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Teil I: Die Frostblume

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Ksynthral:
1372 (TZ), drei Tage vor dem Schildtreff, zur achten Stunde des Lichts[1]

Die Sonne stand hoch am Himmel, aber der trübgraue Wolkenvorhang, der sie schon seit Tagen begleitete gestand ihnen auch heute den freien Blick in den Himmel nicht zu. Der Wind wehte kühl, aber noch nicht unangenehm - Vaasa lag hoch im Norden, das war allen bewusst. Der Mittsommer war hier oben zwar besonders ausgeprägt, aber warm war es deshalb noch lange nicht. Es war bereits später Nachmittag und der heutige Tag hatte, wie die Tage zuvor, aus Reiten, Marschieren und Wache halten bestanden.

Ritter Samuel Goldklee hatte, vermutlich auf Befehl seines Herren hin, eine Expedition in das westliche Gebirge Vaasas aufgenommen: Bei ihm waren seine Leibgarde, drei starke, aber eher unangenehme Zeitgenossen - Menschen aus dem Süden - und der Knappe Till, der eigentlich für alles zuständig war: Kochen, Zelte aufbauen und dem Ritter den Wein nachschenken. Eine handvoll Bergarbeiter trottete dem Ritter hoch zu Ross, mit ihren Eseln hinterher. Die Körbe der Tiere waren beladen mit Vorräten und Werkzeugen für die Minenarbeit. Die Gesichter der zerschundenen Männer strahlten keine Freude aus. Sie wurden bezahlt für die härteste Arbeit, die es in Vaasa gab - den Bergbau: Hier gab es kein Mitleid, hier ging es um mehr als die Ehre! Das Überleben stand auf dem Spiel - tagein, tagaus.

Die Steppe, das Ödland hier draußen, auf dem Weg in den Norden, war unerbittlich: Karg und trostlos raubte es jedem Reisenden Hoffnung und Zuversicht. Kühl und dunkel schlich es sich in die Gemüter ein und überzog alle Gedanken mit einem Schleier des Tückischen. Grausam und unbarmherzig waren die Kreaturen, welche durch die Lande zogen und Angst und Schrecken verbreiteten!

Sie waren ausgezogen um nach Blutsteinen zu suchen: Einem Erz, das es ausschließlich im Norden Vaasas gab - sehr wertvoll und äußerst beliebt. Der Adel schmückte sich mit dem rötlichen Gestein so oft es nur ging und mit so viel, wie man sich leisten konnte! Die gefährlichen Expeditionen machten die Blutsteine zu einem gefragten Gut.

Seit Tagen schon galt es wachsam zu sein. Neulich erst hatten sie ein kleines Rudel Wölfe abwehren müssen, die Nachts in ihr Lager eingefallen waren. Angeblich, so sagten zumindest die wenigen Bauern, welche sie bisher getroffen hatten, sollten in dieser Region die Bodenlosen Sümpfe liegen! Geheimnisvolle und tödliche Fallen, aber gleichfalls mysteriös - sie sollten sich um heiße Quellen herum bilden: Und diese Quellen sprudelten nur so von Wunderwassern. Was hatten ihnen die Alten nicht alles erzählt! Große Stärke oder alles Geschick dieser Welt. Nur kannte man kaum einen, der jemals so eine Quelle gefunden hatte, aber gestorben und verschwunden waren schon abertausende unvorsichtige Reisende in den Bodenlosen Sümpfen. Jeder Schritt in Richtung Nordwesten war demnach ein mutiges Wagnis!

Aufgebrochen war die kleine Gruppe vor zwei Zehntagen aus Palischuk, der Stadt der Halborks. Dort hatte Ritter Goldklee nach Söldnern gesucht, um seine Expedition zu verstärken, sie sollten Schutz bieten und im Falle eines Angriffs durch wilde Tiere oder Kreaturen der Dunkelheit an vorderster Front stehen: Er und seine Leibgarde würden noch für andere Aufgaben benötigt werden auf der Blutsteinexpedition.

Man hatte sich untereinander schon ein wenig ausgetauscht: Navanolan, Bryndis und Nam-Ray hatten sich als Söldner dem Ritter angeschlossen. Er hatte ihnen nur wenig Lohn bieten müssen - und sah in ihnen anscheinend gute Kämpfer, oder zumindest loyale Diener. So behandelte er sie zuweilen auch. Aber alles in allem verlief ihre Reise bisher gut und mit dem Gold würden sie gewiss eine gute Zeit im Norden überleben können![2] 1. Musik 2. @ all: Absolviert bitte einen Fertigkeitswurf "Lauschen".

Navanolan:
Was für eine Ödnis!

Immer wieder dachte Navanolan an die vergangenen Wochen. Die Länder, die er hastig durchquert hatte, waren allesamt einladender, als die Äcker und kargen Böden, die sie seit Tagen durchstreiften. Was gäbe er dafür, einmal wieder unter Bäumen zu laufen, der Boden bedeckt von gefallenen Blättern, Zweigen und vermodertem Holz. Aber hier trat er mit seinen Stiefeln nur auf nackte Erde oder Fels. Auf seiner Reise in den Norden war er viel auf Straßen unterwegs, denn die meisten Reisenden bevorzugten auf fest getretener Erde oder Pflaster zu laufen. Das können nur die Menschen machen, denn keine andere Lebensform möchte mit seiner Umgebung so wenig wie möglich in Berührung kommen. Doch der größte Frevel ist diese Gier nach Besitz, und wenn es ein seltener Stein ist, ist die Gier umso größer. Die Zwerge graben ihre Königreiche in die Erde, denn dies ist das ihrige Element, aber Menschen, die graben Gänge in die Erde, um sich an dem wertlosen Gestein zu erfreuen!
Navanolan dachte an die Menschen, die er auf ihrer Reise in den Norden begleitet hatte. Sie waren vor Monaten in Cormyr aufgebrochen, um wichtige Informationen und Pläne nach Talagbar zu schaffen, und auf der Reise brauchten sie jemanden, der sie auf direktem Weg durch die weiten Wälder führen konnte. Es ging um Bergbau und Handelsverträge. Das der Norden so trostlos war, hatte Navanolan sich nicht vorgestellt. Aber er wollte Eis sehen, große Gletscher oder hohe Berge, mit eisig umwehten Gipfeln. So war es nur hilfreich, sich einer Expedition anzuschließen, denn zusammen kam man in unwirtlichen Gegenden weiter als allein.

Navanolan trottete im Zug mit, den Blick immer in die Ferne gerichtet[1], in der Hoffnung, bald ein Ziel zu erreichen. Solange sie nicht wieder in einer Stadt anlandeten, voller stinkender Halborks, die nicht besser waren als ihre reinrassigen Vorväter, war die Hoffnung in ihm positiv und ab und zu sang er leise in seiner Muttersprache ein Lied, das von den bemitleidenswerten Absichten der Menschen handelte.  1. Fertigkeit "Lauschen" 22

Nam-Ray:
Die Nerven ziehen, es klingelt in den Ohren...

Kann dieser elende Mitreisende nicht langsam mal mit seinem ständigem Gesinge aufhören. Seit wir aufgebrochen waren, aufgebrochen ins Nichts, immer weiter in Lande, derer ich zu betreten mir niemals hätte vorstellen können, elendes Gold, ja seit wir aufgebrochen waren summte, sang oder pfiff dieser... wie war sein Name? Navanolan, richtig! ...dieser Navanolan seine Liedchen. Wenn man ihn wenigstens verstehen könnte...
Am liebsten möchte ich ihm... schau mich nicht so an Welp... du hast mich schon zu viel Energie bei dem Wolfsangriff gekostet. Ich frage mich ständig, ob diese Leibwächter eigentlich zu dämlich sind sich selbst auseinander zu halten. Muss ich dir eigentlich ständig das Leben retten??
Ist ja schon gut, an sich wirkt dieser Gefährte ja ganz annehmbar.
Und seine Geschichten über die Wälder, Heimat war noch nie so weit weg und gleichzeitig so zum greifen Nah.
Nie hab ich jedoch auch solch üppige Weiber gesehen, welch Muskelpracht. Gegen die will ich definitiv kein Kräftemessen veranstalten müssen.

Nam-Ray zog stumm, tief in seine Gedanken versunken, den anderen nach. Welp hatte keine besonderen Wunden davon getragen, obwohl er sich tief ins Getümmel stürzen wollte, doch in Nam-Rays Augen war er noch zu jung, zu unerfahren. Ständig musste er ihn zurück halten, ihn beschützen, vor den anderen, nicht dass sie ihn noch für einen der anderen Wölfe hielten.
Er mochte seinen Auftraggeber nicht, seine Gefolgsleute fast noch weniger, er war die Einsamkeit gewöhnt, zumindest die Einsamkeit von Menschen, Elfen und anderen daher plappernden Wesen. Nun zog er mit einer Meute durch finsterste Lande und kam sich einsamer vor als er es jemals gespürt hatte.
Doch wollte man in dieser Welt voran kommen, und das wollte Nam-Ray, brauchte man Gold. Gold für Nahrung, für Ausbildung, Kleidung und Waffen... und Medizin, ekelhaft teure Medizin...
Nam-Rays Blick verfinsterte sich, dann blickte er starr gerade aus, nach vorn, dahin, wo ihn die Reise hin führen mochte.
Es dauerte sicherlich noch eine ganze Weile, bis er sich mit der Situation abfinden könnte, doch abfinden, so wusste er, musste er sich.
Wenn er doch nur wenigstens ein Wort verstünde, von dem, was ziemlich nah an seinem Ohr gerade gesungen wurde.
Wofür sind Kapuzen eigentlich gut?


     1. Fertigkeit "Lauschen" 13

Navanolan:
Navanolan unterbrach sein Singen. Nicht nur, weil er anscheinend seit Tagen damit auf taube Ohren stieß, sondern auch, um besser hören zu können. Er blieb stehen und trat aus der Reihe. Seinen Blick wand er angestrengt in die Ferne. Doch außer einem dichten Dunst, der am Horizont den Himmel mit der Welt verschmolz, konnte er nichts erkennen. Der Wind jedoch trug recht deutlich einen Laut über die Ebene, der ihn in aufgeregte Spannung versetzte. Ich traue diesen Landen nicht, was es ist, es wird nichts Gutes für uns bedeuten!
Nach einem raschen Blick auf Nam-Ray und Bryndis - diese ungeschlachten Gemüter - schritt Navanolan an dem ganzen Tross vorbei und schob sich durch die Südländer hindurch, dicht an Samuel Goldklee heran. Noch eh er ihm von unten in die Augen sehen konnte begann er aufgeregt aber leise zu reden:

"Entschuldigt Herr Goldklee, ich möchte nicht stören, möchte kein Aufsehen erregen, aber vielleicht ist da..."


Er unterbrach, die Blicke die ihn trafen verwirrten ihn ganz. Ein tiefer Luftzug brachte Navanolan die Fassung zurück:

"Entschuldigt Herr Goldklee, meine Augen sehen in der Ferne Nichts, aber ich vernehme ganz deutlich das trommeln auf einer Handtrommel. Das mag nichts böses bedeuten, aber wer über weites Feld seine Stärke demonstriert ist stark genug, sich nicht verstecken zu müssen. Ich warne vor einem unvorsichtigen Weiterziehen, vielleicht sollten wir Halten und die Gegend erkunden. Treffen wir auf Fremde ist es nicht auszuschließen, dass sie Böses im Schilde führen!"

Navanolan sprach hastig und mit starkem Akzent, den er in der Handelssprache nicht verbergen konnte. Ohne eine Antwort abzuwarten huschte er abermals aus den marschierenden Reihen und stellte sich neben den Tross, in Erwartung er möge an ihm vorbei ziehen, und ließ sich zurückfallen zu den Söldnern.

Ksynthral:
Die anderen Reisenden blickten wenig verdutzt, als einer der Söldner plötzlich zu Ritter Goldklee an die Spitze trat - als er dann allerdings genau so schnell wieder nach hinten verschwand, wie er gekommen war, stutzten sie doch ein bisschen: Niemand erteilte sich selbst eine Audienz bei dem Anführer der Expedition: Ritter Samuel Goldklee!

Der Tross hielt nicht an, ganz so wie Navanolan es vorausgesehen, oder vielleicht sogar gewollt hatte. Samuel Goldklee würdigte den Söldner keines Blickes, ließ es sich aber durchaus anmerken, dass er ihm zuhörte. Die Warnung von Navanolan, und mochte sie noch so klein sein nahm der Ritter durchaus zur Kenntnis. Doch die - seiner Ansicht nach - etwas unwirsche Art des Söldners ignorierte er vollends: Er gab ihm keine Antwort - er nickte nur kurz.

Und schon war Navanolan wieder nach hinten verschwunden - von seinen Gefährten schien niemand die Trommel gehört zu haben.

Ritter Samuel Goldklee derweilen beugte sich zu seiner Leibgarde hinunter und schien irgendetwas mit ihnen zu besprechen. Nach seiner kurzen Ansprache verteilten sich die drei Südländer auf die komplette Länge des Trosses und trieben die Minenarbeiter sowie die drei Söldner zur Eile an. Till musste dem Ritter erneut Wein nachschenken - eine Rast war also noch nicht vorgesehen!

Krähen zogen oben am Himmel ihre Kreise und während sie reisten begann die Abenddämmerung einzusetzen: Navanolan konnte die Handtrommel kein weiteres Mal hören - auch erspähen konnte er nichts. Der Reisetag verlief ruhig, fast zu ruhig.

Aber jetzt war das abendliche Lager für diesen Tag nicht mehr weit.

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