Autor Thema: Unter Feuer  (Gelesen 3778 mal)

Beschreibung: Einstiegskapitel für Jaenelle

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Sternenblut

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Unter Feuer
« am: 26.07.2014, 21:49:41 »
Der Gestank der letzten Tage hing noch immer in der Luft. Rauch, Verwesung, Blut - keine besonders angenehme Mischung. Noch dazu war die Luft verbraucht. Die Kerzen, die Lukasch auf den Tischen verteilt hatte, um zumindest für etwas Licht zu sorgen, machten es nicht besser.

Jaenelle sah zu den Fenstern. Sie hatten die Platten einiger Tische davor genagelt, so dass kein Lichtschein mehr hindurch drang. Auch die Eingangstür hatten sie abgedichtet. Seitdem hatten sie Ruhe, zumindest insoweit, dass keine Toten mehr herein gekommen waren.

Der eine oder andere Streuner lief noch vorbei, aber sie hielten nicht mehr an. Dadurch war Ruhe eingekehrt.

"Wie viele Tage hocken wir hier eigentlich schon?"

Lonnie hatte niemand spezifischen angesprochen. Lukasch sah zu ihm, und zuckte mit den Schultern. "Schätze, drei, vier Tage. Seit wir das Sonnenlicht ausgesperrt haben, hab ich das Zeitgefühl verloren. Ich weiß nicht mal, ob Tag oder Nacht ist."

"Und wie lange wollen wir hier noch hocken?" Diesmal war es Tarik, der das Thema aufgriff. "Ich meine, wir können nicht bis in alle Ewigkeit hier bleiben. Was machen wir dann?" Der junge Mann klang nervös.

"Erst einmal reichen unsere Vorräte noch für eine gute Woche. Ich weiß, die Luft ist nicht sehr gut, aber über Lonnies Belüftungssystem kommen wir zumindest klar."
Lukasch stellte das Glas auf den Tresen, das er gerade poliert hatte, und legte das Tuch gleich daneben. "Hör mal, ich weiß ja, dass die Lage nicht gerade rosig ist. Aber solange wir kein Risiko eingehen müssen, sollten wir das auch nicht tun. Im Vergleich zur ersten Nacht sind es viel weniger geworden. Vielleicht schwindet ihre Zahl Tag für Tag. Je später wir hier rauskommen, desto besser unsere Chancen."

Derina, das Barmädchen, stellte sich an Lukaschs Seite und nickte ihm zu. "Er hat Recht. Wir haben so viel Scheiß überstanden, die Toten, das Feuer, verdammt, ein paar Tage rumsitzen und warten ist da wirklich nicht das Problem."

Tarik zögerte, nickte dann aber auch. Nervös wippte er mit den Füßen, aber er widersprach nicht weiter.

Tia, die junge, exotische Frau mit den Mandelaugen, sah in Richtung der Tür. "Ich frage, was passiert mit Toten. Die, die nicht mehr wandeln. Können sie nicht Krankheiten bringen?" Sie hatte offensichtliche Mühe, die richtigen Worte für ihre Fragen zu finden - schlicht, weil sie die Sprache zu schlecht beherrschte.

Lukasch schüttelte den Kopf. "Es war gut, dass wir die Toten rausgebracht haben. Das Feuer wird sie... gereinigt haben. Keine Krankheiten mehr."

Jaenelle sah unwillkürlich wieder die Bilder der ersten Nacht vor Augen. Sie war gerade mitten in ihrem Auftritt, als plötzlich einige scheinbar Verrückte die Türen aufstießen und über die Gäste herfielen. Sie töteten zwei oder drei Leute, bevor sie unschädlich gemacht wurden. Einige der Gäste gingen nach dem Vorfall verstört nach Hause, versprachen aber, die Wache zu rufen.

Und dann geschah es. Einige der Überlebenden wurden selbst zu solchen Monstern. Philia, Lukaschs zweite Bedienung, wurde angefallen, und Sekunden später biss sie auch um sich wie ein tollwütiger Hund. Am Ende blieb nur eine kleine Gruppe Überlebender: Lukasch und Derina, Lonnie, der Krieger Arven und sein Kampfgefährte Oron, Tarik, Marishelle, Tia und sie, Jaenelle.

Sie wollten nicht mehr auf die Wache warten, und gingen ihrerseits nach draußen. Und dann erst sahen sie, das die Tore der Hölle sich in Aradan geöffnet hatten - so jedenfalls hatte es Lukasch genannt.

Sie brachten die Leichen nach draußen, eine nach der anderen, und sperrten die Türen zu. Zu dem Zeitpunkt dachten sie noch, das würde reichen. Bis eine so große Horde der untoten Kreaturen gegen die Türen drückte, dass sie aufbrachen.

Da verloren sie noch Arven und Oron. Ohne das Opfer der beiden hätten sie die Zombies nicht zurückdrängen können, dann wären sie jetzt alle tot. Sie kämpften wie die Berserker, töteten einen nach dem anderen, drängten die Kreaturen weiter zurück - und wurden am Ende doch überrannt. Lukasch reagierte sofort, und entschied, die Türen und Fenster dicht zu machen.

Keiner von ihnen wusste, was eigentlich geschehen war. Wie es in der Stadt jetzt aussah. Und dann kam auch noch das Feuer.

Sie wären wahrscheinlich alle darin verbrannt. Wäre Jaenelle in irgendeiner anderen Gaststätte aufgetreten, wäre sie jetzt tot, spätestens durch die Flammen umgekommen, davon war sie überzeugt. Aber vor gut zwanzig Jahren hatte Lukasch schon einmal eine Gaststätte gehört. Und einige Leute, mit denen er sich angelegt hatte, hatten sie in Brand gesetzt. Er schwor sich, dass ihm das nie wieder passieren würde. Und so baute er mit Lonnie, einem "Bastelgenie", wie er ihn nannte, eine neue Gaststätte, abgesichert gegen so ziemlich jede Art von Vandalismus. Ein eigenes Bewässerungs- und Abluft-System hatte die Gaststätte vor dem Abbrennen und sie vor dem Ersticken bewahrt.

Und nun saßen sie hier, im Zwielicht der Kerzen, und warteten auf... worauf auch immer sie warteten.

"Hallo? Ist da drin jemand? Hilfe, bitte... ihr müsst uns helfen! Ich habe meine Tochter bei mir, bitte, helft uns! Ist da drin jemand?"

Die Stimme war männlich. Er zog und rüttelte an der Tür. Eine weitere Stimme war zu hören, ein leises Schluchzen.
« Letzte Änderung: 27.07.2014, 22:52:25 von Sternenblut »
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Jaenelle

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Unter Feuer
« Antwort #1 am: 28.07.2014, 09:34:11 »
Jaenelle hatte sich stumm in eine Ecke gesetzt und die Arme um die angezogenen Beine geschlungen. Die Kapuze ihrer Robe war tief über das verdeckte Gesicht verzogen. Eine hölzerne Maske, schmucklos, mundlos, verschleierte ihre Züge.  Lukasch und einige andere der Anwesenden waren diese Eigenheiten bereits gewöhnt. Sie brauchte nun einmal ihren privaten Raum. Zu verstecken ermöglichte ihr das. Vor Publikum war sie eine andere Person. Aber auf engem Raum, unter diesen Umständen...Niemand konnte es ihr wohl verdenken, wenn sie sich da zurückziehen wollte. Gelegentlich stieß sie leise mit dem Hinterkopf gegen die Wand und blieb dabei im Takt. Das dumpfe Geräusch war beunruhigend, doch sie hörte immer gerade dann auf bevor es zu entnervend wurde. Ihre Gedanken kreisten um die Untoten. Der Schreck saß noch tief. Sie erinnerte sich noch, wie sie bei Philias Veränderung zurückgetaumelt und gefallen war. Und dann waren da noch Arven und sein Begleiter Oron. Mit dem Mut der Verzweifelung stellten sie sich dem mörderischen Wahnsinn entgegen und gingen schreiend unter. Lebendig von einer Meute gefressen zu werden - dies war der Stoff, aus dem dunkelste Albträume gewoben waren. Sobald sich die Lage da draußen wieder normalisiert hatte, sollte sie den beiden eine Würdigung widmen. Ein Lied, wenigstens ein Gedicht für ihren selbstlosen Untergang. Immerhin war sie dadurch jetzt noch am Leben. Es hätte ihr gar nicht gepasst, nicht mehr zu den Lebenden zu gehören. Gerade nun, wo sie ihren neuen Lebensweg für sich entdeckt hatte. Trotzdem fragte sie sich, wie es wohl war, untot zu sein. Fühlten die Toten noch etwas, während sie ihre Beute rissen? Existierte ihr Bewusstsein noch und quälte sie, während sie in ihrem fleischlichen Kerker, ihrem Körper, vor sich hin verrotteten? Etwas führte sie nun einmal bewusst zu den Lebenden. Vielleicht hatte auch eine Art Instinkt ihr Handeln übernommen. Oder Magie? Woher kamen die Toten?

Die Bardin überlegte, was sie über diese schauerlichen Wesen wusste. Was sie aus Geschichten kannte - und inzwischen aus eigener Erfahrung sagen konnte.[1]

Viel Zeit zum Denken ließ man ihr nicht, denn ihr Gedankengang wurde von einem plötzlichen Rufen unterbrochen. Überlebende...Zu ihrer eigenen Verwunderung entsetzte sie dieser unangekündigte Besuch fast mehr, als wenn ein Untoter an ihre Tür geklopft hätte. Noch waren sie in Sicherheit. Sie waren versorgt und alle gesund. Womöglich war der Spuk nach einer Woche schon wieder vorbei. Bis dahin sollten sie kein unnötiges Risiko eingehen.

Jaenalle hätte beinahe gelacht, als sie sich bewusst wurde, das der unbekannte Mann sie ein Dilemma brachte, das typisch für eine Geschichte wie die ihre war. Das er seine Tochter nannte, sollte sie wohl erweichen? Nein, die Bardin wusste es besser. Die Gefahr war groß, das einer der beiden eine Verletzung davon getragen hatte. Und selbst wenn nicht - sie würden ihre sichere Stellung wieder einreißen müssen. Davon abgesehen - auch wenn dieser Gedanke äußerst pragmatisch war...Zwei Esser mehr bedeuteten das sie viel kürzer hier drin ausharren konnten. Das Klügste was sie also tun konnten, war...ein mögliches Problem gar nicht erst aufkommen zu lassen. Es einfach zu ignorieren. Lautlos legte sie einen Finger vor ihren Mund und gab damit indirekt ihre Entscheidung preis. Es war tragisch, das sich die beiden woanders umsehen mussten. Aber besser sie...als wenn sie alle Anwesenden gefährdeten.

   
 1. Wissen Religion: 11
« Letzte Änderung: 28.07.2014, 10:13:13 von Jaenelle »

Sternenblut

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Unter Feuer
« Antwort #2 am: 28.07.2014, 19:41:37 »
Als Tarik die Stimme hörte, sprang er sofort auf - nur, um von Lukasch sogleich zurückgehalten zu werden. Er hielt dem jungen Mann die linke Hand vor die Brust, um ihm den Weg zu versperren, und tat es mit der Rechten Jaenelle gleich, indem er einen Finger an seine Lippen legte. Tarik sah ihn entsetzt an.

"Das könnt ihr nicht ernst meinen", flüsterte er, und hielt sich so zumindest halbwegs an Lukaschs Anweisungen. "Sie brauchen Hilfe!"

Der Gastwirt aber schüttelte seinen Kopf. "Die brauchen wir auch. Und wahrscheinlich umso dringender, wenn wir die Barrikaden entfernen."

Nun gesellte sich auch Tia dazu. Sie stellte sich neben Tarik, den Blick auf die Tür gerichtet. "Was", fragte sie, "wenn das einer von uns sei?"

Lukasch, der seine Hand immer noch vor Tarik hielt, sah sie mit festem Blick an. "Dann würde derjenige auch draußen bleiben."

Der Hilfesuchende hatte inzwischen aufgehört, an der Tür zu rütteln, und war zu einem der Fenster gegangen. "Bitte... ich weiß doch, dass ich hier etwas gehört habe... wenn ihr mich schon nicht aufnehmt, dann wenigstens meine Kleine... bitte, wir sind unverletzt..."
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Jaenelle

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Unter Feuer
« Antwort #3 am: 29.07.2014, 10:10:16 »
Jaenelle hielt verdutzt inne, dann nickte sie hastig mit dem Kopf. Lukasch war kein Unmensch, aber er war ein gescheiter Kerl. Sie wusste, das er ihre Entscheidung teilen würde. Leise kroch sie mehr zur Mitte des Raums hin, als Tarik eine unnötige Diskussion begann. Tia war augenscheinlich auf seiner Seite. Ihre Situation war doch nicht so schwer zu begreifen. Solange diese Krankheitsträger da draußen umerherstreiften, war es schlicht unmöglich die Tür zu öffnen. Je länger sich der Kerl da draußen abmühte, desto eher brachte er sich in Gefahr. Er war nicht gerade leise bei seinem Hilfegesuch. Sie wettete fast, das ganz in der Nähe irgendwo die Untoten waren und sich bereits auf den Weg machten. Dies waren drastische Zeiten. Falsches Mitleid konnte sie alle umbringen. Vor allem sie selbst. Leider spielte der Fremde nicht fair. Unverletzt? Das würde fast jeder in seiner Situation behaupten, wenn er nicht gerade übermenschliche Selbstdisziplin aufwies. Das überhörte sie also gekonnt. Das er ein Kind dabei hatte, störte sie jedoch. Schlimm genug zu wissen, das die Erwachsenen gefressen wurden. Was mit ihr wahrscheinlich früher oder später passieren würde, konnte sie sich lebhaft ausmalen. Warum war das so viel verstörender?

"..."

Trotzdem...sie konnten nicht sicher sein, das der Mann log. Vielleicht hatten sie sich auch auf eine andere Weise angesteckt. Diese Leichensäcke übertrugen sich wahrscheinlich durch Speichel...oder Blut. Irgendetwas musste schließlich der Auslöser beim Biss dafür sein. Dummer Kerl. Je länger er hier herumstand, desto entnervender wurde diese Angelegenheit. Warum war er so erpicht darauf hinein zu kommen? Sollte er sich doch woanders umsehen.

"So unmenschlich diese Entscheidung auch sein mag...wenn wir nur einen Fehler begehen, ist es vorbei. Wir dürfen dem Unglück nicht in die Hände spielen. Erinnert euch an Arven und Oron. Sie sind tot, weil wir unvorsichtig gewesen sind. Soetwas kann jederzeit wieder passieren." Noch wussten sie nicht, wie sich die Dinge entwickelten. Menschen sind an den lächerlichsten Dingen gestorben. Der Zufall hatte manchmal durchaus Sinn für schwarzen Humor. Menschen, die nur um eine Haaresbreite nicht gerettet werden konnten. Dazu wollte sie nicht gehören. Und so ging es den Anwesenden sicherlich auch. Natürlich hätte sie die beiden unter anderen Umständen hineingelassen. Es war nicht so, das sie sie gerne fortschickte. Aber ihre Entscheidung stand fest.[1] Sie musste wohl oder Übel in die Trickkiste greifen, um den Mann zu vertreiben.

Ein leises, halbersticktes Stöhnen drang aus dem Inneren nach draußen. Langsam wurde es um eine Nuance lauter, als würde es näher ans Fenster kommen und auf die Straße wollen. Ein kläglicher, hungriger Laut, der vermeindlich durch die Stimme des Mannes aufmerksam geworden war. Das Stöhnen verebbte schließlich und wich einem schaurigen Kratzen von Fingernägeln auf Holz.

 1. Ghost Sound: Zombielaute, danach Fingernägel

Sternenblut

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Unter Feuer
« Antwort #4 am: 06.08.2014, 22:09:34 »
"Oh Götter, sie sind da drin... komm, komm, wir müssen hier weg!"
Jaenelle hatte erreicht, was sie wollte. Das Weinen des Mädchens, das auf eine Rettung gehofft hatte, wurde leiser, als ihr Vater sie von Lukaschs Gaststätte fortbrachte.

Der Gastwirt sah zu dem Fenster, dann zu Jaenelle. "Das hast du gut gemacht, Kleines", lobte er sie.

Tarik hingegen warf ihr einen wütenden Blick zu. "Das war nicht richtig", erklärte er.

Einen Moment herrschte gespannte Stille in dem Raum, dann legte ihm Tia eine Hand auf die Schulter. "Was richtig und was nicht, heute schwer zu sagen. Heute nicht mehr gelten Regeln von früher."

Dann wandte sie sich an Jaenelle. "Du klug gehandelt. Aber bitte, eines an denken. Wir nicht wissen, wer noch lebt. Vielleicht... vielleicht wir die Letzten. Vielleicht es kommt auf jeden Einzelnen an."

Lukasch runzelte die Stirn. "Was meinst du damit? Ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst."

Tia wandte sich zu ihm um. "Ich nachgedacht. Dort draußen, die Toten... ich denke, Aradan ist gefallen. Aber vielleicht das nicht alles. Vielleicht Seuche hat weiter..." Sie überlegte, suchte nach den fehlenden Worten. "Um sich gegriffen. Vielleicht wir die letzten Lebenden."
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Unter Feuer
« Antwort #5 am: 10.08.2014, 20:41:05 »
Jaenelle geduldigte sich noch, bis die Schritte verschwanden. Sie waren weg. Endlich. Die Bardin nickte Lukasch knapp zu und setzte sich wieder. Sie hatte nur getan, was notwendig war. Ihre einzige Sicherheit gegen die Untoten niederzureißen wäre eine Dummheit sondersgleichen. Tariks Zorn schüttelte sie unbeeindruckt ab und beantwortete seine Meinung mit einem bloßen Schulterzucken. Stumm kratzte sie sich an der Maske und lehnte sich mit dem Rücken zurück.

Erst als Tia sich an sie wandte, blickte sie verschlafen auf. Das Nichtstun machte müde, obwohl sie lange geschlaffen hatte. Viel mehr außer abschalten und nachzdenken konnte man auch nicht tun. 

"So lange gibt es die Seuche nun auch wieder nicht, als das sie schon so weit um sich greifen kann. Ich gehe eher davon aus, das sie früher oder später wieder ausstirbt. Verstecke wie unseres wird es anderswo in der Stadt auch geben. So viel trau ich unseren Mitmenschen zu. Womöglich werden die Brandherde gerade in diesem Moment bekämpft. Ein paar Blechdosen mit gezückten Schwertern und die Leichnahme beißen sich ihre Zähne dran aus. Mehr braucht es nicht. Alles was wir tun müssen, ist zu warten. In einer Woche sieht es schon wieder ganz anders aus. Heh...und selbst wenn nicht - irgendwann sind sie soweit verrottet, das sie nicht mehr gehen können. "

Natürlich blieb dann immer noch das Versorgungsproblem. Ihre magischen Tricks reichten soweit, um für trinkbares Wasser zu sorgen. Für etwas Essbares genügte es dagegen leider nicht...Gleichgültig, das Glück würde es schon richten. Immerhin hatten sie es bis hierher auch geschafft.

Sternenblut

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Unter Feuer
« Antwort #6 am: 10.08.2014, 20:51:26 »
Tia schüttelte den Kopf. "Krieger es gab an der Mauer. Viele, und Kriegswaffen. Armeen von Liur haben es nicht geschafft, Aradan zu betreten. Wie viele Tote müssen gekommen sein, um die Mauern zu stürmen?"

Sie setzte sich, sah in die Runde. "Niemand wird kommen."
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Unter Feuer
« Antwort #7 am: 10.08.2014, 22:29:21 »
"Na, in dem Fall warten wir bis wir gezwungen werden nach draußen zu gehen. Noch besteht keine Notwendigkeit dazu. So einfach ist das...Wenn keiner zu uns kommt, werden wir dann schon früher oder später jemanden aufstöbern. Es kann nur besser werden, hm? "

Und wenn nicht? Wenn Tia Recht hatte? Dann war sowieso alles egal. Um diese Möglichkeit musste sie sich noch keine Gedanken machen. Sie hatte nicht vor, jetzt schon ihr Leben zu vergeuden. Und selbst wenn sie nur noch eine Woche hatte, mochte sie diese verbliebene Zeit nicht mit bitteren Gedanken vermiesen. 

Sternenblut

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Unter Feuer
« Antwort #8 am: 13.08.2014, 21:03:52 »
Die Gefühle der Gruppe waren gemischt, aber es machte ohnehin wenig Sinn, weiter zu diskutieren. Ändern konnten sie nichts, herausfinden ebenfalls nichts, ihnen blieb also kaum mehr, als weiter abzuwarten.

Und so vergingen erneut die Stunden. Irgendwann hörte man erneut eine Gruppe wandelnder Toter draußen vorbeigehen. Ihr Röcheln, ihr Schlurfen war eindeutig. Es mussten einige Dutzend sein. Doch die Barrikaden taten ihren Zweck, die Toten bemerkten sie nicht einmal.

Die Stunden rannen dahin, sporadisch unterhielten sich die erzwungenen Gefährten, doch richtig in Gang kamen die Gespräche nicht. Schließlich waren sie müde vom Warten. Der Schlaf übermannte sie. Lukasch übernahm die erste Wache. Sie schienen zwar sicher zu sein, aber sie hatten sich darauf geeinigt, sich nicht vollkommen darauf verlassen zu wollen.

Unter den wachsamen Augen des kräftigen Barmannes schlief auch Jaenelle irgendwann ein.

Ihre Träume waren wirr. Nicht so schlimm, so angstgetrieben wie in den Nächten davor, aber immer noch durcheinander. Sie träumte von ihrem Bruder, der allerdings einer der wandelnden Toten war; von ihrem Vater, der ihr befahl, sich von ihm beißen zu lassen, weil sich das 'so gehöre'; und von den Schaustellern, denen sie sich angeschlossen hatte. Sie spielten vor einem Publikum aus applaudierenden Leichen.

Als sie aufwachte, war ihr sofort klar, dass nichts von alledem einen Sinn ergeben hatte. Ihr erschöpfter Geist hatte Dinge zusammengeworfen, die nicht zusammengehörten. Mit müden Augen sah sie sich um. Erst nach einigen Sekunden begriff sie, dass etwas nicht stimmte.

Alle anderen in der Gaststätte waren bereits wach. Manche schon länger, wie es schien, andere wie Jaenelle gerade erst aufgewacht. Sie alle sahen zur Eingangstür.

Lukasch warf ihr einen Blick zu, und legte den Finger an die Lippen. Die Stimmung war anders als vor einigen Stunden, als der Vater mit seiner Tochter gekommen war. Alle schienen angespannt, wenn nicht sogar ängstlich zu sein.

"Na daaaa, ja, ja was ist denn daaaaas?" rief eine seltsam vergnügte Stimme von draußen. Sie musste einem Mann gehören, obwohl er sehr hoch sprach, fast schrill. "Das hast du aaaaaber fein gefuuuunden, ja soooo fein."

Lukasch legte seine Stirn in Falten, schien sich Sorgen zu machen über das, was da draußen vor sich ging. Ein Knacken war zu hören, dann wurde etwas mit quietschenden Geräuschen bewegt - Metall auf Metall. Lonnie verzog das Gesicht, fast, als hätte er Zahnschmerzen. Ein weiteres Quietschen, dann konnte sich Lonnie ein unterdrücktes "Verflucht!" nicht vermeiden.

Im gleichen Moment herrschte draußen Stille. "Keine Aaaaa-haaangst", setzte die Stimme dann wieder ein. "Ich weiß schon lääängst, dass ihr da seid. Wir werden jetzt spiiielen!"
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Jaenelle

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Unter Feuer
« Antwort #9 am: 18.08.2014, 20:17:56 »
Blinzelnd schlug die Bardin ihre Augen auf und schüttelte sich. Verschlafen blickte sie auf ihre Hand. Da hatte sie schon so ein großes (wenn auch totes) Publikum und dann wurde sie nicht einmal entlohnt. Weitaus unangenehmer war der Teil mit ihrem Bruder. Sie hatte immer gedacht, das man nur kürzlich Erlebtes träumte...Ihn hatte sie so weit es nur möglich war aus ihrem Verstand verbannt. Wohl nicht weit genug...

Verwundert sah sie auf und stellte verspätet fest, das etwas nicht in Ordnung war. Noch ein wenig benommen von den merkwürdigen Geschichten ihres Kopfes nickte sie Lukasch langsam zu und wandte den Blick in Richtung Eingang. Schlagartig fielen ihre Mundwinkel nach unten, als sie diese absonderliche Stimme hörte. Ein Verrückter...Und offenbar konnte er sich frei unter den Toten bewegen. Hieß das...Diese Person war ein Nekromant? Jaenelle richtete sich auf und fuhr sich milde gereizt zwischen die Augen. Auch ein Leichenliebhaber hatte nicht das Recht,

"Das klingt nach Ärger. Sind alle bewaffnet?" Frage sie eher rhetorisch und zückte ihre Violine. Einzig auf ihre Magie war Verlass. Kalter Stahl gehörte nicht in ihre Hände. Viel war es nicht, mit dem sie in einer solch außergewöhnlichen Situation dienen konnte. War das hier schon ihr Ende?

Sternenblut

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Unter Feuer
« Antwort #10 am: 23.08.2014, 15:34:50 »
Der Wirt nickte ihr zu, sah dann wieder zur Tür. Vorsichtig ging er einen Schritt darauf zu.

Auf einmal war ein seltsames Geräusch zu hören. Ein Gluckern wie von Wasser, aber es schien aus den Wänden zu kommen. Lonnie sprang auf. "Was zur..."
Lukasch hob die Hand und brachte ihn so zum Schweigen.

"Eine Überraschung... oooooh ja, das wird fein. Lonnie ist doch sicherlich auch dort drin, oder? Ooooder? Schau mal in die Brandreserven!" Ein vergnügtes Kichern ertönte.

Lonnie lief zügig, aber leise hinter die Bar, nahm eine hölzerne Verkleidung von der dahinter liegenden Wand ab und kontrollierte dahinter irgendetwas. Plötzlich sprang er wieder auf. Er lief zur Tür, Heimlichkeit schien ihm nicht mehr wichtig zu sein.

"Was soll das, du Irrer?!" rief er lauthals. "Was willst du von uns?"

Das Kichern wurde lauter, hysterischer. "Oh, jetzt reeedest du mit mir! Wie schön! Was ich will? Erzähl deinen Freunden von der Überraschung! Jaaaa, erzähl es ihnen!"

Lonnie zögerte, sah sich dann um und seufzte schließlich. "In den Wänden ist ein Brandschutzsystem. Wasserrohre mit Sprinklersystemen und... recht kompliziert. Es hat bislang verhindert, dass hier alles abgebrannt ist. Es gibt nur noch eine kleine Wasserreserve da hinten."

Er biss die Zähne aufeinander, die Kiefer mahlten vor Wut. "Der Irre hat sich von außen an den Rohrsystemen zu schaffen gemacht. Er hat... in den Rohren ist ein Gemisch aus Öl und Wasser. Ein kleines Feuer, und wir alle..."

Mit weiterhin mahlenden Zähnen sah er zur Tür.
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Jaenelle

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Unter Feuer
« Antwort #11 am: 26.08.2014, 15:32:38 »
Jaenelle schnalzte ungehalten mit der Zunge. Die schrille Stimme des Mannes war nervenaufreibend. Was wollte er überhaupt? Das hatte sie immer noch nicht herausgefunden. Er schien Lonnie zu kennen, aber das allein brachte sie noch nicht weiter.

"Woher kennst du diesen Menschen? Und kannst du das Wassergemisch nicht einfach nach draußen ableiten? Für Wasser kann ich sorgen. Nur ein...ahm. Feuerregen muss hier drin nicht sein." Meinte die Bardin mit erhobenen Händen und legte den Kopf leicht schief.

Schließlich räusperte sie sich und wandte sich direkt an den Bekloppten von draußen.

"Wie wäre es, wenn wir uns zunächst beruhigen? Der Tag hat so schön angefangen. Was führt dich hierher? Ist es draußen nicht zu gefährlich für einen Spaziergang? "
 [1]

Trotz dieser abstrusen Situation blieb die Blondine freundlich. Wahrscheinlich war der Mann gehörig auf den Kopf gefallen, das er so etwas Bösartiges im Sinn hatte. Das war aber noch lange kein Grund, um gleich in Panik zu verfallen. Lonnie spielte ihm vermutlich nur in die Karten, indem er sich erzürnte. Ein netter Plausch mochte da einen gänzlich anderen Effekt zeigen.

 

 1. Diplomatie, um den Irren zu beruhigen: 27
« Letzte Änderung: 26.08.2014, 15:41:08 von Jaenelle »

Sternenblut

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Unter Feuer
« Antwort #12 am: 28.08.2014, 09:55:44 »
Lonnie und Lukasch schüttelten auf Jaenelles Fragen beide den Kopf. "Keine Ahnung, wer das ist, aber er scheint die Gaststätte gut zu kennen", antwortete Lonnie. "Ich kann natürlich noch was machen, aber das braucht etwas Zeit, und ich muss dafür in den Keller. Wenn er das Öl anzündet, bevor... im schlimmsten Fall geht das Gebäude in einem riesigen Feuerball unter. Und wir mit ihm."

Nachdem Jaenelle den Verrückten angesprochen hatte, kicherte er wieder. "Welch liebliche Stimme! Du musst die Bardin sein, die Lukasch engagiert hat. Oh, meinem Bruder hätte diese Stimme gefallen. Er mochte Lieder. Er hatte eine Künstlerseele, weißt du? Ja, er war ein Künstler. Und dafür haben sie ihn umgebracht, einfach so, gnadenlos."

Für einen Moment war es draußen still. Dann wieder das Kichern. "Gefährlich? Oh ja. Diese Biester versuchen immer wieder, einen zu beißen. Aber ich kann kämpfen, weißt du? Hat mir mein Bruder beigebracht. Aber das Beste kommt noch. Ein paar Mal haben sie mich erwischt. Ich hab gesehen, was dann passiert. Mit anderen. Oh ja, mit anderen. Aber nicht mit miiiiiir!"

Die Stimme wurde wieder zu dem nervig-schrillen Heulen. "Ich bin noch daaaaa. Ich spüre, wie es mich verändert, aber es macht mich nur stärker. Jaaaaa! Kannst du dir das vorstellen? Ich kann Menschen riechen. Euch da drin habe ich auf Hundert Schritt Entfernung gerochen. Oh jaaaaa, ihr stinkt! Und ich brauche kaum noch Schlaf. Ich werde zu etwas Besserem, etwas Größerem. Ich werde zu einem Gott! Oh jaaaaaa!"
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Jaenelle

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Unter Feuer
« Antwort #13 am: 04.09.2014, 20:33:55 »
"Dann geh nach unten und beeile dich. Ich werde ihn solange hinhalten." Hastig scheuchte die junge Frau Lonnie in den Keller und begab sich mit der Violine bewaffnet in die Mitte des Raumes.  Der Mann von draußen sprach derweil weiter.

Sein Bruder war gestorben...durch die Untoten? Damit konnte sie nicht zunächst allzuviel anfangen, doch vielleicht ließ sich das trotzdem verwenden. Aber was er da noch sagte, gab ihr zu denken. Er wurde gebissen, aber eine Verwandlung ließ auf sich warten. Die Bardin vertraute nicht darauf, das dieser Zustand zwangsweise anhielt. Der Prozess der Veränderung nahm auch bei dem Unbekannten seinen Lauf. War das normal? Spürte man, wie man...anders wurde? Eine beunruhigende Vorstellung. Sie nahm an, das diese Person unter den Vorfällen da draußen den Verstand verloren haben musste.

"Ich kenne deinen Schmerz...auch mein Bruder ist unter tragischen Umständen aus dieser Welt geschieden. Er scheint einen guten Geschmack gehabt zu haben - und einen hellen Kopf, zweifelsohne! Seine Vorraussicht hat dir in diesen schweren Zeiten das Leben gerettet. Was du da sagst, ist ein einziges Wunder. Die Götter müssen dir wohlgesonnen sein. Letztendlich lohnt es sich doch, selbst nach den den schlimmsten Widrigkeiten weiterzukämpfen. Du hast geschafft, was den anderen Bewohnern versagt blieb. Ich spüre, das du zu etwas Großem bestimmt bist. Wo auch immer dein Bruder sich jetzt befindet, er wird lächelnd auf dich herabblicken. Sage mir, Freund...welches Lied mochte er besonders? Wenn er uns gerade hört, werde ich für ihn spielen. "

Sternenblut

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Unter Feuer
« Antwort #14 am: 09.09.2014, 00:33:00 »
"Du machst das gut", flüsterte Lukasch. "Halt ihn bei der Stange."

Jaenelles Gesprächspartner schwieg einen Moment, dann kicherte er wieder. "Welches Lied er mochte? Das Knistern von Feuer. Kannst du das spielen? Falls ja, halte dich von Lukasch fern... er mag keine Leute, die Feuer mögen."

Während er sprach, wurden Lukasch' Augen größer. "Bei den Göttern!" fluchte er. "Dieser Irre... sein Bruder hat meine erste Kneipe angezündet! Dreizehn Leute starben, und dafür kam er an den Strick."
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