Die Nacht des 22. Tages im zweiten Vikentori, 488 Jahre nach Gründung Mechanika. 29:15 Uhr
Unendliche Leere.
Ein Licht am Ende einer langen, langen Reise.
Die Ketten der Vergangenheit, gebündelt in Erinnerungen der Vernunft, abgestreift... Leblos zu Boden geglitten.
Der Pakt wurde geschlossen, erneuert und wieder belebt. So wie es einst versprochen wurde.
Die Geister der Uhrwerke verblassten langsam zu den grünlichen Schemen, aus welchen sie vor wenigen Minuten erst geboren wurden. Beständig flossen die Erscheinungen zurück in die dunklen Winkel der Maschinerie und verschmolzen erneut mit den Grundfesten des Uhrturmes der Ewigkeit.
Es war vollbracht. Der Chronoskriptor ward erweckt. Das 39. Uhrwerk war auserwählt worden.
Theodor Smaugle war nur noch eine Hülle. Jemand anderes hatte von ihm Besitz ergriffen, doch war diese Existenz nicht gewillt, den alten Bold gänzlich aus seinem Gehirn zu drängen. Im Gegenteil.
Sie wurden eins... Zwei Bewusstsein, verschmolzen zu einem einzigen, mächtigen Gedanken.
Die glänzenden, von weißem Licht erfüllten Augen des Zeitschreibers glitten über die Armaturen und Anzeigen der Geistermaschine. Er hob die Hand und legte sie sanft auf die Glaskuppel, welche das Artefakt von der Außenwelt verschlossen hielt. Langsam streichelte er das Gefängnis des Buches, während Trauer ihn erfasste und seine Stirn in Falten legte. Er schloss die Augen und bannte das Licht hinter die Lider, als er unterbewusst den Servoarmrucksack abstreifte. Mit einem lauten Scheppern landete dieser hinter ihm am Boden und rollte ein, zwei Stufen hinab, bevor er - dem Abgrund gefährlich nahe - schließlich liegen blieb. Er würde sie nicht mehr brauchen. Weder das Licht, noch die zusätzlichen Greifarme... All das verkümmerte in dieser neuen Stunde lediglich zu Ballast einer vergangenen Zeit.
Begleitend mit dem Öffnen der grellen Augen schnellte ein Energieblitz seinen Unterarm entlang und entlud sich in die Maschine vor ihm. Die Röhren und Trichter verformten sich. Unter magischem Befehl wanden sich goldene Stränge aus der Dunkelheit und verharrten vor ihm, bevor sie zu neuen Anzeigen verschmolzen. Sieben grünliche Lichter erschienen über der Glaskuppel.
Sieben Seelen für die Brigade.Doch etwas stimmte nicht. Sorgenvoll veränderte sich die Mimik des Zeitschreibers, als er die kryptischen Symbole und Zeichen studierte. Rasch wanderten seine Hände über die Armaturen und betätigten einige Knöpfe, kleinere Hebel und tippten somit verschiedene Befehle in die Konsole.
Die sieben grünlichen Lichter begannen zu glimmen. Als der Kobold dies bemerkte, riss er die Augen auf und tippte umso schneller. Was war nur geschehen? Sie wurden auf die Reise geschickt und würden binnen der nächsten Augenblicke in der Erweckungskammer erscheinen... Alles war nach Plan verlaufen und der Chronoskriptor fand keinerlei Fehler in den Matrixen und Warpalgorhytmen des Uhrturms.
Schwärzlicher Rauch bildete sich langsam, zehrend in den Ritzen, Spalten und Winkeln der Maschinerie. Von Entsetzen gepackt ergriff das Bewusstsein Theodor Smaugles die Initiative und brachte den Zeitschreiber dazu, laut aufzuschreien:
"NEIN! DAS DARF NICHT SEIN!"Plötzlich erloschen die sieben Lichter, stellvertretende Symbole für jede der Seelen, welche vom Zeichen des Uhrturmes erfasst wurden, als der pechschwarze Rauch das grünliche Leuchten umschloss und einem gefletschten Maul gleich, gänzlich verschlang.
"NORIA! WO SIND SIE?! WO SIND DIE BRIGADIERE?!"Der Zeitschreiber taumelte benommen einen Schritt zurück. Fassungslos erhielt er die Antwort, lautlos durch die psychische Verbindung mit der denkenden Maschine. In seinen Gedanken verloren schüttelte er den Kopf.
Sie waren fort. In Raum und Zeit verschwunden.
Etwas hatte die Maschine manipuliert. Jemand hatte sich von
Außen Zugriff verschaffen- und das
Grim Noria umlenken können... Und nicht einmal die
Eiserne selbst würde wissen, wo die Erwählten gestrandet waren!
Ganz Mechanika blickte empor. Sieben Mal hatte das Ziffernblatt des Uhrturmes aufgeleuchtet. Begleitet von ungezügelter Magie hatte der Geist der Maschine,
DEUS EX MACHINA, jemanden aus ihrem Volk auserwählt.
Doch nun verharrte die Uhr still, ihres Lichtes erneut beraubt. Und die Bewohner der Stadt wagten nicht, ihrer Hoffnung freien Lauf zu lassen.
Würde ein neues Uhrwerk erscheinen und die Stadt aus der Finsternis befreien, von der sie still und leise verschlungen wurde? Würde Mechanika wieder aufblühen und sich die Zukunft der letzten Bastion endlich erhellen? Gab es dort draußen jemanden, dessen Hand - in dieser Nacht - vom Zeichen des Uhrwerks geprägt wurde? Helden, lebendig und real, welche den Mut und die Kraft besaßen, das Böse zu vernichten?
Fragen über Fragen hallten durch die Nacht und legten sich einem Leichentuch gleich über die verschlungenen Straßen der Stadt...
... Während sieben Brigadiere durch einen Strudel von Raum und Zeit geschleudert wurden.
Noch unwissend, welchen Weg das Schicksal für sie auserkoren hatte.
"... Born down in a dead man's town."
~ Bruce Springsteen
Ende des 1. Teils