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Autor Thema: Musa, mihi causas memora, quo numine laeso  (Gelesen 15323 mal)

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P. Vergilius Maro

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Musa, mihi causas memora, quo numine laeso
« am: 12.01.2015, 20:07:36 »
Arma virumque cano, Troiae qui primus ab oris
Italiam fato profugus Laviniaque venit
litora, multum ille et terris iactatus et alto
vi superum saevae memorem Iunonis ob iram,
multa quoque et bello passus, dum conderet urbem
inferretque deos Latio, genus unde Latinum
Albanique patres atque altae moenia Romae.
   Musa, mihi causas memora, quo numine laeso
quidve dolens regina deum tot volvere casus
insignem pietate virum, tot adire labores
impulerit. Tantaene animis caelestibus irae?

Kaum fuhren Sie, die Augen von den Gestaden Siziliens wendend ab, da tosten die Winde heran, getrieben vom Willen ihres Königs, des Aeolus, der ihnen in den felsigen Flanken des Atlas gebietet. Verführt von der Königin Juno und der Hand einer Nymphe folgte er dem Willen der Saturnia und trieb sie an gegen die Trojaner zu schlagen, den wilden Boreas und den tosenden Notus, Eurus mit seinen heißen Lüften und sogar den sonst so milden Zephyrus. Auf Befehl ihres Herrn fuhren sie auf die Schiffe nieder und türmten vor ihnen die Wellen auf. Die einen trieben sie gegen die Felsen, die hoch aus den Wassern ragten, andere begruben sie im Sand, den das Wasser in seinem Zurückweichen offen legte. Wie Insekten von Feuer auseinander getrieben werden, so verteilte sich die Flotte über den Wassern. Die entfesselten Fluten schlugen auf das Deck nieder, rissen Männer mit sich fort und begruben sie in ihrem schwarzen Grab. Kein Lichtstrahl drang mehr durch die finsteren Wolken, keine Hoffnung blieb den Aeneaden. Verzweifelt hoben Sie ihre Hände gen Himmel, baten um Rettung und beweinten ihr Schicksal. Wie grausam mussten die Götter sein, sie fort von ihrer Heimat zu führen, um sie dann so fern von allen Landen dem Untergang preiszugeben?
Jede Hoffnung wich aus ihren Herzen und die Kälte von Wind und Wasser ließ ihre Glieder erstarren. Keine Rettung war in Sicht und ein Schiff nach dem anderen wurde dem Blick des Aeneas entrissen. Schrecken durchfuhr seinen Körper als er eines nach dem anderen kentern sah. Orontes und die Lykier wurden von Wellen begraben, selbst der mächtige Ilioneus und der tapfere Achates vermochten der Gewalt der Winde nicht zu trotzen. Welche Verzweiflung lag da in den Augen des treuen Aeneas! Welch eine Sorge um das Schicksal der Seinen umfasste sein Herz! Flehend reckte er die Hände gen Himmel, ein Gebet auf den Lippen.
Doch um wie viel schlimmer war die Lage für die seinen, die nicht ihres Gefolges, sondern des großen Mannes beraubt wurden. Wenn sein Gesicht Angst zeigte, zeigte ihres Schrecken. Wenn seine Hände flehentlich gen Himmel gereckt waren, so fielen sie auf die Knie. Wenn seine Hände zitterten, so zuckten unkontrolliert ihre Leiber. Schon jetzt flossen Tränen über ihre Wangen, schon jetzt erhob sich Gejammer aus ihren Mündern, schon jetzt schlugen sie mit Fäusten gegen ihre Brust.
Aber tief unter dem Meere wurde der Herr der Fluten des Sturmes gewahr. Mit einer Eile wie nur der Herr des Salzes und der Süße sie unter der weinroten Spiegelfläche kennt, begab er sich zu dem Aufruhr. Er reckte sein Haupt auf den Wellen und wie wenn ein Mann von Macht und Einfluss allein durch sein Auftreten das rasende Volk zur Ruhe bringt, legten sich die Wellen. Die zürnende Faust des Neptun entstieg den Fluten und mit der Wut seiner Stimme wies er die Winde zurück in ihre Schranken. Schlimmer noch getrieben als vom Willen ihres Königs flohen sie zurück in die heulenden Kavernen, die sie bewohnten. Da erhob sich Neptun in seiner ganzen Größe über das Wasser, ergriff die Schiffe, drehte sie auf die richtige Seite und hob auch die verzweifelten Trojaner wieder an ihren Platz. Unter den Rädern seines Wagens legt sich jede Welle. Triton und sein Gefolge der Nereiden ziehen reitend auf Delphinen die zerschmetterten Rümpfe fort von den Klippen, befreien sie aus dem Sand und schicken sie auf die Fahrt hin zu ruhigen Gewässern.

Vor fremden Küsten gab es eine Insel, voll von tiefen Höhlen und Kavernen. So zahllos wie die Augen des Argus waren die Mäuler in der Erde, Verstecke für große Männer, welch rasender Feind sie auch jagen mochte. Aus diesen Mündern hallten die Wellen wieder, drangen an die Ohren der gebeutelten Trojaner. Einsam trieb ihr Schiff dahin, der Mast gebrochen, das Segel zerrissen. Doch hinter der Insel taten sich Hügel auf, das Antlitz eines fremden Landes, nie zuvor gesehen von Trojas Mannen. Schützend lag die Insel vor den Küsten, brach die Wildheit der weiten See. Wie der Feldherr an der Spitze seiner Truppen die Wogen der Feinde teilt, so schütze auch die Insel die Küste. Ein Strand erstreckte sich, ruhig und friedlich, unberührt vom Blut, wie es die Gestade Iliums befleckt hatte und doch nicht vor ihm gefeit. Als sie dies erblickten, fassten die Dardaner neuen Mut. Noch immer fehlte ihnen der Anblick des Mannes, der sie auf diese Reise geführt hatte, doch wenn sie sicher an einer fremden Küste landen können, so mochte dies auch ihm gelungen sein. Das Meer mit den verbliebenen Rudern schlagend treiben sie ihr Schiff zur Küste. Es ächzen die Planken unter der neuen Last und es knarrt der Kiel als er auf den Sand stößt. Eilig springen die Männer hinab und ziehen das Holz, das sie über die Meere getragen hatte, an Land. Ein fremdes Land ist es, keinen Namen vermögen sie ihm zu geben und doch danken sie seinem Boden für ihre Rettung.
« Letzte Änderung: 12.01.2015, 20:32:43 von P. Vergilius Maro »
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Aristeas

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« Antwort #1 am: 14.01.2015, 12:21:34 »
Noch immer brannte die Seeluft unangenehm in den Augen des Sprosses des Mars. Immer noch war seine Haut rissig und trocken von zu langer Reise unter unbarmherziger Sonne und in salzgeschwängerter Luft. Aber er hatte es wieder. Das Land unter seinen Füßen fühlte sich immer noch ungewohnt an- aber sicher. Kein Schwanken. Kein Kampf gegen die Wellen, den er nur verlieren konnte. Kein Peitschen des Windes, der ihm Wunden zufügte, schmerzhafter als so mancher Hieb den er in seinem Leben schon einstecken musste.

Als sie von Bord gingen, war er einer der Ersten gewesen. Als vorgeschoebener Grund aus überbordendem Eifer. In Wirklichkeit aber nur, um schnell dem Zwang zu entfliehen, den die See auf ihn ausgeübt hat. Er war noch nie ein begeisterter Seefahrer gewesen. Und die letzten Tage, wenn nicht Wochen haben seiner Selbstbeherrschung das letzte abverlangt. Jetzt aber waren sie angelangt. Das Boot für den Moment sicher am Land. Und Aristeas wieder auf einem Gebiet, wo er sich auskannte. Den Speer in den Boden der Insel gerammt, den Schild darangelehnt, und den Helm scheinbar achtlos danebengeworfen, wartet er darauf, dass die Gefährten, die sich auf dieser beinahe schon den Epen entsprungenen Odyssee zusammengefunden haben, sich versammeln um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Cei Maiante

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« Antwort #2 am: 14.01.2015, 15:44:39 »
Auf und ab, auf und ab. Noch immer spürte Charálampos den Gang der Wellen in seinem Blut, während sein Leib auf dem Sand der fremden Küste ruhte. Wie schrecklich war dieser Sturm, wie grausam die Erfahrung des Verlustes. Doch sie hatten es geschafft zu überleben. Die Götter schienen wenigstens ihnen wohlgesonnen zu sein, auch wenn es einiges an Kraft gekostet hatte. Davon zeugten die Männer im Sand, welche wie Charálampos mitgeholfen hatten, dass Stück Holz, was sie Schiff nannten,  an Land zu bringen.

Für einige Zeit ergab sich Charálampos den Forderungen seines Leibes. In diesem Momenten war es ihm egal, wie nass seine Kleider an ihm hingen und wie weit weg eine schützende Rüstung war. Er genoss es wieder Boden statt Holz unter sich zu spüren. Als er sich aufrichtete, langsam denn mehr ließen seine Glieder gerade nicht zu, sah er wie Männer das Schiff weiter sicherte und die ersten von Bort gingen. Etwas Abseits, sah er auch schon den ersten Krieger in seiner Rüstung und mit Speer. Das Schiff war offensichtlich wieder zu Leben erwacht und reckte seine zerschlagenen Glieder. Langsam ging er zum Schiff hinüber. Wie viele waren wohl von Bord gespült worden? Er selbst hatte gesehen wie zwei Männer von Wind und Wellen fort getrieben worden waren, doch waren es sicher mehr. Denn die Götter der Winde waren grausam, unbarmherzig. Wenigstens sein Bruder sollte in Sicherheit gewesen sein, bei den Frauen und anderen Kindern. Am Kiel des Schiffes angekommen, wendete er seinen zurück zum Strand. Mit rasch wandernden Blick suchte er einen Mann, seinen Freund Triophthalmos. Wo war er nur? Es war einfach zu hektisch gewesen und so hatte er ihn aus den Augen verlohren. Schließlich hieß es überleben.
« Letzte Änderung: 14.01.2015, 15:47:34 von Charálampos »

Iliana

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« Antwort #3 am: 15.01.2015, 22:20:39 »
Als der Sturm aufzog, legte Iliana ihre Rüstung ab und verstaute ihre Ausrüstung sicher im Inneren des Schiffes. Dann sprang sie ins Meer und tauchte unter das Schiff. Unter der Wasseroberfläche war der Sturm deutlich gedämpft. Sie tauchte auf und warnte, wenn es in die Nähe von Felsen ging. Später war das Wasser zu wild. Sie blieb unten und schwamm zu den Unglücklichen, die über Bord gegangen waren. Sie zog sie hoch und schob sie zum Schiff oder zu schwimmenden Trümmerstücken. Da das immer häufiger geschah, sie zu mehreren ins Wasser fielen und teilweise gerüstet waren, ging es bald über ihre begrenzten Kräfte hinaus. Verzweifelt versuchte sie zu helfen, wo es ging, am Ende des Sturmes schaffte sie es zunächst nicht einmal mehr aufs Schiff.

Mit der Ankunft an der fremden Küste winkt Iliana ihren Bruder zu sich, weist auf ihre Rüstung und lässt die Hand anschließend über ihren Körper wandern. Sie helfen sich gegenseitig in ihre Rüstungen mit routinierten Bewegungen. Keiner sagt ein Wort, erst als sie fertig waren, öffnete Iliana leise den Mund. Eine Mischung aus Knurren, Knirschen und langanhaltenden Tönen verlässt ihn, begleitet von einer Menge Gesten: Zuerst zeigt sie schnell hintereinander auf Iphitos und sich, dann rotieren ihre geballten Fäuste umeinander und anschließend bewegen sich die Hande in flacher, waagerechter und nach oben offener Haltung seitwärts. Es folgt eine flache nach unten offene Hand, die waagerecht über etwas streicht und dann auf Stirnhöhe etwas greift und gleichzeitig nach hinten bewegt. Nun ist sie wieder still und schaut erwartungsvoll auf ihren Bruder.

Triophthalmos

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Musa, mihi causas memora, quo numine laeso
« Antwort #4 am: 16.01.2015, 15:39:50 »
Eine solche Reise zu beschreiben mochte wohl unmöglich sein, wenn sie noch nicht beendet war und wenn man noch mitten im Überleben steckte. Trios fühlte das nasse und dadurch ungewohnt scharfe Tau auf seiner Schulter, wo es das Fleisch oberflächlich schnitt und zerrieb. Es gab jetzt keine Ausrede dafür, denn genau so, wie sie selbst eine Pause brauchte und ihre Wunden lindern, ihrer Verwirrung Abhilfe schaffen mussten, war es so, dass ihre Schiff, wenn auch von Neptuns Gutwillen gerettet, wieder in Schuss gebracht werden musste, ehe sie überhaupt an die weitere Reise denken konnten. Sie hatten Männer und mehr noch lebenswichtigen Proviant verloren, noch mehr Bekannte, manche sicher auf Freunde, Liebe und Verwandte.

Triophthalmos ließ das Seil fallen, als sie ihr Schiff endlich auf den steinigen Sand gehievt hatten. Kurz erwägte er, seinen Körper dem schlaffen und nassen Seil folgen zu lassen und durchzuatmen. Doch es war der falsche Zeitpunkt dafür. Sie waren an einem fremden Ort und auch wenn er Neptuns Gutwillen dankbar und flehend in Empfang genommen hatte, war er - zerstört im Vertrauen durch den Untergang Trojas und der Reise - wahrlich nicht mehr bereit, ewige Dankbarkeit zu beschwören oder zu bezeugen. Wer mochte schon sagen, nach all dem, was passiert war, dass Neptun sie einfach nur aus dem tosenden Meer an fremdes Gestade errettete, um sie dort nur von anderen Gefahren zermatert und getötet zu sehen? Triophthalmos sah inzwischen nach der unsanften und unbefriedigenden, an Härte und Salz nicht zu überbietenden Reise die Feinde überall, in den Ästen der Zypressen, den Bäumen des Totenreiches, in den Olivenhainen, in den Wellen und in jeder Wolke. Alles in ihm rief nur noch nach Überleben und verdrängte jede geistige Regung durch puren, von Schmerz getriebenen Instinkt. Und deshalb folgte er nicht dem Seil, nass und schlaff wie er selbst nach diesem Ritt war, in den Sand, sondern griff nach seinem Schilde und behielt alle drei Augen auf.

Er war immerhin ein Späher und auch, wenn er Aeneas und den Rest der trojanischen Hoffnung nicht mehr sah, sie waren an fremden Gestaden, und noch vor Erschöpfung und Erleichterung blind. Jemand musste sichten, ob Gefahr dräute und wie viele Männer ihnen vom geretteten Schiff geblieben warrn. Und so schritt Trios den zerschlagenen und zerfurchten Holzkörper entlang, versuchte sich einen Überblick über Überlebende und den Zustand des Schiffes zu machen, und dabei auch auf Anzeichen von Freunden und Bekannten zu achten[1]. Seine Augen sahen zumindest ein paar vertraute Gesichter. Er sah Iliana und Iphitos, die er zwar nicht besonders gut kannte, aber die wegen ihrer Eigenarten, für die sie in Sparta als Kinder von der Klippe geworfen worden wären, bekannt waren. Er sah mit halb beruhigtem und halb beunruhigtem Blick, dass es auch Aristeas geschafft hatte, Merope war auch lebendig aus dem hölzernen Leichnamen von Schiffen entstiegen. Und er sah schließlich, dass Charálampos, den er im Chaos der Stürme aus den Augen verloren hatte, über den Strand wankte, augenscheinlich suchte er auch nach Trios.

Trios näherte sich langsam seinem besten Freund, jedoch nicht ohne kurz das Meer und die Perspektive ins Land in Augenschein zu nehmen, mit den Augen den Strand abzusuchen und nach Anzeichen von Feinden oder der Unberührtheit zu schauen[2]. Er lachte auf, als er endlich bei Charis war und schlug ihm freundschaftlich auf den Oberarm und umfasste ihn dann dabei. "Ein Mythenwetter. Wer hätte gedacht, dass die Götter es so auf uns abgesehen haben, was? Irgendjemand von uns muss sie nachhaltig verärgert haben oder sie treiben unsere Spielchen mit uns, was?" Charis konnte erkennen, dass Trios sich nicht ernsthaft freute, höchstens darüber, dass er mit dem Leben davon gekommen war. Und so gingen Trios Blicke an Charis vorbei. Seine Stimme erschall über den Strand.

"WER BRAUCHT HILFE? VERLETZTE? ALLE IN ORDNUNG? WENN JA, SAMMELT EUCH!" Trios wusste nicht, ob ihm das Ergreifen des Wortes zustand. Aber er konnte Aeneas und sein Schiff nirgendwo sehen, und da er nicht genau wusste, wer alles aus der höheren Hackordnung ihres Schiffes überlebt hatte, nahm er das auf sich, die Leute erstmal um sich zu sammeln, damit sie zueinanderfanden. Es war nichts, was ihm persönlich zustehen mochte, aber es war das, was man von einem Bürger Trojas erwarten durfte. Souveränität im Strudel des Chaos. "SAMMELN!", erklang sein Wort nochmals, fordernd und knapp.
 1. Perception 15
 2. Perception 26
« Letzte Änderung: 16.01.2015, 19:16:28 von Triophthalmos »
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Merope

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Musa, mihi causas memora, quo numine laeso
« Antwort #5 am: 16.01.2015, 23:58:01 »
Kälte machte ihre Glieder klamm und unbeweglich. Gleich zu Beginn des Sturmes war sie beinahe über Bord gegangen und seit dem keinen Moment mehr trocken gewesen, so dass sie jetzt all ihre Habe für nur einen Fetzen trockener Kleidung hergegeben hätte. Merope hatte sich in eine knappe, leichte Tunika gekleidet, in der Hoffnung, dass diese schneller trocknen würde, als das lange Gewand, in dass sie sich für gewöhnlich hüllte. All die Geschichten, die sie gelernt hatte, all die Lieder... nun fühlte Merope sich, als wäre sie selbst ein Teil von ihnen - von den Tragischen und Traurigen, vor allem.

Merope verzagte, wie konnte ein Mensch allein nur soviel Unbill erdulden müssen? Nach dem sie den zornigen Fluten nur knapp entronnen war, hatte sie sich im Schiff verkrochen und still jeden Gott, der ihr bekannt war um Gnade angefleht. Hätte Sie sich nur fallen gelassen und wäre ertrunken, dann hätte der Sturm mit Sicherheit früher aufgehört. Doch einmal mehr hatte Merope erfahren, wieviel ihr das eigene Leben bedeutete. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass ihr das Leben der anderen wohl weniger bedeutete - eine Erkenntnis, die sie mit einem merkwürdigem ambivalentem Gefühl zurückließ, mit Schuld und Scham, aber auch mit... Rausch?

Sie stand auf, nahm das nasse Päckchen mit ihrer spärlichen Habe und kletterte unbeholfen vom Schiff herunter. Das Gefühl, des Sandes unter ihren Sohlen, ließ sie milde Lächeln - eine wahre Freude, wenn der Boden sich nicht mehr zu bewegen wagte, so wie es sich gehörte. Am Strand sah sie sich schließlich nach den Anderen um. Eigentlich kannte Merope alle Flüchtlinge. Die Männer hatten sich mit nur einer Ausnahme schon allesamt bei ihr vorgestellt. Die Ausnahme war Charálampos, gerufen Charis, der gerade bei seinem Freund Triophthalmos, gerufen Trios, stand und mit diesem sprach. Entweder hatte dem Jungen noch niemand erzählt, was man so alles mit Frauen anstellen konnte oder er hatte einen anderen Geschmack. Letzteres traf vermutlich sogar zu, so wie er an dem älteren Trios klebte.
Die Kinder kannte Merope beinahe noch besser. Aus verschiedenen Gründen liebten sie die junge Frau, nicht zuletzt weil niemand so viele Sagen und Lieder kannte, wie sie. Und so schafften sie es auch regelmäßig Meropes Herz zu erweichen und ihren Wünschen nachzugeben. Die meisten Frauen versuchten Merope zu meiden, schafften es aber eigentlich nie, sich nicht doch dazu herabzulassen der Erzählerin ihre Meinung mitzuteilen und dass sie gefälligst ihre Männer in Ruhe lassen sollte. Allerdings gab es auch Frauen, die Meropes Nähe suchten. Es hatte den Anschein, dass es die meisten durch den Sturm geschafft hatten, vielleicht war der Zorn der Götter doch nicht so schlimm gewesen?

Trios brüllte herum, als hätte er es mit einer Abteilung Krieger und nicht mit einem abgerissenen Haufen von Überlebenden zu tun. Andererseits hatte er wohl schon recht und irgendwer musste ja schließlich die Führung übernehmen, also schritt Merope den Strand entlang auf die beiden Krieger zu. "SAMMELN!" brüllte der alte Veteran ein weiteres mal, als Merope neben ihm erschien. "Was, o großer Heerführer, sollen wir denn sammeln?" fragte sie mit einem schelmischen Lächeln, dass ihren unschuldigen Tonfall Lügen strafte. Sie konnte machen was sie wollte, sie zwang sich sogar regelrecht dazu stets freundlich und hilfsbereit zu sein, doch hin und wieder kam sie nicht umhin dem Drang zur Insubordination nachzugeben. Gerade bei Trios machte es ihr Spaß, kamen seine Befehle doch ihrem Empfinden nach wesentlich fordernder als die der anderen Krieger. Wenngleich Merope Führerschaft in einer Situation wie der jetzigen nicht in Frage stellte, beschwor der ihr eigene Freigeist doch immer wieder solche kleinen Spitzen herauf. Hatte sie noch vor Augenblicken finsteren Gedanken nachgehangen, hellte Meropes Gemüt immer mehr auf, während sich all ihre Gefährten langsam um sie herum sammelten. War die Freude am eigenen Leben nicht die schönste Freude? Breit lächelnd zwinkerte sie Charis zu und rief ausgelassen "Die Erde hat uns endlich wieder! Niemand kann mir erzählen, dass der Mensch auf das Meer gehört." Leicht fröstelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah die beiden Männer an "Ein Feuer wäre eine gute Idee, meint ihr nicht? Zum Trockenwerden? Ich bin jedenfalls noch immer ganz nass." Merope hatte sich während ihrer Irrfahrt inzwischen einen gewissen Ruf als schnellste Entfacherin von Feuern jeglicher Art erworben, vom entflammten Herzen bis zum Lagerfeuer. Gerade Letzteres hatte so manchen Stolz empfindlich und nachhaltig verletzt[1]. Als sie an Trios' Gesicht vorbei schaute, konnte sie Aristeas' Gestalt im Hintergrund aufragen sehen. Sie biss sich auf die Unterlippe, denn seit sie sich kannten, seit der letzten Nacht Trojas stand all das was geschehen und gesagt und all das was nicht geschehen und nicht gesagt wurde zwischen ihnen, aber dennoch mochte sie den Krieger, sehr sogar, außerdem hatte sie ja auch noch eine Schuld zu begleichen. "ARISTEAS! HIER SIND WIR!" sie winkte mit einem Arm und zwinkerte Trios dabei übertrieben verschwörerisch zu. Der alternde Späher hatte sie gebeten, sie möge dem jüngeren Waffengefährten ein wenig mit ihrer Nähe erfreuen. Sie konnte sich zwar bisher nicht ausmalen was Trios damit bezweckte, doch dass er etwas bezweckte ahnte sie jedoch schon. Anstatt dies zu hinterfragen, hatte sie sich für den Gefallen mit einer wundervollen Lyra bezahlen lassen. Die Götter allein wussten, wie Trios an das kostbare Instrument gelangt war. Merope war es egal, genauso egal wie ihr Trios' Beweggründe waren.
 1. Natürlich mit dem Zauber Spark
« Letzte Änderung: 16.01.2015, 23:58:12 von Merope »
Ein Weib ist allmächtig. Wehe dir, wenn sie mit ihren schwachen Händen in die Räder deines Schicksals greift: zitternd wirst du zum Stillstand kommen! -Georg Weerth

P. Vergilius Maro

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« Antwort #6 am: 17.01.2015, 19:31:58 »
Endlich auf dem rettenden Sand angekommen, drängten die verbliebenen Trojaner sich zusammen. Schnell retetten sie, was zu retten war vom Schiff, nicht zuletzt das Getreide, die einzige Nahrung die ihnen blieb, feucht von den Wasser der salzigen Fluten.
Dank der Hilfe der Meeresgötter blieb die Mannschaft bis auf einen unversehrt. Nirgends waren Spuren zu sehen von Gerides, dem Steuermann. Eine Welle aufgeworfen von Boreas selbst hatte ihn erfasst und in die Tiefen hinab fortgezogen, so schnell und so grausam, dass selbst die Hand Tritons ihn nicht mehr rechtzeitig zu erreichen vermochte. Vor diesem grausamen Schicksal bewahrt versammelten sich die wenigen Trojaner, ohne Hoffnung auf den Gesichtern. Wie sollte es sie auch geben, wenn sie ihres Anführers, des treuen Aeneas, beraubt waren?
Trios Augen schweiften über die Gesichter und die spiegelnde Fläche des Meeres. Nichts war zu entdecken von den übrigen Schiffen, nur der seichte Wind strich über die Wasser und ein leises Heulen ertönte aus den Höhlenschlünden der Insel. An der Küste, hoch über den kläglichen Überresten des einst so stolzen Schiffes erhoben sich gewaltige Klippen. Hätte ein Feind dort oben gestanden, allein hätte er die Trojaner vom Strand vertreiben können. Doch keine Seele war weithin zu sehen, kein Tier ließ sich sehen, kein Vogel sang sein Lied. Ja nicht einmal Gestrüpp erhob sich auf dem kahlen Fels, geschweige denn ein Baum, der Holz spenden könnte, das Schiff zu reparieren. Wie Mauern ragte der Fels über der Küste auf, nur ein shcmaler Pfad führte nach oben, vorbei an glattem Fels, ganz so als Hätte eine reißender Strom ihn für Jahre poliert. Selbst der Strand erweckt diesen Eindruck, doch von der Gewalt des Wassers ist weithin keine Spur.
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Iphitos

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« Antwort #7 am: 18.01.2015, 02:54:44 »
"Ja, um zu erfahren wohin uns Neptuns Zorn verschlagen hat und ob es Aeneas und die anderen vielleicht in der Nähe an Land getrieben hat." beantwortet der junge Seher was offenbar eine Frage seiner Zwillingsschwester gewesen war ehe er mit dem gewohnten Hinken den anderen an Land folgt.

« Letzte Änderung: 18.01.2015, 11:54:23 von Idunivor »
"Mens agitat molem" - "Der Geist bewegt die Materie" - Ovid
scio et prospicio

Triophthalmos

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« Antwort #8 am: 18.01.2015, 18:23:06 »
Ignorieren. Einfach ignorieren. Triopthalmos kämpfte innerlich etwas mit seiner Fassung, als Merope diese ins Wanken zu bringen versuchte. Er hatte noch nicht einmal ein Wort zuende gesprochen und schon fiel sie, eine Frau, ihm in jenes. In einem völlig unangebrachten Moment. So war es wohl mit diesen Sirenen, die glaubten, dass all Kosmos sich um sie bewege. Merope war vielleicht nur eine dunkle Helena. Und darin lag auch das Tragische, war Trios doch nicht so viel anders und dachte auch, dass all Kosmos sich um seine Person zu drehen hatte, und dann wieder nicht, wenn aller Druck und alle Verantwortung ihn zu erdrücken schien und Feigheit ihn übermannte. Er atmete durch, verkniff sich einen scharfen Konter oder den erbärmlichen Versuch, sich auf ein Schlachtfeld zu stellen, in dem er der schönen, der mysteriösen Merope so gnadenlos unterlegen war. Sich jetzt in ein Wortgefecht zu stürzen, bedeutete wieder einmal einer List dieser tückischen Schönheit zu verfallen und seine eigene Position zu untergraben und nichts anderes wollte sie doch, und nichts anderes konnte ihr jenes erfreuen, welches einst ein Herz und nun in den Tartarus gesperrt war. Ja, es war kein Amboss, der neun Tage gefallen war, um den Tartarus zu erreichen, es musste ihr Herz gewesen sein. "Oder gar mein Herz, dass sie hinabwarf in ihrer Kühle?" Triophthalmos hatte sie nutzen wollen, um einem Konkurrenten, um Aristeas, das Herz herauszureißen, und als Dank hatte sie das seine genommen und hinabgeworfen. Kämpfe, die man nicht gewinnen konnte, in denen man nur überleben konnte, in denen man Agamemnons Worte zu schätzen lernte. Besser, wer fliehend entrann der Gefahr, als wen sie ereilet! Wäre er nur beim ersten Schlagen seines erwachenden Herzens geflohen statt sich in ihrem Netz zu verfangen. Des Kriegers Herz blieb töricht.

Trios atmete tief durch und wartete darauf, dass sich alle gesammelt hatten. "Ich weiß, wir sind müde. Wir sind nass, durchgefroren, erschöpft, dem schwarzen Grab entronnen und doch herzensschwer über unsere Verluste. Doch dieser Ort ist nicht zu verteidigen, dieser Ort ist fremd und seine Gesinnung uns verborgen.", Triophthalmos rieb sich seine dunklen Augen und den Bart. Er brauchte seine eigene Erschöpfung nicht spielen, sie war so greifbar wie der Tod ihres Steuermannes. Er blickte jedem seiner überlebenden Gefährten und Gefährtinnen in die Augen. Dann zeigte er die Klippe hinauf. "Von dieser Klippe aus kann ein einziger Feind uns vernichten, wenn wir hier unten harren." Sein Finger zog hinüber auf die offene See. "Die See hat uns für den Moment verstoßen und das Land auf dem wir stehen, ist von ihrer Wut ausgewaschen. Es ist kein Ort für ein Lager. Wir werden auf die Klippe ziehen und dort ein Lager errichten, unsere Wunden versorgen und einen Moment der Ruhe finden. Aeneas ist nicht unter uns, und da wir nicht wissen, was mit unserem Herren passiert ist, müssen wir - ja, wir müssen - bei klarem Geiste bleiben, um ihn wieder zu finden, um zu wissen, ob er das Meer gemeistert hat. Dazu brauchen wir unser Schiff, unsere Körper, unsere Augen und unser Vertrauen auf Aeneas."

Trios nahm seinen Schild auf, das dritte Auge zeigend, als er ihn an seinen linken Arm band. "Ich werde mit einigen Freiwilligen Ausschau halten, erfahren wie das Land uns gesinnt ist, während die anderen das Lager errichten, die Wunden schließen, die nasse Nahrung überprüfen. Ein Blick wird auf das Schiff gehalten und Wachen gebildet. Ich und der Trupp von Freiwilligen werden nach dem Lande sehen, nach Hölzern, um unser Schiff in Gang zu bringen, nach Nahrung und nach Hinweisen auf die anderen Trojaner." Seine Befehle waren knapp und prägnant, die Erklärungen nur so kurz, wie er glaubte, dass sie hinzugefügt werden mussten. "Doch vorerst werden wir zur Klippe hinaufziehen und einen Lagerplatz suchen. Packt eure Sachen zusammen und folgt mir."
Erschöpfte Entschlossenheit trat in das Gesicht von Trios. Trotz all ihrer Verluste, er fühlte sich merkwürdig wohl, wie die Augen vieler der Überlebenden auf ihm lagen, hoffnungslos und auf klare Befehle wartend; oder so bildete er es sich zumindest ein. Er sah ihren Kummer, die noch ungetrockneten Tränen des Verlustes, aber er sah auch, dass sie darüber noch nicht so sehr auf Aristeas achteten, ihm etwas Gunst schenkten und war es nur für einen Moment. Einmal wieder vor Aristeas stehen, der ihm sonst alle Gunst abspenstig gemacht hatte: die Gunst des Mars, die Gunst der Bürger, die Gunst der Krieger...die Gunst Meropes? Sein Blick ging durch die Reihen, traf Aristeas Blick und einen Moment länger Meropes, ein Stück weit enttäuscht, ein Stück weit trotzig.

Dann setzte er den Helm auf, der nach einer künsterlischen Darstellung des verdammenden Pferde Trojas geschaffen war und für einen Moment war es jener, der ihnen immer den Verlust ihrer Heimat vor Augen führte, der ihnen jetzt auch den Verlust Aeneas vor Augen führte und sie dennoch weiter in Andenken an Troja und Aeneas - bis sie von seinem Schicksal wussten - führen wollte. Jemand reichte ihm sein Speer und er nahm seine Habe noch auf, ehe er voranschritt Richtung des Aufganges zu den Klippen. "Wir bauen das Lager, und auf dem Weg nach oben, überlegt euch, wer von euch freiwillig mit mehr auf die Suche gehen will[1]. Folgt mir."
Es war wichtig für ihn, dass er den ersten, den entscheidenden Schritt ging, vor Aristeas. Dass die Männer einmal wieder ihm folgten und nicht dem Sohne des Mars. Unter dem Helm verzog Trios das Gesicht, und in Kummer über diesen Zwiestreit, der wortlos und unehrenhaft von ihm begangen worde, schwand die Freunde über diesen ersten Schritt, den er dann tat. Wieso konnte er Aristeas nicht wie einen Bruder lieben? Warum musste er ihn nur so hassen und schätzen zugleich...
 1. Als Angebot, dass wir uns als Gruppe vielleicht darüber zusammenfinden.
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Iliana

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« Antwort #9 am: 18.01.2015, 19:20:12 »
Iliana nickt zur Antwort ihres Bruders und prüft ihr Bündel noch einmal sorgfältig, bevor sie es mit ein wenig Mühe anlegt. Schild und Dreizack hängt sie sich an den Rücken, nimmt den Bogen zur Hand und überprüft die Spannung. Dann lässt sie sich von Bord fallen und überholt mit zügigen Schritten Iphitos. Sie sieht sich flüchtig nach den anderen um und nickt Charis zu, ohne seinem Blick zu begegnen. Trotz das sie so bepackt ist, ist sie schnell unterwegs und passiert die Sammelstelle. Kurz zögert sie, als sie Trios Worte hört. Nervös verlagert sie das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und schaut mehrmals kurz auf. Das Zucken ihrer freien rechten deutet an, das sie über etwas mit sich ringt. Dann rafft sie sich auf und läuft weiter in Richtung Felsen. Sie beginnt sich halb laufend, halb kletternd hinaufzubegeben, wohl um den höchsten Punkt zu erreichen, der noch in Sicht- und Hörweite ist, um sich Übersicht zu verschaffen.

Cei Maiante

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« Antwort #10 am: 18.01.2015, 22:43:07 »
Oh wie gut war es, dass es Trios gut ging. Charis war sichtlich erleichtert. Er erwiderte gar dessen Gruß und wich ihm erst einmal nicht von der Seite. Selbst als Merope auftauchte und ihre launischen Stichelei vollzog. Was sahen nur die Männer an ihr? Egal, sollten sie doch sehen was sie wollten.
Während sich alle Sammelten, ließ Charis seinen Blick schweifen. Er entdeckte Thémis wie er mit den anderen Kindern das Schiff verließ. Damit war seine größte Sorge dahin. Fast wäre er zu seinem Bruder gelaufen, doch wenn Trios sammeln rief, hieß es sammeln.  Erst nachdem die Befehle klar waren verließ er seine Seite. Er eilte zu seinem Bruder, vorbei an Iliana. Ihr Nicken registrierte er durchaus. Er hielt gar inne und blickte ihr nach. Ja so musste eine Frau sein. Einer Amazone gleich bereit für jeden Kampf.

Bei seinem Bruder angekommen drückte er diesen an sein Herz. Der Junge musste fast schon schwören, dass es ihm gut ging. Vorher ließ Charis nicht locker. Erst stieg er ins Schiff und holte seine Sachen. Am Ende fehlte nur noch das Heilerzeug. Je mehr sich Charis im Bereich der Heiler um sah, desto wütender und verzweifelter wurde er. Es gipfelte darin, dass er mit der Faust auf den nächstbesten Tisch schlug. Die Zähne fest zusammen beißend, murmelte er einige Flüche und Verwünschungen. Das salzige Wasser, der Wellengang und die stürmischen Winde hatten ihr Schlimmstes getan. Viele Kräuter waren weggeweht worden, nicht besser erging es den Binden und wenn doch noch welche da waren, waren sie klitsch nass. Rumstehen und die Welt verfluchen nützte aber nichts. Charis sammelte das ein, was noch zu gebrauchen war. Für gut zwei Hand voll Verwundeter konnte er Material zusammen stellen. Die Restlichen Sachen mussten erst einmal gewaschen werden und dann gut trocknen.

Mit so vielen Sachen, wie er und sein Bruder tragen konnten, machte er sich dann auf Trios auf die Klippen zu folgen. Das was er anlegen konnte, also seine lederne Rüstung, hatte er über seine nassen Sachen angezogen. Nicht gerade ein angenehmes Gefühl aber es ging nicht anders. Oben würde er seinem Freund die Lage mit den Heilkräutern erklären müssen. Ebenso wie, dass er auf jeden Fall mitkommen würde um ihren Kräutervorrat wieder aufzustocken.

P. Vergilius Maro

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Musa, mihi causas memora, quo numine laeso
« Antwort #11 am: 22.01.2015, 09:52:39 »
Noch bevor ihre Hände den Aussichtspunkt berührten, der über dem Meer aufragte, wie ein Turm, spürte Iliana in ihrem Blut - dem Blut des Meeres - was sie als nächstes sehen würde. Dort oben, hoch über den Wassern, die ihre Mutter bewohnte, sah sie etwas vor sich, das ihr Angst machte. Denn das Land hinter dieser Klippe war nicht einfach nur Ödnis, kein lebendiger Strauch, kein lebedinger Baum, gar nichts, was dem Willen der Ceres gehorchte schlug hier seine Wurzeln in die fruchtlosen Erdschollen.
Auch jetzt verbarg sich das Flussbett nicht vor ihr. Beraubt war es seines Wassers und das kalte Nass, das sich einst brausend von der Klippe gen Meer gestürzt hatte war nirgends zu sehen.
Indessen trugen die versprengten Trojaner alles von Wert zusammen, sich ein letztes Mal aufraffend, um die Klippen zu ersteigen. Der gebogene Kiel ihres Schiffes würde die Wasser nicht wieder berühren, einen anderen Pfad hatte das fatum ihnen bereitet.
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Triophthalmos

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« Antwort #12 am: 22.01.2015, 11:24:35 »
Triophthalmos nahm die Nachricht, dass ihr Schiff irreparabel beschädigt war, mit einem missmutigen Grunzen auf. Das Sammeln von Holz und dergleichen hatte sich also erledigt, und sie mussten einen anderen Ansatz finden, um ihre Gefährten wiederzufinden, oder realistisch betrachtet: um überleben zu können. Der stolze Krieger kratzte sich am Hals, während er über das kahle Land schaute, welches sich ihnen nach dem Aufstieg zur Klippe offenbarte. Waren sie schon tot und in ein Abbild des Tartarus gesteckt, welches voller Ödnis war? Nein, er sah den Himmel über sich. Dennoch ein totes Land, das war beunruhigend und würde ihren Überlebenskampf nicht leichter machen und ein dauerhaftes Lager an dieser Stelle zudem weitestgehend unmöglich werden lassen. Gleichwohl war bei diesem öden Land ein Rastplatz fast so gut wie die nächste und hier waren sie immerhin am Meer, und vielleicht würden Neptun und Triton sie zumindest eine Zeitlang mit Fisch versorgen, bis sie etwas besseres gefunden hatten.

Es machte es dem Krieger jedoch nicht leichter, seinen Waffenbrüdern und den restlichen Überlebenden Mut zuzusprechen, also versuchte er sich gar nicht daran. Stattdessen blickte er sich unter den Trojanern um, nicht ohne vorher nochmal das kahle Land in Augenschein zu nehmen. War es wirklich so gänzlich tot, wie es den Anschein hatte[1]? Sein Blick versuchte Anzeichen von Leben, lebendiger Natur oder zumindest von Spuren lebendiger Wesen abzusuchen. Dann wandte er sich wieder den Trojanern zu. "Wer hat in sich die Kraft gefunden, mich zu begleiten?", fragte er mit gespielter Ruhe, die ihm nicht mehr wirklich innewohnte. All den Weg gekommen, nur um hier zu verrecken, ohne Nahrung und Trinkwasser? "Welche Art von Rettung ist dies, Neptun?"

Ansonsten ging Triophthalmos davon aus, dass seine Befehle weitestgehend unverändert bleiben würden. Jetzt brauchten sich nicht mehr nach Holz Ausschau halten, um das Schiff instandzusetzen, aber alles andere blieb ihre Aufgabe und ihre versalzenen Vorräte mochten noch ein wenig halten, um ihnen etwas Zeit zu geben, die Gegend trotz ihrer Ödnis auszukundschaften. Also stellte Trios sich etwas abseits hin, während die restlichen Trojaner das Lager aufbauten, wartend, dass sich die Freiwilligen zum Kundschaften meldeten.
 1. Perception 18  / Survival 12 (13 bei Spurenlesen)
Bear up, my soul, a little longer yet;
A little longer to thy purpose cling!

Iliana

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« Antwort #13 am: 22.01.2015, 23:47:54 »
Der Anblick der kargen Gegend jagte Iliana einen Schauer über den Rücken. Sie hasste solche Gegenden, fern vom Element ihrer Mutter und Wesen, mit denen sie sich verständigen konnte. Selbst zum Jagen würde es wohl nicht viel geben. Sie blieb eine Weile stehen und sah sich um, während ihre Kameraden sie einholten. Als diese etwa die gleiche Höhe erreicht hatten, kam sie von ihrem Beobachtungsposten herunter und drückte sich nahe der vorbeiziehenden herum, bis ihr Bruder in der Nähe war.

Sie zog ihn zur Seite und versuchte, ihre Laute leise von sich zu geben. Begleitet wurden sie von einigen Gesten: Zuerst wieder die waagerechte flache Handbewegung, dann fiel die andere ebenso flach auf die erste, begleitet von einem traurigen Gesicht. Sie zeigte auf ihn, dann führte sie die Hand zur Stirn und schließlich öffnete sie sie vor ihm, als würde sie ihn auffordern, etwas zu geben. Eine kurze Pause folgte, dann zeigte sie auf sich, wedelte sie mit zwei Fingern vor ihren Augen, legte sie kurz den Kopf zur Seite auf beide aneinandergelegten Hände und kreuzte zweimal vor sich ihre Zeigefinger, jeweils gefolgt von einer Wellenbewegung und einer zum Mund geführten Hand, als würde sie etwas essen.

Dann lief sie wieder nach vorne und blieb nicht weit von Trios stehen. Sie suchte Blickkontakt, doch kaum kam er zustande, blickte sie weg. Zunächst sieht sie hier- und dorthin, dann geht sie schnellen Schrittes los, sich umzusehen, vor allem an trockenen Pflanzen und am Boden des Flußbettes. "Wie lange ist das Land schon trocken? Was kann man hier wo an Dingen zum Überleben finden? Waren hier schon andere?", fragte sie sich.[1]
 1. Wahnehmung 19, Überleben 17, Naturwissen 9
« Letzte Änderung: 22.01.2015, 23:48:32 von Iliana »

Iphitos

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« Antwort #14 am: 23.01.2015, 07:28:53 »
Iphitos spürt die beginnende Verzweiflung seiner Gefährten.
"Ich werde mit euch gehen, auf dass Apollo unsere Schritte führen mag." meldet sich der
junge Seher  mit fester Stimme auf Trios Aufforderung.
"Wenn der Tot an dieser öden Küste ist nicht unser Schicksal, die alte Heimat wartet wo anders.",
versucht er sich selbst Mut zu machen, "Falls wir denn noch immer das Schicksal des Prinzen Aeneas teilen."
Und damit macht er sich, auf seinen Stab gestützt auf den Weg die Küste hinauf hinter seiner Schwester her.
« Letzte Änderung: 23.01.2015, 07:29:06 von Iphitos »
"Mens agitat molem" - "Der Geist bewegt die Materie" - Ovid
scio et prospicio

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