen. Jaak war genau zwischen diesen drei Extremen gefangen und doch glaubte er langsam zu verstehen, was dies bedeutete. Holz für ein Feuer bei kalter Nacht zu schlagen konnte einem genau diese Erkenntnis vermitteln, zumindest so sehr seine Unfähigkeit den Worten gegenüber dies zuließen: Der Prozess des Sterbens war ein Weg der die Mitte wählte. Sich der Kälte hingeben, hieß verfrieren; sich dem Feuer hingeben, hieß verbrennen. Man brauchte beides, wenn man noch ein wenig Sterben wollte.
Grelin riss ihn aus diesem Gedankengang und um ein Haar wäre ihm sein Spalthammer, mit dem er das viel zu harte und trotzdem noch furchtbar feuchte Holz schlug, abgerutscht und er hätte damit sein Schienbein zertrümmert. Doch Jaak besaß eine ungewöhnliche Geschicklichkeit und Körperstärke und so sah es beinahe mühelos aus, wie er den Spalthammer, dessen Bewegung er nicht aufhalten konnte, mit dem Stiel über seinen Unterarm rollen ließ, welches den Hammer in die Höhe schnellen ließ. Mit der freien Hand setzte er um, und fing den Spalthammer knapp unter dem Axtende. Nur ein geübtes Auge mochte erkennen, dass er sich fast selbst erschlagen hatte, weil er wieder zu tief in Gedanken war.
"Grelin.", begrüßte Jaak ihn beinahe tonlos und blickte auf den nicht gespaltenen Holzblock. Zum Glück gab es hier so viele Holzfäller, deren Werkzeuge sie so freigiebig nicht bewachten und die deswegen der freien Nutzung schnell zugänglich waren. Mit dem alten stumpfen Beil, welches Jaak und Grelin dabei hatten, konnte man kaum noch einen Halbling spalten, wie sollte man dies mit dieser beinahe schon eisernen Borke schaffen? Kraft musste hier Technik ersetzen. Jaak schwitzte, obwohl er fror. Es war Zeit, dass das Feuer alsbald lichterloh brannte. Jaak hob den Spalthammer wieder und hörte seinem Reisegefährten zu. Als er geendet hatte, sauste der Spalthammer, diesmal mit spaltender Präzision, in das Holzstück und teilte das Stück Holz in acht Scheite. Nicht zuletzt, weil Jaak den großen Holzblock dementsprechend vorgearbeitet hatte. Daraufhin stellte er den Spalthammer ab und wandte sich seinem Organisator zu. Grelin hatte ein Gespür für Zeit und Chancen, im Gegensatz zum griesgrämigen Marva.
"Lass das machen. Vielleicht können wir so einen wärmeren Platz finden. Es ist scheiße kalt hier. Es war schon immer im Winter scheiße kalt hier. Und dann ist hier im Tal die Luft noch immer so feucht, also ist es scheiße feuchtkalt. In den Bergen bei den Zwergen ist das besser, die Luft ist nicht so feucht, man ist nicht so klamm."
Jaak diskutierte selten über diese Stücke aus dem Kuchen, außer er hatte spezielle Ziele, für die er Gold oder Silber brauchte. Grelin kümmerte sich sonst und der dunkelhaarige Mann hatte sich selten schlecht von dem Organisator behandelt gefühlt. Also gab Jaak ihm einfach recht, solange bis Groetus ihm per Fingerzeig, per Omen deutlich machte, dass ihre Zeit enden würde. Solange war ihr Zusammenwirken gut. Solange machte Jaak, was man ihm sagte. Zumindest solange es ihn am Sterben hielt.
"Und vielleicht können wir dann mal wieder was Besseres essen als die alten Zuckerrüben für die Viecher, mit einem Nachtisch aus ihrem Hafersack." Jaak lachte. Es war seine Art von Humor. Sich über das eigene Leid lustig zu machen. Die einzige Art von Humor, die er neben dem Lustigmachen über das Leid anderer, verstand. Er hatte ziemlichen Hunger und die Aussicht, in einem warmen Zelt zu stehen, machte es erträglich Grelin zu begleiten. Der Mann, der im Finstertal geboren war, wusste, dass Grelin ihn nicht für seine Tricks mitnahm. Jaak hatte manchmal diese überzeugende Art, die einem sagte, dass man kleine Schmerzen - Jaak - besser in Kauf nahm, um größere - Ärger mit Jaak - zu vermeiden. Es war etwas Natürliches. Mit ihm gewachsen, etwas, warum Groetus wohl etwas in ihm sah oder zumindest einer von Groetus wahnsinnigen Dienern. Diese Art, die klar machte, dass er das Ende bedeuten konnte, mit diesen unterlaufenen Augen und der abweisenden Art. Eine Art, die Jaak nur schwerlich ablegen konnte. Eine Art, die Grelin erst dann brauchte, wenn die Jongleurskünste und Messerwerferkünste Jaaks nicht ausreichen.
Jaaks Gesicht hörte auf zu lachen. Seine Augen blieben merkwürdig ernst, selbst wenn er ehrlich lachte. Niemand konnte wissen, dass er über diese Muskeln keine Beherrschung hatte. Nicht so wie andere. Er wirkte deswegen immer wütend. Das machte ihm zum Außenseiter, aber Grelin wusste das zu nutzen. Es war vielleicht sogar Teil seines Geschäftssinnes. Jaak wusste es nicht so genau, wollte es aber auch nicht ausschließen. Er nahm die acht kleinen Scheite und warf sie auf einen Haufen, um das Feuer am Laufen zu halten. Er nahm einen Sack mit Schleuderkugeln, seine Doppelschleuder und einen krude aussehenden Kampfstab aus demselben Holz, was er gerade verfeuerte, an sich und nickte Grelin zu. Sie konnten los.