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Autor Thema: Heiliger Boden  (Gelesen 114859 mal)

Beschreibung: Kapitel 1

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Sternenblut

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Heiliger Boden
« am: 22.08.2014, 19:42:01 »


[1]
Die Sommersonne schien warm auf die weiße Stadt Terendol und ihre Umgebung. Der Himmel war blau, der Wind sanft, verschiedene Vögel zogen ihre Bahnen durch die Lüfte, und in den Straßen der Hauptstadt begann allmählich das geschäftige Treiben.

Jurij

Jurij hatte Hauptmann Arsan aus dem Palastviertel ohne Probleme gefunden, und nach einer kurzen Prüfung eine Anstellung - zunächst - als Hilfswache erhalten. Nach einem Monat, so erklärte Arsan, würde er zu einer vollwertigen Gerichtswache der Hauptstadt werden.

Das war nun zwei Tage her. Seine neuen Kollegen nahmen ihn ebenso freundlich auf, wie er es auch sonst in diesem Land gewohnt war. Er ging mit einem Mann namens Reyka auf Patroullie, ein beeindruckender Hüne, der stets einen mächtigen Zweihänder an seiner Seite trug. Die kleineren Streitereien, mit denen Jurij und er in den ersten beiden Tagen zu tun hatten, endeten meist schon, wenn Reyka nur die Szene betrat; er wusste mit dem Eindruck, den er vermittelte, umzugehen.

Wenn sie unter sich waren, zeigte sich allerdings, dass Reyka alles andere als ein harter Soldat war: Er erzählte Jurij von seiner Frau Maica und seiner Tochter Lisbess, die gerade zwei Jahre alt geworden war. Das Leuchten in seinen Augen, wenn er von seinen "beiden Mädchen" sprach, zeigte deutlich, wie sehr er die beiden liebte. Am Ende des zweiten Tages verabschiedete sich Reyka sogar mit einer Einladung: Jurij solle doch in den nächsten Tagen einmal abends bei ihm vorbeischauen, dann würden sie gemeinsam mit der Familie essen.

Zurück in dem kleinen Zimmer, das er sich angemietet hatte - die Gaststätte hieß "Das Portal zum Himmel und zur Hölle", sein Zimmer war aber gänzlich irdisch -, legte er sich zunächst einmal in sein Bett. Die Betten in dieser Welt waren nicht gerade luxuriös, zumindest nicht die, die er kennengelernt hatte, aber es reichte für ihn.

So weit dies in einer fremden Welt möglich war, in die er durch unerklärliche Dimensionssprünge hineingelangt war, war er angekommen. Mit diesen wohligen Gedanken schlief er ein...

...und wurde am nächsten Morgen durch ein seltsames, gurgelndes Geräusch geweckt. Er schlug die Augen auf, noch zu müde, um zu verstehen, was gerade geschah. Doch dann kam der Adrenalinschub. Jemand war in seinem Zimmer!

Jurij sprang auf, die Augen nun weit geöffnet - und stolperte fast wieder zurück in sein Bett. Auf dem Boden vor seinem Zimmer lag ein Mann. Er sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, die Hände um die Klinge eines Schwerts gelegt, das ihm jemand mitten durch den Bauch gerammt hatte. Blut lief ihm an der Wange entlang, und hatte sich zu einer kleinen Lache neben seinem Kopf gesammelt.

Der Fremde trug eine beeindruckende schwarze Rüstung, einzelne Metallplatten, die übereinander geschichtet waren.  Er sah Jurij an, fast ruhig, als würde er sich auf seine letzten Momente vorbereiten.

Harry & Henry

Sie hatten Brückenstadt verlassen, endlich. Sie waren in den Nebel getreten, und dann... ja, was war dann geschehen? Es war anders als bei den vorherigen Sprüngen. Der Nebel schien sie gänzlich zu umschließen, bevor er sich wieder lichtete. Zuerst Henry, dann Harry, fand sich auf einer Wiese wieder, von wilden Blumen durchzogen. Mittelalterliche Bauernhäuser waren in der Ferne zu sehen, und Vieh, das weidete. In einer anderen Richtung lag eine Straße, keine hundert Schritt von den beiden entfernt. Denn, ja, es hatte geklappt: Die Brücke hatte sie nach der kurzen Trennung wieder zusammengeführt! Hier standen sie, keine zwei Meter voneinander entfernt, und eine warme, angenehme Sonne schien auf sie herab.

Die Straße, befestigt mit Pflastersteinen, führte zu einer Stadt, umgeben von einer vielleicht drei Meter hohen, weiß strahlenden Mauer. Dahinter ragten ebenso weiße Gebäude auf. Das Tor zur Stadt war höchstens eine Meile von den beiden entfernt.

Als sich die beiden weiter umsahen, einmal um sich selbst drehten, fiel ihnen ein Mann auf, der keine zwanzig Meter entfernt in der Wiese hinter ihnen stand. Er war um die 25 Jahre alt, mit kurz geschnittenen, glatten schwarzen Haaren, die zu einem strengen Seitenscheitel gekämmt waren. Als hätte er sie erwartet, hob er die Hand zum Gruß.

Er trug ein hautenges schwarzes, langärmeliges Hemd, das seinen durchtrainierten Körper zeigte, und eine ebenso schwarze, glatte Stoffhose. Darüber trägt er einen weiten schwarzen Mantel mit intensiv rotem Innenstoff. Beide Stoffe glänzten leicht seidig.

Rillfarsell

Rillfarsell sah sich um. Wie war es hier nur hereingeraten? Ängstlich sah es sich um, sah zu den anderen Wesen, die ebenso eingesperrt waren wie es selbst.

Dabei hatte alles so gut angefangen an diesem Ort. Die Welt, in der er sich befand, war schön; nicht so schön wie seine Heimat, aber immerhin. Es gab Früchte und Blumen und allerlei andere Leckereien in der Natur, und auch, wenn er mit seiner Andersartigkeit gegenüber den Einheimischen auffiel, behandelten sie ihn freundlich.

Nachts aber geschahen seltsame Dinge. Wann immer Rillfarsell schlief, schien er im Schlaf zu wandern, denn er wachte stets an einem anderen Ort auf. Bis, ja, bis er in dem steinernen Ort angekommen war, den sie "Terendol" nannten. Doch obwohl vieles hier im eng und eingesperrt vorkam, gab es viele kleine Orte voller wunderbarer Natur; "Gärten" nannten die Einheimischen sie.

An Nahrung zu kommen, war für Rillfarsell hingegen schwieriger geworden. Die Leute mochten es nicht, wenn er sich einfach etwas nahm; sie wollten dafür "Münzen" haben. Doch selbst diese Hürde überwand es schnell. Sein Gesang gefiel den Leuten, und sie waren bereit, ihm dafür Münzen zu geben. Er fand eine Anstellung als Barde in der Taverne "Zum gerösteten Hirschen". Jeden Abend sang er dort vor Publikum, das offenbar über sehr viele dieser Münzen verfügte.

Der letzte Abend aber war anders als die anderen. Jemand hatte mit Gowat, dem Besitzer der Taverne, einen Handel abgeschlossen; nur für ihn sollte Rillfarsell heute singen, und dafür die dreifache Menge an Münzen bekommen. Doch während er sang, geschah etwas seltsames. Von oben fiel ein Käfig auf die Bühne herab, hätte ihn fast am Flügel verletzt. Und er war darin eingesperrt. Der Gast lachte, aber es war kein freundliches Lachen; es machte Rillfarsell Angst.

In dem Käfig wurde er fortgebracht; seinen Fragen schenkte man keine Beachtung. Am Ende landete er in einem großen Raum in einem noch größeren Gebäude. Eine Frau namens Gräfin Avina Ferochia stellte sich ihm vor, und begrüßte ihn als ihren "neuen Liebling". Doch von ihrer Liebe bekam Rillfarsell nicht viel zu spüren. Regelmäßig lud die Frau Gäste zu sich ein, die es anstarrten und über Rillfarsell lachten. Doch war das Feenwesen nicht alleine. Mehr als zwanzig Wesen hatte die Gräfin hier eingesperrt, deren Namen Rillfarsell nach und nach mitbekam: Einen Löwen, einen Panther, einen Greifen, sogar ein Wesen, das Rillfarsell aus einer Heimat kannte: Ein Einhorn! Doch keines der anderen Wesen sprach mit ihm, nicht einmal das Einhorn. Nach einigen Tagen begriff Rillfarsell: Man hatte ihren Willen gebrochen. Sie hatten die Hoffnung, jemals wieder frei zu sein, aufgegeben.

Fünfzehn Nächte hatte Rillfarsell bereits an diesem Ort, eingesperrt in einen viel zu kleinen Käfig, verbracht. Heute Nacht, so viel hatte Rillfarsell schon mitbekommen, würde die Gräfin wieder Gäste haben. An diesem Tag landete ein wunderschöner, blauer Vogel auf Rillfarsells Käfig. Und zu Rillfarsells Überraschung konnte es seinen Gesang verstehen.

"Es ist Zeit für die Freiheit. Nicht nur deine, sondern die aller, die hier gefangen sind. Einer der Gäste wird dir heute aus einer Schale mit Wasser zu trinken geben. Trink daraus, und du wirst die Freiheit bringen."

Ohne auf eine Reaktion Rillfarsells zu warten, flog der Vogel wieder von dannen.

Dann kam die Nacht, und mit ihr die Gäste der Gräfin. Wie bei einer jeden solchen "Feier" wurde Rillfarsell begafft und bestaunt, man bot ihm Beeren und Nüsse an, aber nur, wenn er den Leuten diese direkt aus der Hand nahm. Und dann kam er. Ein Mensch, so viel wusste Rillfarsell, in einem schwarzen Frack, mit langem schwarzem Haar und ebenso schwarzem Bart. Er trug eine Schale mit Wasser in der Hand, lächelte Rillfarsell zu und hielt ihm die Schale an die Gitterstäbe seines Käfigs. "Trink, mein Kleiner", forderte er es auf.
 1. Tausend Dank an Wellby für die tolle Karte!
« Letzte Änderung: 08.09.2014, 14:30:38 von Sternenblut »
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Henry

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Heiliger Boden
« Antwort #1 am: 08.09.2014, 20:33:46 »
Als Henry durch den Nebel geschritten war, war er erst einmal stehengeblieben und hatte das Sonnenlicht auf seinem Gesicht genossen. Auch ansonsten schien im diese Welt ganz nett zu sein, jedenfalls besser als diese sogenannte Moderne. Mit Blumen und mit Kühen kannte er sich aus. "Looks good. Hope, we're gonna stay here for a little while. Ich bekomme Sodbrennen von den vielen Dimensionssprüngen.", sagte Henry trocken.

In der Nähe lag eine Stadt. Wenn Sie Arbeit und Unterkunft suchten, dann würde das ihre erste Anlaufstelle sein. "Komm, wir gehen dort zu der Stadt. Es wird schon nicht werden, wie beim letzten Mal.", meinte Henry zu Harry.

Erst jetzt wurde Henry des Mannes in ihrer direkten Nähe gewahr. Henry erwiderte dessen Gruss in gleicher Weise. "Seid gegrüßt! Mein Gefährte heißt Harry und ich bin Henry. Wir kommen von..." Henry zuckte mit den Schultern. "Eigentlich ist es egal, woher wir kommen. Wir sind neu hier und suchen Arbeit und Unterkunft. Könnt Ihr uns vielleicht weiterhelfen?"

Henry wunderte sich, dass der Mann hier einfach auf der Wiese herumstand und wartete. Er konnte kein Arbeitsgerät bei ihm erkennen, weder eine Sichel noch eine Sense oder dergleichen. Auch seine Kleidung wirkte nicht so, als ob er zum Arbeiten hier wäre. Hatte er gar auf sie gewartet? Das konnte eigentlich gar nicht sein. Woher sollte der Mann von ihrer Ankunft gewusst haben?

"Hat er wohl gesehen, dass wir geradezu aus dem Nichts erschienen sind? Was macht er hier? Nicht arbeiten, jedenfalls.", fragte Henry seinen Freund ganz leise auf Latein.
« Letzte Änderung: 08.09.2014, 20:38:13 von Henry »
"Be just, and fear not: Let all the ends thou aim'st at be thy country's, Thy God's, and truth's." - Shakespeare: King Henry VIII., Act 3, Scene 2

Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #2 am: 08.09.2014, 21:10:46 »
"Wenn er nicht blind ist", antwortete Harry auf gleiche Weise. Und laut fügte er hinzu, erst in Englisch, dann in der anderen Sprache, die ihm neuerdings durch den Kopf spukte:

"Aber ich steig auf keine Waage. Im Ernst. Nicht mit mir. Er steigt gern auf eine Waage. Ihn mögen die Waagen. Ich mag ihn ja auch, aber deswegen haben Waagen trotzdem keine Ahnung von Menschen, wenn Ihr mich fragt."

Zur Bekräftigung seiner Worte nickte er.
« Letzte Änderung: 09.09.2014, 10:18:14 von Harry Webster »
My name is Harry Aleister Mulholland Webster. Conjure by it at your own risk.

Paranoid? Probably. But just because you're paranoid doesn't mean that there isn't an invisible demon about to eat your face.

Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #3 am: 08.09.2014, 21:13:49 »
Der Fremde kam näher, blieb aber in etwa fünf Metern Entfernung stehen. Er sah die beiden Männer abschätzend an. "Arbeit sucht ihr? Welcher Arbeit geht ihr denn nach?" Dann sah er zu Harry. "Ich habe keine Ahnung, wovon ihr sprecht. Aber ich kann euch beruhigen, ich habe keine Waage dabei."
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Henry

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Heiliger Boden
« Antwort #4 am: 08.09.2014, 21:36:03 »
"Was in dieser Dimension so üblich ist.", antwortete Henry. "Ich meine, ich habe schon als Wächter bei der Stadtwache gearbeitet. Und Harry war mal als Ermittler in 'besonders mysteriösen Fällen' tätig.", fügte er hinzu.

Demonstrativ sah er sich noch einmal um. "Wir sind lange unterwegs gewesen und sind froh, die nächste Stadt zu erreichen. Wirklich schön hier. Wie heißt denn die Stadt? Und wenn es Euch nichts ausmacht, würde ich Euch gerne fragen, wie Ihr heißt und was Ihr hier macht." Henry verkniff sich die Anmerkung, dass der Mann nicht wie ein Bauer aussah.

"Wir verhalten uns ja zugegebenermaßen seltsam, aber dieser Mann ist auch komisch. Er steht einfach da und sieht uns zu, wie wir in der Dimension aufploppen, und ist davon keineswegs überrascht. Als wäre das in der Dimension ganz normal.
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #5 am: 08.09.2014, 22:00:08 »
Ein Lächeln erschien auf dem Gesicht des Fremden. "Mein Ausrufname lautet Rubin. Die Stadt dort heißt Terendol, Hauptstadt von Maelicci. Was ich hier mache... darüber sprechen wir noch."

Er ging einen weiteren Schritt auf sie zu. "Andere Dimension? Das solltet ihr aber nicht herumerzählen, am Ende erklärt man euch noch für verrückt. Klingt auf jeden Fall, als hättet ihr spannende Geschichten zu erzählen."
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Henry

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Heiliger Boden
« Antwort #6 am: 08.09.2014, 22:23:03 »
"Ihr seht kein bischen überrascht aus.", stellte Henry fest.
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Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #7 am: 08.09.2014, 23:49:50 »
"Ja, mich würde auch interessieren, ob wir endlich am Ziel sind", sagte Harry in der Sprache, in welcher der Mann geantwortet hatte. Es war ein sehr seltsames Gefühl, plötzlich eine Fremdsprache zu verstehen, die man eigentlich nie gelernt hatte, wobei das Verstehen nur halb so seltsam war wie das selber Sprechen. Bei jedem Wort hatte er das Gefühl, seine Zunge müsse eigentlich darüber stolpern, doch irgendwie fand sie ihren Weg von ganz allein.

"Wenn Ihr das zufällig wissen solltet, immer nur heraus damit. We prefer our whiskey neat, würden wir bei uns zuhause sagen, nicht mit Eiswürfeln verwässert oder gar mit irgendwelchen süßen Sachen vermischt."
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #8 am: 09.09.2014, 00:08:04 »
Als Harry ins Englische wechselte, sah Rubin ihn verwirrt an. Dann lächelte er. "Ich bin eine Art Forscher, sowohl des Arkanen als auch der Technik. Reißt man ein Loch in die Dimensionen, dann hinterlässt das Spuren. Und diese Spuren haben mich hergeführt. Ich wusste nicht, wer oder was da kommen würde, aber ich wusste, dass hier etwas geschehen würde."

Er sah Henry und Harry von oben bis unten an. "Ich bin froh, dass keine finsteren Monster aufgetaucht sind", fügte er mit einem Grinsen hinzu. "Oder sollte ich noch irgendetwas wissen?"
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Jurij Klee

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Heiliger Boden
« Antwort #9 am: 09.09.2014, 01:21:41 »
“Was, Was.“ murmelte er geschockt. So aufzuwachen war nicht sehr angenehm. Er merkte wie seine Hände zitterten und sich ein übler Gedanke mit der Gänsehaut kam. Ich hätte nicht hier bleiben sollen war der oberflächliche Gedanke, denn er befürchtete selbst hierfür verantwortlich zu sein. In den letzten Wochen war es soweit er es bemerkt hatte nicht aufgetreten aber nun schien das üble Schlafwandeln zurück zu sein.

Bitte las es nicht mein Schwert sein. flehte er förmlich, als er die Klinge im Körper des Mannes anblickte. Kurz darauf kam er langsam wieder zu sich. Der Mann lebte noch, er brauchte Hilfe. Was er sah war damit egal. Zuerst stotterte er noch dann schrie er aber so laut er konnte „HILFE, HÖRT MICH JEMAND HIER IST EIN VERLETZTER. HILFE. Dann sank er auch schon auf die Knie neben dem Mann. „Wer hat euch das angetan? Keine Sorge sie werden bald kommen.“ Er blickte sich in seinem kargen Zimmer um. Er suchte seinen Rucksack mit den Verbandsachen, doch viel ihm nicht ein wo er ihn hingeworfen hatte. Also musste seine Schlafhose daran glauben, dass einzige was er gerade an und in Griffweite hatte. Er begann ein fetzen Stoff heraus zu reizen. Ein Witz im Vergleich zur Wunde aber irgendetwas musste er tun.
Wenn du etwas machst, mache es mit jeder Faser deiner Selbst. -Status-

Rillfarsell

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Heiliger Boden
« Antwort #10 am: 09.09.2014, 06:18:39 »
Auch wenn andere sich ungern gefangen nehmen ließen, für Rillfarsell war es nichts Neues. Es hatte wer weiß wie lange in einem Kasten aus Glas ausgeharrt. Unter Beobachtung von gräßlichen Metallwesen. Hier war die Lage schon etwas besser. Und es wußte auch, daß es sich eigentlich jederzeit befreien konnte. Schließlich hatte es Zauber und im allerschlimmsten Notfall noch seinen Freund, den Federmann Papageno, der aufgetaucht war, als es sich am Einsamsten gefühlt hatte. Im Moment war es einfach noch zu neugierig, um zu fliehen, auch wenn es die Freiheit ein wenig vermißte.
Deshalb hatte Rillfarsell den ganzen restlichen Tag über diese doch recht kryptische Nachricht nachgedacht.
Die Freiheit bringen? Wenn ich nur aus einer Schale trinke? Wie soll das gehen?
Eine noch gar nicht so lang zurückliegende Begebenheit zuckte plötzlich durch seinen Kopf.
Hatten einige der Menschen aus dieser anderen Dimension, die es während des Sommers der Liebe, wie sie es nannten, kennengelernt hatte, nicht auch von Freiheit gesprochen? Und hatten damit mehr als nur die Freiheit von den Zwängen ihrer Gesellschaft gemeint? Hatten sie es nicht die "endgültige und letzte Freiheit" genannt?
Rillfarsell schüttelte sich unwillkürlich vor Unbehagen und sein eben noch weißes Federkleid zeigte nun das stumpfe Braun der anderen Seite.
Diese Menschen hatten auch etwas zu sich genommen und waren nicht wieder aufgewacht. Wie andere ihm später erklärten, hatte sie die Freiheit des Geistes im Tode gemeint. Die Freiheit von körperlichen Zwängen  und der Welt insgesamt.
Wieder schüttelte es sich. Es wußte, daß es keine Seele besaß, die in ein späteres Leben aufgehen würde. Deshalb war dieses Leben Rillfarsell auch so wichtig. Denn nur in der Ersten Welt konnte ein Wesen wie es wiedererstehen. Nicht aber in anderen Dimensionen.
Seine Gedanken kamen wieder auf den Ursprung zurück.
Aus der Schale trinken!
Konnte es sein, daß auch hier jemand meinte, sie nur dadurch befreien zu können, indem er ihnen das Leben nahm?
Ach, und wem sollte es, klein wie es war, die Freiheit bringen? Etwa den anderen eingesperrten Wesen?
Dies war alles recht verwirrend. Es beschloß, sich der Situation auf eine ganz andere Weise, als vielleicht erwartet, zu stellen.
Deshalb putzte Rillfarsell seine Federn und übte ein wenig einige seiner schönsten Lieder für den Abend. Insgeheim hoffte es, auch den anderen eingesperrten Wesen damit ein wenig Freude bereiten zu können.
Und dem Einhorn erzählte es direkt von seinem Verdacht und versuchte ihm Mut zuzureden, noch ein wenig durchzuhalten.
Als der Abend begann, zauberte es an einer wohlplatzierten Stelle einen Lichtcantus, der seine weißen, irisierenden Federn dazu brachte, in allen Regenbogenfarben zu funkeln, wenn er sich bewegte. Und das tat es auch; es tanzte, während es für das Publikum sang.
Immer wenn ihm etwas zu Essen dargereicht wurde, so nahm es dies mit einer höflichen, würdevollen Verbeugung entgegen, dankte freundlich dafür und legte es an den Rand des Käfigs.
Als nun dieser Mann auftauchte, gefiel es ihm nicht gar so sehr. Viel zu wenig Farbe für eine freundliches Wesen., ging es ihm durch den Kopf.
Als jetzt die Schale gereicht wurde, machte Rillfarsell wieder eine höfliche Verbeugung und pfiff ein paar Töne, während es anmutig mit den Armen und Händen zu wedeln schien. Wieder webte es einen Zauber, der das Wasser in der Schale in köstlichen Met verwandelte und dabei alles Schädliche daraus entfernte[1].
"Ich danke euch für eure großzügige Gabe. Doch Met schmeckt mir besser als Wasser. Und da für meine Befreiung ja nur die Tat des Trinkens aus der Schale nötig ist, ist es ja gleich was sich darinnen befindet." Und damit tat es einen großen Schluck.
 1. Zauber: Enhance Water
« Letzte Änderung: 09.09.2014, 06:33:28 von Rillfarsell »

Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #11 am: 09.09.2014, 08:39:21 »
Der Mann sah zu Jurij, und grinste ihn an. "Den Unschuldigen spielen? Damit kommst du nicht..."
Er hustete, und spuckte dabei Blut aus. "nicht durch..."
Erschöpft wandte er den Blick ab, und starrte zur Decke. "Zu viele Beweise. Zu viele Fragen. Du wirst am Strick enden, verdammter..." Er weitete plötzlich die Augen, atmete scharf, aber röchelnd ein. Nach einem Moment schien er sich wieder beruhigt zu haben. "Du wirst mit... der Entführung nicht durchkommen. Meister Lanicas hat weitere... Kopfgeldjäger angeheuert. Ich bin nur einer von vielen. Und andere werden die Spur zu dir ebenfalls..."

Ein weiterer Hustenanfall schüttelte den Mann.
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Sternenblut

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Heiliger Boden
« Antwort #12 am: 09.09.2014, 08:51:56 »
Rillfarsells Zauber funktionierte, und so nahm es bedenkenlos einen Schluck aus der Schale. Dass es trotz aller Vorsicht auf einen Trick hereingefallen war, verstand es erst hinterher. Als es die Schale senkte, und hinabsah, entdeckte es ein kleines Loch in der Mitte der Schale; ein Loch, aus dem eine seltsame, grünliche Flüssigkeit tropfenweise herauskam.

Es hatte das Wasser in Met verwandelt, und gereinigt; doch gleich danach war der Met wieder vergiftet worden. Ein überraschter Blick zu dem Menschen, der ihm die Schale gereicht hatte, war alles, wozu es noch kam. Dann verlor es das Bewusstsein.

Als Rillfarsell wieder aufwachte, fühlte es sich leicht benommen, aber ansonsten gut. Die Erinnerung an die letzten Sekunden kam gleich zurück. Es hatte Recht gehabt mit der Vermutung, dass man es vergiften wollte. Aber immerhin wollte man es zumindest nicht töten.

Rillfarsell sah sich um. Es war nicht mehr im Käfig, sondern auf einem Dach. Das Dach des Palastes, in dem die Gräfin gelebt hatte. Es sah sich um. Der Blick fiel in den Garten, den mehrere Männer mit viel Mühe stets so unnatürlich ordentlich hielten.

Er war nicht mehr ordentlich. Überall lagen Dinge herum... Rillfarsell brauchte einen Moment, um diese Dinge zu erfassen. Es waren Menschen. Der Boden war blutgetränkt, die Brunnen sprudelten in intensivem Rot. Zwei-, vielleicht dreihundert Tote lagen hier.

Es waren die Gäste des Abends, die Angestellten der Gräfin, kurz: Alle, die hier gewesen waren.

Dann hörte Rillfarsell ein Flattern. Der blaue Vogel flog von oben herab auf das Dach zu, setzte sich zwei Meter von ihm entfernt hin.
« Letzte Änderung: 09.09.2014, 09:03:26 von Sternenblut »
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Harry Webster

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Heiliger Boden
« Antwort #13 am: 09.09.2014, 10:40:51 »
"Und wenn wir finstere Monster gewesen wären, in unbekannter Anzahl", hielt Harry dem 'Forscher' mit Namen 'Rubin' entgegen, "was hättet Ihr dann gemacht? Mit wie vielen Monstern wäret Ihr allein denn fertig geworden?"

Harry stützte sich auf seinen Zauberstab und betrachte den Fremden ebenfalls mit seinem Detektivblick, ob er irgendwelche Arkanen Symbole an ihm entdeckte und, wenn ja, ob diese ihm etwas sagten.[1]
 1. perception = 19; knowledge (arcana) = 12
« Letzte Änderung: 09.09.2014, 10:41:30 von Harry Webster »
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Heiliger Boden
« Antwort #14 am: 09.09.2014, 10:52:42 »
Rubin zuckte mit den Schultern. "Es geht wohl eher um die Frage, wie schnell ich hätte fliehen können. Aber ohne Risiko kein Wissensgewinn."

Er strich mit dem Zeigefinger der linken Hand über sein glatt rasiertes Kinn, schien zu überlegen, und nickte dann. "Aber ich denke, wir kommen so nicht weiter. Ich habe euch durchaus in allem die Wahrheit gesagt, aber ich gebe zu, dass ich manche Einzelheiten verschwiegen habe. Ich wollte zuerst wissen, mit wem ich es zu tun habe."

Sein Blick wanderte von Harry zu Henry, und wieder zurück zu Harry. Er sah den beiden Männern in die Augen. Bei Harry zumindest so weit, wie er es zuließ; sein instinktives Wegschauen, wenn der Blick zu lange stand hielt, verhinderte den Seelenblick.

Das Lächeln aus Rubins Gesicht war verschwunden; er wirkte jetzt sehr ernst. "Ich weiß von den N'kyuash. Ich weiß, was euch durch die Dimensionen geschickt und hierher nach Kurun gebracht hat. Vielleicht ist es euch bereits klar, vielleicht auch nicht. Aber es geht hier um deutlich mehr, als nur um euch. Sie müssen aufgehalten werden."

Er fixierte nun Harry. "Ja, ihr seid am Ziel eurer Reise angekommen. Aber hier geht es erst richtig los."[1]
 1. 
Halloween-Special: Dämonenwissen - +1 auf Knowledge (Arcana)
« Letzte Änderung: 31.10.2014, 22:47:40 von Sternenblut »
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

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