Die Augen der Nymphe suchten die des Knienden und fanden sie. Eine Spur des Wahnsinns – brennend vor Durst – wich zurück bei den freundlichen Worten. Der Blick wanderte in die Ferne, hin zu einem Ort, den niemand außer der Nymphe selbst mit seinen Augen zu berühren vermochte. Ihre Züge schienen sich gar wundersam zu verändern. Ein Hauch des Lebens kehrte zurück auf ihre Haut und nicht mehr zischend, sondern wohlklingend war ihre Stimme. Eine Erinnerung an das, was sie einst gewesen war, lebendig geworden in der Erinnerung an das, was einst gewesen ist: “Einst war ich glücklich an diesem Ort, lebte hier. Verbrachte meine Zeit in Freude und Licht, umspült vom Wasser. Immer sang er für mich: Akantha, Akantha! Das war sein Ruf. Von morgens bis abends erklang er und ich hörte ihn gern. Auf seinem Muschelhorn spielte er für mich und mit Freuden lauschte ich ihm. Mein Triton, sagte ich zu ihm, spiele für mich für immerfort. Doch er unterbrach sein Spiel und kam zu meiner Insel, stellte sich ans Ufer, der Meerblaue, und seine Worte waren süß und doch abstoßend in meinen Ohren: Komm mit mir, verlasse diesen Ort, begleite mich zu meinem Palast, empfangen will ich dich mit meinem Hofstaat, alle sollen für dich ihre Lieder spielen. Komm mit mir, Akantha! Sei meine Gefährtin für diesen Tag.
Es leuchteten ihm die Augen als er das sprach. Aber wie hätte ich mit ihm kommen sollen, ich bin Akantha, dies ist mein Platz. Niemals habe ich mich hier fortbewegt und niemals könnte ich gehen. Das sagte ich ihm, bat ihn: Meerblauer, verweile bei mir und erfreue mich mit deinem Spiel. Keiner spielt das Muschelhorn wie du. Spiele für mich und schenke deiner Akantha ein Lächeln. Das ist alles, was ich wünsche.
Und doch spielte er nicht für mich, nein, in Zorn geriet er, ob seiner Schmähung. Wie gern hätte ich ihn hier willkommen geheißen und seinem Spiel gelauscht, doch alles woran er dachte, war sein goldener Palast und sein Hofstaat. Angefüllt mit dem Thiasos, mit den Fischen des Meeres und den Nereiden, die umherschwimmen voll Freude. Niemals hätte ich Akantha dorthin gepasst, mein Platz ist hier, auf meiner Insel.
Bitter war die Stimme die erklang, voll Kälte wie die tiefsten Tiefen eines lichtlosen Meeres: Nie wieder werde ich für dich spielen und meine Fluten sollen deine Zehen nicht mehr umspielen. Austrocknen sollst du, deine Haut soll brechen, eines jeden Nasses beraubt. Und er nahm seine Wasser und zog sie mit sich, fort von hier zurück zu seinem See, wo sein goldener Palast steht. Und dort sitzt er auf seinem Thron, zürnend und ohne Gnade, hält seine Wasser zurück.
Und doch war dies nicht das ganze Unglück, das er mir bereitete. Noch schenkten die nassen Hyaden mir Trost. Er mochte mich des Wassers an meinen Zehen beraubt haben, aber von Zeit zu Zeit kam das Nass aus den Gefilden des Höchsten und gewährte mir Erleichterung. Getrieben von seiner Wut, wandte er sich an die Ernährerin, die Mutter der Pflanze: Fruchtbare Mutter, höre meine Worte. War ich es nicht, der zu dir kam und dir erzählte von der Hand des Tiefen, die sich legte auf den marmornen Schenkel der Deinen. War ich es nicht, der jedes Wort dir berichtete in deiner Trauer, auf dass die Wahrheit der Tat ans Licht kommen möge. Verdankst du es nicht mir, dass in drei Teilen des Jahres bei dir weilt und nur den einen bei ihrem Gatten verbringt? Soll dieser Dienst unerhört bleiben, die Worte unbeantwortet, die Gunst unerwiesen? Ich bitte dich, Ceres, große Mutter, gewähre mir diesen Lohn und sprich deinen Fluch über sie. Lass sie verwelken, wie einst die ganze Welt verging, als du in Trauer um deine Tochter warst. Verwehre ihr das kühle Nass, das aus den Himmeln kommt, auf dass sie erkennt, wie närrisch es ist, Triton abzuweisen.
Es erhörte sein Flehen die Fruchtbringerin und entzog mir auch den letzten Trost der mir geblieben war. Jetzt lebe ich hier, alleingelassen von meinen Brüdern und Schwestern, die längst dem Zorn des Meerblauen gefolgt sind und mich meiden, auf dass sie nicht auch von seinem wütenden Auge erblickt werden. Nichts ist mir geblieben, alles ist fort und mein Triton zürnt mir in seinem Palast aus Gold.“
Eine einzelne Träne, benetzte ihre Wange, nahm alles Leben, das die Erinnerung zurückgebracht hatte mit sind und floss hinab zu ihrem Kinn. Dort hing sie, wie der Wassertropfen am feuchten Stein, bis sie zu Boden fiel, der rissig war wie nun wieder Akanthas Haut.