Es passierte einfach zu schnell. Der Kobold schrie sie noch an, sie solle sich in Sicherheit bringen, einige kahle hingeschleuderte Worte, als es plötzlich totenstill wurde. Nur der Wind heulte und brauste immer mehr auf, als sie ihren Blick auf die dumpfen Nebelschwaden in der Ferne richtete, die immer näher zu kommen schienen.
Der Kobold brüllte immer noch, sie sah es an der Bewegung seiner Lippen, doch kein Laut verließ jene. Auch die anderen Brigadiere schienen sich immer noch zu unterhalten, was war bloß los?
War sie plötzlich taub geworden? Lavinia schluckte schwer und versuchte sich zu konzentrieren, doch nichts, kein Laut, kein Wort erklang in ihren Ohren.
"Was zum... was ist hier bloß los..." dachte sie und erzitterte vor Angst. Sie spürte ihr Blut durch die Venen schießen, die sich immer mehr verengten und bemerkte auch das leicht ansteigende Gefühl der Atemnot, als ihr die Angst die Kehle zuschnürte. Warum konnte sie plötzlich nichts mehr hören, ihr Gehör war doch immer das wichtigste für sie. Langsam aber sicher, wurde es ihr unbehaglich. Sie waren verloren, SIE war verloren, wenn ihr das einzige, dass ihr in ihrem Leben als Schurke etwas gebracht hatte, für immer entsagte.
Bis plötzlich etwas unwirklich groteskes über sie kam. Ein Gefühl, dass sie zuvor noch nie verspürte, etwas das weit entfernt von Angst oder Unbeholfenheit stand. Ihre Nackenhaare kräuselten sich, als sie tatsächlich in jenen Moment realisierte, dass der Kobold doch Recht hatte. Sie glaubte immer noch nicht, dass sie ein Brigadiere war, noch dass sie hier lebend raus kommen würden. Doch sie glaubte ihm, dass etwas näher kam. Etwas, dass so abscheulich war, wie sie es noch nie in ihren kühnsten Albträumen geträumt hatte.
Erst war es nur ein kalter Hauch, eine Erinnerung an eine tiefe, unverständliche Stimme, die aus vollem Körper stöhnte.
Sie riss ihren Körper rum, doch anhand der Bewegungen der anderen, die langsam gen Tür schriten um jene zu betreten bemerkte sie, dass nur sie scheinbar dieses Raunen vernahm.
Dann war es etwas, dass versucht ein Wort zu bilden. Doch nur unverständliches klang in ihren Kopf wider, dröhnte hinter ihren Ohren und ließen ihr die Härchen am Arm zu Berge stehen. Die Stimme war so grotesk, als wär sie dem Teufel selbst entsprungen und hallte in ihren Ohren wie der Klang Tausender sterbender Seelen, die damit versuchten sich für die letzten Momente ihres Lebens an jemanden zu binden. Der Kobold schrie immer noch, doch Lavinia bewegte sich nicht. Sie konnte keinen Schritt tun, sie will fort, weglaufen, doch ihr Körper war wie gelähmt und ihre Augen starrten geweitet auf die dunklen Nebelschwaden.
Die Stimmen kamen näher, wurden lauter und nun konnte sie einige Fetzen der finsteren Gesänge verstehen. Rl'yeth Ftagn. Lavinia widerholte die unheiligen Worte unbewusst in ihren Gedanken, als sie plötzlich eine Woge an ekelhaft schmeckender Magensäure hochwürgen musste, die sie nur mit Mühe wieder hinunterschlucken konnte. Sie stemmte ihre Hände gegen ihr Gesicht und versuchte dagegen anzukämpfen. Doch je näher diese Dämonen kamen, desto schwieriger war es für sie einen klaren Gedanken zu fassen, da sich die Worte in ihrem Geiste wie von Zauberhand widerholten. Bis der Kobold etwas magisches in die Nebelschwaden schickte, die sich kurz erhellten.
Ihre Blicke trafen sich. Das groteske rote Augenpaar, seltsam verzerrt, bahnte sich einen Weg direkt durch ihre Seele. Wie ein brennender Schmerz, zuckte etwas in ihren Körper, als würde sich eine Schlange zwischen den Eingeweiden winden. Sie konnte es nicht mehr an sich halten. Es war einfach zu viel. Kopfüber kippte sie auf ihre Knie und würgte. Tränen aus Schmerz und Angst, glitzerten in ihren Augenwinkeln, doch sie konnte den Blick nicht abwenden. Die Gesänge in ihrem Verstand und Bewusstsein waren nun so laut, als würden die Wesen bereits vor ihr stehen und ihr jeden Moment die Seele herausreißen. Sie wünschte es sich sogar, um diese unheilvolle Welt endlich verlassen zu können, die sich nach und nach in ihren Körper nistete. Sie spürte, wie der Bär sich wieder in die Gürteltasche zurück zog, etwas das ihr half, für einen Bruchteil einer Sekunden einen klaren Gedanken zu fassen und die Gesänge kurz zu vergessen. Sie versuchte Abrahams Blick zu erhaschen. Sie war nicht schwach. Sie war nicht schwach!. Sie kämpfte gegen die Gesänge an. So lang, bis sie mit viel Kraftaufwand, Überzeugung und etwas, dass ihr immer noch im Hinterkopf pochte, ein einziges Wort stottern konnte, welches ihr noch über die Lippen kam, bevor ihr schwarz vor Augen wurde.
"H... Hilfe...."