Tami wusste nicht so recht, was sie auf Tess' Frage antworten sollte. Es war doch eindeutig gewesen, was sie gemeint hatte! Tess schien die ironische Betonung auf
hund nicht gehört oder verstanden zu haben. Der Plan war ja eigentlich gewesen, sich mit der vertrauensvollen Offenbarung dieses kleinen Geheimnis ein wenig in das Vertrauen der Frau einzuschmeicheln, aber wenn diese nicht verstand, was Tami sagte, würde das etwas schwer. Ihre Hand hatte sie auch abgeschüttelt. Also doch noch nicht ganz vergeben. Vielleicht war es doch besser, ihr nicht weiszumachen, dass Tami in den letzten zwei Jahren mit den Wölfen unterwegs gewesen war.
"Mein kleiner Bruder", wisperte Tami, als sie Tess in die Schenke folgte, ihr Essen mit hineinnehmend. Drinnen aß sie schnell auf und verabschiedete sich dann zur Nacht.
"Ich bin sooo hundemüde", sagte sie und rieb sich dabei die Augen.
"Schlaf du auch gut."Oben auf ihrem Zimmer, kam ihr Onkel bald nach und tat dabei ganz doll betrunken. Hätte Tami nicht von seinen nächtlichen Plänen gewusst, hätte sie ihm fast geglaubt. Als er noch einmal erklärte, diesen Grom auskundschaften zu wollte, sagte Tami nur:
"Aber pass auf! Wenn hier auf seltsame Weise wer umkommt, sind sofort wir dran, darauf kannst du wetten, da baumeln wir ganz fix am Strick!"Und sie erzählte Ferygan rasch, was sie von Tess erfahren hatte: dass vor anderthalb Jahren ein Reisender—der einzige Reisende außer ihnen zweier, soweit man sich in Randdorf erinnern konnte—eine alte Frau als Dank für ihre Gastfreundschaft umgebracht habe.
"Und den haben sie aufgeknüpft, da kennen die nix. Bring also bitte keinen um, bevor wir nicht wenigstens einen Fluchtweg ausspioniert haben!" Den letzten Satz flüsterte sie.
Dann war Ferygan verschwunden. Sie wartete noch etwas, bis sie sich sicher war, dass auch die Leute, die nicht gut einschlafen konnten, endlich ihre Schäflein zählten, und schlich ebenfalls hinaus.
Draußen schlich sie sich sogleich in Richtung der Hecke und Palisaden, welche das Dorf umgrenzten, und dann daran entlang—nicht zu nah, dass es arg verdächtig wäre, sollte man sie erwischen, aber auch nicht zu weit weg, dass sie Möglichkeiten übersehen würde. Besondere Acht gab sie vor Fensteröffnungen und Hühner- oder sonstigen Ställen, wo sie Viehzeug würde aufschrecken können.
Wenn nötig wollte sie einmal um das ganze Dorf schleichen. Sie suchte nach Öffnungen, Stellen, wo das Geflecht der Zweige etwas dünner wäre, vor allem am Boden, dass man sich womöglich darunter durchrobben könnte, wenn Schleicher eventuell noch etwas buddelte... oder aber nach Stellen, an denen man womöglich drüberklettern könnte, also wenigstens, wenn man zu zweit war und Ferygan sie heben würde. Ganz zum Schluss erkundete sie auch noch—aus sicherer Entfernung!—das Tor. Waren dort Wachen? Überhaupt, im Dorf, wer schlich dort sonst noch alles herum außer ihr und ihrem Onkel?
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